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  #1  
Alt 10.12.2005, 10:29
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GEP GEP ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo,

für die herzliche Anteilnahme bedanke ich mich sehr. Ich habe mich, trotz meines immer noch riesigen Schmerzes, über die netten Worte gefreut.

Ich bin mittlerweile 51 Jahre alt und hätte es nie für möglich gehalten, daß ich, auf den sich meine liebe Frau so gerne als den vermeintlich "stärkeren" verlassen hat, soviel Tränen zu vergießen werde.
Dabei ist das, was meine Frau gelitten hat, so unbegreiflich und sie hat nur einmal, eine Woche bevor sie gegangen ist, geweint und hat gesagt: Langsam ist es genug, immer kommt was neues dazu. Das war, als die Morphindosierung wieder einmal neu angepaßt wurde und der Durchbruchschmerz wohl wieder den Medikamentenspiegel überschritten hat.

Ich war gestern das erste mal wieder seit dem Fortgang meiner lieben Frau einkaufen. Mich haben all diese Menschen irgendwie angewiedert und dieses geplärre von Weihnachstliedern aus dem Lautsprecher in diesem Warenhaus fand ich unerträglich. Ich habe bemerkt, dass ich es darauf angelegt habe, mit irgend jemand in Streit zu geraten. Ich bin zu Hause nachträglich darüber erschrocken, ich bin sonst überhaupt nicht aggresiv, eher zurückhaltend.

Gestern wurde das Pflegebett, in welchem sich meine liebe Frau fast 1 Jahr befand, abgeholt, ebenso die anderen Hilfsmittel, wie Rollstuhl, Rollator usw.
Das hat sehr weh getan. Alle Erinnerungen wurden wieder unmittelbar vor meinem Auge abgespielt.

Ich würde gerne mehr über die anstrengende, aber trotzdem doch schöne Zeit vom Beginn der Krankheit meiner lieben Frau schreiben, doch bin ich mir nicht sicher, ob "sie" es in Ordnung finden würde und ob sich überhaupt jemand hier dafür interessiert.
Ich muss jetzt wieder aufhören, ich habe das Gefühl, dass mein Kopf gleich platzt.

Ich bedanke mich noch einmal
Gerhard
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  #2  
Alt 10.12.2005, 11:03
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Gerhard,

das Gefühl kenne ich, über sich selbst zu erschrecken. Das ist eins der Dinge, die wir erkennen auf unserem Weg. Aggressionen, Wut, Ekel all das kommt in uns hoch, vor allem, wenn wir tagtäglich über die Oberflächlichkeit der meisten Menschen in unserem Umfeld stolpern. Alle Gefühle sind normal, die ganze Palette gilt es jetzt zu überstehen.

Ob es deiner Frau recht wäre, wenn du uns über die Zeit ihrer Krankheit berichtest, weiß ich nicht, aber ich denke, dass sie mit allem einverstanden ist, was dir jetzt auf diesem schweren Weg hilft, um das Erlebte zu verarbeiten. Was uns betrifft, so kannst du jedoch sicher sein, dass es uns interessiert, was du zu erzählen hast, dass wir dir zuhören werden und versuchen, dir ein wenig Halt zu geben, sofern es gerade möglich ist.

Was deinen ersten Beitrag angeht, möchte ich jedoch eine Sache nicht einfach so stehen lassen. Auch wenn es sich so anfühlt, wenn das Warum so laut in unserem Kopf dröhnt, niemals glaube ich daran, dass wir für irgendetwas bestraft werden. Es ist keine Strafe, früh zu sterben, und es ist keine Belohnung lange zu leben. Ich möchte eigentlich, 14 Monate weiter auf dem Weg als du und zahlreiche einschlägige Lektüre, fast an das Gegenteil glauben. Wahrscheinlich waren unsere Lieben dem Erkennen, dem Begreifen ganz einfach schon ein gutes Stück weiter. Das ist eher das, was ich als Erklärung für mich akzeptieren kann. Ich hatte einen wundervollen Mann, der seine Familie über alles geliebt hat, uns umsorgt und zuverlässig zur Seite gestanden hat. Keinem hat er etwas Böses getan. Wofür sollte er bestraft worden sein? Oder vielleicht ich, da ich jetzt mit dem Schmerz leben muss? Sein Tod, meine Strafe? Das kann nicht sein. Und erst recht nicht, wenn man sich manch alten Kotzbrocken (entschuldige die Ausdrucksweise, aber so empfinde ich es) betrachte, der mit über 80 grieskrämig durchs Leben rennt und für mich nichts begriffen hat. Wofür sollte so jemand belohnt werden?

LG
Andrea
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  #3  
Alt 10.12.2005, 11:26
leonore leonore ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

mein herzliches beileid lieber gerhard, es ist schwer einen geliebten menschen zu verlieren. ich habe es selbst erst durchgemacht und weiß wie es dir geht. so wie wir alle hier, die unser liebstes verloren haben. auch ich habe es furchtbar gefunden, dass die welt nicht einfach innehielt, dass draußen alles weitergeht als wenn nichts passiert wäre. der trubel all das ist zuviel. selbst wenn meine kinder mit den enkeln kommen, es ist mir zuviel. ich möchte mich verkriechen, möchte weinen und trauern, aber so profan wie es klingt, das leben übersieht uns nicht es fordert uns auf weiterzumachen. ich wäre so gerne mit meinem schatz gegangen in diesen frieden, er lächelte als er starb. ihn gehenzulassen war das schwerste in meinem leben und doch bin ich für ihn froh, dass er jetzt schmerzfrei und glücklich sein darf und ich einen stern am himmel habe oder einen schutzengel der mich behütet. auch wenn er körperlich tot ist, für mich lebt er in meinem herzen und in meinen gedanken. ich schreibe ihm, ich rede auch zuhause mit ihm, erzähle unseren haustieren von ihm. gerhard hier bist du immer willkommen, wir hören dir zu und können mit dir mitfühlen. ich kann dir auch anbieten mich anzuschreiben, wenn du hilfe brauchst ich habe immer ein offenes ohr. ich sende dir ein großes krafpaket für die kommende zeit. leonore
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  #4  
Alt 10.12.2005, 11:37
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GEP GEP ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Liebe Andrea,

also ist diese Wut und das das Du in Deinem ersten Absatz beschreibst, einigermaßen "normal"?

Ich habe ja geschrieben, das ich christlich erzogen wurde und auch heute noch einigermaßen religiös bin. Ich gehe zwar kaum in die Kirche, das ist auch nicht mein Ding. Ich bete lieber still und für mich.

Ich sehe es im Augenblick als Strafe an, dass ich weiterleben muss (muss ich natürlich nicht, aber selbst Hand an mich zu legen, dazu fehlt mir der Mut und die Angst, dann meine lieb Frau nicht wiederzusehen).

Ich meinte auch mehr, den "barmherzige gütigen Gott". Was ist daran barmherzig oder gütig, einen Menschen so leiden zu lassen, der nie etwas "schlechtes" getan hat und dann laufen solche "Kotzbrocken" (wie Du richtig geschrieben hast) und noch schlimmere draußen rum. Ich komme, trotz Deiner Beschreibung, im Moment nicht davon los, dies als Strafe, für meine liebe Frau, sowie diesen wahnsinnigen Schmerz von mir, zu bezeichnen.

Was ist das für Literatur, von der Du sprichst?
Ich werde nächste Woche mal in unsere Bibliothek gehen und wenn ich weiß, wonach ich mich umsehen könnte, würde ich dies gerne mal tun.

LG
Gerhard
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  #5  
Alt 10.12.2005, 11:53
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Gerhard,

zum Thema "barmherziger Gott" hatte ich mich vor kurzem in einem anderen Thread bereits ausgelassen, auch hier wieder der Hinweis, dass ich niemandem zu nahe treten möchte, niemanden verletzen, aber so ist es, wie ich es sehe:

http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...t=14313&page=3

Ich habe Trost gefunden in Bern Jacobys: Auch du lebst ewig, u.a. mit Verweisen auf Kübler-Ross. Momentan lese ich von Brian L.Weiss: Liebe kennt keine Zeit. Er hat auch geschrieben: Die zahlreichen Leben der Seele.

Es gibt mir sehr viel Hoffnung und erklärt für mich auch im Ansatz, wieso Claus und ich so innig und bewusst gelebt haben. Vielleicht war es nicht das erstemal in diesem Leben, vielleicht kannten wir uns bereits und konnten vergangene Fehler korrigieren. Und ich hoffe so sehr, dass wir auch in einem weiteren Leben wieder zusammenfinden werden. Vielleicht klingt das verrückt, vielleicht denkt ihr ich spinne, aber nichts kann mich mehr trösten, als die Aussicht auf ein Wiedersehen mit meinem geliebten Mann. Und Zeit spielt dabei keine Rolle, jedenfalls nicht mehr für die, die uns vorausgegangen sind.

LG
Andrea
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  #6  
Alt 12.12.2005, 20:16
Wolke123 Wolke123 ist offline
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Beiträge: 18
Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo,

ich glaube, man muss sich einfach von der Vorstellung lösen, dass man selbst weiss, was das beste ist. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das für jeden schrecklich. Aber wer gibt einem denn die Gewissheit, das nicht doch alles so verlaufen ist, wie es am besten ist? Wenn du gläubig bist und deine Frau es auch war, darfst du dir jetzt vorstellen, das sie im Paradies ist und auf dich wartet und auf euch beide gemeinsam das ewige Leben wartet. Eure Trennung ist doch jetzt nur von kurzer Dauer, gemessen an der Ewigkeit.

Ich glaube, trotz allen Leides, das Gott gut auf uns aufpasst und alles so fügt, wie es am besten ist.

Natrülich, ich bin auch oft verbittert, weine, frage mich immer wieder, wieso ich meine Mama in diesem Leben nicht mehr sehen kann. Ich bin sauer auf die ganze Welt, auf die Menschen draussen, weil SIE noch rausgehen können, reden können, lachen können, und meine Mama kann das alles nich mehr...
meine Mama ist ja "schon" (morgen genau) 1,5 jahre tot und ich denke immer noch so, ich habe nicht das Gefühl, irgendetwas "überwunden" zu haben.
Nichts desto trotz, der Glauben ist mir immer ein wichtiger Notanker, ich hoffe, das er dir genauso eine Stütze und ein Halt sein kann, selbst wenn immer wieder andere Gedanken, wie Frage nach dem "wieso ausgerechnet meine Frau", kommen werden, vielleicht nie verschwinden werden.

Alles Gute!
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  #7  
Alt 13.12.2005, 15:30
Traurigfroh Traurigfroh ist offline
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Beiträge: 3
Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Gerhard,
Du tust mir unendlich leid und ich bete für Dich!
Alle Gefühle und Gedanken, die Du im Moment hast, sind normal und Du darfst sie auch zulassen. Das solltest Du Dir immer bewusst machen.
Was ich Dir noch sagen möchte: Dass Du nicht zerbrichst, ist ein Zeichen dafür, dass Gott Dich trägt. Dass Du Deiner Frau nicht gefolgt bist, auch.
Du bekommst die Kraft!
Liebe Grüße,
Barbara
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Bar
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  #8  
Alt 16.12.2005, 15:16
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GEP GEP ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo,

danke für die lieben Worte.

Leider hadere ich seit dem Tod meiner Frau sehr mit der Vorstellung des lieben Gottes. Ich habe vor dem Tod meiner Frau mit Gott versucht zu verhandeln, wenn meine Frau schon gehen muss, dass war ja nun schon nicht mehr zu ändern, das er sie wenigstens über die Feiertage noch bei mir lassen solle.

Kann man sagen das ist egoistisch, dann ist es eben so.

Ich habe gebetet, habe ihn angefleht, er kann mir ja auch eine Krankheit verpassen, aber solle meine Frau noch was hierlassen.
Was hat der "liebe" Gott getan? Nichts. Er hat es zugelassen, das meine Frau so schnell gehen mußte.
Dann kann ich nicht annehmen, dass Gott auf uns aufpaßt. Das will mir im Augenblick nicht in meinen Kopf.

In unendlicher Trauer trotzdem liebe Grüße
Gerhard
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