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  #1  
Alt 20.09.2017, 18:34
Mel_1 Mel_1 ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Hallo Kaffetrinkerin,

es tut mir so leid, dass Du auch so jung sowas mitmachen musst. Ich war damals 36.
Hat Dein Mann keine Schmerzpumpe? So kann er ja normal immer selbst auf den Knopf drücken, wenn er meint, es geht nicht mehr. Wichtig ist ja , eine gewisse REgelmässigkeit mit dem Schmerzmittel einzuhalten, dass der aufgebaute Spiegel nicht sinkt.
Wie machen das denn die vom Palliativteam?
Du wirst die Kraft für den vor Euch liegenden WEg haben...man entwickelt so unfassbare Kärfte, bis zum letzten Tag, auch wenn man meint, es geht nicht mehr.
Wichtig ist, dass evtl mal jemand 1 Stunde vorbei kommt, wo Du selbst mal raus kannst und abschaltest.
Hast Du einen Psychologen an Deiner Seite? Wenn nein, sprech mal mit dem Hausarzt, dass da langsam schonmal was angemeldet wird, denn ich fand diesen danach für mich in der TRauertherapie sehr gut.
Dir weiterhin viel Kraft.
Mel
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  #2  
Alt 20.09.2017, 20:22
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Danke dir Mel.
Es tut mir unfassbar leid, dass du auch sowas mitmachen musstest. Und das noch viel jünger als ich.
Er hatte mal eine Schmerzpumpe. Da war aber noch die Hoffnung, dass es mit der Chemo weitergeht und da ging das nicht gleichzeitig mit Pumpe und Chemo.
Da das mit der Chemo aber wahrscheinlich durch ist, könnte ich das noch mal anregen. Jetzt hat er Morphiumpflaster und Morphiumnasenspray kombiniert mit Novalgin.
Es beruhigt mich sehr, dass du sagst, dass die Kraft für die Aufgabe immer mehr wird. Danke!
Ich gehe immer jeden Tag raus. Alleine. Und wenn es nur eine Stunde ist. Laufen, Kaffee trinken im Café, Shoppen, mit einer Freundin im Park treffen. Immer nur kurz, aber meine Krebspause. Sonst würde ich es nicht schaffen. Er will (zurecht!!!) nicht, dass ich ständig weine. Und so halte ich mich für ihn stabil. Arbeiten klappt aber nicht momentan. So lange könnte ich nicht wegbleiben und mich auch garnicht konzentrieren. Deshalb bin ich krankgeschrieben.
Wenn ich nicht da bin, sind entweder seine Eltern bei ihm oder er will bewusst alleine sein. Braucht sich ja nur per Handy zu melden und ich bin sofort wieder da. Macht er aber nicht, weil wir beide abgesprochen haben, wie wichtig das für mich ist. Ich glaube allerdings, wenn Atemnot ein Thema werden würde, könnte ich das nicht.
Heute war ein guter Tag trotz Schmerznacht.
Er hat den ganzen Tag etwas gemacht. Erst gearbeitet für seinen ehemaligen Job und dann für uns paniertes Fischfilet gemacht. Das kann er so gut. Und ich finde es so wichtig, dass er Aufgaben hat. Er muss sich dann vor dem Herd mit einem Stuhl setzen. Aber ist glücklich wie Oskar heute, dass er so viel sinnvolles gemacht hat.
Das Palliativteam ist jederzeit 24h in Rufbereitschaft. Und es käme jederzeit jemand raus. Ansonsten gibt es einen festen Hausbesuch in der Woche durch einen Arzt und einen telefonischen Termin. Aber wenn ich etwas habe, kann ich jederzeit Hilfe dazuholen. Das entlastet mich sehr.
Außerdem kommt jeden Abend ein pflegedienst. Zum anhängen von Infusionen. Wasse und Kalium im Moment. Das beruhigt mich auch. Weil ihn jeden Tag eine Pflegekraft sieht und auch reagiert wenn ihm/ ihr etwas auffällt.
Also, heute trotz schlimmer Nacht ein guter Tag.
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  #3  
Alt 20.09.2017, 22:25
fluturi fluturi ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

mein Vater musste eine ganz ähnliche Situation bis zu seinem Tod durchleben. Mir kommt das alles sehr nah und bekannt vor. Ich wünsche euch Zeit. Gute Zeit. Wenig Schmerzen auf beiden Seiten. Es ist so unendlich schwer und es tut genauso unendlich weh. Ich denke an euch und wünsche euch so viel Kraft.
__________________
Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung. - Albert Camus
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  #4  
Alt 20.09.2017, 23:07
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

Zitat:
Methadon gibt einem keiner. Das ist keine Option. Habe viel probiert. Außerdem bringt das Methadon ja nur was, wenn er noch mal Chemotherapie machen könnte. Davon muss man sich aber verabschieden. Von dieser Hoffnung...
Denke, es ist nicht richtig, das so zu sehen.
Denn Methadon ist längst ein allseits anerkanntes (und damit "zugelassenes") Schmerzmittel, dessen Verabreichung an sich unabhängig davon ist, ob jemand (noch) kurativ oder (nur noch) palliativ behandelt wird.

Richtig ist sicher, daß sich manche Ärzte "zieren", Methadon zu verschreiben.
So lange sie das begründet im Interesse des Patienten tun, ist das auch i.O.

Andererseits gibt es aber auch noch ein selbst bestimmtes Eigeninteresse von Patienten, z.B. auf Schmerzfreiheit, die ja relativ problemlos mit div. Medikamenten erreicht werden kann.
Z.B. auch mit Methadon.
Hinweise dazu, die ich im Forum (wg. NB) nicht geben kann/darf, schickte ich Dir per PN.

Zitat:
Wieder eine kurze Nacht, die von von einem Schmerzanfall beendet wurde.
Ich bin dann immer so hilflos. Er ist kein Weichei. Wenn er heult vor Schmerz, dann ist es hart. Wenn dann mach 20min das Schmerzmittel wieder wirkt, dann ist die Erleichterung sooo groß.
Schlimm, lesen zu müssen, daß jemand gezwungen ist/wird, vor Schmerzen heulen zu müssen und auch deshalb nicht mehr richtig schlafen kann!
Noch dazu, wenn er ohnehin schon "schwer angeschlagen" ist.

Ich bin kein Arzt, weiß jedoch definitiv, daß allein permanenter Schlafentzug dazu genügt, Menschen relativ schnell "fix und fertig" machen zu können.
Gehört übrigens zu weltweit üblichen Folter-Methoden.

20 min, bis ein Schmerzmittel wirkt??
Würde ich (in einer vergleichbaren Lage wie Dein Mann) niemals akzeptieren.
Weil das "finsterste Steinzeit" ist, wenn es darum geht, Schmerzfreiheit erreichen zu können.

Methadon als Schmerzmittel kann im Einzelfall auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Es hat aber auch unbestreitbare Vorteile, die Du überall im Netz und auch hier im Forum nachlesen kannst. Wie z.B.:

1) Sehr schnell wirksam.
In wässriger Lösung ca. 5 min.

2) Kein "Kick" bei Einnahme und auch keine "Abhängigkeit" davon.

3) Greift keinerlei Organe an.

4) Wird normalerweise über die Leber abgebaut und hat normalerweise auch keinen negativen Einfluß auf die Nierentätigkeit.

5) Wird die tägliche (Gesamt-)Dosis-Zufuhr auf zwei Mal "aufgeteilt", kann über 24 Stunden lang Schmerzfreiheit erreicht werden.

6) Die tägliche Gesamtdosis ist in weiten Bereichen variierbar.
Zunächst, ohne daß Gefahr besteht, daß ein Patient an M-Zufuhr stirbt.
Am Ende des Weges spielt es dann letztlich keine Rolle mehr, ob ein Patient an seiner Krankheit stirbt oder an M-Zufuhr.

1) Erübrigt sich normalerweise, weil 5) permanent greifen kann.


Zitat:
Irgendwann ist es besser, der Wahrheit ins Auge zu sehen und das beste daraus zu machen.
Wenn er am Schmerzmittel sterben sollte, dann ist das ein Segen. Besser als ein Krebsalternativtod. Dünndarm geht zu... Diese Schmerzen sind nicht auszuhalten.
Ja dieses Schweigen. Ich würde so gerne noch so viel reden. Aber er will nicht. Doch das wichtigste ist einfach gesagt. Alles andere wäre eine Wiederholung. Und würde nur immer wieder vor Augen führen, dass er stirbt. Aber er will Normalität. Will auch, dass ich eine starke Frau bin. Die braucht er jetzt, sagt er.
"Normalität" ist immer relativ.
V.a. dann, wenn es um's Sterben geht.

Ich kann mir allerdings nicht so recht vorstellen, daß Dein Mann kein Interesse daran hat, darüber zu reden, wie er zu sterben gedenkt.
Oder ist es ihm völlig wurscht, unter welchen Schmerzen er evtl. sterben muß?

Aha - er will manches mit Dir einfach nicht mehr bereden.
Provozier ihn doch bitte einfach mal, und frag ihn, wozu er dann noch eine "starke Frau" braucht/haben will??

V.a. dann, wenn er (schlimmstenfalls) gar nicht mehr in der Lage dazu ist, irgendetwas beeinflussen zu können, das ihm "gut tun" kann.
Hat er Dir eine (schriftliche) Vollmacht gegeben, dann (ersatzweise für seine mangelnde/versagende Willens-Äußerung) handeln zu können??

Naja - es gibt schon Männer, die weitestgehend alles "mit sich selbst" abzumachen gewöhnt sind.
In Verkennung der Tatsache, daß immer noch "vier Augen" mehr sehen als zwei.

Eingangs sprachst Du davon:
Zitat:
Ich befinde mich im persönlichen Horrorfilm, der nur endet, wenn er stirbt.
Meinst Du nicht, daß es im Grunde genommen zwei Horrorfilme gibt?
Den Deinigen und den Deines Mannes.

Beide Filme enden zwar mit dem Tod Deines Mannes, müssen jedoch nicht identisch sein.
Kennst Du den Horrorfilm Deines Mannes?
Wovor er evtl. "Horror" hat, bis er stirbt?

Wohlbefinden herstellen zu wollen ist eine (ehrenwerte) Sache.
Eine ganz andere ist es aber m.E. über Grenzwertigkeiten zu sprechen und Einigung darin erreichen zu wollen.

Frag doch Deinen Mann einfach mal, ob ihm der derzeitige Verlauf (incl. der zu erwartenden Verschlimmerungen) in seiner Entwicklung taugt oder nicht.
Ist es das, was er in seinem Horrorfilm erwartet??

Denke, diese Frage geht an sich noch viel tiefer:
Dahingehend, wie Du seine Horrorvorstellungen "mildern" kannst.
Vielleicht braucht er genau hierbei Deine Stärke und Deinen Beistand.

An Deiner Stelle würde ich darauf bestehen, zumindest hierin Klarheit zu schaffen.
Frag Deinen Mann bitte klipp und klar, und verlang auch Antworten von ihm!

Denn schweigen kann man m.E. nur bei Übereinstimmungen des Empfindens jedweder Situation.
In ungewohnten Situationen ist diese Übereinstimmung aber alles andere als selbstverständlich.
Und sie bedarf deshalb auch der Feststellung.

Völlig klar ist, daß der Horrorfilm Deines Mannes mit seinem Tod endet.
Dein Horrorfilm muß aber nicht zwangsläufig damit enden:
Er könnte insofern weiter andauern, als Du Dich evtl. fragen müsstest, nicht alles hinreichend genug vor dem Tod Deines Mannes geklärt zu haben.
Und zwar so, daß nach seinem Tod nicht irgendein "Versäumnis" Deinerseits in Dir "fressen"/Dich belasten kann.

Nur dann, wenn Du das ausschließen kannst, endet auch Dein Horrorfilm mit dem Deines Mannes.
Frag also lieber einmal zu viel als zu wenig nach, so lange das unter Euch beiden noch möglich ist.

Denke, unter sich Liebenden sollte das auch kein Problem sein, selbst bei Grenzwertigem Verständnis füreinander zu haben.
Hatte/hat man ja sonst auch.
Warum also nicht auch bei Ungewohntem?


Liebe Grüße
lotol
__________________
Krieger haben Narben.
---
1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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  #5  
Alt 21.09.2017, 02:39
hierfalsch hierfalsch ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Hallo Kaffeetrinkerin,

Ich hab keine guten Ratschläge und versuche mal mir die schlechten zu verkneifen. - Und so wollte ich eigentlich gar nichts schreiben, aber da wurde mir klar, WARUM ich keine guten Ratschläge habe.

Der Grund ist sehr einfach: Du machst das super!!!
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  #6  
Alt 21.09.2017, 09:09
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Hallo hierfalsch,
ich danke dir für deine Worte. Das tut wirklich sehr gut. Denn irgendwie denke ich oft, dass ich es viel besser machen müsste.
Hallo Fluturi,
es tut mir sehr leid, dass du diese Erfahrungen auch machen musstest. War das bei deinem Vater denn auch so, dass er sich mal permanent übergeben musste und dann wurde es wieder besser? Das ist das, was ich gerade nicht verstehen kann. 4 Wochen keine Nahrung und kein Trinken möglich und jetzt wurde es immer besser und gestern das erste Mal kein Übergeben mehr. Jetzt seit über 30 Stunden. Trotz Nahrung und Getränken. Dann kann der Darm doch noch nicht zugewuchert sein...
Hallo lotol,
es ist eine Sache zu kämpfen und sich gegen die Krankheit zu stemmen. Eine viel wichtigere Sache ist aber, zu wissen, wann der Kampf vorbei ist und das zu akzeptieren. Und seinen Frieden mit diesem Zustand zu machen. Das ist, unserer Ansicht nach, der Weg der jetzt zählt. Und dabei jeden Tag zu nutzen und genießen, der gut ist. Ich kann ihm da keine Unruhe mehr reinbringen. Dazu muss ich sagen, dass wir gekämpft haben wie die Löwen gegen diese Krankheit und er sich nie irgendeiner Therapie entzogen hat. Eine schwere Darm-OP, dann eine 18stündige HIPEC, dann eine 6monatige Chemo, dann der erneute Versuxh einer HIPEC in Regensburg, dann die aggressive Chemo-und Antikörpertherapie, dann Darmverschluss mit Not-OP, dann zwei Aufenthalte auf der Intensivstation wegen Elektrolytenentgleisung, dann weitere Krankenhausaufenthalte wegen unerträglicher Schmerzen. Auch ein paar Tage Palliativstation waren dabei.
Ich habe gekämpft, dass er die bestmöglichen Therapien bekommen hat, das ein Pflegedienst da ist, dass er die Betreuung im Palliativteam hat.
Sein Horror ist, noch einmal ins Krankenhaus zu müssen. Das versuche ich zu verhindern. Und das werde ich auch schaffen.
Deshalb kann ich nicht mehr kämpfen. Für ein anderes Schmerzmittel oder noch eine Therapie. Sondern jetzt blicken wir realistisch darauf, dass es bald vorbei sein wird. Und versuchen ihm ganz viel Ruhe zu ermöglichen. Ich weiß genau was er wünscht und will und was nicht. Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht liegen hier. Wir lieben uns seit 24 Jahren und kennen uns in und auswendig.
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  #7  
Alt 21.09.2017, 10:59
vintage vintage ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

liebe kaffeetrinkerin,

es ist tatsächlich alles gesagt.
bei uns war es auch so.


mir hat geholfen, tagebuch zu führen. denn die zeit ist so irre, der psychische zustand in einem extremen bereich...
das zeitgefühl durcheinander... ich wollte - irgendwann mal- nachlesen können, was da passiert ist.

der horror endet nicht mit dem tod des geliebten,
aber er ist ein tragischer meilenstein in ein - teils völlig - anderes leben.


genug kraft für jeden tag wünsche ich euch!
ihr seid stark und verbunden!
__________________
lieben gruß, vintage



Mein geliebter Mann wurde nur 49 Jahre alt und
starb knapp fünf Monate nach der Diagnose.
* Juli 1965 - + Mai 2015

ED Weihnachten 2014 Darmkrebs mit zu vielen Lebermetastasen,
dann auch Lungenmetastasen...

Geändert von vintage (21.09.2017 um 11:04 Uhr)
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  #8  
Alt 21.09.2017, 17:25
DianaL DianaL ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

ich habe mich vor sehr langer Zeit hier angemeldet aber immer nur mitgelesen. Heute habe ich meine Zugangsdaten rausgekramt, weil ich Dir unbedingt schreiben möchte.

Ich war 37, als mein Mann an Leukämie gestorben ist. Bei uns war es auch so, dass er nicht über die Situation sprechen wollte. Er hat nicht akzeptiert, dass er sterben muss und schon gar nicht wollte er darüber reden. Das habe ich akzeptiert und habe ihm kein Gespräch aufgedrängt, das ihm gezeigt hätte, dass wir hier auf seinen Tod hinarbeiten. Das habe ich einfach nicht übers Herz gebracht, weil es sein Herz gebrochen hätte. Klar hätte ich gerne viele Dinge gesagt, besprochen, gefragt. Aber ich habe meinen eigenen Weg gefunden mich in dieser Zeit von ihm zu verabschieden, ohne ihm das Gefühl zu geben ich lebe von morgens bis abends mit dem Gedanken er stirbt demnächst.

Und genau das ist es, was mich heute ruhig zurück blicken lässt. Auch wenn nicht alles ausgesprochen und besprochen wurde, war die Zeit sehr intensiv, getragen von Liebe und Nähe. Und gelernt habe ich, dass das manchmal einfach auch ausreicht.
So furchtbar diese Tage des Sterbens waren, so sehr ich ihn vermisse und so sehr ich mir gewünscht habe aus diesem Alptraum aufzuwachen, kann ich heute mit einem Lächeln und einem guten Gefühl auf diese Zeit zurück blicken.

Was ich Dir sagen will: Ich habe auf mein Herz gehört und meinem Bauch vertraut. Und das war genau das richtige.

Ich umarme Dich und wünsche Dir viel Kraft.
Die Stärke die Du heute aufbringst, wird Dich später auffangen und tragen.
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  #9  
Alt 21.09.2017, 18:35
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe vintage,
es tut mir so leid, dass du deinen Mann verlieren musstest.
Ja, alles ist gesagt. Wir leben ja seit Februar 2015 schon mit der Erkrankung. Und uns war immer irgendwie klar, weil es so weit fortgeschritten ist, wird es dieses Ende irgendwann nehmen. Wir hatten nach den ersten OPs noch ein ganzes schönes beschwerdefreies Jahr. Das haben wir so intensiv gelebt und erlebt. Das ist mehr, als manch einer hier geschenkt bekommt und wenn ich eure Geschichte sehe, ihr hattet die Zeit auch nicht. Das tut mir sehr leid.

Heute Mittag war der Palliativarzt da zum Hausbesuch. Dieser Termin hat insofern beruhigt, weil er nach seiner Untersuchung ganz fest davon überzeugt ist, dass der neue heftige Schmerz in der linken Leiste nicht tumorbedingt und nicht vom Bauchraum kommend ist, sondern daher kommt, weil das Wasser in den Beinen einem bestimmten Nerv hat aufquellen lassen. Verschwindet das Wasser, wird auch der Schmerz gehen.
Auch das Übergeben ist immer noch weg. Der zweite Tag in Folge ohne Übergeben. Das ist soooo schön, dass man einfach zufrieden ist. Waren am See und haben Eis gegessen. Die Sonne genossen.
Vielleicht haben wir ja noch etwas Zeit. Nochmal Weihnachten zusammen wäre so schön.

Liebe Diana,
ich danke dir sehr für diese lieben und zu Herzen gehenden Worte.
Das tut mir sehr gut. Und macht Mut, dass ich das packen werde.
Dein Verlust tut mir sehr leid. Es ist doch traurig, zu lesen, wieviele Frauen ihren Mann schon so früh abgeben mussten.
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  #10  
Alt 22.09.2017, 06:45
fluturi fluturi ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Zitat:
Zitat von Kaffeetrinkerin Beitrag anzeigen
Hallo Fluturi,
es tut mir sehr leid, dass du diese Erfahrungen auch machen musstest. War das bei deinem Vater denn auch so, dass er sich mal permanent übergeben musste und dann wurde es wieder besser? Das ist das, was ich gerade nicht verstehen kann. 4 Wochen keine Nahrung und kein Trinken möglich und jetzt wurde es immer besser und gestern das erste Mal kein Übergeben mehr. Jetzt seit über 30 Stunden. Trotz Nahrung und Getränken. Dann kann der Darm doch noch nicht zugewuchert sein...
Liebe Kaffeetrinkerin,

ja, leider ging das die letzten Wochen auch so bei uns. Das sagt nichts darüber aus, wieviel Zeit ihr noch habt. Aber das war bei uns das Stadium, bevor das Ende nahte. Ich wünsche euch, dass ihr mehr Zeit habt und euch habt. Das ist das wichtigste. Da sein.
__________________
Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung. - Albert Camus

Geändert von fluturi (24.09.2017 um 14:46 Uhr)
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  #11  
Alt 24.09.2017, 13:09
DianaL DianaL ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

wie geht es Euch heute?

Da mich Eure Geschichte sehr an unsere erinnert, denke ich die Tage öfter an Dich.

Ich schicke Dir viel Kraft und vergiss nicht ab und zu mal durchzuatmen.
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  #12  
Alt 24.09.2017, 15:00
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Hallo Diana,
danke der Nachfrage... ich konnte in den letzten Tagen nicht so gut schreiben.
Manchmal habe ich ein riesiges Output-Bedürfnis und bin dann froh, dass ich hier ein Ventil finde, was loszuwerden an Gedanken. Und manchmal kann ich garnicht darüber nachdenken, was gerade passiert.
Musste was verarbeiten in den letzten Tagen und habe ein bisschen an mir gezweifelt.
Es ist so. Viele der Menschen, die mit der Behandlung meines Mannes betraut sind, haben mir deutlich gesagt oder direkt angedeutet, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, sich zu verabschieden. Tage oder wenig Zeit. Davon war die Rede. Darauf hat sich mein Kopf jetzt eingestellt und mein Herz wird das erst viel später verarbeiten. Das weiß ich. Nun weiß ich nicht, wie sehr ich das, was in meinem Kopf ist, in meinen Taten, Gesprächen etc. auch rüberbringe. Also ganz bestimmt ist es nicht so, dass ich ihm dauernd sage, du stirbst ja bald.
Aber genau das hat mir meine Schwiegermutter vorgeworfen. Sie hat das Gespräch mit mir gesucht und mir unter Tränen gesagt, dass ich doch nicht so sein könnte, ihm das dauernd ins Gesicht zu sagen, dass er bald stirbt. Das hat mich sehr sehr getroffen. Weil ich zwar Realistin bin und mich mit der Wirklichkeit auseinandersetze, aber ihn bestimmt nicht damit dauernd konfrontiere. Sie, also die Schwiegermutter, konfrontiere ich damit. Damit sie aufhört, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Ich weiß nicht, ob das jemand verstehen kann. Aber ich kann nicht mehr dieses Auf und Ab und diese falschen Hoffnungen ertragen. Wir haben den schulmedizinischen Weg gesucht und sind ihn gegangen. Da ist er austherapiert. Da bringt es mir jetzt nur Unruhe, immer noch was bewirken zu wollen. Wenn man nur noch weiterkämpft. Und sie glaubt einfach, dass es doch noch einen Weg geben muss. Und überfällt ihn und vor allem mich damit, dass ich das probieren soll und was gegen Problem XY getan wird. Ich habe Verständnis dafür, dass es für sie auch schwer ist, die Realität zu akzeptieren. Aber sie muss auch akzeptieren, dass sie es mir als Ehefrau, sehr schwer macht, indem sie mich versucht, vor einen Karren zu spannen. Das ich irgendwas angehen soll. Da habe ich ihr deutlich gesagt, dass man es nicht mehr heilen können wird und dass man das akzeptieren soll. Und das die aktuellen gesundheitlichen Probleme eben dazu gehören wenn man stirbt. Aber da war mein Mann nicht dabei.
Sie sagte, er wäre ganz getroffen von meinen Aussagen. Das hätte sie in seinem Gesicht gesehen.
Habe nach langem Nachdenken meinen Mann befragt. Weil es mich wirklich getroffen hat. Richtig getroffen. Weil sein Übergeben ist weg. Immer noch. Und vielleicht sehe ich alles zu negativ. Aber es kommt immer ein neues Problem. Nun die dicken Beine und die heftigen Leistenschmerzen.
Mein Mann hat gesagt, ich würde alles richtig machen und ich solle ihm bloß manchmal seine Ruhe vor der Erkrankung geben. Nicht alleine davon anfangen zu sprechen. Er versuche das auszublenden. Nicht heulen, nicht thematisieren, normal sein. Okay, das kann ich einhalten.

Heute morgen war ich in der Kirche und kam nach Hause. Er lag wie tot, schlafend mit offenem Mund auf der Couch. Ich habe ihn auch nicht atmen gesehen. Habe mich sehr erschrocken und gleichzeitig gedacht, hat er es endlich geschafft? Er sieht friedlich aus.
Er hat dann aber nur geschlafen. Zum Glück haben wir heute einen weiteren Tag. Waren trotz der Symptomatik im Biergarten in der Sonne. Und jetzt sitzt er mit mir auf dem Balkon. Wählen waren wir auch schon.

Liebe Nale,
es tut mir für dich ganz furchtbar leid, dass du auch so früh Witwe geworden bist. Und dass der Horrorfilm noch nicht endet.
Bei mir ist es momentan so schlimm, weil ich es einfach kaum noch schaffe, ihn so leiden und verfallen zu sehen. Ich hoffe darauf, dass, wenn er gestorben ist, sein Leid zuende ist. Und dann hoffe ich weiterhin, dass ich die Kraft finde, wiederaufzustehen und zu leben.
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