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  #1  
Alt 02.09.2014, 16:53
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Miminini,
mein Vater ist vor mehr als 20 Jahren an Krebs gestorben. Ich erinnere mich aber noch gut an die Zeit vor und nach seinem Tod. 20 Bestrahlungen mit Kobalt hatten das Wachstum des Krebs nicht stoppen können, weitere 10 Bestrahlungen lehnte er deshalb ab. Er versuchte vor allem seine Frau, also meine Mutter, auf seinen Tod vorzubereiten. Er wusste, dass er sterben würde. Manchmal war das sehr direkt. Aber es ist verständlich, dass man in seinem Zustand nicht immer die richtigen Worte findet. Das Krankenbett stand im Fernsehzimmer. Einmal sagte er zu ihr: „Bald kannst Du alles wieder wegräumen“. Er kam dann ins Krankenhaus und ist dort gestorben. Ich wohnte damals in Frankfurt und konnte nicht immer nach Norddeutschland fahren, aber eine Stunde vor seinem Tod war ich dort. Ich kam aus gerade Frankfurt, wusste aber nicht, dass er in wenigen Tagen sterben würde. Als ob er gewartet hätte. Man hatte ihm gesagt, das ich komme. Ich habe versucht, die Mutter zu begleiten, aber der Verlust war für mich auch schmerzhaft. Wichtig war, ihr Zeit zu geben. Einiger ihrer Nachbarn und Bekannten wollten es bald nicht mehr hören. Es hat vielleicht zwei Jahre gedauert, dann wurde es anders. Er fehlte ihr weiterhin, aber sie konnte auch groß ihren Geburtstag feiern. Vielleicht war auch Dein Vater der stärkerer von beiden. Stark sein heißt in diesem Zusammenhang nicht, dass man nicht weint. Es heißt eher, dass man die Gefühle aushält. Meine Mutter hat ihn gepflegt, war aber nach seinem Tod fertig.
Liebe Grüße
Hermann
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  #2  
Alt 02.09.2014, 17:11
mausi69 mausi69 ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Liebe Minimi!

Deine sorge um deine Mama kann ich sehr gut nachvollziehen! Bei mir ist es die sorge um meinem Papa. Ergibt sich nach aussen hin äusserst stark, aber ich kenne ihn und weiß das er fürchterlich leidet. Viel machen kann ich auch nicht nur ihm immer wider sagen das ich für ihn da bin!

Ich weiß das es anders rum viel größere sorgen gebracht hätte. In irgendeinem thread wurde das Thema nach Sterben angeschnitten. Meine Mama hätte die Trauer nie verarbeitet ich weiß zu 100% das sie nach gestorben wäre. Sie hat auch immer gesagt das sie nicht alleine bleibt und ja sowieso vor Papa gehen wird, leider hat sie mit letzterem Recht behalten!

Ja wir können nur für unsere Eltern da sein mehr ist nicht möglich!

LG mausi
__________________
Meine Mama
BSDK ED 05.02.2014

28.07.1949 - 22.06.2014

Du warst es wert so sehr geliebt zu werden!
Du bist es wert, das so viel Traurigkeit an deiner Stelle geblieben ist!



http://www.krebs-kompass.org/showthread.php?t=62514
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  #3  
Alt 12.09.2014, 19:31
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo an Alle
„ja, mach nur einen Plan“ (Bertold Brecht)
In der modernen Gesellschaft macht man Pläne zur Prävention. Wir treffen Vorsorge für unsere Gesundheit, Vorsorge für das Alter, Vorsorge für die Zukunft unserer Kinder. Niklas Luhmann sprach von „nützlicher Ermutigungsfiktion“. Aber für wen ist sie nützlich? Die moderne Gesellschaft braucht das. Warum sollten sonst Menschen Häuser bauen, Lebens- und Rentenversicherungen abschließen, Karriere machen und zur Krebsvorsorge gehen. Die Gerontologen und Werbefachleute haben die aktiven Alten entdeckt, die auch mit 80 noch fit sind. Wenn es trotzdem mal Probleme gibt heißt es „Verlier nicht den Mut, denn alles wird gut“. Wir stören in dieser Welt. Deshalb sollen wir schnell aufhören zu trauern, damit die anderen die Fiktion nicht bemerken. Die vielen Geschichten hier zeigen, dass Krebsvorsorge und Altersvorsorge keine Sicherheit bringen. Früher hieß es: „Wir sind alle in Gottes Hand“. Heute glaubt man an die Prävention oder, wenn man doch krank wird, an die Heilung durch die Mediziner. Aber können wir noch daran glauben? Wer daran glaubt, kann tief fallen. Brecht schrieb: „Drum ist all sein Streben nur ein Selbstbetrug.“ Soweit muss man nicht gehen. Aber der Erfolg des Strebens ist ungewiss. Man muss lernen, mit dieser Ungewissheit umzugehen, ohne zu resignieren. Mancher Plan erweist sich als Selbstbetrug, zum Beispiel die Altersvorsorge für Tanja. Aber das weiß man erst hinterher.
Liebe Grüße
Hermann
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  #4  
Alt 13.09.2014, 00:26
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Hermann und Hallo an Alle,
sehr interessante Überlegungen, die aber von Deinem Schicksal geprägt sind. In der modernen Gesellschaft denken wir an Prävention, weil wir uns diesen (sinnvollen) Luxus leisten können. Vor dem Wohlstand einer breiten Bevölkerungsschicht, dachten die Menschen ans Überleben, denk nur an die Brotrevolten im Mittelalter.

"Der Erfolg des Strebens ist ungewiss", wie hatten hier ja schon "Der Weg ist das Ziel" bzw. Überlegungen über den Sinn bzw. Nutzen eines Zieles angestellt: wer kein Ziel hat könnte sich verlaufen. Wer keine Altersvorsorge betreibt, könnte in die Alterarmut gelangen, weil er länger leben könnte als er selbst erwartet.
In der Regel wird Altersvorsorge im Kollektiv geleistet, viele profitieren davon, andere nicht. Wenn nicht die Hoffnung bestünde, selbst eines Tages davon zu profitieren, gäbe es keine Motivation zur Vorsorge, dann müsste jeder einen Sparstrumpf anlegen, der beiden meisten Menschen wohl keine Altersrente ersetzen könnte.

Die Frage nach dem eigenen Nutzen solcher Vorsichtsmaßnahmen ist das eine, das andere ist die Frage nach einem sozialen Beitrag, den der Einzelne aus Solidarität zur Gemeinschaft leisten sollte, wenn er schon über den Nutzen seines Einsatzes spekuliert.
Wer an den Nutzen von Prävention glaubt, kann "schwer enttäuscht werden", wenn sie beim ihm nicht greift, wer keine Prävention betreibt und damit aus der Solidargemeinschaft fälllt, kann auch schwer enttäuscht werden, indem er z.B. im Alter "auf der Straße landet" und nicht, wie vielleicht von ihm erwartet, in jüngeren Jahren stirbt.
Ende der nächtlichen Überlegungen
Gruß
Geske
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  #5  
Alt 13.09.2014, 00:58
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Hermann,

"Der Erfolg des Strebens ist ungewiss." Stimmt. Wer ein Ziel hat, hat somit zumindest die Chance auf Erfolg. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Wer kein Ziel hat, nach nichts strebt, kann sich bereits heute an den fünf Fingern abzählen, dass er keinen Erfolg haben wird. Das ist für mich der Sinn dieses Satzes.

Brecht war unbestreitbar ein großer Denker. Nur, wer sagt denn, dass er auch immer recht hat und das in allen Lebenslagen? Ich denke lieber selber.


Liebe Grüße,

Helmut
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http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
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  #6  
Alt 13.09.2014, 10:22
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo an Alle,
Es ging mir vor allem um die Frage, wie man sich auf diese Unsicherheit einstellen kann. Im Juni 1012 hat sich mein Leben völlig verändert, durch die Diagnose. Pläne für die Zukunft erwiesen sich als Selbstbetrug, zumindest war fraglich, was aus diesen Plänen wird. Damals schon war die Prognose schlecht. 14 Monate später ist Tanja dann gestorben. Die Pläne waren für den Papierkorb. Man kann sagen, das seien Einzelfälle. Aber es gibt viele Tausend solcher Einzelfälle. Der „normale“ Mensch lebt mit „Ermutigungsfiktionen“ (Luhmann) und damit mit Betrug und Selbstbetrug. Ich glaube nicht mehr daran. Wenn bei mir morgen eine solche Diagnose gestellt würde, wäre ich wohl in einem halben Jahr tot, denn kämpfen würde ich wohl nicht, um mein Leben bei schlechter Qualität um eine halbes Jahr zu verlängern. Vielleicht habe ich aber noch 10 Jahre Zeit, vielleicht 15 Jahre. Je älter man ist, um so weniger hat man zu verlieren.
Liebe Grüße
Hermann
ps.: Solche „Ermutigungsfiktionen“ gibt es auch in der Politik und in der Wirtschaft.
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  #7  
Alt 13.09.2014, 11:01
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Moin Hermann,

mit Verlaub, ich habe das Gefühl, du liest zur Zeit nur eine Seite des Lebens und filterst zur Zeit nur mit der Brille, die du im Moment trägst. Auch bei uns waren damals alle Zukunftspläne und Träume zunächst in Frage gestellt und später, 2008, wurden sie brutal zerstört und mir wurde die gleiche Brille aufgesetzt wie dir.

Ich trage heute keineswegs wieder eine rosarote Brille. Eher eine Sonnenbrille, um möglichst nicht mehr geblendet zu werden. Wie ich jedoch auch verblüfft feststellen konnte, sieht man durch sie nicht nur etwas dunkler, sondern verschiedene Farben auch wesentlich intensiver.

Was alles nichts bringt, wenn die Brille nicht zur Sehschärfe passt. Das kannst du selbst überprüfen und du entscheidest, ob du eine Neue haben möchtest und ob es eine schwarze Brille oder eine Sonnenbrille wird. Lass dir Zeit bei der Entscheidung.


Liebe Grüße,

Helmut
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  #8  
Alt 13.09.2014, 12:10
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Zitat:
Zitat von hermannJohann Beitrag anzeigen
Hallo an Alle,
Es ging mir vor allem um die Frage, wie man sich auf diese Unsicherheit einstellen kann. [...]Der „normale“ Mensch lebt mit „Ermutigungsfiktionen“ (Luhmann) und damit mit Betrug und Selbstbetrug.
Luhmann handelt wissenschaftlich Verhaltenserscheinungen des soziologischen Alltags ab.
Luhmann schreibt auch in seiner "Soziologie des Risikos":
"Man jagt sich Tag für Tag durch den Wald, um gesund zu bleiben und stürzt schließlich mit dem Flugzeug ab. Dann bleibt es eine [nützliche?] Ermutigungsfiktion.... Präventionen, die sich kausal als unwirksam erweisen.[...] Das Risikovertreibungsrisiko bleibt immer noch ein Risiko. (S. 39)
Neu ist das nicht! Wollte man sich dagegen auch absichern, wäre wohl nur die "Vogel-Strauß-Methode" angesagt.
Gruß
Geske
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