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  #1  
Alt 02.01.2006, 21:17
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GEP GEP ist offline
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Registriert seit: 04.12.2005
Ort: ab 02.12.2006 in Hessen
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Shalom,

ich habe den kompletten Thread gelesen, mir ist klar, was Du damit sagen willst. Ich habe auch vollste Bewunderung für Dich, sowie alle anderen hier übrig, die jemanden wie mich in meiner Situation versuchen zu trösten.

Trotzdem komme ich davon nicht los, was ist das für ein GOTT, der solche Schicksale zuläßt? Barmherzig? Kann nicht sein, dann würde er mich auch holen. Soll ich, nur weil die Zeit eben alle Wunden heilt, durchhalten, bis ich auch wieder sagen kann, mir geht's wieder gut?
Ich will nicht, dass es mir jemals wieder gut geht. Ich will einfach nicht ohne meine Frau leben, jetzt nicht und wenn mich Gott so lange strafen will, auch nicht in 10 oder 20 Jahren.

Damit ist aber auch meine quällende Frage, wenn meine Frau aber will, dass ich jetzt zu ihr kommen soll, nicht beantwortet. Natürlich kann die keiner beantworten, es kann aber auch keiner das Gegenteil behaupten.

Nur weil das so ist, dass es vielen nach einer mehr oder weniger langen Zeit wieder besser geht, bedeutet das doch nicht, das der Wegegangene dies so wollte und alles lächelnd begleitet. Vielleicht gehts dem Wegegangenen noch schlechter, wie dem hier zurückgelassenen. Wenn er ganz alleine in einer anderen Dimension ist und will nicht alleine sein; so wie beide im Leben alles gemeinsam gemacht haben, will er das jetzt auch.
Ich finde, dies ist nur alles ein ganz einfacher Rechtfertigungsgrund, um hier im Leben einfach weiter zu machen, wieder mit neuem Lebensmut durchs Leben zu gehen und alles andere was dazu gehört; der Weggegangene wacht über alles was ich mache wohlwollend und will, das es mir gut geht.

Vielleicht will sie das nicht, sie will das ich bei ihr bin und ist traurig, weil ich nicht zu ihr komme.

Das andere ist mir zu einfach.

LG
Gerhard
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  #2  
Alt 02.01.2006, 23:02
JJJ JJJ ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Gerhard ! Zu diesem Thema möchte ich Dir als Betroffener auch etwas
schreiben. Meine Frau starb im Januar 2005 an den Folgen Ihres metastasierenden Darmkrebses. Sie wurde, wie Deine Frau, nur 46 Jahre alt.Meine Sichtweise ähnelt Deiner, warum sollten wir unseren Liebsten nicht folgen?? Wer glaubt den Müll, daß jemand über uns wacht und daß es den Verstorbenen jetzt besser geht ? Fakt ist, das Leben, im Sinne von Vertrautheit, Geniessen, ohne wenn und aber geliebt zu werden etc. ( die Liste könnte man endlos fortführen ) ist v o r b e i! Ich möchte hier niemandem zu nahe treten, aber es ist meine Philosophie, dass Menschen die ins Leben zurückfinden, zu schwach sind um sich auch weiterhin mit der Trauer und dem Verlust auseinanderzusetzen. Je tiefer und bewusster man geliebt hat, desto eindringlicher muss einem klar werden, dass es keine neue Erfüllung geben wird und eine ehrliche Basis, für eine weitere Beziehung, für immer verloren ist. Versuche Deinen Weg zu gehen und höre nur auf Dich, dann wirst Du das Richtige tun. Viel Kraft + liebe Grüße Jürgen
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  #3  
Alt 03.01.2006, 00:30
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Jürgen,

deinem Beitrag kann ich nur bedingt zustimmen, deshalb zunächst einmal meine Frage an dich: Hast du Kinder? Spätestens hier muss ich dir nämlich entgegensetzen, dass es verdammt viel Kraft und Liebe zu dem verstorbenen Partner voraussetzt, nicht den durchaus sehr egoistischen Weg zu gehen, den man gerne gehen würde, nämlich dem geliebten Partner zu folgen. Es gehört verdammt viel Kraft und Liebe zu dem verstorbenen Partner dazu, zurück ins Leben zu finden. Das Lachen nicht zu verlernen und den Kindern, die der geliebte Partner ebenso unfreiwillig verlassen hat wie einen selbst, so viel Normalität zu erhalten wie nur möglich. Und zu dieser Normalität gehört z.B. Lachen. Zu dieser Normalität gehört Verlässlichkeit, hierbleiben, ausharren, das Schicksal annehmen. Und du willst mir erzählen, dass das alles ein Zeichen von Schwäche ist oder mangelnder Liebe zu dem verstorbenen Partner? Ich weiß was es heißt, einen Partner zu verlieren, den man 28 Jahre bedingungslos geliebt hat und von dem man ebensoviel Liebe erfahren durfte. Aber lieben bedeutet nicht nur an sich selbst zu denken. Lieben bedeutet auch, das Leben, das man gemeinsam gelebt hat so gut es geht aufrecht zu erhalten.

Weißt du, ich traure nun seit beinahe 15 Monaten um die Liebe meines Lebens. Er durfte auch nur 49 werden und hinterlässt ausser mir noch 4 Kinder. Ich weiß an manchen Tagen wirklich nicht, wo ich noch die Kraft hernehmen soll, den morgigen Tag wieder anzunehmen, ihn für meine Kinder erträglich zu machen. Und ich stehe trotzdem jeden Morgen auf und wünsche mir, dass es ein oder mehrere Gründe gibt, herzhaft zu lachen, die Musik aufzudrehen, zu tanzen und zu singen. Es wird niemals wieder etwas gleichwertiges in meinem Leben geben, es wird niemals mehr eine Liebe zu einem Menschen geben können, die so bedingungslos und einmalig ist, wie ich sie für meinen Mann gefühlt habe. In sofern gebe ich dir Recht. Die Basis für eine derartige Beziehung habe ich auch für immer verloren. Aber ich hatte es! Und ich ziehe täglich Kraft daraus. Ich brauche kein zweitesmal, einmal richtig reicht!

Dennoch finde ich es reichlich überheblich, die Liebe zwischen Menschen zu beurteilen, wenn ein Hinterbliebener einen anderen Weg geht. Denn irgendwie gehört auch ein Stück Mut dazu, sich wieder auf das Leben einzulassen, so neu und bedrückend es nun vor einem liegt. Und in Trauer und Verzweiflung zu verharren und sich nur noch selbst zu bemitleiden ist ebenso ein Zeichen von Schwäche. Ich rede jetzt überhaupt nicht von einer durchaus länger denkbaren Phase der Trauer (die Abstürze kommen bei mir noch immer und leider manchmal ziemlich lange und heftig) und ich rede erst recht nicht von Gerhard ich rede lediglich von deiner "Philosophie", die du vielleicht doch noch einmal überdenken solltest.

Ich mag die Gute -und Schlechte Hinterbliebenen Einteilung nicht. Es gibt - wie überall im Leben - keinen allgemeingültigen Weg. Und Liebe ist nicht bewertbar, nicht für einen Dritten...

LG
Andrea, bestimmt keine "lustige Witwe" aber eben wegen der Liebe zu ihrem Mann sehr bemüht zurück ins Leben zu finden....
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #4  
Alt 03.01.2006, 00:31
Karleen Karleen ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Gerhard,
ich bin stille Mitleserein, meistens, schreibe selten. Zwar habe ich nicht meinen Partner verloren, aber dafür meinen über alles geliebten Vater. Ich bin 36, mein Vater wurde nur 69. Ich bin Single, mehr oder weniger ... meine Mum und mein Dad waren 40 Jahre verheiratet. Entsprechend schwer ist es für meine Mutter. Ich glaube sie hat ähnliche Gedanken wie Du. Vielleicht kann ich das nicht wirklich verstehen, obwohl ich schon glaube, dass ich es kann. Was ich damit sagen will, und was ich auch oft zu meiner Mum sageu hattest eine Liebe in Deinem Leben! Einen Menschen, der für Dich da war, mit dem Du zusammen hast sein dürfen, der mit Dir zusammen sein wollte wie Du mit ihr. Ich habe das nicht. Ich bin 36 Jahre alt und 36 Jahre lang allein. Von halbherzigen Beziehungsversuchen mal abgesehen.

Du, wie auch meine Mutter, ihr fühlt Euch verloren auf dieser Welt, allein gelassen, übrig geblieben. Ich fühle mit Dir, wie mit meiner Mum und allen anderen, denen es so geht. Ich glaube nicht an Gott, nicht an diese "Barmherzigkeit" oder wie auch immer, bin aus der Kirche ausgetreten, nicht wegen der Steuer, sondern aus Überzeugung. Dennoch glaube ich an etwas, wie wohl auch jeder andere Mensch. Würden wir nicht glauben, würden wir untergehen.

Warum das so ist, dass "Gott" oder wer auch immer, Menschen trennt, die lange Jahre miteinander verbunden waren, ich weiß es nicht ... und ich empfinde es als grausam, unbarmherzig, willkürlich. Aber, und nun kommt's, Du wie auch meine Mutter, ihr habt Euren Partner verloren durch diese Sch...dreckskrankheit ... ja, das ist schlimm, unbegreiflich und grausam. Aber ihr hattet ihn/sie zumindest. Ich segle als einzelnes Blatt durchs Weltall und es gibt niemanden (von Freunden abgesehen), für den ich alles bin, der sich einfach nur freut, dass es mich gibt.

Lieber Gerhard, ich erhebe hiermit nicht den moralischen Zeigefinger, weiß Gott nicht. Ich kann verstehen, dass Du keinen Lebensmut mehr hast, so wie meine Mum keinen mehr hat. Aber ihr beide (meine Mum und Du) hört nicht einfach so auf zu leben, auch wenn ihr euch das wünscht ... Ich bitte Dich und hiermit auch sie, obwohl sie es nicht lesen wird, seid dankbar für die Liebe, die ihr habt leben dürfen!

lG, Karleen
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  #5  
Alt 03.01.2006, 07:02
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Gerhard,

Ja, Du sollst durchhalten, bis Du die gnadenlose Trauerzeit hinter Dir hast.

Der Abschied von Deiner geliebten Frau reißt Dir den Boden unter den Füßen hinweg, Dein Leben hat keinen Sinn mehr, Du kannst den nächsten Tag nicht kommen sehen. Lieber Gerhard, das sind alles Gefühle, die zum Trauern gehören, sowie das Anklagen, das Nichtverstehen, und den Wunsch mit der Partnerin wieder eins sein.
Aber das ist nicht die Lösung! Ja, der Tod eines geliebten Menschen zeigt keine Barmherzigkeit mit jenen, welche zurückbleiben. Aber er war barmherzig, das Leiden Deiner lieben Frau zu erlösen. In der jetztigen Zeit sind das Worte, mit denen Du nicht im Einklang sein kannst, und es wird noch lange Zeit dauern, bis Du so denken wirst.

Keiner von uns Hinterbliebenen kann sagen, ob unsere Verstorbenen wollen, daß wir zu ihnen kommen. Eines Tages werden wir es, doch sollten wir den Zeitpunkt dafür nicht selbst bestimmen! Manche von uns glauben an dieses Wiedersehen, und dieser Glaube ist es, welcher uns die Kraft und den Mut gibt hierzubleiben, bis unsere Zeit gekommen ist.

Gibt es in Deiner Umgebung eine Trauergruppe, denen Du Dich anschließen könntest? Einen Kreis, der Dich aufnimmt, Deine unsagbare Trauer versteht, und wo Du immer einen Ansprechspartner finden wirst?
Das soll nicht heißen, daß Du nicht weiterhin hier schreiben sollst. Dieses Loslassen beim Schreiben hilft vielen von uns sogar mehr als viele andere Wege, denn auch hier gibt es Geborgenheit und Netze die Dich auffangen, die wissen, wie es Dir geht.

Ich kann Jürgen's Worte von meiner Philosophie her von und zum Leben nicht unterstützen, denn für mich suggerieren sie als einzigsten Ausweg den eigenen Abschied, ohne einer Zukunft eine Chance gegeben zu haben. Keiner von uns weiß, wie es uns nächsten Monat, oder nächstes Jahr gehen wird. Wenn ich dem Schritt zum Weitermachen keine Chance gebe, weiß ich auch nicht, was kommt.
Die Trauer in allen Phasen zu erleben ist keine leichte Sache, aber es gehört viel Mut dazu zu sagen, JA, ich mache weiter, JA ich finde einen Weg für mich aus dieser schmerzvollen Zeit. Denn damit verleugne ich nie die Liebe zum Partner, sondern halte gerade dieses besondere Leben in Ehren.

Lieber Gerhard, ich wünsche Dir den Mut, die Kraft und die Zeit für Deine Trauer, für diesen unendlichen Schmerz des Loslassen, und für ein Funken Zuversicht, zum JA für Dein Leben.
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Jutta
_________________________________________




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  #6  
Alt 03.01.2006, 07:22
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Ihr Lieben,

ich wollte auf keinen Fall mit meiner Beschreibung gestern irgend jemandem zu nahe treten. Ich habe mich mit der Rechtfertigungsbeschreibung falsch ausgedrückt, bzw. den Satz nicht richtig vervollständigt.
Ich habe natürlich nicht gemeint, jeder der sein Leben weiterlebt ist zu feige, dem gegangenen Partner o.a. zu folgen. Das war auch nicht meine Absicht.

Vielleicht habe ich mich in meine Wut und meinen riesigen Zorn da gestern zu schnell meinen Fingern schnellen Lauf g elassen und erst hinterher darüber nachgedacht, was ich da geschrieben habe.

Eher bin ich zu Feige, nicht einfach meiner Frau zu folgen.

Kann es denn sein, das die Männer etwas anders reagieren, als die Frauen? Ich habe die ganze Nacht mal hier überall gestöbert und kaum etwas gefunden (von wenigen Ausnahmen abgesehen), wo Frauen einfach richtig wütend sind und auch dem Fortgegangenen folgen wollen, weil sie einfach keine Lust mehr in dieser sch...Welt haben?

Ich werde gleich meine Frau besuchen und werde mal versuchen, meine Gedanken mit der Wut, Trauer und den Zorn ihr zu übermitteln. Vielleicht bekomme ich ja irgend ein Zeichen.

Seid nicht böse, ich bin immer dankbar für die lieben Worte gewesen und wenn man jetzt 5 Wochen fast nicht schlafen kann und kaum was ißt, dass kann einem schon mal den Verstand rauben.

Liebe Grüße
Gerhard
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  #7  
Alt 03.01.2006, 07:31
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Gerhard,

dann wünsche ich Dir gleich eine vertraute Zweisamkeit und vielleicht gibt sie Dir ein Zeichen.

Du brauchst Dich hier nie für Geschriebenes entschuldigen. Laß raus, so wie es kommt. Der Austausch miteinander klärt alles wieder ab.
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Jutta
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  #8  
Alt 03.01.2006, 09:29
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo lieber Gerhard!
Ich hoffe du konntest, die Innigkeit zu deiner lieben Frau in ihrem Garten gestern finden. Gerhard, was soll ich sagen, nur zu gut kann ich deine Wut auf "Gott und die Welt" (in der du ungefragt weiterleben sollst) verstehen. Ich bin auch so ein Mensch, der in seinen Gefühlen oft kompromisslos hart alles in Frage stellt und ich kann auch sehr gut dein "ich will das alles nicht" - "wir wollen nur wie immer zusammen sein" verstehen und nachfühlen. Und doch muss ich Andrea recht geben, wenn es um die Kinder geht. Da spielt es wohl auch nicht so die Rolle, wie alt die Kinder sind. Ich musste mir schon mal die Frage stellen, als ein Familienmitglied einen Suizidversuch unternommen hat :"Bin ich es nicht wert, dass ein Leben neben mir, mit mir AUCH wertvoll ist?" - müssten sich meine drei Töchter nicht die Frage stellen, warum ich ihnen nach dem Verlust des väterlichen Freundes auch noch die Mutter nehme? Und das allein ist der Grund warum ich weiter machen muss, mein Liebster hat nur dieser Frage wegen NICHT das schmerzvolle Leben beendet, das war seine riesige Liebeserklärung an uns. Ich will nicht wirklich, aber welche Schmerzen müssten meine Kinder tragen ob sie wollen oder nicht? Für mich ist es nicht das Leben, welches ich mir wünschte und ich weiß oft nicht warum ich Morgens aufstehe und es wird wieder der Tag kommen an dem ALLES SINNLOS ist. ALLES??? Auch die Gefühle meiner Mutter, meiner Kinder...??? Kannst du dich darauf einlassen, alles mal aus Sicht deiner Tochter zu überlegen? Was würde dir deine liebe Frau raten? Gerhard, verstehe mich nicht falsch, ich will nicht moralisieren und dich zum Leben überreden... Es ist ein riesen Sch..., doch müsste deine Tochter dann nicht den doppelten Sch... ertragen? Sie ist doch der lebende Beweis eurer Liebe...?

Ich bin sehr wütend über dieses Leben, auch deshalb weil ich denke, dass ich in meiner Verantwortung so eingebunden bin, dass ich KEINE WAHL habe. Ich könnte es auch nicht beenden, weil ich weiß (ahne) wie sehr er gelitten hat, er HATTE die Mittel um sein Leben zu beenden, er hat es nicht getan, weil er mit uns weiterleben wollte und uns nicht zumuten wollte mit dieser selbstgetroffenen Entscheidung, GEGEN DAS LEBEN MIT UNS weiter zu leben. Dabei hätte ich es verstanden, wenn er es nicht mehr ausgehalten hätte, ich weiß nicht ob ich so stark wäre.

Die Frage nach den wütenden Frauen, ja ich weiß nicht ich befürchte, es liegt vielleicht in der Natur der Sache, dass Frauen immer die Verantwortung in welche sie eingebunden sind in ihrem Umfeld noch im Blick haben, sie sind weniger auf sich als Einzelindividium konzentriert, sondern empfinden meist vielschichtig als Mutter, Tochter, Schwester, Freundin, Geliebte usw. Dieses Rollenbild ermöglicht wohl den Austritt aus der Verpflichtung als die jeweilige Person nicht so ohne weiteres. Ich weiß nicht ob das so stimmt, aber diese Erklärung habe ich mir zusammengezimmert?!

Lieber Gerhard, lass dich umarmen - du hast natürlich deinen freien Willen und ich maße mir nicht an zu sagen DU MUSST LEBEN, denn DU musst dieses Leben leben und aushalten! Ich wünsche dir wirklich alles Liebe, etwas innere Ruhe und ich finde auch, du hast ein Recht auf diese Gefühle - du hast so viel "Gefühlsarbeit geleistet" in dieser Pflegezeit !
Petra
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  #9  
Alt 03.01.2006, 10:12
JJJ JJJ ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Andrea, hallo Jutta !
Vorab, ich wollte mit meiner Aussage niemanden verletzen und mir schon garnicht das Recht herausnehmen den Umgang mit der Trauer zu bewerten oder zu verallgemeinern. Wenn dies so verstanden wurde tut es mir leid. Es ist lediglich meine ganz persönliche Sichtweise, die niemand teilen muss. Trotzdem möchte ich die gemachten Aussagen nicht unkommentiert lassen :

@ Andrea
zu Deiner Frage: nein, wir haben leider keine Kinder; dieses Glück blieb uns verwehrt. Und dies ist d e r entscheidende Unterschied in unseren Sichtweisen. Ob richtig oder falsch, ich kann mir ( zum allerersten Mal ) erlauben vollkommen egoistisch zu sein, da ich nur für mich Verantwortung trage. Die Frage sei erlaubt, würdest Du Andrea, genauso argumentieren, wenn Eure Ehe kinderlos geblieben wäre ??? In den Kernpunkten sehe ich zwischen uns sogar eine Übereinstimmung. Du schreibst, ''Du hast geliebt einmal richtig reicht'' - warum bezeichnest Du mich dann als überheblich, meine Aussage war keine andere !?

Du sprichst von Selbstmitleid auch das kann ich so nicht stehenlassen. Ich sage Dir, was mir leid tut - einzig und allein meine Frau, die keine Chance mehr hatte weiterzuleben. Das tut weh !!!

Wie Du schon sagtest, ''es gibt keinen allgemein gültigen Weg''..............


@ Jutta
Der Zukunft eine Chance geben ...
Ich kann das leider nicht so sehen, obwohl ich weiss, dass meine Frau es gewollt hätte. Dieses eine Mal werde ich mit der Liebe meines Lebens keine Übereinstimmung erzielen. Meine Vergangenheit lebt, Gegenwart und Zukunft sind mit Ihr gegangen und der Weg ist zu Ende!

LG Jürgen
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  #10  
Alt 03.01.2006, 11:02
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AndreaS AndreaS ist offline
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Beiträge: 837
Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Jürgen,

Du fragst, ob ich genauso denken würde, hätten wir keine Kinder. Wahrscheinlich nicht. Es ist mein Rettungsanker, der mir erlaubt, mein Leben in die Vergangenheit zu richten und ein wenig in die Zukunft zu blicken. In unseren Kinder lebt ganz viel von meinem Mann weiter, das ist einerseits sehr hilfreich, nimmt mir allerdings auch die Möglichkeit egoistisch zu sein. Sogar meinen Schmerz kann bzw. will ich nicht immer dann ausleben, wenn er mich überkommt, mit Rücksicht auf die vier, die selbst verwundet und in höchstem Maße irritiert sind, weil nichts mehr ist wie es ist.

Ich wollte auch Dir nicht zu nahe treten, habe wohlmöglich etwas empfindlich reagiert, vielleicht weil ich gerade – sehr zur Freude eben meiner Kinder – für das neue Jahr als einzigen Vorsatz beschlossen hatte: Im neuen Jahr möchte ich, dass es mir wieder besser geht. Deine Aussage hat mich ein wenig irritiert, vielleicht weil ich mich wegen dieses Vorsatzes angegriffen gefühlt habe. Ich habe erlebt, dass irgendwie jede Art zu trauern „kritisiert“ wird. Und das macht mich wütend. Als es mir nach drei Monaten „immer noch schlecht“ ging, wurde es kommentiert, dass es doch nun mal endlich genug sein müsste. Wenn die Musik laut lief, wenn Besuch da war und in unserem Haus gelacht wurde, hieß es „ach, denen geht es ja schon wieder gut, nach soooo kurzer Zeit. Wie es in einem Menschen aussieht, ganz innen in seiner Seele. Keiner weiß das!

Einmal ist genug! Das fühle ich ganz genauso. Was ich für mich u.a. auch überlegt habe ist die Tatsache, dass auch mein Mann keine Chance hatte. Er hat gekämpft, hat den ganzen Scheiß über sich ergehen lassen, um zu LEBEN. Sie sind den Weg tapfer gegangen, der leider für sie bestimmt war. Dürfen wir es jetzt achtlos wegwerfen, das Leben, um das sie gekämpft haben?

Ich versuche zu beschreiben, was ich denke. Es mag etwas abgedreht klingen, zusammengefasst, was ich mir nach 1 ½ Jahren Lektüre für mich rausgepickt habe. Es war keine Strafe, dass unsere Lieben gehen mussten. Wofür sollten sie bestraft werden. Mein Mann hat ein liebevolles, fürsorgliches Leben geführt. Es gibt keinen, wirklich keinen Grund, dass er hätte bestraft werden müsste. Was ich denke ist, dass er bereits weiter war an Erkennen. Es hat gereicht. Er hat seine Aufgabe erfüllt. Dass ich noch lebe ist keine Belohnung (fühlt sich auch ganz bestimmt nicht so an) Mein Job ist es, jetzt das Beste daraus zu machen. Weitergehen, ohne ihn. Seine Lebensphilosophie nicht zu verraten, unser Leben nicht zu verraten. Stärker zu werden, durch den Verlust. Und die Liebe in mir zu tragen, die er mir gegeben hat. Und seltsamer Weise habe ich die Liebe zu ihm niemals zuvor so intensiv und absolut empfunden wie während seiner Krankheit und jetzt nach seinem Tod. Vielleicht, weil nichts mich ablenken kann, weil kein Alltag sich wichtig dazwischengeschoben hat. Er war und ist das Wichtigste in meinem Leben. Und hin und wieder fühle ich sie so stark, diese Liebe, seine und meine Seele vereint, ohne die natürliche Distanz durch zwei verschiedene Körper.

Vielleicht liegt auch eine Aufgabe für uns darin, Menschen in ihrem Schmerz nicht alleine zu lassen. Wie oft begegnen dir Leute, die verstehen? Mir eigentlich nie. Nur hier. Und wenn ich Gerhards Schmerz lese, fühle ich, was in ihm vorgeht. Ich kenne diese Leere, diese Sinnlosigkeit diese schreckliche Sehnsucht, die Dich fast auseinanderreißt. Und ich habe Angst, dass keiner da sein könnte, der ihm die Hand reicht, der ihn annimmt mit seinem Schmerz und seiner Sehnsucht. Und ich hoffe, dass er die Kraft findet, die Todessehnsüchte zur Seite zu schieben, weiterzugehen, für seine Frau, mit seiner Frau, die um das LEBEN gekämpft hat. Und es macht mir Angst, wenn seine Todessehnsüchte noch bestärkt werden, obwohl ich sie absolut nachempfinden kann.

Ich habe mir schon öfter überlegt, mich hier auszuklinken. Dem Forum den Rücken zu kehren, zu viel Schmerz, zu viel neuer Kummer auf meinen Schultern. Aber dann erinnere ich mich an meinen Anfang dieses Weges, meine Verzweiflung, meine Gedanken an die Tabletten, die ich noch immer im Schrank habe und denke, und ich bleibe da, so wie andere da geblieben sind, um mir die Hand zu reichen, um mich wissen zu lassen: All diese Gefühle, all deine Wut und Verzweiflung, ich kann sie verstehen. Lasst uns gemeinsam versuchen, einen Weg aus diesem Loch zu finden. Ich empfinde es als eine meiner neuen Aufgaben in diesem mir sehr verhassten neuen Leben. Von dem einmal ganz abgesehen, dass ich es selbst noch sehr stark brauche, diesen Austausch mit Menschen, die wissen. Mit Menschen, die mich von diesen „Sprüchen, die die Welt nicht braucht“ verschonen.

Ich denke, wir müssen ihn annehmen, diesen unerträglichen Schmerz, versuchen, an manchen Stellen das Schreckliche zu verwandeln in aktive Hilfe.

Wirr, ich hatte es ja angedroht…

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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