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  #1  
Alt 15.12.2005, 08:21
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Lieber Gerhard,

ich weiß nicht, ob du dir zwischenzeitlich ein wenig Lektüre besorgt hast. Ich denke wir, die wir zurückbleiben müssen, haben eben nicht unsere Aufgabe erfüllt. Wenn man davon ausgeht, dass es vielleicht darum gehen kann "Liebe" zu lernen (ich weiß, es klingt immer alles dämlich) so muss man trotz all des Schmerzes wohl zugeben, dass - selbst wenn für uns immer klar war, dass wir unsere Partner lieben - ein so inniges und absolutes Liebesgefühl wie während der Begleitung auf dem letzten Weg und jetzt, da wir den Kampf verloren haben, niemals zuvor empfunden wurde. Ich glaube, dass ich leider erst jetzt wirklich begreife, wie sehr ich meinen Mann liebe. Ich fühle es so intensiv, so ausschließlich wie niemals zuvor. Und diese Liebe wird alles überleben, die Körper unserer Lieben ebenso wie die unseren. Denn sie hat etwas mit unserer Seele und nichts mit unserem Kopf zu tun, sie ist Teil des Unterbewusstseins, etwas, das man nur fühlen aber niemals beschreiben kann.

Ich war total erschrocken, als ich deine Zeilen gelesen hatte, dass du befürchtest, deine Frau könnte eventuell noch Schmerzen haben. Niemals hatte ich sowas in auch nur Ansatzweise in Erwägung gezogen. Leicht irritiert habe ich es meiner Tochter erzählt, woraufhin diese ganz spontan antwortete: Aber wie sollen sie denn noch Schmerzen haben? Dafür braucht man ja schließlich den Körper und den haben sie zurückgelassen, weil die Seele keine Hülle mehr braucht. Ja, mein Kind hat es glaube ich formuliert, wie es ist.

Lieber Gerhard, ich würde dich so gerne trösten, würde dich so gerne überzeugen davon, was ich ganz oft (leider nicht immer und eigentlich viel zu selten) als gegeben empfinde. Die Bilder deiner kranken Frau werden verblassen, du musst sie noch eine Weile sehen, weil auch du im vergangenen Jahr keine Zeit hattest zu verarbeiten, was mit euch passiert. Du wirst die Bilder aber irgendwann nicht mehr nur als schmerzlich empfinden, sondern dankbar sein, dass du die Möglichkeit erhalten hast, ihr deine Liebe auf so selbstlose und ausschließliche Art zu zeigen. Du wirst es als Glück empfinden, dass du sie auf ihrem letzten Weg begleitet hast. (Du hast vielleicht gelesen, dass ich selbst auch ganz oft wieder verzweifelt bin und dass ich dann für mich alles, was ich dir jetzt schreibe nicht in den Vordergrund schieben kann, weil der Schmerz und die Trauer einfach überhand nehmen.) Aber vielleicht glaubst du mir gerade auch wegen meiner oftmals verzweifelten Beiträge, dass diese eben beschriebenen Gefühle kommen, dass sie Teil von uns werden.

Und irgendwann wirst du nicht mehr weinen, wenn du an sie denkst. Irgendwann wird nur noch das warme Gefühl eurer innigen Liebe in dir sein, du wirst lächeln darüber, dass sie immer so diskret im Hintergrund bleiben wollte, du wirst lächeln und dich glücklich und dankbar erinnern. Und die Dankbarkeit wird den Schmerz ablösen und dir wird ganz bewusst, dass du ein großes Geschenk erhalten hast, damals, als deine liebe Frau dein Leben gekreuzt hast.

Ich hoffe, meine Worte klingen nicht zu leer und nichtssagend für dich, sondern lassen dich ein wenig nachdenken und hoffen, dass es irgendwann für uns alle erträglicher wird.

LG
Andrea
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  #2  
Alt 15.12.2005, 09:39
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GEP GEP ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Kiebe Andrea,

ich danke Dir, wie allen anderen hier, für die mehr als tröstlichen Worte.
Ich war gestern in unserer Stadtbibliothek und habe mir einige Bücher mitgenommen. Habe aber noch nicht reingesehen.

Es ist eigentlich schön zuwissen, dass es fremde Menschen gibt, die einem mit ihren angenehmen Worte Mut machen wollen. Ich habe das vorher nie für möglich gehalten. Ich bin auch nur durch Zufall in dieses Forum gelangt und habe erst überhaupt nicht die Kraft und den Willen gehabt, mich hier zu offenbaren. Vielleicht ist es ja gerade die Anonymität, die so jemandem wie mir den Mut gibt sich hier zu öffnen.
Ich habe in der Zeit, in der ich diesen Beitrag geschrieben habe, soviele Tränen vergossen, wie ich in meiner ganzen Kindheit nicht habe laufen sehen.

Gestern sind es 2 Wochen her, als meine Frau ging, ich habe immer noch das Gefühl, sie würde hier im Pflegebett liegen. Ich sehe sie genau vor mir, wie ich ihr ihre Medikemente gegeben habe. Ich habe die Medikamente hier immer noch aufgereit stehen, ich kann sie noch nicht wegräumen. Auch habe ich immer noch ihre Strickjacke hier liegen, die ich ihr angezogen habe, wenn es etwas kühler war.
Es ist so grausam, der Kopf schmerzt, die Tränen laufen in Strömen und der ganze Brustkorb fühlt sich an, als würde er gleich eingedrückt.

Nochmal recht herzlichen Dank an alle
Gerhard

Geändert von GEP (15.12.2005 um 09:42 Uhr) Grund: Rechtschreibfehler
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  #3  
Alt 15.12.2005, 10:25
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Lieber Gerhard,

du brauchst auch nichts wegzuräumen. Weißt du, ich habe heute noch, 14 Monate später, das Wasserglas meines Mannes auf seiner Seite des Bettes stehen und regelmäßig fülle ich es mit frischem Wasser auf. Ich kann es nicht wegräumen, ich will es nicht und solange das so ist, bleibt das Glas bei ihm an seiner Seite stehen.

LG
Andrea
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  #4  
Alt 15.12.2005, 21:37
Michael Michael ist offline
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Unglücklich AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Wollte eigentlich nicht schreiben , aber ich weis glaube net wie Trauer nun aussieht , es is jetzt genau 3 Wochen her wo Papa eingeschlafen ist. Ich habe gedacht wenn er mal Stirbt , bin ich nur am Weinen oder so. Nun ganz im Gegenteil , ich unternehme sehr viel , meine Mutter und ich müssen zu vielen Ämtern und so , sachen erledigen. Wir haben immer zu tuen , und auch so lachen wir viel......... ich habe in den 3 Wochen wo Papa jetzt Tod ist noch kein mal Weinen müssen....... obwohl man ja eigentlich oft Weint , voraldingen wenn der papa gestorben ist der 21 Jahre für einen immer da war. Und wo ich viel von gelernt habe. Aber kein bisschen Trauer....... wo Papa aufem Sofa eingeschlafen ist , hat Mum geweint , aber ich nicht. Ich bin ganz Cool (hört sich nun blöde an) zu ihm hingegangen , habe den Mund geschlossen und ein Handtuch unter das Kinn gelegt. Dann hatte ich den Hausarzt angerufen , und ihm berichtet , was Papa gerade eingeschlafen und er bitte kommen möge. Das hab ich alles so "locker" gemacht. Also irgendwas läuft hier voll verkehrt......... hoffe mir kann mal jemand berichten wies bei euch war , 2-3 Wochen nach dem Tod. Ob ihr viel Geweint habt , oder halt so wie bei mir.........

Lg Michi
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  #5  
Alt 15.12.2005, 21:47
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Hallo Michael,

ich glaube, es gibt dafür keine Regel. Denke, es ist einfach alles "normal". Meinen Sohn (heißt übrigens auch Michael) habe ich nach dem Tod seines Papas noch nie weinen sehen, ob er wirklich nicht geweint hat oder nur nicht vor mir, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass er sehr traurig ist, dass er seinen Papa vermisst. Er sucht andere Wege, z.B. über seine Musik, die er mit Kumpels macht. Dort tauscht er sich auch aus. Mit mir eigentlich gar nicht. Aber zum Lachen bringen kann er mich auch sehr gut und das hilft mir sehr.
Weißt du, es ist kein Zeichen von "ich liebe mehr", wenn man in Tränen aufgelöst ist und seinen Schmerz zeigen kann. Es ist ganz einfach ein möglicher Weg, damit umzugehen, nicht besser und nicht schlechter.
Ich selbst weine auch heute nach 14 Monaten noch sehr viel. Bei mir ist es eine Art Venil, damit der Druck ums Herz ein wenig nachlässt. Und es ist für deine Mama bestimmt sehr hilfreich, dass du cool bleiben kannst ihr tatkräftig zur Seite stehst.

Alles Liebe für Euch

Andrea
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  #6  
Alt 30.03.2006, 09:09
Andrina Andrina ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Mein Vater ist am 22. März 2006 gestorben. Seit dem fühle ich mich wie ein halber Mensch! Ich habe das Gefühl ich bin total verwirrt und alles kommt mir so seltsam vor!

Mein Vater war fast zwei Jahre krank und mit der Diagnose BSDK war uns allen klar, dass er irgendwann von uns gehen wird. Mit dem Tod haben wir uns oft befasst und ich war in der Zeit seiner Krankheit, vorallem ganz am Anfang, oft sehr, sehr traurig und deprimiert.

Nun ist also das passiert, wovon ich mich immer am meisten gefürchtet habe und ich muss sagen, dass ich mir wirklich alles ganz anders vorgestellt habe, denn ich bin zum grössten Teil einfach nur empfindungslos. Ich habe schon ab und zu geweint und natürlich bin ich auch traurig (Grundstimmung) und ich merke auch körperlich, dass nicht alles so toll ist wie es mir mein Herz oder Verstand weismachen will (ich habe fast keinen Appetit, kann nicht schlafen etc.), aber gross Gefühle habe ich im Moment wirklich nicht und das macht mir sehr zu schaffen. Ich hatte ein super Verhältnis zu meinem Vater und habe ihn überalles geliebt... er war schon seit klein auf mein ganz grosser Held... und nun kann ich nicht mal richtig um ihn trauern. Meine Schwester empfindet ähnlich wie ich und auch meine Mutter ist sehr gefasst, zu gefasst, dabei hat sie während seiner Krankheit fast nur noch geweint. Sie hat gemeint, dass sie sich auf diese Situation vorbereiten konnte, also einen Teil der Trauerarbeit schon begonnen oder hinter sich hat, aber ich glaube nicht, dass man sich auf so eine Situation wirklich vorbereiten kann. Ich habe gelesen, dass solche Gefühle am Anfang ganz normal sind, aber für mich ist es sehr schwer zu verstehen und damit umzugehen. Ich fühle mich einfach irgendwie total abartig!

Wie ist es euch so ergangen? Wie seid ihr mit diesen Gefühlen umgegangen? Ist bei euch das ganz grosse Loche jemals gekommen?

Liebe Grüsse,
Andrina
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  #7  
Alt 30.03.2006, 09:47
eternity_76 eternity_76 ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Hallo Andrina.
Ich kenne das Gefühlschaos, das Du und Deine lieben durchmachen müßt sehr gut. Und keine Angst, alles ist normal.
Wir haben unseren Sohn verloren. Mein Mann macht es für sich so, das er es total verdrängt und er kann noch nicht mal ans Grab gehen. Das erste Weihnachten war die Hölle.
Ich rede mit meinen Töchtern viel über ihn, und wir gehen auch ans Grab. Aber heulen konnten mein Mann und ich auch erst sehr spät. Es kommt irgendwann, wenn Deine Seele bereit dazu ist.
Ich wünsche Dir alles liebe und viel Kraft.
Sanny
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  #8  
Alt 30.03.2006, 10:00
Nadine83 Nadine83 ist offline
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Beiträge: 9
Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Hallo Adrina!

So wie du es beschreibst ging es mir größenteils am Anfang auch, mein Vater ist im März letztes Jahr gestorben, jeder Tag war falsch, ich hab nichts von Bedeutung zu stande bekommen, bin aufgestanden und abends wieder schlafen gegangen, heute weiß ich nicht wie ich diese Zeit überhaupt überstanden habe. Ich kann mich kaum an die Zeit "danach" erinnern. Ich denke ich hab gefühlsmäßig auf Sparflamme geschaltet, sonst wäre ich wohl verrückt geworden! Auch heute noch, ich kann nicht in meiner Gefühlswelt graben und mir die ganze Zeit genau ansehen, ich kann nicht akzeptieren das es jetzt so ist! Mein Vater war nur 41, er war die letzte Zeit oft zur Kur oder in Krankenhäusern, es war da noch in Ordnung das er mal kurze Zeit nicht erreichbar ist. Ich hab mich so durch das letzte Jahr gemogelt, ... er kann sich jetzt nicht melden, ...später... Der Absturz kam nach einer gewissen Zeit, ich vermisse ihn furchtbar, er war mein, nein er ist mein bester Freund, heute rede ich ständig mit ihm, was ich kurz danach nicht konnte! Ich glaube fest daran das er bei mir ist, nicht immer aber ab und zu spüre ich ihn! (Menschen die mich kennen würden solch einen Satz nie von mir erwarten, ich bin sehr rational und für mich muß alles erklärbar sein, aber es ist so, und selbst ich kann nicht alles erklären! )

Wir haben ganz ganz wichtige Menschen verloren, nein verloren haben wir sie nicht, mein Vater ist da! Ich hoffe bei dir stellt es sich irgendwann auch ein!


Ich bin etwas durcheinander heute, ich hoffe du blickst durch mein Gefühlschaos durch!

Liebe Grüße
Nadine
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