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Alt 25.02.2002, 18:34
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Standard Zusehen müssen ist schwer

Hallo, liebe Caro,

ich konnte mit meiner Mutter auch nicht über den Tod sprechen, aber wie das eben oft ist zwischen Müttern und Töchtern, wir wussten auch ohne viele Worte beide Bescheid. Ein "Gespräch" zwischen uns, einige Wochen vor ihrem Tod, werde ich nie vergessen und so schrecklich es ist, sie verloren zu haben, so froh bin ich über diesen Abschied. Denn ich glaube, wir haben es beide so verstanden. An diesem Tag, mit diesen Worte haben wir zwischen uns alles geklärt.

Wir waren allein und saßen zusammen auf dem Sofa. Meine Mutter war einige Monate vorher noch einmal operiert worden und hat diese Operation damals fast nicht überlebt. Und sie erholte sich auch nie wieder von dieser Operation. Meine Mutter sagte "Mist, ich hab' es geahnt, aber ich blöde Kuh wollte ja unbedingt mein Enkelkind noch sehen." Ich find an zu weinen, kuschelte mich an sie und habe gesagt "Mami, ich hab Dich so lieb". Sie hat mich nur an sich gedrückt und geantwortet "Ich weiß".

Das Sprechen über den Tod ist wohl immer schwierig, aber man hört oft, dass es zwischen Eltern und ihren Kindern besonders schwer ist. Ich glaube nicht, dass immer lange Gespräche nötig sind, manchmal reichen wenige Worte oder eine Umarmung. Deine Mutter hat Dir gegenüber ein paar Worte über den Tod fallen lassen. Vielleicht ist mehr nicht nötig zwischen Euch, vielleicht wird sie noch öfter solche Andeutungen machen, ich weiß es nicht. Aber ich glaube, Du kannst, Du solltest die Maske fallen lassen. Das heißt nicht, dass Du ein langes Gespräch mit ihr führen musst, aber ich glaube, Du solltest nicht so tun, als würde alles wieder gut werden und Du solltest versuchen, ihre Anmerkungen zum Tod nicht einfach zu übergehen oder runterzuspielen.

Wenn Du wüsstest, was für eine Angst ich damals hatte, als ich mit meiner Mutter auf dem Sofa saß. Wir waren das erste Mal seit Wochen allein, sonst waren immer mein Vater, eins der Geschwister oder meine Großtante bei unseren Treffen dabei gewesen. Ich hatte solche Angst davor, dass sie mit mir über ihre Krankheit, die Hoffnungslosigkeit und den möglichen Tod sprechen würde. Genauso unmöglich schien es mir aber auch, einfach irgendwas daher zu plaudern. Am liebsten wäre ich weggelaufen oder hätte mich in irgendwelche Aktivitäten geflüchtet. Irgendeine Stimme in mir befahl mir, mich ruhig zu verhalten und mich meinen Ängsten zu stellen. Denn schließlich musste meine Mutter das auch tun und konnte nicht einfach weglaufen.

Ich bin unendlich froh darüber, dass ich mich nicht in irgendeine Übersprungshandlung "gerettet" und das, was sie sagte nicht runtergespielt habe. Als ich weinte und mich an sie kuschelte, waren wir uns ganz nahe und wir hatten beide verstanden. Auch wenn wir uns hinterher noch viele Male gesehen haben, das war unser Abschied voneinander.

Deine Mutter weiß, dass sie sterben wird. Ich glaube, am Ende einer langen, schweren Kranheit wissen das alle Menschen. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass sie ganz genau weiß, wem sie was "zumuten" kann. Sie weiß, wie sehr Du leidest, wie sehr Du sie liebst und wie sehr Du sie vermissen wirst. Aber sie weiß auch, dass Du stark bist. Vielleicht traut sie das deinem Bruder nicht so zu und hat bei ihm deshalb noch nie Andeutungen über den Tod gemacht?

Bitte, liebe Caro, lass sie nicht im Stich und lauf vor Deiner Angst nicht davon, sie kann es auch nicht. Es müssen keine langen Gespräche sein, nimm sie in den Arm, halt sie fest und sie wird verstehen und weiß, dass Du verstehst. Gib ihr die Chance zu reden, wenn sie reden möchte. Versuch die Stille auszuhalten und nicht jede Gesprächslücke sofort zu füllen, dann kann sie entscheiden, was sie sagt und wie sie es sagt. Denn wenn sie reden möchte, braucht sie Zeit, denn es ist ja nicht irgendein Thema, das ihr am Herzen liegt.

Ich hoffe, ich habe mich jetzt nicht völlig wirr ausgedrückt und ich hoffe auch, dass Du weißt, dass ich Deine riesengroße Angst nur allzu gut verstehe, weil ich sie genauso hatte. Ich wollte nicht, dass meine Mutter denkt, dass wir sie abgeschrieben haben und hätte sie damals auch nur einen Funken von Hoffnung geäußert, hätte ich sie auch darin mit jeder Faser meiner selbst unterstützt.

Aber wo sie sich mit ihren Gedanken befand, konnte ich nur rausfinden, indem ich meine panische Angst überwunden und ihr die Möglichkeit zu reden gegeben habe. Und ich musste feststellen, dass sie längst wusste, was mit ihr passiert und dass sie Beschwichtigungen nicht mehr wollte.

Liebe Caro, Du verstehst mich nicht falsch oder? Sei weiter so stark und tapfer!

Alles Liebe, Josefine
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