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#1
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AW: Kritik am Verstorbenen?
Hallo Leute
Finde ich echt gut, das dieses Thema auf den Tisch kommt. ABER: Das ist auch der Punkt, an dem jeder mal über sich selbst, sein Verhalten und den Umgang mit anderen nachdenken sollte. Da gewinnt der Spruch "Nobody is perfect" wieder gewaltig an Bedeutung, oder? |
#2
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AW: Kritik am Verstorbenen?
ich finde ja, dass es auch sehr von dem jeweiligen Partner abhängt.
Jedenfalls momentan schließe ich es für mich völlig aus, "schlecht" über meine Frau zu reden, wenn sie es doch eines Tages nicht schaffen sollte. Es gibt einfach keinen einzigen Grund, der mir zu diesem Thema einfallen würde. Als Tabu würde ich es gar nicht bezeichnen wollen, es gibt nur nichts... Wenn ein anderes Familienmitglied sterben würde (Alkoholiker), dann würde ich andererseits keinen Grund sehen nicht darüber zu reden, dass er sich tot gesoffen hat. Also immer offen, aber immer auch mit Grund. |
#3
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AW: Kritik am Verstorbenen?
Hallo Graci,
deine Gedanken sind nicht verkehrt. Ich kämpfe auch - in gewisser Hinsicht- mit dem "Nachlass". Es war z.B. bei uns eben alles auf ein Leben nach dem "Erwerbsleben" ausgerichtet. Und mein Mann war selbständig, da geht auch manches etwas anders. Ich bin für mich froh, die gedankliche Linie gekannt zu haben und denke auf dieser Basis werde ich meinen weiteren wirtschafltichen Weg finden - also ich trage da nichts nach. Eigentlich denke ich manchmal: hättest du (also ich) dich da mehr gekümmert und dich nicht nur drauf verlassen. Es war auch immer logisch und auch sehr bequem. Und mit diesen Umständen, die das Leben dermaßen umkrempeln, damit haben wir beide nicht gerechnet. Also: kein schlechtes Gewissen - es ist eben so - warum auch immer. Ireen
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http://www.myvideo.de/watch/4892460/...ume_leben_ewig Wolfgang *03.04.1947 - +18.10.2008 Christel *17.05.1950 - +12.04.2011 |
#4
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AW: Kritik am Verstorbenen?
@ Alle,
die Gelegenheit, über das eigene Leben und die eigenen Fehler nachzudenken, hatte man bereits vorher. Wir haben das noch gemeinsam gemacht und Bilanz gezogen. Wichtig dabei ist was überwogen hat, welche Lehren man daraus zieht und ob man sie umsetzen kann. Als Hinterbliebene/r hat man es da schwerer. Man kann es nicht mehr gemeinsam tun. Was noch hinzu kommt ist dieses ungeschriebene Gesetz: niemals schlecht über einen Toten reden! Ein Tabu, das auch hier im KK anscheinend nicht gebrochen wird. Warum eigentlich? Es geht doch dabei nicht um üble Nachrede, sondern lediglich um die Feststellung, dass auch unsere Verstorbenen nicht zu allen Zeiten die reinsten Engel waren, sondern Menschen wie alle anderen auch. Mit guten und auch mit manchmal weniger guten Seiten. In welcher Ehe gab es keine Zeiten, wo man sich nicht verstand? Wo man sich auch mal so richtig gefetzt hat? Welcher Mensch war nicht auch mal weniger lieb zu seinen Mitmenschen? Egoismus, Neid, Hass, Wut, Gleichgültigkeit: menschliche Gefühle, die auch ihnen durchaus nicht fremd waren. Gefühle, die durchaus schonmal auf den Partner, die Partnerin, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn oder Tochter gerichtet sein konnten. Das ist das ganz normale, tobende Leben und bleibt nicht aus und sei es auch nur in Gedanken. Warum sind alle Menschen plötzlich nur noch lieb und gut gewesen, nur weil sie verstorben sind? Schon oft hat sich mir der Magen umgedreht, wenn ich an Beerdigungen die "Lobeshymnen" von der Kanzel hörte. Muss das sein? Jeder der Anwesenden (fast jeder) wusste, dass da gelogen wird dass sich die Balken biegen. Kann man nicht auch anders, ganz normal über Tote reden? Oder ist das ein bisschen Beweihräucherung des eigenen Egos? Es gibt einen einzigen Grund, den ich akzeptiere, es nicht zu tun: unsere Verstorbenen können sich nicht mehr dagegen wehren! Auch wir könnten sie ja falsch einschätzen. Nur, sie mit übertriebem Glanz und Gloria in den Himmel heben, das müssen wir auch nicht. Über ihre kleinen Ecken und Kanten vernünftig reden, das dürfen wir, mit Vorsicht. Liebe Grüsse Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376 http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070 Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise. |
#5
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AW: Kritik am Verstorbenen?
Hallo an Alle!
Ich weiß nicht mehr wo ich es gelesen hatte, aber ich habe es nie vergessen, denke heute sehr oft darüber nach: Es ist ein Unterschied mit einem Lebenden zu leben oder mit einem Verstorbenen. Es ist wichtig und notwendig für das eigene Weiterleben, dem Toten einen „neuen Platz“ zu geben. Ich denke, diesen Platz zu finden, der dem geliebten Verstorbenen würdig ist und doch das eigene Weiterleben nicht verhindert gehört zu dem was wir Trauerarbeit nennen. Und den Platz kann man erst im Laufe der Zeit finden. Bis dahin durchleben wir so viele verschiedene Ebenen der Trauer so lange, bis unser geliebter Mensch ganz allmählich wieder komplett wird in unserer Erinnerung. Ich persönlich habe nicht deshalb nicht schlecht über meinen Mann gesprochen, weil „man es nicht tut“, sondern weil mir zu Beginn tatsächlich nichts, aber überhaupt nichts Negatives in den Sinn kam. Ich habe ausschließlich seine positiven Eigenschaften gesehen und vermisst, hatte Panik davor wie ich eben genau ohne diese leben können soll. In meiner Erinnerung war ich alleine Schuld an allem was in unserer Ehe schief lief. Mein Mann war perfekt. Zahllose Gespräche mit anderen Hinterbliebenen, die mir auf meinem Weg der Himmel geschickt hat, veränderten auch die Erinnerungen, ließen im Laufe der Zeit meinen Mann wieder „ganz“ werden, d.h. mit all seinen guten Seiten, aber auch mit den Fehlern, die er zweifelsohne hatte. Kleinigkeiten, die mich in unserer Ehe wütend gemacht hatten, ganz allmählich wurden sie wieder lebendig und heute erinnere ich mich an meinen geliebten Mann mit all seinen Facetten, mit allem, was ihn ausgemacht hat. Er ist wieder komplett. Die Schubladen, die langsam in jedem Gespräch ein wenig mehr aufgegangen sind, die mich Päckchen packen ließen. Ein langwieriger Prozess. Ich erinnere mich noch wie heute, als ich eines Tages meiner Freundin etwas Negatives über Claus erzählte. Als es mir bewusst wurde, war ich zunächst ziemlich erschrocken. Aber diese Wendung hatte etwas Befreiendes. Ganz allmählich bekam nämlich auch ich wieder die Stelle, die mir in meinem früheren Leben zustand. Nicht nur er hat mich glücklich gemacht, auch ich ihn. Nicht nur er hat den ein oder anderen Streit entschärft, auch ich. Nicht nur er war verantwortlich für das Gelingen unserer 28-jährigen Beziehung, sondern auch ich. Heute, fast 5 Jahre auf meinem Weg, ist mein Mann in meiner Erinnerung wieder komplett. Hin und wieder „schimpfe“ ich mit ihm, oftmals lächle ich, wenn ich an seinen Blick denke, der mir all seine Verachtung ausdrücken konnte, wenn ich mich nicht so verhalten hatte, wie er es sich gerade in dem Augenblick gewünscht hat. Ich bin versöhnt mit ihm, das ist ganz wichtig. Und deshalb ist es mir auch erlaubt zu sagen: Mein Gott hat er mich manchmal genervt. Und ja, ich vermisse den ganzen Mann, den Mensch mit allem Guten, aber auch mit seinen Fehlern. LG Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι και δεν επέστρεψες |
#6
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AW: Kritik am Verstorbenen?
Hallo Andrea,
beim Lesen deines Beitrages musste ich unwillkürlich schmunzeln. Die gleichen Gedanken sind auch mir schonmal durch den Kopf gegangen. Nicht nur das: meine Töchter und ich, wir reden oft über sie. "Was hätte sie jetzt wieder die Augen verdreht oder geschimpft". Auch solche Sachen eben. Und hinterher lachen wir dann wieder darüber. Oder "wenn Blicke töten könnten". Natürlich auch, dass es schön wäre, sie könnte dies oder jenes noch mit uns gemeinsam erleben. Die Einschulung unserer ältesten Enkelin z.B. Beides ist gegenwärtig, das Lachen und das Schimpfen. Najaaaa, manchmal hatte sie ja auch recht . Es ist, wie du sagst, der ganze Mensch, der uns verlassen hat. Mit seinen Ecken und Kanten in seiner ganzen Grösse. Wobei das immer eine sehr persönliche Empfindung ist. Jeder sieht den Anderen mit seinen eigenen Augen. Soweit so gut. Nur, dann gibt es ja auch noch diese richtigen Ekelpakete, die ihrem Umfeld das Leben schwer gemacht haben. Selbst da sollte man mal das Kind beim Namen nennen dürfen. Alles Liebe Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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#7
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AW: Kritik am Verstorbenen?
Hallo an Alle,
ich will dann hier etwas erzählen, von dem ich nicht weiß, wie es aufgenommen wird. Ich habe mein gesamtes Leben geändert, ich bin umgezogen, habe sämtliche Möbel neu angeschafft, eine zweite Katze adoptiert und mich inzwischen selbstständig gemacht. Einen krasseren Wechsel hätte ich kaum vollziehen können. Ist das normal oder bin ich gemein, weil ich alles wegwerfe? Liebe Grüße |
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