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Alt 10.08.2009, 17:43
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Dazu möchte ich folgendes erzählen.

Meine Frau sass vor mir auf dem Sofa, Elend, Angst, Schmerzen, qualvoll-rasselnde Atemzüge, die Augen weit aufgrissen: "Schatz, hilf mir! Tu was!" Ich hab ihre bodenlos-leeren Augen gesehen. Ganz unten schrie es: "Raus, nur weg von hier. Ich halt das nicht mehr aus!" Ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich hab es ihr gesagt, dass ich am Ende bin, nicht mehr weiter weiss. Nicht mehr weiss, wie ich ihr helfen kann. Ich hab mich neben sie gesetzt, total erschöpft schlief sie ein um bereits nach ein paar Minuten wieder aufzuschrecken. In meinem Kopf hämmerte es: was tun? Kurz vor 16:00 Uhr rief ich auf der Rettungsleitstelle an: "Brustkrebs, Pleuraerguss, akute Atemnot". 4 Minuten später waren die Sanitäter da und begannen ihre Arbeit. Ein paar Minuten später der Notarzt. Die Polizei brachte ihn bis zum Haus, da der Hubschrauber etwas weiter erst einen Landeplatz fand.

An dieser Stelle mal ein herzliches Dankeschön an die Menschen von der Leitstelle, die Sanitäter, den Notarzt, den Hubschrauberpiloten und die Polizei für ihren perfekten und professionellen und nicht zuletzt auch ihren menschlichen Einsatz. Danke.

Auf der Intensivstation wurde das menschenmögliche versucht, ohne Erfolg. Sie wurde dann in's künstliche Koma gelegt, wohl wissend, dass sie daraus nicht mehr erwachen wird. Nur wie lange, das wusste niemand zu sagen. Was dann war hab ich an anderer Stelle bereits beschrieben. Nur 24 Stunden nach meinem Anruf verstarb sie in meinen Armen im Beisein unserer Kinder und ihrer besten Freundin.

Warum schreib ich das hier? Damit man meine Entscheidung vielleicht besser versteht. Ich hab eine Entscheidung treffen müssen, für sie. Eine Entscheidung gegen das Sterben zu Hause. Nicht im allgemeinen sondern nur explizit in diesem Fall. Ich würde heute unter gleichen Bedingungen wieder so entscheiden. Vielleicht sogar gegen einen früher mal geäusserten Willen.

Sie wusste in dem Moment, das es zu Ende geht. Alles, was sie wollte war, nur keine Qualen mehr erdulden, nicht elend ersticken sondern menschenwürdig sterben. Die Entscheidung hat sie mir überlassen. Wie gesagt: ich kann mit dieser Entscheidung leben. Ich mache mir deswegen keine Vorwürfe. Ich weiss, ich habe das Beste für sie getan.

Das Gleiche will ich auch mal für mich. Ich habe mich entschieden. Ist es zu Hause möglich, ist das gut. Ist die Klinik besser, ist das für mich auch in Ordnung. Ebenso mich, je nach Umständen, selbst zu töten. Mir tut nur der oder die heute schon leid, der/die dann eventuell die Entscheidung fällen muss.

Jedem die freie Entscheidung. Ich wünsche jedem die persönlich richtige Entscheidung für ein menschenwürdiges Sterben .......... bis hin zum Freitod.


Alles Liebe

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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Geändert von HelmutL (10.08.2009 um 18:23 Uhr) Grund: was vergessen
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