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  #1  
Alt 06.11.2015, 19:03
Nirak 56 Nirak 56 ist offline
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Standard AW: Mitte 20 und anders als alle anderen

Liebe Lunacat. Ich bin die Mutti eines 23 jährigen der 2011 an Krebs verstarb. Deine Geschichte erinnert mich stark an die , seiner Freundin. Laura war damals erst 18 Jahre alt . Zu der Trauer um unseren Sohn kam unsere Sorge um Laura. Wir wohnen 350 km weit entfernt aber alle waren immer für sie da , ja auch uns wurde gesagt wie bewundernwert sie doch zu Marco gestanden hat und das mit 18 Jahren. Heute nach vier Jahren kann ich sagen sie ist auf einem guten Weg, aber er war lang und steinig. sie hat wieder einen Freund ist glücklich mit ihm. Aber ich merke aus ihren Worten immer noch die Traurigkeit heraus . Sie sagte letztens zu mir, Marco wird immer ihre große Liebe bleiben auch wenn sie jetzt einen neuen , anderen Weg geht. Ich wünsche dir das du es auch schaffts , es geht nicht sofort und ist nicht einfach , aber du wirst es schaffen . Lass dir alle Zeit der Welt . LG
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  #2  
Alt 09.11.2015, 13:57
Peggy70 Peggy70 ist offline
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Standard AW: Mitte 20 und anders als alle anderen

Hallo liebe Lunacat,

ich habe unlängst gelesen, was mich so tief berührt hat, mich aufatmen lassen hat, weil ich nicht verkehrt...falsch...bin mit meinen Gefühlen und Empfindungen...

Wie Du mir helfen kannst...von Dr. Virginia A. Simpson...zu lesen unter
http:\\www.alltagsmusketier.de

Liebe Lunacat, all Deine Empfindungen und Gefühle sind mir nur zu gut selber bekannt...

Lass Dir in Deiner Trauer alle Zeit der Welt, nur Du weißt, wie es Dir geht, Du bestimmst das Tempo...

Wir werden nie mehr die Menschen sein, die wir vor diesem Schicksalsschlag waren.
__________________
__________________________________________
Jeder Tag mit Dir war ein Geschenk❤❤❤
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  #3  
Alt 11.11.2015, 17:16
Lunacat_91 Lunacat_91 ist offline
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Standard AW: Mitte 20 und anders als alle anderen

Zunächst einmal wieder tausend Dank für eure Antworten und eure lieben Worte.

Ich sitze hier. Unfähig, mich aufzuraffen. Ich verschwende meine kostbare Zeit am Handy, auf YouTube... Und ich glaube, es geht mir dabei ähnlich wie Christoph. So oft hatte er ein schlechtes Gewissen, wenn er Dinge, wie etwa Referatsvorbereitungen, aufgeschoben hat. Aber es geht nicht. Ich kann nicht. Ich sollte an meiner Bachelorarbeit arbeiten... Recherchieren, Schreiben, Rechnen. Abgabe ist in 4 Wochen. Rechnen... Es geht um Statistik, Wahrscheinlichkeiten, Zusammenhänge, Kausalitäten. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Christoph diese Krankheit bekommt? Sich das zu verdeutlichen, macht alles noch viel tragischer. Welche Todesursache, welche Krankheiten sind in diesem Alter noch unwahrscheinlicher? Und hier sitze ich und berechne statistische Zusammenhänge. Es ist abscheulich und abstoßend. Christoph war selber ein, wie er selber sagte, "Statistik-Gläubiger". Das ist es eben, was uns in den Sozialwissenschaften eingebläut wird: An Wahrscheinlichkeiten zu glauben. An Mathe. Viele haben keinen Sinn dafür und entdecken eher die qualitativen Methoden für sich. Sie halten nichts von Statistik, Verallgemeinerungen. Christoph hingegen hatte sich voll und ganz den quantitativen Methoden verschrieben. Der Junge, der Mathe in der Schule so sehr hasste, schreibt nun Einsen in Statistik. Er war so ehrgeizig und nie mit sich selbst zufrieden. Und als würde das Schicksal ihn verarschen wollen, schickt es ihm eine der unwahrscheinlichsten Krankheiten, die existieren. Aller Statistik zum Trotz. 22. Magenkarzinom, Peritonealkarzinose. Inoperabel. Aggressiv. Die einzige Statistik, die dann zutraf: Die durchschnittliche Lebenserwartung nach der Diagnose. 6 Monate. Sie tritt ein. Oktober 2014 bis März 2015. Christoph war unter den wenigen Prozent, die diese Krankheit bekommen. Er war unter den wenigen Prozent, die kein Adenokarzinom haben. Er war unter den wenigen Prozent, die für keine Studien in Frage kommen. Aber er war im Durchschnitt was seine Überlebensdauer anging. Ein schlechter Scherz, wenn es nicht so beschissen ungerecht wäre. Jemand, der sein Leben lang außergewöhnlich, nicht durchschnittlich war, der eine unfassbar unwahrscheinliche Krankheit bekommt, liegt in der letzten Statistik, der Überlebenserwartung, im Durchschnitt. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar. Wir haben versucht, nicht mehr an Statistiken zu glauben. Wir haben uns gesagt: Wenn Christoph, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, diese Krankheit bekommt, dann kann er sie auch, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, besiegen. Zum Schluss hat sie gesiegt.
Wie um alles in der Welt, soll ich mich angesichts einer solchen Erschütterung auf Dinge wie die Bachelorarbeit konzentrieren. Wie dafür motivieren? Woher soll Motivation kommen, wenn man gesehen hat, wie schnell das Leben zerbrechen kann, weggespült werden kann? Wenn man gesehen hat, dass auch Anfang 20 plötzlich nichts anderes mehr wichtig sein kann außer das blanke Überleben. Krebs macht vor keinem Alter Halt. Es gibt keine Garantie. Für nichts. Und Statistik ist... fuck Statistik.
Am Samstag war die Absolventenfeier für meinen Jahrgang an der Uni. Normalerweise wäre ich auch dort gewesen, Christoph im "Publikum", hätte mein Bachelorzeugnis bekommen. Normalerweise. Nichts ist mehr normal. Ich brauche eine Pause von diesem Leben, das sich nicht mehr wie mein Leben anfühlt. Doch jedes Mal, wenn ich sowas denke, habe ich ein schlechtes Gewissen. Christoph hätte gerne noch ein Leben gehabt. Wenigstens ein paar Jahre, meinte er mal.

Breaking Bad, eine von Christophs Lieblingsserien... Er hat sich nach der Diagnose den Walter White-Jutebeutel gekauft. Es hat mir das Herz zerrissen.
02:26 bis 03:29 https://www.youtube.com/watch?v=8BYhzRW4qDM
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Now I can´t believe that it´s been five years
Since we both stood here, looking out at this city
With minds so bold and hearts so clear
(First Aid Kit)

Je mehr du gedacht hast, je mehr du getan hast, desto länger hast du gelebt.
(Immanuel Kant)


Christoph (1992-2015) - Ich vermisse dich

Geändert von Lunacat_91 (11.11.2015 um 20:27 Uhr)
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  #4  
Alt 13.11.2015, 10:33
Lunacat_91 Lunacat_91 ist offline
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Standard AW: Mitte 20 und anders als alle anderen

Und eines Tages, Baby, werden wir nicht alt sein. Oh Baby, werden wir jung sein und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können.
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Christoph (1992-2015) - Ich vermisse dich
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  #5  
Alt 13.11.2015, 10:43
Benutzerbild von anni.
anni. anni. ist offline
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Luna,

es bricht mir das Herz wenn ich lese was du durchmachen musst. Es gibt keine Worte, die dich jetzt aufheitern können. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich unbekannterweise an dich denke! Vielleicht hilft es dir ja wenigstens etwas, wenn du hier deine Gedanken und Gefühle von der Seele schreiben kannst. Hast du mal über einen Blog oder eine Seite für deinen Christoph nachgedacht? Viele verarbeiten damit ihre Trauer.

Ganz liebe Grüße
Anni
__________________
Mein lieber Papa (*1958):

05/2014 ED Primär inoperables Thymuskarzinom
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  #6  
Alt 16.11.2015, 18:34
Lunacat_91 Lunacat_91 ist offline
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Standard AW: Mitte 20 und anders als alle anderen

Zurück in München. Nachdem es mir letzte Woche so schlecht ging und ich antriebslos und apathisch herumsaß in meinem kleinen Wohnheimszimmer, bin ich am Freitag nach Hause gefahren. Die erste Frage von meinem Papa als er mich vom Bahnhof abholt: Wie gehts? Meine Antwort: "Ja." Einfach nur ja. Es fällt mir selbst auf wie bescheuert das klingt, aber mein Papa fragt nicht nach. Ich versuche es auch nicht zu erklären. Vielleicht will ich nicht, dass es meinen Eltern schlecht geht, wenn sie erfahren wie es mir geht. Das Ende vom Lied ist, dass weder meine Eltern noch meine Schwester erfahren, wieso ich dieses Wochenende unbedingt nach Hause wollte. Konnte ich mich wenigstens etwas entspannen? Nein. Permanent nagt das schlechte Gewissen an mir, weil die Bachelorarbeit liegen bleibt. Es werden wohl viele, viele Nachtschichten werden je näher der Abgabetermin rückt. Und dann? Manchmal habe ich richtig Angst davor, plötzlich keine Aufgabe mehr zu haben. Vielleicht habe ich gerade wegen dieser Angst schon mal einiges für die Zeit zwischen der Abgabe und Weihnachten eingeplant. Zwei Geburtstagsgeschenke von guten Freundinnen "einlösen" (Therme und Massage), Macarons backen in München mit meiner Mama und meiner Schwester, eine Schulfreundin in Dresden besuchen (auch wenn diese Stadt für immer mit Christophs Krankheit verbunden sein wird). Und nebenbei müssen ja Geschenke für die Liebsten besorgt werden. Werde wohl noch ganz gut beschäftigt sein bis Weihnachten... Aber ich merke immer mehr, wie wichtig es ist, mal zur Ruhe zu kommen. Ich glaube, ich bin an einem Punkt angekommen, an dem ich endlich beginnen muss, alles was seit letzten Oktober geschehen ist, aufzuarbeiten und wie auch immer zu verarbeiten.

Ich habe dieses Wochenende Charlotte Links Buch "6 Jahre - Der Abschied von meiner Schwester" gelesen. Ich habe mich so oft darin wiedergefunden (und ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass das jemals so eintritt). Christoph darin wiedergefunden. Es wird nichts beschönigt, nichts durch eine rosarote Brille betrachtet, nichts romantisiert. Es ist ein gutes, sehr empfehlenswertes Buch. Nicht nur für Menschen, die von Krebs in irgendeiner Weise betroffen sind. Es ist ein wichtiges Buch.

Nun bin ich also zurück in München. Diese Woche muss ich produktiv werden. Ob ich kann oder nicht. Mein Betreuer will Ergebnisse, am Mittwoch steht ein Termin mit dem Professor an.
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Christoph (1992-2015) - Ich vermisse dich

Geändert von Lunacat_91 (16.11.2015 um 18:58 Uhr)
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