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  #1  
Alt 29.03.2006, 08:26
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nachdenken (Nachfragen) über mich als immer noch Trauernden, der sich und seine Umgebung (auch hier im Forum) betrachtet:

Wenn ich schon mein Leben neu gestalten will (muß), was ist dann meine Orientierung ? Wenn ich mich nur an dem Verlust orientiere, wird der Teufelskreis der Trauer mich gefangen halten. Orientiere ich mich an dem gemeinsam erlebten schönen Dingen, fühle ich Wärme und Licht. So suche ich Tag für Tag etwas, das Licht und Wärme für mich bedeutet.

Wenn ich selbst Wärme und Licht in mir spüre, werden auch andere mich vielleicht wieder als lebend empfinden. Trauern macht meist einsam, wirkt unnahbar und abweisend.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Umgebung dann wieder auf mich zugehen konnte, als ich - langsam ins Leben zurückkehrend - auf sie zugehen konnte. Das war nicht immer so ganz leicht, aber irgendwie stimmt der Vergleich mit dem Bumerang (siehe das Zitat unten).

Was Zorn, Aggression, Depression über den erlittenen Verlust betraf, wollte ich nicht, daß mich jeden Tag die unbändige Wut packt und so mein tägliches Handeln, meine Stimmung, meine Worte bestimmt. Eine Zeitlang hatten Zorn, Aggression eine wichtige Reinigungsfunktion für meine Seelenlage, aber dann ? Dann war alles ausgesprochen, Zorn und Aggression waren in der Wiederholungsschleife, Änderung meiner Seelenlage: Null.

Da blieb dann bald nichts anderes übrig, als mich mit mir zusammenzusetzen und den Start meines weiteren Lebens zu bedenken. Das war/ist die Hauptarbeit, ziemlich mühsam, aber aber nach einiger Zeit dann auch erfolgreich.

Die innere Stimme zu hören, zu begreifen und von Störgeräuschen zu befreien, war nicht immer so einfach. Den Gedanken überhaupt Raum zu geben, sie zu entwickeln, sie zu ordnen, sie tragfähig zu machen für meine Art des weiteren Lebens hat Zeit, Beständigkeit und das Aushalten von Frustrationen und Rückschlägen gekostet.

Jeden Tag ein klein wenig Licht und Wärme waren der Antrieb und Motor für kleine Schritte in mein anderes Leben.

Shalom

P.S.

Einige der folgenden Sätze habe ich im Krebsforum gefunden, andere an verschiedenen Stellen im Internet .

Es ist besser, ein kleines Licht zu entzünden, als über große Dunkelheit zu klagen.

Höre ich auf meine innere Stimme,
weiß ich, was gut für mich sein möge;
lausche ich aber den vielen Stimmen anderer,
vergesse ich meine eigene, die gewichtigsten aller Stimmen.
(Jutta)

Das Leben ist wie ein Bumerang: man bekommt zurück, was man gibt.
(Dale Carnegie)

Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung abweichende Meinungen gelassen auszusprechen; die meisten sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen.
(Albert Einstein)

Denken ist die schwerste Arbeit, die es gibt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, daß sich so wenig Leute damit beschäftigen.

Achte auf deine Gedanken,denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte,denn sie werden deine Handlungen.
Achte auf deine Handlungen,denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter,denn er wird dein Schicksal.
(Talmud)

__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel

Geändert von shalom (29.03.2006 um 08:44 Uhr)
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  #2  
Alt 29.03.2006, 09:00
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo trotz der Wolken, die sich einfach nicht verziehen wollen.

Bei mir ist mir aufgefallen, dass oftmals die Geduld fehlt auf unserem Weg. Der Kopf sieht eigentlich ganz klar, wie es sein sollte, aber die Gefühle spielen nicht mit.

Als ich noch ganz am Anfang stand, machte sich oftmals Panik breit (heute eigentlich auch manchmal noch). Wie soll es weitergehen, wie wird mein Leben aussehen? Wie kann es aussehen ohne meinen Partner zu verraten (das war und ist eigentlich bis heute für mich die schwierigste Frage)

Gedanken rasten durch meinen Kopf, von denen ich heute sage: Sie waren zu früh. Noch nicht die Zeit dafür. Aber das zu erkennen, braucht sie auch wieder, die Zeit. Schritt für Schritt. Anders geht es tatsächlich nicht. Akzeptieren, dass es ZEIT braucht, unendlich viel Zeit und Geduld, vor allem mit einem selber. Ich bin heute nicht mehr die Frau, die ich noch vor der Erkrankung meines Mannes war. Ich kann sie nicht mehr sein. Ich habe weder die Power noch die Ausgeleglichenheit, die ich hatte, um so sein zu können, wie ich einmal war. Meine Traurigkeit ist dominant, sie gehört mittlerweile zu mir und sie bremst mich aus. Auch das wieder erkennen, akzeptieren und versuchen, die Wertigkeit zu verschieben, das Anderssein nicht unbedingt zu verdammen, sondern "das Päckchen neu packen" das Gewicht anders verteilen, bis man wieder ins Gleichgewicht kommt.

Sich selbst Zeit geben, wo der Druck von außen so stark ist, ist schon beinahe ein Kunststück. Aber ich sage es mir immer wieder: Nimm dir Zeit, du bist noch nicht soweit.

Als Dieter vom Aussortieren erzählt hat, dachte ich auch wieder darüber nach. Nein, ich konnte es nicht, nicht sofort. Bloß nichts verändern, alles sollte so bleiben. Wenn Claus schon nicht mehr da war, sollte alles andere unverändert als Mahnmal verbleiben. 17 Monate dauerte es, diese Zeit hab ich mir genommen. Nun haben seine Schuhe Platz geschafft für meine. Ein wenig "Ordnung" in meinem neuen Leben. Seine Schuhe brauche ich nicht mehr, ich habe andere, unsichtbare Dinge. Jetzt aber erst.

Auch sein Wasserglas, das an seinem Bett stand an seinem Todestag. Unverändert, 17 Monate lang, regelmäßig Wasser nachgeschenkt, damit es nicht leer wird. Seine Lippen noch als Abdruck daran. Ich konnte es nicht wegräumen, brauchte es als sichtbares Zeichen, dass er noch bei mir ist. Auch das habe ich nun "entsorgt" Dieses eine Glas ist weg, aber es steht ein neues an seiner Bettseite, eines, das mir meine Tochter geschenkt hat mit dem Aufdruck "Ohne dich ist alles doof" (vielleicht kennt ihr das ja). Dieses "neue" Glas steht nun da und auch das fülle ich regelmäßig mit frischem Wasser auf. Ja, diese Zeit brauche ich noch. Aber vielleicht kann ich eines Tages auch in mein Bett gehen, ohne nachzuschauen, ob mein Mann auch wirklich noch genug Wasser hat.

Und ansonsten bete auch ich mir täglich vor: Lass positive Gedanken zu, damit sie zu dir zurückkommen. Oftmals gelingt es, das sind die Tage, an denen es mir (dadurch?) auch gut geht.

Mein Buchtip an dieser Stelle: Bestellungen beim Universum von Bärbel Mohr, ein wunderschönes Buch, das genau das beschreibt: Schick das Positive auf die Reise, und du wirst es bekommen.

Ich wünsche euch allen, dass jemand die Wolken wegschiebt (@Danke an der Stelle an einen lieben Menschen )

LG
Andrea
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  #3  
Alt 29.03.2006, 09:30
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo liebe Andrea,

lass Dich einfach mal in den Arm nehmen und nun schauen wir Dein neues Wasserglas an, denn das alte Glas hat seine Funktion erfüllt. Ist Dein Wasserglas halbvoll oder halbleer ? Es ist nun ein anderes Glas. Jedes Mal, wenn Du das Glas wechselst, wird sich etwas verändert haben. Das ist ein schönes Symbol für Wechsel UND Beständigkeit.

Zu Licht, Wärme, Dunkelheit, Angst vor Veränderung passt vielleicht (aus der von mir "so innig geliebten" Geschichtensammlung ) die folgende Begebenheit.

LG
Shalom


Die Angst der Kerze

Eines Tages kam ein Zündholz zur Kerze und sagte: "Ich habe den Auftrag, dich anzuzünden." "O nein!" erschrak da die Kerze. "Nur das nicht. Wenn ich brenne, sind meine Tage gezählt! Niemand mehr wird meine Schönheit bewundern!" Und sie begann zu weinen. Das Zündholz fragte: "Aber willst du denn dein Leben lang kalt und hart bleiben, ohne je gelebt zu haben?" "Aber brennen tut doch weh und zehrt an meinen Kräften", schluchzte die Kerze unsicher und voller Angst. "Das ist schon wahr." entgegnete das Zündholz. "Aber das ist doch auch das Geheimnis unserer Berufung: Wir sind berufen, Licht zu sein. Was ich tun kann, ist wenig. Zünde ich dich aber nicht an, so verpasse ich den Sinn meines Lebens. Ich bin dafür da, das Feuer zu entfachen. Du bist die Kerze. Du sollst für andere leuchten und Wärme schenken. Alles, was du an Schmerz und Leid und Kraft hingibst, wird verwandelt in Licht. Du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst. Andere werden dein Feuer weitertragen. Nur wenn du dich versagst, wirst du sterben."
Da spitzte die Kerze ihren Docht und sprach voller Erwartung: "Ich bitte dich, zünde mich an."

entnommen aus: http://www.zeitzuleben.de/inhalte/in/geschichten
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(Johann Wolfgang von Goethe)
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  #4  
Alt 29.03.2006, 14:58
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo Shalom

zu deiner Frage
Zitat:
Ist Dein Wasserglas halbvoll oder halbleer
musste ich ein wenig schmunzeln, denn speziell bei dem Wasserglas freut es mich immer, wenn ich sehe, dass es wieder halbleer ist, denn wie gesagt bekennend fast "verrückt" vor Schmerz, habe ich keinen Zweifel daran, dass mein Mann nachts da gewesen ist und einen ordentlichen Schluck daraus getrunken hat, Deshalb achte ich auch peinlichst genau darauf, dass immer zumindest genügend drin ist.

Was den Rest betrifft, so wechselt meine Empfindung, mit Tendenz zu halbvoll.

LG
Andrea, die Sonne kämpft
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  #5  
Alt 31.03.2006, 13:44
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

In verschiedenen Threads des Hinterbliebenen-Forums wurde gesprochen von den Farben der Trauer, die eben nicht nur aus SCHWARZ und WEISS bestehen, sondern man kann in Liebe und Erinnerung auch weichere und hellere Farben zulassen:

" Man muss in der Seele wie bei den Farben auf einem Gemälde das Heitere und Leuchtende in den Vordergrund stellen."
(Plutarch)

Das Dramatische und Entgültige tritt in den verblassenden Hintergrund und das gemeinsam wunderbar Erlebte gewinnt immer mehr an Bedeutung, wenn ich an meine Frau denke, je weiter ihr Todestag zurückliegt.

Ich denke sehr gerne an sie, ihr Lachen, ihre Lebendigkeit. Dann ist mir warm und hell. Dann geht es mir gut.

LG Shalom
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(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel

Geändert von shalom (09.06.2006 um 13:40 Uhr)
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