|
#1
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Hallo,
meine Gäste sind weg und ich bin sehr betrübt. Ich habe das Gefühl, dass wir das nicht mehr machen können, uns in so einer großen Runde treffen, da die Abwesenheit meines Bruders so sehr auffällt und so weh tut. Dies war wieder überhaupt kein Gesprächsthema (wie sollte es auch - an meinem Geburtstag). Alle (Familie und einige Freunde) waren nur für mich da und eigentlich tut es auch gut, zu sehen, dass immer noch viele von ihnen da sind und auch ihre Kraft gibt mir oft Kraft, aber dennoch: heute hat diese große Runde mal wieder extrem geschmerzt. Wir haben ein lustiges Spiel gespielt und ich habe sogar gelacht. Aber dennoch war ich tieftraurig - ich weiß so genau, wie mein Bruder an einigen Stellen reagiert/was er geschrieben hätte. Ich kannte ihn schließlich 32,5 Jahre. Ich verstehe es einfach nicht: der Liebste von allen darf einfach nicht mehr dabei sein. Mit hoffentlich bald wieder zuversichtlicheren Worten in die Nacht grüßend Störchin Geändert von Stoerchin (28.01.2014 um 23:47 Uhr) Grund: Ergänzung |
#2
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Liebe Störchin,
nachträglich wünsche ich Dir zu Deinem Geburtstag alles Liebe und Gute. Vor allen Dingen, dass Du gesund bleibst. Weiter wünsche ich Dir Mut und Kraft diese Zeit durchzustehen. Dafür braucht man Mut und Kraft. Und es dauert, wie es dauert. Aber eines Tages werden wir wieder fröhlicher sein, auch wenn es nie mehr so sein wird, wie es war. Wir brauchen die Zeit, um uns zu versöhnen mit dem, was geschehen ist. Mir geht es wie Dir.Ich habe Stunden, Nächte im Internet zugebracht... ich wollte wissen: Was ist nach dem Tod? Wie ist das Sterben? Hat meine Schwester gelitten? Woran mag sie letztendlich gestorben sein? WO IST SIE JETZT? Meine Schwester hätte heute Geburtstag...es ist furchtbar. Es fühlt sich alles so unwirklich an. Und wieder ist es mir passiert: Als ich daran dachte, ob meine andere liebe Schwester wohl heute auf dem Friedhof war, dachte ich zugleich danach, dass ich ja mal meine andere Schwester fragen könnte, ob sie heute am Grab war.... das dauert immer so Nanosekunden... und dann fällt mir wieder ein, dass es um sie ja geht. So oft geht es mir so, dass ich überlege, ahh, da muss ich mal Heike anrufen..... Weil man es so gewohnt war. Wir drei Schwestern waren so eng verbunden. Ich fühle mich wie amputiert. Die Beerdigung war irgendwie beides, vor der Feierhalle ganz, ganz schlimm. Während der Rede ganz, ganz schlimm. Aber auf dem Weg zum Grab und am Grab irgendwie in mir eine Ruhe, eine traurige Leichtigkeit...keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll. Liebe Stoerchin, wir schaffen das, irgendwie. Was bleibt uns denn auch? Bei mir fing am Folgetag der Beerdigung alles wieder von vorne an. Schlaflose Nächte, tausend Gedanken, Unfassbarkeit.... Und immer wieder: Sie kann doch nicht einfach weg sein!!! Das, was Du berichtest über die Frau mit Nahtod-Erfahrung. Weisst Du, ich glaube auch, dass meine Schwester jetzt bei meiner Mutter ist und es beiden gut geht. Als es meiner Schwester schlechter ging, habe ich das Bild meiner Mama angeschaut und gesagt: Bitte, Mama, hilf ihr doch... Ein paar Tage später ist sie gestorben. Ich sagte meiner Freundin, aber ich hab doch unsere liebe Mutter gebeten, ihr zu helfen. Und sie sagte: SIE HAT IHR DOCH GEHOLFEN... Ja, sie hat ihr Leid erspart. Und ich glaube jetzt ganz fest, dass sie zusammen sind. Und dass es ihnen gut geht. Ob mir das hilft? Manchmal. Und dann fehlt sie mir so schrecklich, dass ich es kaum aushalten kann. Wenn es mir dann einigermassen besser geht, denke ich, dass ich vielleicht egoistisch bin. Vielleicht geht es ihr dort, wo sie ist um so vieles besser als hier mit der schlimmen Krankheit, mit den Schmerzen, mit der Hoffnungslosigkeit, mit den ewigen Kämpfen... Dann empfinde ich Trost. Und dann kommt eine andere, schlimme Traurigkeit: Alles, was ich an schönem sehe, alles, was ich lustiges sehe und höre, alles lebendige, alles lebensbejahende, alles hoffnungsvolle...kann ich nur halb geniessen, weil ich immer denke: Das alles kann sie nicht mehr sehen, nicht mehr erleben, warum nur. Sie hat doch so gerne gelebt, das Leben geliebt. Es tut mir so sehr leid, dass sie gehen musste. Du siehst, liebe Stoerchin, wie man es auch nimmt und sieht: Wir werden die Zeit brauchen, wir werden da hindurch müssen, wir werden immer wieder weinen. Aber glaube mir, wir werden auch wieder lachen. Und irgendwann wieder normal leben, mehr lachen als weinen. Mehr geniessen, als traurig sein. Und mehr annehmen als hinterfragen. Wir werden uns versöhnen mit dem Es-ist-nichts-mehr-wie-es-war. Dein lieber Bruder und meine liebe Schwester sind vorgegangen. Nicht weg. Ich drück Dich und teile gern mit Dir mein bissl Mut und mein bissl Kraft. Dafür teilen wir ja auch das Leid. Ganz liebe Grüße Birgit |
#3
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Birgits_Schwester: Ganz genauso geht es mir auch. Diese unendliche Traurigkeit, wenn mir wieder mal bewusst wird, dass das Leben nun ohne sie weitergeht....weitergehen muss und dass wir nie mehr wieder etwas gemeinsam unternehmen können, wo wir doch alles gemeinsam machten. Dieses halbherzige Leben, bei dem ich mich fühle, als würde ich in der Luft hängen. Mir macht nichts mehr so richtig Spaß.
Sie ist jetzt 9 Monate tot. Ich hoffe, es wird besser. LG Maira |
#4
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Ich weiss, es ist ein Kalenderspruch, aber ein weiser an dem man sich auch ein wenig festhalten kann.
Die Zeit heilt alle Wunden. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es stimmt. Auch wenn es lange dauern kann. Was zurückbleibt sind Narben. Das Leben ist nicht fair und man darf sich nicht unterkriegen lassen. Alles Gute und viel Kraft für die Zukunft. Hans-Günter |
#5
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Liebe Mitschreiber,
ich kann mir vorstellen, dass es unweigerlich krass ist, in ein paar Wochen oder Monaten Abschied nehmen zu müssen. Wir hatten seit der Diagnose BK mit Metastasen 4 Jahre und ca. drei Monate Zeit für den Abschied - auch wenn das nie thematisiert wurde und ich das auch nie schaffte, wofür ich mich manchmal heute noch schäme. I.ggs. zu meinen Eltern habe ich es nicht geschafft darüber zu sprechen, wie es ist, wenn sie stirbt oder nicht mehr da ist, wie ihr Grab aussehen soll etc. In den letzten Wochen drehte jeder am Rad, weil Hilfe nötig wurde (Wassereinlagerungen etc). Ich fand das unendlich anstrengend v.a. weil wir uns alle oft zofften (sie, Eltern, ich). außerdem: So oft hatten wir schon gemeinsam Nerven verloren, und für nichts und wieder nichts. Ich meine die niederschmetternden Diagnosen, die dann wieder revidiert wurden (gab es in ihrem Fall oft genug - und jedesmal regten wir uns auf, für nichts und wieder nichts). Ich war also einfach sprachlos und sagte manchmal : das nervt ! Manchmal provozierte sie mich dann und sagte, "wenn es nach Dir ginge, sollte das hier alles wohl ein schnelles Ende haben, Du klagst ja immer wie anstrengend es ist" da war ich so fassungslos dass ich so verkannt werden, dass ich ihr einen Brief geschrieben habe, indem ich versuchte meine Sprachlosigkeit zu erklären und wie schwer es ist, zu wissen, dass wir mit 40 nicht zusammen shoppen gehen werden und kaffeekränzchen als Omas haben werden. Ich hoffe inständig dass sie es verstanden hat, dass nicht sie mich nervt, sondern ihre Krankheit mich zermürbt. Sie sagte dann "schön wenn man mal sowas zu lesen bekommt!" ich war immer fürs Späßemachen da, für gute Laune und Witze und hab es nie mit Worten (mit Gesten gegen Ende schon) geschafft auszudrücken wie lieb ich sie habe und wie es mich zermürbt dass sie gehen muss. ich war dazu da, ihr eine angenehme lustige unbeschwerte Zeit zu machen. wir hatten einmal vor vier Jahren im KH miteinander geweint - kurz nach Meta-Diagnose. Dann habe ich nie wieder vor ihr geweint. Irgendwie hängt mir das immer noch nach, dass ich keine Schwäche mehr zeigte. Erst als sie bereits im Leberkoma lag (zum Glück nur wenige Stunden) brach ich neben ihrem Krankenbett zusammen. Papa führte mich hinaus. Insofern hat mich ihr Tod verändert, dass ich mir vorgenommen habe, nie etwas unausgesprochen zu lassen, auch wenn es unangenehm ist. Dies ist im "normalen Leben" unendlich schwer. Aber ich arbeite daran. Sorry wenn der Text etwas unstrukturiert ist, habe einfach geschrieben - wie damals den Brief an sie. |
#6
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Hallo ihr Lieben,
ich (25 Jahre) muss mich leider eurer Gruppe anschließen. Ich habe nach 2,5 Jahren langer schmerzvoller Krankheit meinen geliebten Bruder kurz vor Weihnachten 2013 verloren...darüber zu sprechen, fällt mir noch sehr schwer. Es ist einfach so ungerecht, er war doch noch so jung (fast 38 Jahre)...begreifen kann ich das ganze noch nicht. Auch habe ich oft das Gefühl, ihn anzurufen oder eine Sms zuschreiben und will ihm alles mögliche erzählen...kurz vorher fällt es mir wieder ein, dass ich dies nicht mehr tun kann. Habe mich nun dazu entschieden, dies auf einem anderen Weg zu tun, hab mir ein hübsches kleines Buch gekauft und werde ihm dort Nachrichten aufschreiben. Damit ich das Gefühl hab ihm näher zu sein und um nicht völlig durchzudrehen...Freunde haben mir schon öfter geraten, mich an einen Psychologen zuwenden...ich wehre mich bisher enorm dagegen...aber mit meiner Familie will ich über meinen Schmerz auch nicht so recht sprechen, weil ich die traurigen Gesichter nicht ertrage. Was meint ihr dazu? geht ihr zu Psychologen oder habt ihr es mal in Erwägung gezogen? Liebe Grüße |
#7
|
|||
|
|||
AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister
Liebe Zaubermaus,
willkommen hier bei uns im Geschwister-Threat, auch wenn der Anlass, aus dem Du zu uns stößt, auch bei Dir so wahnsinnig traurig ist. Mein tiefes Mitgefühl zum Tod Deines Bruders. Es wird eine schwere Zeit auf Dich zukommen (bzw. befindest Du Dich schon darin), in der Du viel Kraft brauchen wirst und wir werden Dich dabei so gut wie möglich unterstützen. Und schonmal eins vorweg: Dass Du das Gefühl hast, durchzudrehen, ist in unserer Situation völlig normal und ich kenne es nur allzu gut. Das mit dem Buch ist eine sehr gute Idee! Zu Deiner Frage nach einer Behandlung beim Psychologen kann ich sagen, dass ich schon so viel überlegt habe, eine psychosomatische Reha mit Schwerpunkt Trauer, eine ambulante Psychotherapie...bislang bin ich "nur" bei einer Trauerbegleiterin und einer Trauergruppe (in die ich nun aber nicht mehr gehe) gelandet, da ich einfach weitergearbeitet habe, keine Zeit für die Vorbereitungen hatte und mich von den ersten drei Absagen für eine ambulante Therapie habe abschrecken lassen. Dies ist natürlich keinesfalls empfehlenswert und vielleicht starte ich nochmal ein paar neue Anläufe - einer Kollegin, die vor ein paar Jahren ihre Schwester durch einen Autounfall verloren hat, hat das sehr geholfen, dabei fragt man sich noch, wie ein Psychologe einem nun helfen kann, eine unabänderliche Grausamkeit positiv zu sehen, aber das sind Fachleute und die wissen wirklich, wie. Also, wenn Du darüber nachdenkst, solltest Du es auf jeden Fall probieren! Auch ich möchte im Übrigen nicht mehr mit meiner Familie über den Schmerz sprechen, ich möchte sie in Momenten, in denen es ihnen vielleicht mal besser geht, nicht wieder runterziehen, wohingegen ein Psychologe ein Außenstehender ist, der seinem Job nachgeht... Liebe Birgit, bitte entschuldige, dass ich Dir erst jetzt für Deine lieben Geburtstagswünsche und Deine dicken verbalen Kraftpakete danke!! Das tat sehr gut. Trotzdem war ich leider tagelang in einem Tief versunken, aus dem ich jetzt wieder etwas herausgekommen bin. An diesen "Trauerwellen", die immer alle beschreiben, ist echt etwas dran, was auch immer die Begründung dafür ist. Du schreibst so eindrücklich, es ist so viel dran an dem, was Du sagst, ich kann nahezu alles nachempfinden, konnte es nur vorher nicht in Worte fassen. Vor allem aber ist Dein Satz Zitat:
Liebe Maira, in Deinem Beitrag finde ich Folgendes so passend ausgedrückt: Zitat:
Liebes Waldkäuzchen, es tut mir so leid, dass Du zusätzlich noch an Schuldgefühlen mit "hätte ich doch" leiden musst...aber weißt Du: Deine Schwester wird ganz sicher wissen, wie Du alles gemeint hast, und wie schwierig auch alles für Dich war und Dir wegen nichts böse sein. Bei mir war die Situation ja anders, mein Bruder starb innerhalb weniger Stunden ohne Vorankündigung. Ich bekam einen Anruf auf der Arbeit von der Intensivstation, dass wir alle schnell kommen sollen und bin aus allen Wolken gefallen. Dafür musste er nicht leiden und hat von seinem bevorstehenden Tod nichts gewusst. Ich finde es, auch wenn jede/r, der hier um seine Geschwiser oder andere Angehörig trauert, im Grunde eine/r zuviel ist, schön, dass wir hier schon so eine Gemeinschaft geworden sind. Viele liebe Grüße und weiterhin viel Kraft Euch allen Störchin |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|