Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 10.01.2009, 22:05
Bremensie Bremensie ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.11.2007
Beiträge: 758
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo,
wenn ich hier so die Beiträge vom Sterben eines lieben Angehörigen lese wird mir ganz anders. Vor allen Dingen wie sich so manche Krankenhäuser verhalten haben. Mein Lebensgefährte(63) starb am 17. Februar letzten Jahres an diesem schxx Krebs. Von der Diagnosestellung bis zu seinem Tot hat es ein halbes Jahr gedauert. Ich muss ehrlich sagen dass mich eine Sterbebegleitung zu Hause total überfordert hätte. Ich hatte bis dato noch nie einen Angehörigen in den Tot begleitet. Mein zweiter Mann starb im August 2001 den plötzlichen Herztot und da war ich 650 Km weit weg von ihm. Doch nun zurück zu meinem Lebensgefährten und seinem sterben. Er ist im Krankenhaus verstorben.Vieleicht sollte ich noch sagen dass er mich über die wirkliche schwere seiner Krankheit im ungewissen gelassen hat. Er wollte auch nicht drüber reden. Ich habe mir also viele Infos aus dem Internet geholt. Einen Tag vor seinem Tod war ich mittags noch bei ihm im Krankenhaus. Er lag in einem Zweibettzimmer am Fenster. Er stand immer wieder aus seinem Bett auf und öffnete das Fenster weil er das Gefühl hatte das er trotz Sauerstoffzufuhr über die Nase noch mehr Luft bräuchte. Am Nachmittag bin ich dann auf seinen Wunsch hin nach Huse gefahren mit dem Versprechen ihn am nächsten Tag natürlich wieder zu besuchen. Ich war kaum zu Hause da ging das Telefon. Es war das Krankenhaus. Der Stationsarzt war dran und sagte mir dass mein Lebensgefährte im Sterben läge. Auch wenn mir klar war dass er Sterben würde bekam ich einen gewaltigen Schreck. Ich habe dann seine Tochter und seinen Schwiegersohn informiert die 50 Km weit entfern wohnen.Ich hatte dann nicht die Kraft gleich wieder in die Klinik zu fahren und habe zu Hause auf die beiden gewartet. Der Schwiegersohn hat uns dann ins KH gefahren Er musste dann aber zurück zum 12 jährigen Sohn. Astrid und ich sind dann alleine auf die Station. Dort wurden wir von einer sehr netten Nachtschwester empfangen. Sie brachte uns dann zu meinem sterbenden Lebensgefährten. Was positiv war dass er immer noch auf seinem Zimmer lag und seinen Bettnachbarn in ein anders Zimmer gebracht worden ist. Auch mir ist sein röcheln und rasseln beim Lufthalen aufgefallen. Er lag aber ganz ruhig da und er bekam Morphium und starke Beruhigungsmittel. Astrid und ich haben uns dann an sein Bett gesetzt und jeder eine Hand von ihm genommen. Die Nachtschwester sagte uns wenn wir irgendwelche Wünsche hätten oder auch eine Kerze aufstellen wollten sollten wir ihr es nur sagen. Auch wenn wir was essen oder trinken wollten. Sie hatte wenn sie reinkam um die Infusionen neu einzulegen auch Zeit für ein kurzes Gespräch. Sie schob dann noch ein Bett ins Zimmer falls eine von uns sich mal kurz ausruhen möchte. Wir saßen dann noch bis Nachts um 2:00 Uhr bei ihm und hielten seine Hände bis er dann ganz ruhig eingeschlafen ist. Auch da ließ uns die Nachtschwester viel Zeit bis wir uns endgültig von ihm verabschiedet hatten.
Ich wollte hier nur mal erzählen dass auch ein KH in der Lage ist würdevoll mit einem Sterbenden und den Angehörigen die ihn dabei begleiten umzugehen.
Erika
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 10.01.2009, 23:27
Benutzerbild von Jyrina
Jyrina Jyrina ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 04.08.2006
Ort: Berlin
Beiträge: 177
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

hallo stefan,
ich finde es wundervoll, dass du ich getraut hast das sterben aus dem tabu herauszuholen. auch ich habe zwei sehr einschneidende erlebnisse mit dem sterben. meine mama starb vor 10 ahren an alzheimer, wir hatten sie schon jahrelang gepflegt, zum schluss hatte ich 2 pflegefälle, da mei mann 1997 an krebs erkrankte. sie starb in den armen ihrer pflegerin und ich war nicht bei ihr..........zu feige........voller angst.............ich habe noch heut ein schlechtes gewissen. meinen mann erwartete ein langer leidensweg, tonsilencarzinom und flächencazinom an der linken halzseite. rettung durch chemo und bestrahlung, anschliessend depressionen, er konnte 5 jahre keine feste nahrung zu sich nehmen, flucht in den alkohol und eine demenzerkrankung waren die folge. er erholte sich nach mehren terapien bekämpfte seine angst und dann im aug. 2006 der schock LK "kleinzeller" nicht heilbar. wir sind von anfan an nie belogen wrden man hat uns alle aber auch alle fragen beantwortet und als bei meinem mann, wir wollen es mal so sehen eine schutzfunktion eintrat, er verfiel wieder in mässiger form in die demenz er verdrängte die angst und dass er sterben muss.
danach hat mich die klinik immer gut betreut und mir alle hilfe angeboten und mir erklärt, das er beim sterben besser zu hause aufgehoben wäre und die klinik und die hausärztin (gut ich gebe zu sie ist meine freundin)haben mich aufgekärt was auf mich zukommt die klinik und hausärztin haben die pflegende sterbebegleitung und einen home-care-dienst beauftragt bzw mir die wege aufgezeigt. so war ich nicht allein und hatte dieses mal keine angst.
ich habe nichts ekliges oder schlimmes erleben müssen und dennoch lassen mich manche augenblicke nicht schlafen, ich fühle noch die letzte umarmung beim wickeln, mein gott ich denke immer was hätte ich alles noch sagen können wenn ich gewusst hätte es ist das letzte mal. ich hab ihn in seine decke gewickelt und er ist danach freidlich hinübergeglitten, fast unmerklich. nur die stille war plötzlich übermächtig ich hab es erst gar nicht wargenommen und und ganz langsam kam bei mir das bereifen.
es hat mir gutgetan dies hier mal loszuwerden.
gerda
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 11.01.2009, 02:53
dayo dayo ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.08.2005
Beiträge: 260
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

hallo,

ich war am hin und her ueberlegen, ob ich nach drei jahren nochmal hier schreiben soll..

irgendwie muss ich...ich lese immer noch im forum, und die augenblickliche diskussion erinnert mich an an 'unsere' schlimme zeit...

auch ich habe meine frau zu hause begleitet bis zu ihrem tod, war oft hilflos, deswegen finde ich es soo wichtig, bescheid zu wissen, 'wie' alles kommen 'kann'...und bin heute noch dankbar ueber die neuen eintraege, die das alles erzaehlen, ohne tabou...

ich war so froh, dass mir andere leidensgenossen erklaert haben, was zB. schnapp-athmen ist und was das bedeutet...naemlich das ende...

meine ''kleine" ist dann im beisein eines freundes einfach 'eingeschlafen' waehrend ich auf der toilette war......
dass das oft so ist, wusste ich auch nur durch berichte von denen, die das auch erlebt hatten...

ich finde es wichtig, dass in diesem forum auch ueber den tod und ueber das sterben geredet werden kann...auch ueber einzelheiten... damit jeder von den 'begleitenden' personen sich damit auseinander setzen kann, was auf ihn zukommen 'kann'...

gut, dass es dieses forum gibt...
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 11.01.2009, 03:23
christa-48 christa-48 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 24.01.2007
Beiträge: 195
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

hallo stefan,

zuerst mal möchte ich dir mein tiefes mitgefühl zum tod deiner frau ausprechen,,,
ja ,,,,,,,dann möcht ich mich noch entschuldigen wegen meiner pm,,,zu dem notruftelefon,,,,,,
ja,,,,,,,,und dann find ichs klasse!! ,,,,,,,,,was dein offenes schreiben hier bewirkt hat,,,,,,,,,wahnsinn.,,,,,,,,,,,,soviele menschen,,,,,,,denen du es bewusst gemacht hast,,,,,,,was das doch für ein tabu-thema ist,,,,,
das macht mir mut,,,,,,,,,auch das sterben meines mannes hier aufzuschreiben,,,,,,,,,,,
mein mann ,,(günter) hatte bauchspeicheldrüsenkrebs,,,,,als es erkannt wurde,,,,,,war es schon zu spät, op,,,(auf und zugemacht wegen metas),,,ab diagnose blieben,,,,,,,,,,uns noch 9 monate,,,,,,zum Leben,,,,und zum verabschieden,,,,,,,,,,

die kk,,,,,,,hat noch ne "kur" reha verordnet,,,,,,,,,die hat er dann auch noch wahrgenommen,,,,,,,,,,er wollt nicht sterben,,,,,,,,er war noch so voller hoffnung,,,,,,,,,,,dass es noch ein paar monate dauert,,,,,,,,,,,,,

dann auf der reha,,,,,,,wurde es ganz schlimm,,,,,,,wasser in der lunge,atemnot,,,,,,,,,er kam dan von der reha klinik,,,,,stationär,,,auf eine station,,,,,,,(und das will ich nun nicht beschreiben , was da ablief),,,,,,,,ich war bis auf die eine "schlimme " woche dort,,,,,,,,,,,hab mir ein zimmer in einer pension genommen,,,,,,,,,,es war horror,,,,,,
dann wollte ich ihn mit nach "hause nehmen!,,,,,,,,,,
es hies,,,"nicht entlassungs und transportfähig",,,,,,,,,,
dann hab ich es durchgesetzt,,,,,,,,,,dass er auf die palliativstation nahe unserem ort verlegt wird,,,,,,,,
ja,,,,,,,,,und dort war er ja schon mal zumschmerzeinstellen,,,,,,,,,,,,,und es war gut so wie es war,,,,,,,,
die betreuung erstklassig,,,,,,,,,,
dort war ich dann "fast "24 stunden bei ihm,,,,,,,,ich hatt ein bett bei ihm im zimmer,,,,,,obwohl ich da nie "wirklich geschlafen hab",,,,,,,er war so unruhig,,,,und "durcheinander ",,,,,,,,und kam nie wirklich zu ruhe,,,,,,,,

ich hab die betten aneinander ´geschoben,,,,,,nahm ihn in den arm,,,,,,so wie halt im ehebett,(frühers) löffelchen,,,,,,,,,,,,,,
er wurde ganz ruhig,,,,,,,,,,,,,,
und es wurde ganz nass,,,,,,,,,,,,,,,er hat mich und das ganze bett vollgepinkelt,,,,,,,,(das hab ich noch nie jemandem erzählt)

ich hab dann mit der nachtschwester zusammen,,,,,,,ihn gewaschen,,,,frisch gemacht ,,,,(und dann konnte ich nicht mehr) ,bin dann heimgefahren,,,,morgens um4,,,,,,
ab 8 wusste ich war "vertautes"jemand bei ihm wir haben uns abgewechselt

um 10 war ich dann wieder dort,,,,,,,,,,ja,,,,,und dann ist er gestorben,,,,,,,,nicht friedlich,,,,nicht schön",,,,,,,,,,,er hat sooo gekämft noch,,,,,,,,(das was du über die "notreserve " geschrieben hattest,,,,war bei uns auch im kopf,,,,,,,,,aber zum glück nicht eingetreten,,,,,,,,(ich glaub ich könnt nicht damit leben," im nachhinein"),,,,,,

ja,,,es geht nicht weiter,,,,,,,,,,,,um 16 uhr hat er dann das atmen und röcheln aufgehört
das hört sich nun schon wieder so wirr an,,,,,,,,aber ich bin kein großer "schreiberling" und ich glaub das war mein längster beitrag in dem forum,,,,,

was ich noch beschreiben wollte,,,,,,ich hab dann irgendwann um 14 uhr,,,,,seine mutter rausgeschickt,,,,,,,und hab gesagt ," ich brauch nun mal noch ne zeit mit ihm alleine,,,,,,,,,,,,,da hab ich ihm dann noch was ganz wa s wichtiges gesagt,,und obwohl er "scheinbar " nicht mehr ansprechar war,,,,,,,,,,hat er noch ein letztes mal ganz feste meine hand gedrückt,,,,,ich bin ganz sicher ,er hat noch alles wahrgenommen,,,,,,,,bis zum schluss,,,,
der sohn war 18,,,,,,,,,,der konnte es nicht "aushalten",,,,,,seinen vater so zu sehen,,,,,,,,er hat noch nie jemanden sterben sehen,,,,,,,,,,ich hab ihn dann heimgefahren,,,(es waren nur 3 km)
was für mich persönlich,,,,,,,,das schlimmste war ,am ende,,,,,,,war die persönlichkeitsveränderung,,,,,,das war nicht mehr der mann,,,,,,,den ich 30 jahre kannte,,,,,,,,,,
und während der krankheit,,,,,,,,war es einfach , das "mitansehen müssen" wie der geliebte mensch leidet,,und zerfällt,,,,,,und nicht "wirklich helfen zu können",,,,,,,,das hat mir oft das herz zeerrissen

mein mann ist schon im sept 07 verstorben,,,,,,,,,,,,und trotzdem ist es nun grad ganz "frisch " für mich,,,,,,,,,

danke dir!!!!!!
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 11.01.2009, 03:33
christa-48 christa-48 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 24.01.2007
Beiträge: 195
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

aber im großen und ganzen,,,,,,,,,,,,,ist es gut abgelaufen,,,(auch bei uns),ich weis was du meinst!!!,,,,,,stefan
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 11.01.2009, 07:04
Benutzerbild von gitti
gitti gitti ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 07.09.2005
Ort: Zwischen Kiel und Flensburg
Beiträge: 72
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Ja,Christa,ich habe mir in der letzten Nacht auch grosses Licht anmachen müssen,weil ich dachte,dass ich durch den Schlafentzug und das viele Weinen nicht mehr richtig gucken kann.

Meine Mama lag da und röchelte,sah aber aus wie meine Oma(ihre Mutter,lebt noch,wird 96).Dann sah sie auch aus wie eine Schwester von ihr,welche vor über einem Jahr verstorben ist...

Es war schon sehr hart und die Gefühle kann man kaum jemanden Fremden sagen,darum bin ich froh,dass ich mich hier erleichtern kann.
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 11.01.2009, 08:05
susi11 susi11 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 12.05.2006
Beiträge: 387
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

lieber stefan!
habe lange überlegt ob ich hier schreiben soll ,da ich ja "noch" angehörige bin.
doch bevor ich beginne möchte ich dir ein rießiges danke schön für deine schilderung aussprechen.und natürlich mein beileid ausdrücken.den es hat mir doch einen denkanstoss gegeben und trotz genauester info über das net ,der ärzte usw.-was wie du schon auch sagst absolut nicht annähernt das ganze schildert- .bin ich nun zur überlegung gekommen ,das es besser ist meinen mann unter medizienischer aufsicht und natürlich meinem beisein ins regenbogenland zu geleiten.den der gedanke das meine kids zwischen 9 und 28 jahren das so hautnah erleben müssen das ist meines erachtens nicht so prickelnt.nun mögen manche sagen das kids das leichter wegstecken ,das kann so schon sein ,doch wen ich schon bemerke das die kids mit igitt rufen das zimmer verlassen wen nur die katze oder der hund erbricht weiß ich nicht ob ich es möchte das sie so ihren vater sehen sollen.da ist mir doch lieber das sie ihren vater so in erinnerung behalten wie es gelebt hat und nicht so....................!

vielleicht ist meine überlegung für manche nicht nachvollziehbar ,-was ich auch akzeptiere-doch solange ich kann wird mein mann zuhause bleiben ,und ich werde auch bis zum schluss seine hand halten ,nur eben nicht im beisein unserer kids.natürlich dürfen die grossen selbst entscheiden ob sie bleiben ,nur für die kleinen ist es ,so denke ich besser zu hause zu bleiben.

ich hoffe nun nicht eine lawine losgetreten zu haben ,das ist nicht in meinem sinne.bin aber gerne bereit mir auch andere ansichten dazu anzuhören.

dagmar
Mit Zitat antworten
  #8  
Alt 11.01.2009, 10:02
Stefans Stefans ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 425
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Dagmar,

Zitat:
Zitat von susi11 Beitrag anzeigen
vielleicht ist meine überlegung für manche nicht nachvollziehbar
Für mich ist das sehr wohl nachvollziehbar.

Jeder Mensch hat seine ganz persönlichen Grenzen, Hemmschwellen usw. Und Eltern Verantwortung für ihre Kinder. Jeder hat das Recht (oder sogar die Pflicht), sich da so zu entscheiden, wie er mit sich selbst am besten weiterleben kann. Ob da jemand "kneift" oder sich irgendwas nicht zutraut. Spielt für mich gar keine Rolle. Meine Schwester z.B. hat mit klar gesagt, dass sie nicht kommt, um meine Frau aufgebahrt zu sehen, dass sie nicht bei der Beisetzung dabei sein wird (ich ja auch nicht), und dass sie kein Grab besuchen wird. Völlig OK - sie muss tun, was sie tun muss.

Wichtig finde ich nur, immer wieder: informiert sein. Und sich möglichst rechtzeitig über den "Fall x" Gedanken machen, und das - soweit es irgend geht - ehrlich, nicht geleitet von Konventionen. Was man "so macht" oder was "die Leute denken"; wer danach handelt, obwohl er sich nicht wohl dabei fühlt, wird es IMHO irgendwann bereuen. Und auch, wer sich nicht klar darüber ist, warum er so handelt, wie er handelt.

Das klingt jetzt ein bischen hochtrabend, aber ich meine damit: Selbstreflektion. Sich bewusst sein, warum man das und das tut und das und das lieber nicht. Ohne sich dafür zu schämen. Wenn jemand eine bewußte Entscheidung trifft, dann wird er damit in Zukunft gut leben können. Und muss nicht damit leben, etwas verdrängt, verpasst oder falsch gemacht zu haben. Selbstverständlich darf mensch auch mal "kneifen" oder "versagen". Wer tut das nicht tagtäglich. Aber mit den eigenen Grenzen Leben lernen sollte man schon, im eigenen Interesse.

Ist zumindest meine Lebenseinstellung. Was immer ich mache, ist OK. Solange ich das selbstbestimmt mache und damit leben kann. Und mich niemand missionieren will, wie ich mich zu verhalten habe. So wie ich mich bemühe (OK, es klappt nicht immer ;-), andere nach ihrer Fasson selig werden zu lassen. Nur gegen Tabus und "Denkverbote" bin ich allergisch.

Dazu fällt mir meine Mutter ein. Seit über einem Vierteljahr (seit mit ziemlicher Sicherheit klar war, dass meine Frau am Krebs sterben wird) ist sie "abgetaucht". Sie hat meine Frau oder mich nie angerufen, ist vor und nach dem Tod meiner Frau nicht zu Besuch gekommen. Nichtmal ein pro-forma-Beileid am Telefon hat sie mir gegenüber zuwege gebracht. Absolut nichts. Was ich nicht so extrem schlimm fände, wenn sie das bewußt tun würde (natürlich wäre ich auch dann tief verletzt - schließlich ist es meine Frau die da durch ihre Schwiegermutter missachtet wurde). Nein, richtig übel ist: meine Mutter kann sich nicht eingestehen, warum sie so handelt (bzw. eben nicht handelt). Sie hat einfach wahnsinnige Angst davor, Leid zu sehen, aber kann damit für sich selbst nicht umgehen. Also läßt sie die Menschen allein, aus Hilflosigkeit heraus. Damit tut sie mir schon fast wieder leid. Denn sie wird genau so sterben, wie sie andere in schweren Phasen behandelt: zutiefst vereinsamt und von allen allein gelassen.

Viele Grüße,
Stefan
Mit Zitat antworten
  #9  
Alt 11.01.2009, 08:04
vont vont ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.05.2008
Ort: Hamburg
Beiträge: 101
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

hallo stefans,
bei uns war das mit der aufklärung und der suche nach hilfe alles etwas anders, da mein papa in spanien war. sein dortiger privater hausarzt war sehr gut und hat nach diagnosestellung eines darmkrebs mit lebermetastasen sofort offen mit meinen eltern gesprochen und gesagt das ihm nur noch 3-4 monate bleiben. als die situation schwieriger wurde und mein vater chemotherapie bekam bin ich für 2 monate nach spanien gelogen und habe meiner mutter bei der pflege und auch bei der suche nach hilfe unterstützt. ich habe das glück gehabt noch eine sehr schöne zeit mit meinem papa verbringen zu können wofür ich sehr dankbar bin. leider haben uns die deutschen krankenkassen sehr im stich gelassen und wir mussten sehr viel privat bezahlen, zB das ganze zubehör für die infusionen, pflegebedarf und auch den rollstuhl, damit er noch überhaupt noch ins krankenhaus transportiert werden konnte um die chemo zu bekommen. natürlich war es sehr schwer, vor allem in einer fremden sprache das pflegesystem eines anderen landes zu verstehen. zum schluss habe ich meinem papa blut abgenommen, infusionen gelegt und meine mutter hat ihn gewaschen und versucht ihm immer was gutes zu kochen. 2 wochen vor seinem tod wurde die kontrolluntersuchung gemacht und uns wurde gesagt es hatt keinen sinn mehr weitere chemotherapien zu geben und mein papa soll die letzten wochen etwas mehr lebensqualität haben. leider wurden wir dann 2 tage später doch wieder angerufen weil die blutwerte erstaunlich gut waren das dann doch noch weitere chemo geplant wurde. ich glaube das hat meinem papa den rest gegeben. er sagte zwar er will das machen aber inzwischen hatten wir uns so geeinigt, das ich erstmal nach hause fahren sollte und dann wieder kommen soll wenn die beiden mich brauchen. wir haben in den verbliebenen tagen noch alles geregelt das mein papa zur chemo abgeholt und wieder nach hause geebracht werden sollte und ich musste leider nach hause. genau 1 woche nach meinem abflug ist er dann gestorben. meine mutter war ganz allein mit ihm, hatte aber diesen tollen arzt der sie bei allem unterstützte und der dann auch morphium angesetzt hat. die letzten 2 tage waren nur noch kampf, mein papa wollte nicht loslassen und hat bis zum schluss immer weiter gekämpft. er hat so fürchterlich gehustet und gerasselt das ich am telefon nur noch weinen konnte. er hat auch immer wieder die füße angezogen und gestrampelt. meine mutter hatte wahnsinnige angst und hat immer wieder gesagt ich soll sie bloß zurückhalten wenn sie panik bekommt und den krankenwagen anrufen will, so haben wir in den letzten tagen über stunden telefoniert. ich weiß das mein papa mich nicht dabei haben wollte und das er mich extra nach hause geschickt hat damit er irgendwann loslassen kann aber ich mache mir oft genug vorwürfe nicht geblieben zu sein.
ich kann nur wieder sagen ich wäre froh, wenn ich mehr gewusst hätte und weniger angst gehabt hätte.
liebe grüße
yvonne
__________________
Mein geliebter Papa
ist seit dem 02.08.2008 auf der anderen Seite des Weges
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 06:44 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55