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  #1  
Alt 04.01.2016, 17:17
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Registriert seit: 26.11.2013
Beiträge: 203
Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo an Alle,
Ich denke trauern ist ein ganz persönlicher Prozess. Ich habe um meinen Vater stärker und anders getrauert als um meine Mutter. Die Trauer um meine Frau war besonders stark. Das hängt auch mit den vorherigen Beziehungen zusammen. Die Beziehung zu meinen Eltern war geprägt von positiven und negativen Erlebnissen, von Schuld und Verdienst. Das kann man nicht einfach vergessen, wenn ein Elternteil stirbt und der andere trauert. Auch der trauernde Elternteil ist kein völlig anderer Mensch als vorher. Er ist nur in einer Extremsituation. Vor diesem Hintergrund wird mir klar, warum ich um den Vater anders getrauert habe als um die Mutter. Außerdem ist man als Ehepartner in einer anderen Situation. Das Kind hat noch Aufträge, zum Beispiel die eigenen Kinder bzw. die Enkelkinder gut zu erziehen. Bei aller Trauer sollen sie diese Aufträge nicht vergessen. Der Ehepartner hat das meistens nicht mehr. Was ist dann der Sinn seines Lebens? Was man versäumt hat, kann man nicht mehr tun. Was man erreicht hat, ist schon vollbracht.
„Wer jetzt kein Haus hat, baut
sich keines mehr“ ( Rainer Maria Rilke)
Liebe Grüße
Hermann

Geändert von hermannJohann (04.01.2016 um 17:31 Uhr) Grund: Korrekturen
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  #2  
Alt 05.01.2016, 14:10
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Registriert seit: 22.06.2015
Beiträge: 9
Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Liebe Hermann,

Das hast du sehr treffend beschrieben, diese unterschiedlichen Rollen, in denen man trauert, ob als Kind oder Ehepartner. Du hast recht, ich habe noch meinen Sinn im Leben, habe Familie, Kinder, denen ich gerecht werden darf (ich schreibe bewusst nicht muss, denn dies ist in der Tat ein "Privileg", das mein Vater nicht hat). Er muss sich mühsam sein Leben umorganisieren, einen anderen Sinn schaffen, um wieder ins Leben zu finden. Und genau das ist auch der Punkt glaube ich, der mich umtreibt. Ein Teil von mir fühlt sich schuldig, dass ich es im Vergleich dazu "einfach" habe. Ich denke, ich muss eine Balance finden, ich muss mit gerecht werden und muss ihm gegenüber aber milde sein, ihm mehr verzeihen, als ich es vielleicht früher getan hätte. Übrigens hatte ich inzwischen ein sehr konstruktives Gespräch mit ihm diesbezüglich und es lief sehr gut. Nicht zuletzt auch wegen des Austausches hier und allen damit verbundenen Sichtweisen. Ich warte nun einfach, was die Zeit bringt. Und wünsche euch allen weiterhin viel Kraft, Geduld und Liebe zu euch selbst und den Menschen um euch herum und denen im Herzen.

Liebe Grüße
Fensterplatz
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  #3  
Alt 05.01.2016, 16:42
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Registriert seit: 26.11.2013
Beiträge: 203
Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Liebe Fensterplatz,
als Witwer darf man auch nicht zuviel erwarten. Die Familie meiner Frau hat mich schon unterstützt. Aber mehr wäre nicht richtig. Die Tochter meiner Frau (aus ihrer ersten Ehe) und der Schwiegersohn sollen für ihre Kinder und sich selbst sorgen. Ich kann vielleicht ein bisschen die Enkelinnen unterstützen ( wie meine Frau das gewünscht hat) Die Familienmitglieder sollen aber nicht für mich sorgen. Meine Frau sagte kurz vor ihren Tod, dass ich es schwerer haben werde. Das war wohl so, aber das konnte mir niemand abnehmen. Kinder müssen sich auch nicht schuldig fühlen, wenn sie das nicht können. Sie sollten aber wissen, dass man dafür Zeit braucht. In unserer Gesellschaft können viele Menschen (damit meine ich natürlich nicht Dich) Trauer nicht aushalten und erwarten, dass der Trauernde schnell wieder "normal" ist. Als Trauernde spürt man diese soziale Erwartung, aber es geht nicht schneller.
Liebe Grüße
Hermann

Geändert von hermannJohann (05.01.2016 um 16:52 Uhr)
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  #4  
Alt 05.01.2016, 19:26
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Registriert seit: 22.06.2015
Beiträge: 9
Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Lieber Hermann

Diese soziale Erwartung kenne ich nur allzugut. Anfangs wurde ich sehr unterstützt und viele boten Hilfe an. Inzwischen, nach mehreren Monaten, redet keiner mehr davon, es gibt wirklich nur ganz wenige Leute, bei denen ich überhaupt noch von meiner lieben Mama sprechen darf. Auch auf der Arbeit merke ich deutlich, dass meine "Schonfrist" vorbei ist. Für mich hat sich die ganze Welt geändert. Es wird nie mehr, wie es war und dieses neue Leben muss ich erstmal finden. Für den Rest der Welt hat sich halt nichts geändert (ich meine das nicht vorwurfsvoll, sondern es ist eben so). Zum Glück gibt es um mich herum Menschen, bei denen ich Mama nicht totschweigen muss bzw Leute, die mich gut aushalten können, auch wenn ich manchmal kein anderes Thema habe als meine Mama.
Dass ich mich schuldig fühle... Das ist wohl tatsächlich eher eine Sache, die ich mit mir selbst ausmachen muss. Ich weiß, dass das auch mein Vater nicht erwartet. Aber im Gegensatz zu dir erwartet mein Vater sehr stark, dass ich mich kümmere... Er wird sehr böse, wenn ich mich mal 2 Tage nicht melde und möchte, dass wir jedes Wochenende fahren (450 km) etc. Wenn das dann nicht klappt, dann kann er sehr verletzend werden. Ich hoffe, dass die Zeit das etwas abmildern wird.

Liebe Grüße!
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Stichworte
aggression, trauer


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