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  #1  
Alt 10.02.2009, 16:01
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Zitat:
Zitat von Pflegefrau Beitrag anzeigen
Ich glaube, es wünscht sich jeder einmal, zuhause im Kreise der Familie sterben zu dürfen. Aber leider ist das sehr oft garnicht möglich, sei es aus medizinischen Gründen oder aufgrund von zu aufwendiger Pflegemaßnahmen.
Ich hoffe, dass die vielen Berichte in diesem Thread für diejenigen, die den Weg noch vor sich haben, hilfreich und unterstützend sein können. Ich freue mich, über die zahlreichen Beiträge, mir wären sie bei der Sterbebegleitung meines Mannes sicher hilfreich gewesen. Die Angst davor, was da auf einen zukommt ist aus meiner Erfahrung sehr groß.

Liebe Grüße
Geske

Geändert von Geske (10.02.2009 um 16:08 Uhr)
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  #2  
Alt 26.02.2010, 23:37
Songbird78 Songbird78 ist offline
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Beiträge: 12
Standard AW: Zuhause verstorben

Guten Abend!

Meine liebe Schwiegermama ist nun bereits seit etwas mehr als einem Jahr nicht mehr bei uns. Auch sie durfte zu Hause sterben.
Es war die härteste Zeit in unserem Leben, aber ich würde es immer wieder so machen.
Wir bekamen die Diagnose im April 2008, sie war während ihrer Erkrankung nur 1 Woche im KH, anschließend zu Hause bei ambulanter Chemotherapie.
Anfangs ging es ihr damit noch gut, sie hat noch einen Hund angeschafft und an guten Tagen sogar im Garten herumgewühlt.
Leider schlug keine der Chemos wirklich an, so dass wir ab September darauf gefasst waren, dass sie es nicht schaffen wird. Ein herber Schlag, trotzdem blieb bis zum letzten Tag die Hoffnung, dass vielleicht ein Wunder geschieht.
Vielleicht muss man sich diese Hoffnung bewahren, um nicht völlig verückt zu werden. Mir kam es oft so vor!
Ende Januar 2009 galt sie dann als austherapiert. Man bot uns an, sie in einem Hospiz unterzubringen, oder auch im KH, damit sie künstlich ernährt werden könnte, etc. Doch sie selbst wünschte sich, zu Hause bleiben zu können. Wir hatten ein sehr offenes Gespräch, in dem sie Wünsche zu ihrer Beerdigung äußerte - ein sehr schöner Abend trotz der Dinge, die uns bevorstanden.
Dann begannen ihre letzten drei Wochen. Was uns da bevorstehen sollte, war mir nicht mal in meinen kühnsten Vorstellungen klar! Es war furchtbar, mitanzusehen, wie sie von Tag zu Tag weniger wurde, weniger konnte und vorallem verzweifelter wurde. Sie wollte nicht sterben - und wir wollten es auch nicht. Ein Pflegedienst war längst beauftragt, ein Rollstuhl bestellt und die ambulante Hospizhilfe informiert. Sie war auch einmal da.. aber viel gebracht hat es nicht.
Wir hatten Angst vor dem Moment, in dem sie geht. Haben jeden Morgen damit gerechnet, dass sie einfach nicht mehr aufwacht. In diesen 3 Wochen sind wir durch die Hölle gegangen. Vorher auch.. aber besonders diese Zeit war schlimm. Trotzdem, wir konnten ihr ihren letzten Wunsch erfüllen, zu Hause sterben. Am schlimmsten waren die letzten zwei Tage vor ihrem Tod. Am Samstag vormittag hat sie das letzte Mal mit mir gesprochen - wir haben zusammen geweint. Sie hat noch versucht mich zu trösten. Dieses letzte Gespräch ist mir fest ins Herz eingewachsen. Ich werde und will es nie vergessen. Ab Mittags war sie nicht mehr ansprechbar. Ihr Todeskampf dauerte bis in die Nacht von Sonntag auf Montag. Um 2.00 Uhr war sie endlich erlöst.

Wir haben besonders diese letzte Zeit sehr intensiv erlebt. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn sie im KH gestorben wäre. Auch, dass sie nach ihrem Tod noch 12 Stunden bei uns war, zwar tot in ihrem Bett lag - aber wir eben diese Zeit hatten, um immer wieder bei ihr zu sein, uns zu verabschieden, wäre im KH soooo sicherlich nicht möglich gewesen.

Ich werde sie nie vergessen, sie war das Beste, was ich an "Mutterfiguren" hatte und hat vieles wieder gut gemacht, was andere "Damen" dieser Gattung verbockt haben. Durch ihr Heimgehen zu Hause habe ich den Tod direkt erlebt, es war hart, aber ich würde für jeden anderen, der sich das wünscht, wieder tun.

An diesem Punkt habe ich festgestellt, dass auch ich zu Hause sterben möchte, egal, wann und wie das sein wird. Sie war im Kreise ihrer Familie und das nicht nur vor, sondern auch über ihren Tod hinaus.
Es gab eine wunderschöne, sehr persönliche Überführung. Die Kirche und der Friedhof sind schräg gegenüber unseres Hauses, so ist sie immer noch ein wenig da. Wenn ich heute in unser Ankleidezimmer gehe und dort aus dem Fenster sehe, kann ich ihr Grab sehen. Oft stehe ich dort, wünsche ihr einen guten Morgen oder eine Gute Nacht...immer mit Tränen in den Augen!
Sie war ein ganz besonderer Mensch und sie hatte es verdient, dass ihr ihr Wunsch, zu Hause zu sterben ermöglicht wurde! Egal wie hart es war, egal wie anstrengend, egal wie nah und unumstößlich.. sie war es wert!!!

Es tut mir leid, nun ist mein Text viel länger geworden, als er sollte. Es geht mir immer noch sehr nah, wird wohl auch noch lange so sein.. vielleicht für immer. Wenn ich dann anfange darüber zu schreiben, finde ich oft kein Ende. Nehmt es mir bitte nicht übel.

Leise Grüße,
Songbird
__________________
Meine liebe Schwiegermama 19.01.1952 - 23.02.2009
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  #3  
Alt 27.02.2010, 00:26
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Ingrid50 Ingrid50 ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Liebe Geske,
Ich bin sehr froh über dieses Thema. Ich habe das alles gerade zum 2.mal hinter mir. Mein 1. Mann starb vor 15 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
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  #4  
Alt 27.02.2010, 01:01
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Ingrid50 Ingrid50 ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Ich bins nochmal habe aus Versehen gesendet. Also nochmal. Mein 1. Mann starb vor 15 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er war 43 Jahre alt und die Ärzte gaben ihm noch ein Jahr. Er hat noch 5 Jahre gelebt und das schmerzfrei dank einer hervorragenden Betreuung in Heidelberg. Aber 1 Woche vor seinem Tod brach das Immunsystem zusammen und zu Hause wäre diese letzte Woche für ihn zur Qual geworden. Wir waren dann 1 Woche Tag und Nacht bei ihm im Krankenhaus unsere 3 Kinder kamen zu jeder Zeit wie es Ihnen möglich war und die Betreuung durch das Pflegepersonal war sehr liebevoll. Auch ich konnte mich bei den Pflegern und Schwestern ausweinen und wurde unterstützt. In den letzten 2Tagen erklärten mir die Ärzte wie ich die Morphiumdosierung einstellen konnte mit dem Hinweis ,wenn ich merken würde daß er sehr unruhig wäre sprich Schmerzen hätte ,ich die Dosierung auch erhöhen könne. Das war am Tag darauf der Fall und er ist friedlich eingeschlafen.
Bei meinem 2. Mann war das alles anders. Er hatte Kehlkopfkrebs und ist eigentlich buchstäblich verhungert. Er war nach Weihnachten2 Wochen wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus die Versorgung war denkbar schlecht und auf der Palliativstation war kein Platz da er keine Schmerzen hatte wollten die Ärzte ihn in ein Pflegeheim stecken. Ich habe ihn dann nach hause geholt und 10 Tage waren uns noch vergönnt. Der Pflegedienst war sehr gut.Es war immer die gleiche Schwester und sie stand im Notfall auch morgends um 6 auf der Matte. Da mein Mann durch Port ernährt wurde gabs halt den einen oder anderen Notfall. 3Tage vor seinem Tod sagte mir die Schwester5 vom Pflegedienst sie könne die Pflege daheim nicht mehr verantworten und rief den Notarzt. Kurz vorher war mein Mann zusammengebrochen und nicht mehr bei Bewußtsein. Als der Notarzt kam war er wieder bei Bewußtsein er wollte nicht ins Krankenhaus, aber ich habe mir das alleine ohne Pflegedienst und Hausarzt nicht zugetraut. Im KH kam er auf die gleiche Station wie vor 10 Tagen. 2 Tage ging es ihm noch gut und1 Tag vor seinem Tod sprach der Arzt doch tatsächlich mit ihm über ein Pflegeheim. Ich war fassungslos. An seienem Todestag rief das KH morgens um 7 an sein Zustand habe sich über nacht sehr verschlechtert. Ich ging sofort ins KH .Der Arzt kam fragte ob er die Porternährung abstellen könne, er würde Morphium empfehlen mein Mann wäre nicht mehr bei Bewußtsein und Morphium würde ein Hinübergleiten bedeuten. Ich saß fassungslos da. Ich wußte daß mein Mann vor allem nicht leiden wollte also habe ich zugestimmt. 8 Stunden später war er tot. Vom Pflegepersonal und von den Ärzten ließ sich die ganze Zeit niemand blicken. Heute sind genau 2 Wochen vergangen und ich grüble immer mehr darüber nach ob nicht noch ein Abschied möglich gewesen wäre.
Wie du siehst 2 völlig unterschiedliche Erfahrungen.
Ich weiß nur daß es bei meinem 1. Mann würdevoll und gut war. Über den Tod von Leo möchte ich noch gar nicht nachdenken. Von der Betreuung im KH her wars auf jeden Fall schrecklich.

Alles Liebe Ingrid
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  #5  
Alt 27.02.2010, 08:49
Benutzerbild von annika1977
annika1977 annika1977 ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Hallo,

habe diesen Thread gerade entdeckt und finde ihn sehr gut.
Auch ich war froh, in der Zeit vor Tim`s Tod, wenn ich Erfahrungen von anderen lesen konnte. So hatte man die Möglichkeit sich auf Dinge einzustellen.

Tim`s sterben ging schnell.
Aber von Anfang an.

Bis Ende April ging es ihm noch sehr gut, dann kam 1 Woche in der es ihm aufgrund der Medi`s schlecht ging. Diese wurden dann abgesetzt und er bekamm "nur noch" Schmerztherapie. Ab Mitte Mai wurde das laufen rapide schlechter, bis er dann Ende Mai gar nicht mehr laufen konnte. Danach fingen die Arme und Hände an Ihren Dienst zuversagen.
Bei all dem war er noch verhältnismäßig gut drauf.
Nach außen hin zeigte er seine Qual erst ab Ende Juni.
Für uns war bis zum letzten Tag nicht wirklich zu erkennen, dass das Ende so kurz bevorsteht.
Der Appetit wurde zwar etwas weniger und die Schlafphasen nahmen zu, aber mehr Anzeichen gab es für uns nicht.
Am Tag vor seinem Tod hatte er endlich seine Morphin Pumpe und er fand mehr Ruhe, da ihm die anderen Schmerzmittel nicht wirklich halfen und er sie daher auch nicht nehmen wollte. Er hat an dem Abend noch Pizza gegessen. Im nachhinein denke ich, das er wußte das es soweit ist, aber in dem Moment habe ich das nicht gesehen oder vielleicht nciht sehen wollen.

Er ist dann Sonntags ganz friedlich eingeschlafen. Er hatte etwa 1,5 Stunden eine komische Atmung (es hörte sich so verschleimt an), aber keine Krämpfe oder ähnliches. Ich denke er war im reinen mit sich und bereit den Weg zugehen und wir haben ihn gehen lassen, so dass es für ihn leichter war seinen Frieden zu finden.


Wichtig ist bei diesem Thema auf jedenfall, dass man sich nur darauf einlassen sollte einen Angehörigen zu Hause zu pflegen bis er stirbt, wenn man sich im klaren über die Situation ist und keine falschen Hoffnungen hat und Unterstützung an der Seite, weil einer allein kann das nicht aushalten.

Liebe GRüße
Anni
__________________
Prinz Tulpe 19.01.2001 - 12.07.2009

Für immer in meinem Herzen.
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  #6  
Alt 27.02.2010, 16:40
mollie mollie ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

ihr lieben,

meine mama ist zuhause gestorben, am 11.08.09. ich selbst war leider nicht dabei, ich kam etwa eine stunde zu spät. mein papa und mein bruder waren aber bei ihr und sie haben mir versichert, dass sie ruhig und friedlich eingeschlafen ist. mamas erkrankung, bsdk, war für uns alle eine schmerzvolle zeit und eine schmerzliche, weil hilflos gegen die krankheit stehend, erfahrung.
die diagnose bekam sie im februar, anfang märz wurde sie operiert. danach reha bie eine woche nach ostern. danach durfte sie heim, sollte sich erholen und danach mit der chemo anfangen. die chemo brachte mehr kummer als segen und so haben wir mit mama zusammen entschieden die chemo abzubrechen. ihr und uns war klar, dass sie bald wird sterben müssen. "aber ihr schickt mich nicht ins krankenhaus", das war ihr wichtig und wir versprachen ihr, dass sie zuhause würde sterben können. was wir damals nicht geahnt hatten war, dass wir es vielleicht nicht schaffen würden, sie zu hause zu pflegen und welch ein kampf es um jedes einzelne hilfsmittel geben würde. nicht, dass wir es nicht bekommen hätten...aber es dauerte wochen und so haben wir letztlich alles selbst organisiert und gezahlt (welch glück, dass wir das konnten).
die hauptlast lag bei meinem papa. ich selbst wohne 200 km entfernt, mein bruder zwar im gleichen dorf wie meine eltern aber er musste halt wie ich auch arbeiten. mein chef keine hilfe, urlaub gab es nicht. und so bin ich nach der arbeit zu mama gefahren, hab sie mit papa versorgt, bin früh morgens wieder nachhause, hab nach den mädels gesehen, zur arbeit, zu mama...und das über wochen hinweg. wir haben es geschafft, irgendwie und in solchen situationen wächst man auch über sich hinaus.
einmal noch hatten wir eine schwere entscheidung zu treffen. mama hatte sich furchtbar wund gelegen, mehrere offene stellen an rücken, steißbein und po. unser hausarzt (immer zur stelle, egal on nachts oder tagsüber) meinte, dass es fast nicht mehr möglich sei, diese wunden zuhause zu versorgen und fragte uns, ob wir mama nicht besser in eine klinik bringen wollten. mama schaute mich nur an.....dann meinen papa. sagen konnte sie nichts. papa und ich blickten uns an, dann zeitgleich meinten wir "wir packen das". wir haben es gepackt. immer weinend, weil es mama schrecklich weh tat, wenn wir sie verbunden haben aber wir haben es geschafft...papa oft allein. die damen vom pflegedientst sollten es machen, aber es war nicht so, wie wir es wollten. nicht, dass sie es schlecht gemacht hätten, sicher nicht. papa, meinem bruder und mir war es einfach zu lieblos. urlaub genommen, mein bruder und ich (hat mich den job gekostet) und von da an waren wir dafür zuständig. es war schwer, ohne frage. zu all dem kam ja auch noch, dass mama zusehends weniger konnte. waschen, füttern, das alles haben wir schon lange gemacht. irgendwann war der tag gekommen, da konnte sie nicht mehr vom bett auf den clostuhl. das war immer ihr horror gewesen, das, wovor sie die meiste angst hatte. es war meine älteste, damals 16, die der oma all ihre ängste nahm. "wo ist dein problem?", fragte sie "du bei mir, ich bei dir. einziger unterschied ist die größe der windel". da musste die oma lachen und das problem war gelöst. sicher war es komisch der eigenen mama den po zu wischen, sie zu windeln aber es war es nur beim ersten mal. danach war es einfach so, wir machten unsere witzchen. dabei war es egal, ob mein papa, mein bruder oder ich es machten oder eben auch meine tochter. es war normal, es gehörte dazu und niemand fand es befremdlich. mama war manchmal traurig, dass sie es nicht mehr alleine schaffte aufs clo zu gehen, das sah man ihr an aber sie war wohl auch froh, dass wir es machten..... als ich das letzte mal ihre windeln gewechselt habe meinte sie, dass ich es nicht mehr würde machen müssen.... sie wusste, dass ich für ein paar tage weg musste und wohl auch, dass sie sterben wird.
wenn ich zurückblicke muss ich sagen, dass ich frog bin, dass mama zuhause sterben konnte, dass sie da war wo sie sein wollte, da wo all ihre liebe zu uns und unsere liebe zu ihr sichtbar war. ich bin unendlich dankbar, dass wir ihr ihren wunsch erfüllen konnten. unendlich dankbar bin ich auch meinem papa, meinem bruder und meinen kindern. ohne sie wäre es nicht möglich gewesen. mein paps hat übermenschliches geleistet, war sich für nichts zu schade und im stillen hab ich ihm versprochen, dass auch er zuhause wird sterben können, wenn es sein wunsch ist und wir es schaffen. viel gehört dazu, nicht nur die angehörigen und ein super hausarzt, sondern eben auch das glück, dass eine medizinische versorgung zuahsue überhaupt gewährleistet ist.
ich danke gott dafür, dass es bei uns so war.
mollie
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  #7  
Alt 28.02.2010, 20:14
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Zuerst möchte ich allen neuen Beitragschreiberinnen hiermit mein aufrichtiges Beileid aussprechen.
Ich finde es gut, dass dieser Thread, in dem durch die verschiedenen Beiträge die Grenzen menschlicher Belastung thematisiert werden, wieder aktiviert wurde.

Liebe Ingrid, es gibt bestimmt verschiedene Wege des Abschieds, aber in dem betreffenden Moment gibt es für die Begleitenden eben nur diese eine Situation. Man will sich nicht von seinem Angehörigen trennen, man muss es aber, das wie ist nicht frei wählbar.
Wenn ich über die erzwungene Trennung von meinem Mann nachdenke, wünschte ich mir im Nachhinein, ich wäre innerlich freier damit umgegangen, aber zu dem Zeitpunkt seines Sterbens war mir das nicht möglich, ich fühlte mich ohmächtig.

Liebe Anni, gerade habe ich nochmal deinen Beitrag von vor einem Jahr gelesen. Leider musstest du auch die Erfahrung der Sterbebegleitung machen - bei dem eigenen Kind. Ich möchte dir ganz besonders mein Mitgefühl aussprechen.
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  #8  
Alt 12.03.2010, 12:44
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Hallo Mollie,

ich empfinde das ähnlich wie du, da gibt es einige Parallelen. Meine Frau hatte auch das Glück, Zuhause sterben zu können, so wie sie das wollte.

Sie lag lange in der Klinik, und es war klar, dass sie sterben wird. Die letzte Chemo wurde abgebrochen, erfolglos, die Metas wuchsen weiter. Sie wollte keine Behandlung mehr, ausser der palliativen. Essen konnte sie nicht mehr, die künstliche Ernährung über den Port hat sie abgesetzt, vertrug sie nicht, musste davon nur dauern kotzen. Also war klar, dass sie in absehbarer Zeit verhungern wird (hatte eh schon 30 kg abgenommen), wenn der Krebs nicht schneller ist. Also nur noch per Port Flüssigkeit, Morphiumpumpe und ein paar Medis gegen Übelkeit usw.

Zitat:
Zitat von mollie Beitrag anzeigen
was wir damals nicht geahnt hatten war, dass wir es vielleicht nicht schaffen würden, sie zu hause zu pflegen und welch ein kampf es um jedes einzelne hilfsmittel geben würde. nicht, dass wir es nicht bekommen hätten...aber es dauerte wochen und so haben wir letztlich alles selbst organisiert und gezahlt (welch glück, dass wir das konnten).
Genau so war das bei uns auch, leider. Klar, die Kasse zahlt alles, kein Problem. Aber bis die Bürokratie mal so weit ist, kann es gut sein, dass der Patient inzwischen längst tot ist. Bei meiner Frau hing es an der mobilen Morphium-Pumpe. Sie lag wochenlang "sinnlos" in der Klinik. Nur noch palliativ behandelt, medikamentös gut eingestellt, und sie fragte jeden Tag nur noch: "Wann darf ich endlich nach Hause". Antwort: "Wenn die Morphium-Pumpe für dich beantragt, geprüft, bewilligt, bestellt und geliefert ist." Das kann noch dauern. Tat es dann ja auch. Zwar hatte meine Frau in der Klinik schon seit Wochen das gleiche Modell, und das funktionierte. Aber aus formal-korrekten-bürokratisch-finanzierungs-zuständigkeits-technischen Gründen darf ja niemand die Pumpe, die in der Klinik verwendet wird, dem Patienten leihweise mit nach Hause geben. Auch wenn die in der Klinik hunderte davon haben und es nur eine Frage von wenigen Wochen ist, bis sie ihr Gerät zurück kriegen. Nein, sowas geht natürlich nicht, weil die Versicherung und der Gesetzgeber.... blablablaetcpp. Bevor die Klinik einem Todkranken seinen letzten Wunsch erfüllt, Zuhause sterben zu dürfen, pocht sie lieber formal korrekt auf das "das ist aber unsere Schmerzmittelpumpe, die dürfen wir nicht ausser Haus geben" - und läßt die Patienten gegen ihren Willen im Mehrbettzimmer einsam krepieren, weil irgendeine Vorschrift (bei der es praktisch niemanden interessiert, wenn sie übertreten wird) eine humane Lösung verhindert.

Mit den Hilfsmitteln war es bei uns genau so wie bei dir. Als die Morphium-Pumpe für meine Frau endlich da war und der Entlassungstermin aus der Klinik feststand, war Zuhause nichts. Kein Galgen, keine Dekubitus-Matratze, kein WC-Stuhl, kein gar nichts. Die Kasse sagt: das ist bewilligt, kein Problem. Der Lieferant vor Ort sagt: wir haben noch keine Kostenübernahmebescheinigung der Kasse, wir dürfen nicht liefern. Ich sage: liefern sie, und zwar sofort. Morgen kommt eine Frau nach Hause. Mir scheissegal, ob das dann die Kasse bezahlt oder ich selbst. Kann ich mir zum Glück leisten.

Zitat:
ich bin unendlich dankbar, dass wir ihr ihren wunsch erfüllen konnten. unendlich dankbar bin ich auch meinem papa, meinem bruder und meinen kindern. ohne sie wäre es nicht möglich gewesen.
Das gleiche hier. Der Pflegedienst war zwar gut, aber vieles konnte er (mangels Kostenübernahme) nicht tun, und anderes durfte er nicht tun (wie intravenös Medikamente verabreichen). Meine Frau war nur wenige Wochen zum Sterben Zuhause, aber ich war fast nie allein. Meine Schwägerin war da, hat unbezahlten Urlaub genommen, Freunde waren tagelang da, allein hätte ich das niemals geschafft.

Es war eine extrem stressige Zeit. Und das schlimmste war für mich nicht die Sorge um und die Pflege meiner Frau, sondern der ständige Kampf gegen bürokratische Windmühlen. Wenn man 10 mal täglich telefonieren muss wegen irgendeinem Sche*ssdreck, mit Kasse, Klinik, Lieferant, und alle immer das selbe sagen: ja, tut uns schrecklich leid, aber solange wir Formular xyz nicht vorliegen haben, können wir leider gar nichts, sie verstehen, der Gesetzgeber... und nichts geht voran - dann ist man irgendwann fertig mit den Nerven.

Dass wir es trotzdem geschafft haben, dass meine Frau Zuhause sterben durfte, zwar nicht "friedlich", aber in Ruhe und in ihrer gewohnten Umgebung, die sie liebte, mit den Menschen, die ihr wichtig waren... das grenzt schon fast an ein Wunder. Weil die Gesundheitsbürokratie alles getan hat, um das zu verhindern Nein, sicher nicht böswillig. Sondern einfach 100%ig bürokratisch, völlig desinteressiert an der Sache und absolut formal korrekt den Vorschriften folgend.

So ist das halt in Deutschland. Geld ist kein Problem, die Kasse zahlt schon. Aber die Bürokratie ist endlos und unmenschlich. Vorsicht, jetzt kommt ein völlig abwegiger und unlauterer Vergleich: aber als meine Frau im Sterben lag, mit dem ganzen Ärger drumrum, war mir plötzlich etwas klar, was ich im Geschichtsunterricht nie verstanden habe: wieso man in Deutschland vor langer Zeit Mio Menschen ausgrenzen, diskriminieren, verhaften, quälen und schließlich vergasen konnte. Ohne dass einer was "gemerkt" hat, und ohne dass nachher irgendeiner Schuld daran war. Klar, das war bürokratisch perfekt organisiert. Jeder hat nur das getan, was "der Gesetzgeber" von ihm verlangt hat. Menschliche Schicksale sind Bürokraten egal. Hauptsache, das Formular B2x ist da und von einem Vorgesetzten unterschrieben. Dann leitet man den Antrag halt an die zuständige Stelle weiter. Wenn nicht, dann nicht. Was das für die Betroffenen heisst, wird ausgeblendet. Kann man nichts für. Wir sind ja alle nur kleine Rädchen in einer großen Maschine, und wir persönlich sind niemals für irgendetwas verantwortlich.

Viele Grüße,
Stefan
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