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  #1  
Alt 13.09.2013, 22:02
Patzel Patzel ist offline
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Standard bleiben oder trennen? Wenn es zu schwer wird...

wie geht man als Partnerin damit um, wenn die Last des Ganzen zu schwer wird? Mein Freund, hatte Gallengangskarzinom, wurde zwar operiert, aber damit wurden leider nicht alle Probleme erledigt, hat sich so verändert, daß ich damit nicht mehr zurecht komme, ohne daß ich selbst dabei vor die Hunde gehe.
Es ist, als hätte man es mit einem Manisch-Depressiven zu tun. Es gibt Momente voller Hoffnung, wo wir gemeinsam noch Pläne schmieden, dann gibt es die düsteren Stunden, in denen er sich in sich selbst zurückzieht und jegliche Nähe von sich weist. Es wechseln Momente, wo er morbides Denken hat, mit solchen, wo er meint, man müsse nicht alles so pessimistisch sehen. Ich weiß allmählich nicht mehr, auf was ich mich noch einstellen soll. Manchmal bittet er darum, daß ich mich um die neuesten Diagnosen kümmere, mit den Ärzten spreche usw., dann wieder frisst er alles in sich rein und spricht nicht mir mir darüber.
Bis heute nimmt er (nach außen hin, innerlich sieht das mit Sicherheit anders aus) die Krankheit und alles, was damit zusammenhängt, nicht richtig wahr, unterdrückt sämtliche Symptome ernsthafter Folgeerkrankungen, versucht seinen tatsächlichen Gesundheitszustand vor mir zu verstecken... so sind z.B. inzwischen auch massive Herzprobleme und die Probleme durch Lungenmetastasen vorhanden, die er sich weigert, als solche wahrzunehmen..." ist sicher nur eine Erkältung" (klar, wenn man beim Reindrehen einer Schraube nach Luft ringt und die Lippen bläulich werden).
Vor einigen Jahren (nach seiner Scheidung) hat er angefangen, 1 -2 mal die Woche zu trinken, meiner Meinung nach zu einem gefährlichen Level. Ob die Leberprobleme damit zu tun haben (außer GG-Karzinom und einem Tumor auf der Leber war da ja auch eine Schrumpfleber, was die OP bestimmt nicht gerade vereinfacht hat), dürfte auf der Hand liegen. Im Gegensatz zu regelmäßigen Säufern hat er das wohl "im Griff" (glaubt er und mag bis zu einem bestimmten Grad recht haben), d.h. er macht es so bewusst, daß er seine Medikamente an den Abenden, wo er plant, sich zuzuschütten, nicht nimmt, vorher nichts isst, damit nur ja der Alkohol schnell seine benebelnde Wirkung entfachen kann und geht dann nach Hause, wenn er sein Pensum erreicht hat, um sein verspätetes Abendessen zu sich zu nehmen und dann ins Bett zu gehen.
Mich macht das Ganze fertig. Wenn er so weitermacht, bringt ihn das schneller ins Grab, als es der Krebs je könnte. Was um Himmels Willen soll ich tun? Ich bin nahe dran, die Beziehung zu beenden, weil ich es nicht mehr mitanschauen kann. Auf der anderen Seite will ich ihn auch nicht im Stich lassen und notfalls den schwersten Weg aller Wege mit ihm gehen bzw. ihn bis zum Ende begleiten. Er soll nicht im Hospiz enden, sondern zuhause, ob bei mir oder bei ihm, grad mal 5 min. entfernt (wir wohnen nicht zusammen, weil das wahrscheinlich bei zwei so sturen Persönlichkeiten nicht klappen würde) ist nicht so wichtig.
Aber mich macht es fertig und ich muß eine Entscheidung treffen. Heute ist wieder einer dieser Abende... er ist ausgegangen und dürfte in einer halben Stunde sein "Pensum" erreicht haben. Ich weiß aber, wie schlecht es ihm in dieser Nacht dann gehen wird, weil der Körper sich natürlich gegen das alles wehrt. Mich hat er tunlichst nicht dabei haben wollen, klar, damit ich ihn nicht bremse.
Irgendeine dieser Nächte wird er nicht überleben, wenn er so weiter macht.
Ich weiß nicht, was ich mit seiner Diagnose machen würde, vielleicht würde ich auch Vergessen im Alkohol suchen, hab keine Ahnung.
Er manövriert so nahe am Limit...
was kann ich denn tun?
Morgen, wenn er die körperlichen Folgen dieses heutigen Exzesses spürt (obwohl, vielleicht nimmt er mir die Entscheidung ohnehin ab und beendet die Beziehung von seiner Seite aus, weil ich es tatsächlich gewagt habe, heute endlich einmal deutlich zu sagen, was ich von dem Ganzen halte) werde ich wieder gut genug sein, mich um Medikamente und die Linderung seiner Beschwerden zu kümmern...
Aber ich kann nicht mehr
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  #2  
Alt 14.09.2013, 14:14
Benutzerbild von wildcat2505
wildcat2505 wildcat2505 ist offline
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Standard AW: bleiben oder trennen? Wenn es zu schwer wird...

Hallo Patzel,
Beim Lesen hatte ich ganz dolle Gänsehaut und einen dicken Kloss im Hals.Vieles deiner Schilderung hat mich an unsere Diagnose-Anfangszeit erinnert. Auch dieser Satz ist mir sehr bekannt vorgekommen
Zitat:
Ich weiß nicht, was ich mit seiner Diagnose machen würde, vielleicht würde ich auch Vergessen im Alkohol suchen, hab keine Ahnung.
und ich denke, da liegt auch der Schlüssel.
Unsere Lieben leben in einer anderen Welt mit der Diagnose als wir. Für sie kommt meist neben der Diagnose hinzu, dass sie am Anfang die Endlichkeit des Lebens viel intensiver erleben als wir "nur" Angehörigen.
Ich bin davon überzeugt, dass am Anfang ruhig ein Resignieren, Verdrängen und manchmal auch eine Charakterveränderung stehen dürfen (meine Meinung). Aber das sollte sich nach dem anfänglichen Schock legen und dann fangen die meisten an zu kämpfen, weil sie feststellen, da ist vieles, auf dass ich nicht bereit bin, zu verzichten...mein Leben, meine Liebe, meine Familie oder was auch immer als Kampfansage zu verstehen ist.
Zitat:
wie geht man als Partnerin damit um, wenn die Last des Ganzen zu schwer wird?
ich glaube, du hast deine Entscheidung schon getroffen - es schmerzt dich vielleicht einfach nur zu sehr, sie klar zu formulieren.
Ich kann dir nur aus meiner Vergangenheit berichten. Für mich hat sich diese Frage einmal gestellt, als mein Mann sich bedingt durch eine Interferon-Therapie vom Wesen ins komplette Gegenteil verkehrt hat und ich nicht nur mich, sondern auch unseren damals 7-jährigen Sohn schützen musste. Ich habe ihn klipp und klar vor die Wahl gestellt - entweder du arbeitest an dir oder du wirst den Weg allein gehen müssen.
Seine Wahl fiel für seine Familie aus. Und ab dem Zeitpunkt gab es nur noch ein Wir im Kampf gegen die Krankheit. Nie wieder Zweifel, dafür jede Menge Angst, Depressionen und noch mehr Hoffnung, Optimismus und Zusammenhalt.
Du solltest dir meiner Meinung nach nicht die Frage nach der Kraft stellen, sondern dich fragen, kann und will ich damit leben, was auf mich zukommt, kann und will ich gemeinsam kämpfen, kann und will ich auch mit Ablehnung leben?
Solltest du auf alle Fragen ein eindeutiges JA finden, dann kann ich dir auch aus meiner Erfahrung heraus sagen....du findest die Kraft, wenn du sie brauchst...ich kann dir nicht sagen, wo sie her kommt, ich kann dir nur sagen, sie wird da sein.
Ich wünsche dir für all deine Entscheidungen und euren Weg alles erdenklich gute
__________________
GlG Rika
mein Mann: Hautkrebs pT3aN1aM1c Klinisches Stadium IV, CL 4 *16.09.1963 - 26.1.13
Nicht die Zeit heilt unsere Wunden, wir gewöhnen uns nur an den Schmerz
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  #3  
Alt 17.09.2013, 12:50
Patzel Patzel ist offline
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Standard AW: bleiben oder trennen? Wenn es zu schwer wird...

Danke für deine Antwort.
Die Entscheidung ist wahrscheinlich längst gefallen, ich könnte ihn nie im Stich lassen und will es auch nicht. Es sind einfach die Momente, wo man das Wechselbad zwischen Hoffnung und Verzweiflung kaum mehr aushält. Oder so wie heute früh: nach einer unruhigen Nacht konnte er sich heute früh vor Schmerzen kaum aufrecht halten. Bis heute haben wir den Befund vom Szinti letzter Woche nicht. Anstelle nachzuhaken, wo der nun bleibt, kam dann wieder der Griff zu Schmerzmitteln. Ich kann ihn ja nicht zwingen, wegen des Befundes nachzuhaken. Und würde ich es selbst tun, dann würde ich über seinen Kopf hinwegentscheiden, wie bei einem unmündigen Kind. Das könnte ich ihm nicht antun.
Mir ist klar, daß er einfach Angst vor diesem Befund hat und deswegen um jeden Tag "Aufschub" froh ist, wo er sich noch einreden kann, daß sicher alles in Ordnung ist. Nur Kopf in den Sand stecken, bringt einen keinen Schritt vorwärts.
Er verdrängt immer noch viel zu viel... kürzlich hat er im Internet nachgesehen, wozu eine Szinti überhaupt dient und hat sich (zum ersten Mal überhaupt!) seinen letzten Arztbericht (den ich auswendig kenne) angesehen. War dann völlig entsetzt, daß die Ärzte Metastasen vermuten und deshalb die Untersuchung angesetzt haben. Dabei hatte ich es ihm erklärt, wenn auch auf die schonendste Weise und ohne zu sehr ins Detail zu gehen.
Ich will ihm ja auch keine Angst machen, sondern nur sicherstellen, daß jede Behandlung, die notwendig ist, auch zeitnah erfolgen kann.
Dann wieder beschäftigt er sich mit Fragen, was ist, wenn es zu Ende geht. Unsere Nächte sind davon geprägt, ob es die letzten sind, die wir zusammen haben dürfen, er hat gesagt, daß er seinen letzten Moment in meinen Armen erleben möchte, spricht mit seiner Katze, daß er weiß, daß ich immer für sie sorgen werde...
wenn ich dann in Tränen ausbreche, ist es ihm keine Hilfe, also reiße ich mich zusammen und versuche, Zuversicht auszustrahlen. Bin froh, wenn ich dann später alleine bin (sei es einkaufen oder was auch immer) und im Auto wie ein Schloßhund heulen kann, ohne daß er es sieht.
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  #4  
Alt 18.09.2013, 10:21
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Nicole13 Nicole13 ist offline
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Hallo Patzel!

Dieses Gefühlschaos kenne ich auch nur zu gut. Es ist wirklich schlimm. Hast Du mal mit Deinem Mann Klartext geredet? Bei meinem bringt es immer unwahrscheinlich viel, wenn er mal wachgerüttelt wird. Auch wenn es sich dann in dem Moment hat anhört, wenn man von Tod und solchen Dingen spricht, aber bei uns hat es schon oft was gebracht. Meiner krümmte sich auch vor Schmerzen, hat keine Luft mehr bekommen. Statt dann sofort ins KH zu fahren, hat man dann erstmal gewartet. Und da könnte ich platzen. Ich verstehe zwar, dass er nicht gerne dort ist, wer ist da schon gerne, aber wenn man Luftnot hat, hört der Spaß auf. Da habe ich ihn mal gefragt, ob er es schöner fände, wenn ich ihn mal tot zu Hause auffinden würde, da ich vormittags arbeiten bin. Hat gewirkt.
Es ist schon alles schwer.

Liebe Grüße
Nicole
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  #5  
Alt 18.09.2013, 17:02
Patzel Patzel ist offline
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jetzt haben wir vor ein paar Stunden auch noch die Info bekommen, daß auf dem Szinti Knochenmetastasen erkannt wurden und deshalb relativ kurzfristig noch ein PET-CT angesetzt werden soll. Zwangsläufig haben wir dann Klartext reden müssen...
Näheres konnte uns die Hausärztin noch nicht mitteilen, hat die Auskunft auch nur auf Nachfrage vom KH erhalten und ist mit dem Fall völlig überfordert (was sie inzwischen endlich zugibt).
Unser Klartext begann so, daß er mich gefragt hat: "du hast das gewusst oder zumindest geahnt, weil du schon kürzlich unbedingt wolltest, daß ein PET gemacht wird?" (hätte aber die Kasse zu diesem Zeitpunkt wohl nicht bezahlt, weswegen ich mehr als erbittert war, weil schon wieder Zeit ins Land gegangen ist). Endlich konnten wir im Anschluß an diesen Auftakt einmal offener reden.
Das ändert freilich an der ganzen Situation nichts, im Gegenteil ist die Angst wahrscheinlich nun noch um einiges größer geworden, weil da nun die Karten auf dem Tisch liegen und man sich nicht mehr einreden kann, da wäre nichts oder es gäbe vielleicht andere Erklärungen. Zudem hat die Ärztin den (psychologisch fatalen) Fehler gemacht, ihn auch noch extra zuhause aufzusuchen, um diese Mitteilung zu machen. Jetzt hat er natürlich das Gefühl der Endzeitstimmung. Angst vor den Behandlungen, die da nun noch kommen werden einerseits, aber auch Angst, daß vielleicht gesagt werden könnte, es gebe keine weiteren Möglichkeiten der Behandlung mehr.

Ich könnte den gesamten Ärztehaufen auf den Mond schießen, vor allem den, der die Metastasen als eingeklemmten Nerv diagnostiziert und munter nur Schmerzmittel verschrieben hat, der es nicht mal für nötig hielt, in 3-Monatsabständen Kontrolluntersuchungen zu machen...
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  #6  
Alt 18.09.2013, 18:31
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wildcat2505 wildcat2505 ist offline
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Hallo Patzel,
ähm...mal vielleicht ne dumme Frage...wieso Hausärztin? wieso kein zuständiger Onkologe?
dieses Hin und Her kann nicht gut sein...ihr kriegt keine klaren Aussagen, Verzögerungen, Ungewissheit und Angst...
nun auch noch Knochenmetastasen...das tut mir ehrlich leid für euch.
Dein LG hat doch sicher ein zuständiges Tumorboard...vielleicht wäre es ja von Vorteil, wenn ihr dort mal all eure Fragen, Ängste und Sorgen ausbreitet.
Dieses Teilen zwischen KH und Hausärztin...ehrlich? da wär mir der Weg zwischendrin einfach zu weit.
Der Hausarzt meines Mannes war eigentlich nur noch dazu da, ihm die vorgeschlagenen Schmerzmedis zu verschreiben...alles andere hat die Tumorsprechstunde übernommen...wir haben die Berichte nach hause geschickt bekommen (natürlich nachdem wir alles besprochen hatten).
Mich beschleicht bei eurer Kommunikation mit den Ärzten ein komisches Gefühl.
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GlG Rika
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