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  #1  
Alt 14.12.2005, 09:19
Miezmauz Miezmauz ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Hi Gaertner,

natürlich sollte man die Dinge positiv sehen denn unser "Leben" geht ja schließlich weiter.Aber an manchen Tagen ist wirklich sauschwer.Ich gebe mir auch alle Mühe die schlechten Gedanken wegzudrängen doch manchmal sind sie halt stärker.

Wenn wir beisammen sitzen kommen auch Gespräche und Anekdoten von unseren Dad ins Spiel und wir müssen oft sehr lachen.Mein Dad war ein Typ,der hat die schärfsten Dinger rausgehauen.Selbst als ich noch Kind war,war er mein bester Kumpel.Wir haben gemeinsam meine Mutter an manchen Tagen zur Weißglut gebracht.Mit ihm konnte man Pferde stehlen.
Es kommen mittlerweile so viele Erinnerungen auf die ich schon fast vergessen hatte.Das ist toll und es macht mir Spass darüber nachzudenken.

Ein neuer Tag bringt neue Gedanken,und dir wünsche ich auch nur schöne Gedanken.
Alles Liebe und herzliche Grüße aus Berlin

Tina
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  #2  
Alt 14.12.2005, 13:36
Benutzerbild von GEP
GEP GEP ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Hallo zusammen,

ich kann meine Trauer noch nicht verarbeiten, den Schmerz schon garnicht. Auch wenn jetzt manche meinen, wenn man hier schreibt, ist das schon eine Art der Verarbeitung.
Ich schreibe, weil es mir so schlecht geht und wenn ich fertig bin, wird es mir noch schlechter gehen.
Ich schlafe seit 2 Wochen (meine Frau ist vor genau 2 Wochen um 12:05 zu Hause im Pflegebett eingeschlafen) fast nicht mehr. Ich werde, wenn ich einmal schlafen sollte, wach und sitze senkrecht im Bett. Dann gehe ich ins Wohnzimmer um zu sehen, ob meine Frau noch in ihrem Pflegebett liegt.
Das Bett wurde schon vor einer Woche abgeholt.
Ich grüble und grübel und habe immer wieder ein schlechtes Geissen, ob ich wirklich alles richtig gemacht habe.
Ich habe von Anfang an gewußt, das bei meiner Frau keine Heilung möglich war. Ich habe alles medizinische und alles andere für sie erledigt. Sie hat mich machen lassen und war mit allem Einverstanden. Ich habe ihr, da ich sie seit einem Jahr gepflegt habe, jeden Wunsch versucht zu erfüllen.
Nur das Thema Tod und sterben war für uns tabu. Meine Frau wußte auch nichts von ihrem Zustand, sie wußte natürlich was sie hatte, aber nicht wie schlimm es um sie stand. Sie hat auch nie danach gefragt.

Ich kann auch nichts damit anfangen, wenn man mir sagt, das sie es jetzt bestimmt besser hat. Wer weiß das? Vielleicht hat sie ja immer noch Schmerzen oder es ist endgültig vorbei.

Ich habe mit Gott gerungen, habe gesagt er kann mit mir machen was er will, aber er soll wenigstens meine Frau noch über Weihnachten bei mir lassen.
Das hat den herzlich wenig interessiert.

Der Anblick, als sie ihren letzen Atemzug tat, hat sich in mein Gedächnis eingebrannt. Das werde ich nie vergessen.

Ich werde auch nie vergessen, wie sie mir ihre Arme entgegenstreckte, wenn ich sie vom Toilettenstuhl hochhob und ins Pflegebett legte.

Ich würde am liebsten die Morphiummedikamente zu mir nehmen, damit ich Weihnachten nicht real miterleben muss. Aber nachher ist das zuviel was ich nehme und dann sehe ich meine Frau nie mehr wieder.

LG
Gerhard
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  #3  
Alt 14.12.2005, 13:51
Wolke Wolke ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Lieber Gerhard,

ich denke dein ganzes Fühlen und die Fragen die du dir stellst, das ist ganz normal.

Du sagst, deine Frau hat nie nach ihrem Zustand gefragt. Ich denke sie hat nicht gefragt, weil sie genau wußte wie die Antwort lautete. Aber man versucht es zu verdrängen und hofft, wenn es niemand ausspricht, dann wird es auch nicht wahr. Auch bin ich mir ganz sicher, dass du alles richtig gemacht hast. Du hast eine riesige Belastung mit der Pflege auf dich genommen und ihr somit viel Last abgenommen. Dein Leben hat sich doch nur noch nach ihr gerichtet. Nun ist diese "Aufgabe" weg und du musst die Leere irgendwann langsam mit anderen Dingen ausfüllen.

Das schlimmste in der ganzen Trauer finde ich die Schlaflosigkeit. In einem anderen Thread hier "Besser als Schlaftabletten" oder so ähnlich berichten ein paar Leute darüber, was ihnen geholfen hat. Vielleicht ist da für dich was dabei.

Ich hab neulich gelesen. Man kann es erst Schlafstörungen nennen, wenn es länger als vier Wochen anhält. Das finde ich ehrlich gesagt etwas lange. Nach so langer Zeit ohne erholsamen Schlaf geht man doch schon auf dem Zahnfleisch.

Ich denke auch oft, wenn die Leute sagen, jetzt muss sie nicht mehr leiden, dass sie lieber noch gelitten hätte als von uns getrennt zu sein, aber die Antwort darauf finden wir erst, wenn wir am anderen Ende angekommen sind.

Ich war auch dabei als meine Ma ihren letzten Atemzug tat und sie wurde dann nochmal in der Kapelle aufgebahrt, aber ich hab versucht nicht so intensiv sie anzuschauen. Ich wollte nicht für immer dieses Bild in mein Hirn gebrannt haben. Ich bin ganz froh, dass mir das auch gelungen ist. Ich kann die Bilder zwar abrufen, aber sie sind nicht so im Vordergrund. Vielleicht kannst du (wenn es dich nicht zu sehr schmerzt) die Fotoalben durchgucken und die an die gemeinsamen Urlaube etc erinnern und somit andere Bilder von ihr heraufholen.

Ich weiß, dass dich momentan keine Worte trösten können, dennoch hoffe ich, dass dir das Forum ein kleines bisserl auf deinem Weg unterstützen kann.

Liebe Grüße Wolke
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  #4  
Alt 14.12.2005, 15:02
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GEP GEP ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Liebe Wolke,

danke für die lieben Worte.

Es hat mal irgendwo jemand geschrieben, das der der von uns geht, seine Aufgabe erfüllt hätte. Ich habe ja jetzt auch eine Aufgabe erfüllt, warum werde ich nicht geholt?

Das mit den Bildern ist auch so eine Sache, meine Frau hat es immer verstanden, sich aus Fotos oder Filmen herauszustehlen. Sie wollte einfach nicht fotographiert werden.
Ich habe zufällig vor einiger Zeit mal ein Bild machen können, weil ich ihr mit einer Digikamerazeigen wollte, was sie für rote Wangen hatte. Ich hatte damals gedacht, es wäre irgend eine Reaktion auf ein Medikament. Das Bild ist vom 17.11.05 also 2 Wochen vor ihrem Weggang.
Sonst hätte ich noch nicht mal ein aktuelles Bild von ihr. So war sie, immer zurückhaltend, nirgends auffallen und ja kein aufhebens um sie machen.

Ich weiss, das ich noch aus unseren Urlaubstouren Videos habe, aber die sind von 1993 und jetzt kann ich mir die noch nicht ansehen.

LG
Gerhard
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  #5  
Alt 15.12.2005, 08:21
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Lieber Gerhard,

ich weiß nicht, ob du dir zwischenzeitlich ein wenig Lektüre besorgt hast. Ich denke wir, die wir zurückbleiben müssen, haben eben nicht unsere Aufgabe erfüllt. Wenn man davon ausgeht, dass es vielleicht darum gehen kann "Liebe" zu lernen (ich weiß, es klingt immer alles dämlich) so muss man trotz all des Schmerzes wohl zugeben, dass - selbst wenn für uns immer klar war, dass wir unsere Partner lieben - ein so inniges und absolutes Liebesgefühl wie während der Begleitung auf dem letzten Weg und jetzt, da wir den Kampf verloren haben, niemals zuvor empfunden wurde. Ich glaube, dass ich leider erst jetzt wirklich begreife, wie sehr ich meinen Mann liebe. Ich fühle es so intensiv, so ausschließlich wie niemals zuvor. Und diese Liebe wird alles überleben, die Körper unserer Lieben ebenso wie die unseren. Denn sie hat etwas mit unserer Seele und nichts mit unserem Kopf zu tun, sie ist Teil des Unterbewusstseins, etwas, das man nur fühlen aber niemals beschreiben kann.

Ich war total erschrocken, als ich deine Zeilen gelesen hatte, dass du befürchtest, deine Frau könnte eventuell noch Schmerzen haben. Niemals hatte ich sowas in auch nur Ansatzweise in Erwägung gezogen. Leicht irritiert habe ich es meiner Tochter erzählt, woraufhin diese ganz spontan antwortete: Aber wie sollen sie denn noch Schmerzen haben? Dafür braucht man ja schließlich den Körper und den haben sie zurückgelassen, weil die Seele keine Hülle mehr braucht. Ja, mein Kind hat es glaube ich formuliert, wie es ist.

Lieber Gerhard, ich würde dich so gerne trösten, würde dich so gerne überzeugen davon, was ich ganz oft (leider nicht immer und eigentlich viel zu selten) als gegeben empfinde. Die Bilder deiner kranken Frau werden verblassen, du musst sie noch eine Weile sehen, weil auch du im vergangenen Jahr keine Zeit hattest zu verarbeiten, was mit euch passiert. Du wirst die Bilder aber irgendwann nicht mehr nur als schmerzlich empfinden, sondern dankbar sein, dass du die Möglichkeit erhalten hast, ihr deine Liebe auf so selbstlose und ausschließliche Art zu zeigen. Du wirst es als Glück empfinden, dass du sie auf ihrem letzten Weg begleitet hast. (Du hast vielleicht gelesen, dass ich selbst auch ganz oft wieder verzweifelt bin und dass ich dann für mich alles, was ich dir jetzt schreibe nicht in den Vordergrund schieben kann, weil der Schmerz und die Trauer einfach überhand nehmen.) Aber vielleicht glaubst du mir gerade auch wegen meiner oftmals verzweifelten Beiträge, dass diese eben beschriebenen Gefühle kommen, dass sie Teil von uns werden.

Und irgendwann wirst du nicht mehr weinen, wenn du an sie denkst. Irgendwann wird nur noch das warme Gefühl eurer innigen Liebe in dir sein, du wirst lächeln darüber, dass sie immer so diskret im Hintergrund bleiben wollte, du wirst lächeln und dich glücklich und dankbar erinnern. Und die Dankbarkeit wird den Schmerz ablösen und dir wird ganz bewusst, dass du ein großes Geschenk erhalten hast, damals, als deine liebe Frau dein Leben gekreuzt hast.

Ich hoffe, meine Worte klingen nicht zu leer und nichtssagend für dich, sondern lassen dich ein wenig nachdenken und hoffen, dass es irgendwann für uns alle erträglicher wird.

LG
Andrea
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  #6  
Alt 15.12.2005, 09:39
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GEP GEP ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Kiebe Andrea,

ich danke Dir, wie allen anderen hier, für die mehr als tröstlichen Worte.
Ich war gestern in unserer Stadtbibliothek und habe mir einige Bücher mitgenommen. Habe aber noch nicht reingesehen.

Es ist eigentlich schön zuwissen, dass es fremde Menschen gibt, die einem mit ihren angenehmen Worte Mut machen wollen. Ich habe das vorher nie für möglich gehalten. Ich bin auch nur durch Zufall in dieses Forum gelangt und habe erst überhaupt nicht die Kraft und den Willen gehabt, mich hier zu offenbaren. Vielleicht ist es ja gerade die Anonymität, die so jemandem wie mir den Mut gibt sich hier zu öffnen.
Ich habe in der Zeit, in der ich diesen Beitrag geschrieben habe, soviele Tränen vergossen, wie ich in meiner ganzen Kindheit nicht habe laufen sehen.

Gestern sind es 2 Wochen her, als meine Frau ging, ich habe immer noch das Gefühl, sie würde hier im Pflegebett liegen. Ich sehe sie genau vor mir, wie ich ihr ihre Medikemente gegeben habe. Ich habe die Medikamente hier immer noch aufgereit stehen, ich kann sie noch nicht wegräumen. Auch habe ich immer noch ihre Strickjacke hier liegen, die ich ihr angezogen habe, wenn es etwas kühler war.
Es ist so grausam, der Kopf schmerzt, die Tränen laufen in Strömen und der ganze Brustkorb fühlt sich an, als würde er gleich eingedrückt.

Nochmal recht herzlichen Dank an alle
Gerhard

Geändert von GEP (15.12.2005 um 09:42 Uhr) Grund: Rechtschreibfehler
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  #7  
Alt 15.12.2005, 10:25
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Wie verarbeitet Ihr die Trauer, den Schmerz?

Lieber Gerhard,

du brauchst auch nichts wegzuräumen. Weißt du, ich habe heute noch, 14 Monate später, das Wasserglas meines Mannes auf seiner Seite des Bettes stehen und regelmäßig fülle ich es mit frischem Wasser auf. Ich kann es nicht wegräumen, ich will es nicht und solange das so ist, bleibt das Glas bei ihm an seiner Seite stehen.

LG
Andrea
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