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  #1  
Alt 16.07.2013, 20:08
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo,
Meine Mutter liegt seid bald 7 Wochen im Sterbebett. Sie hat einen Gehirntumor. Mein Vater hat sich dafür entschieden, sie zum zum Tod zu Haus zu pflegen, was er auch hervorragend tut. wickeln, waschen, umlagern etc. 2x am Tag kommt die Pflege, aber das meisten hat er da eh schon gemacht.

Die paleativärztin wollte anfangs ihr Nahrung und Flüssigkeit verweigern, meinte, es wird so ne Woche dauern, nicht viel länger. Daraufhin ist mein Vater ausgetickt, dass er Mama weder verhungern noch verdursten lassen wird. Die Ärztin hat dann dem Tropf zugestimmt und damit hat dann wohl alles seinen Lauf genommen.

Wie gesagt, das geht nun 7 Wochen so und ich bin mittlerweile am Ende meiner Kräfte. Psychisch und physisch. Eine Zeitlang lag sie im Koma, da hieß es, jetzt wird sie sterben. Aber nein, Mutter sah das nicht ein, ganz im Gegenteil, sie wurde wieder wach,sogar so wach, dass sie selbstständig schluckweise was trinken konnte, Flüssignahrung bekam und auch ein paar Worte sagen konnte. Soweit alles okay.
Aber die Tatsächlich, dass sie sterben wird, ist da und wird täglich mehr. Mittlerweile liegt sie apathisch da, Augen offen aber nicht klar, der .Blick irgendwo ins Nirwana, der Mund hängt runter, ihre Haut ist dünn, dass jede Falte im Laken tiefe Riemen hinterlässt........
Ich kann das nicht mehr ertrage . Ich habe schreckliche Alpträume, Wache nachts ständig auf, bin gereizt. Jeden Tag, seit 7 Wochen fahre ich zu ihnen hin und bodigte 1,5 Stunden ungefähre. Ich bin aber auch voll berufstätig und muss da eben auch voll da sein.

Viel schlimmer ist aber der Anblick! Mir zerreist es die Seele, wenn ich sie so sehe. Meine Eltern haben eine Patientenverfügungen gemacht und da steht, keine lebensverlängeren Maßnahmen.
Ist das denn nicht auch schon Lebensverlängernd wenn sie den Tropf bekommt? Ich glaube nicht, dass sie ihren Zustand so gewollt hätte. Ich würde jedenfalls nicht so enden wollen, das wäre das schlimmste was man mir antun könnte.
Aber obwohl meine Tante (seine Schwester), die Hausärztin, einer der Pflegerinnen und ich ihm schon öfters gesagt haben, er soll nun endlich loslassen und sie gehen lassen, so sieht er dies nicht ein und macht ALLES damit sie bei ihm bleibt, was er ihr auch so sagt.
Ich weiß nicht, was das soll. Er sagt zwar, dass er weiß, dass sie sterben wird, aber er will sie noch da haben, auf die paar Tage kommt es nicht an. Dass wir alle inkl seiner Person aber leiden, dass übersieht er lieber.
Ich denke, er hat Angst vor dem danach. Anders kann ich es mir nicht mehr erklären.

Was soll ich nur tun?

Lg
Milena

Ist
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  #2  
Alt 17.07.2013, 08:50
Nirak 56 Nirak 56 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Liebe Milena
bei uns war es ähnlich nur das es bei uns unser Sohn war . Wir pflegten ihn zu Hause und es war schrecklich ihn so zu sehen er war doch erst 23 Jahre alt. Mein Mann konnte es garnicht realisieren, er rief fast täglich den Notarzt, meinte man könnte ihn doch nicht einfach sterben lassen. Er konnte und wollte es nicht verstehen. Ich wollte auch nicht das er stirbt aber ich wollte das er nicht mehr leiden muß. Eines Abends sprach der Notarzt dann mit meinem Mann,sagte ihm das er ihn nun endlich gehen lassen müßte, er kann nicht gehen wenn wir so fest an ihm hängen. Mein Sohn starb als ich allein mit ihm im Zimmer war , seine Freundin und mein Mann hatten kurz zuvor das Zimmer verlassen. Nur ich war bei ihm . Sein erster und sein letzter Atemzug gehörten nur mir.
Ich weiß es ist schwer loszulassen aber es ist das letzte was wir für sie tun können. Ich umarme dich und wünsch dir viel Kraft .
Karin
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  #3  
Alt 17.07.2013, 20:00
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Danke Katrin für deine Antwort und deinen Bericht.
Wie lässt man denn los? Papa hat uns gefragt wie er sie denn angeblich festhällt. Ich hab es ihm auch gesagt. Indem er sich über jede winzige Besserung wie blöde freut, indem er sich die größten Sorgen macht sie könnte vom Liegen an Fuß z.b. eine. Wunde bekommen, indem er sagt sie soll noch da bleiben.
Er gibt es nicht zu. Er sagt immer nur, dass er das genau weiß. Aber er benimmt sich nicht so. Vielleicht ist er selbst auch hin und her gerissen.
Wie hat dein Mann es denn dann letztendlich verkraftet?

Hab heute mit ihm gesprochen und ihm gesagt, wie ich es sehe und von meinen schlimmen Träumen. Er sagt, sie bekommt so keinen Tropf mehr, keine Medis, nur dieses Zeug, was wie ein leichtes Narkotikum wirkt. Aber auch das läuft nicht immer durch. Er stellt es immer mal einige Stunden ab.
Somit bekommt sie nur die Flüssigkeit mit dem Narkotikum. Sagt er jedenfalls. Hab aber hier und da schon herausgefunden, dass er nicht jedem immer so die Wahrheit sagt.

Ich habe nun nächste Woche Urlaub. Kämpfe mit mir, ob ich mich nun rar ma hen darf, mit meinem Mann Ausflüge machen darf und nur alle 3 Tage kurz zu ihm komme. Mama bekommt das eh nicht mehr mit. Aber ich habe trotzdem ein unheimlich schlechtes Gewissen, ihr gegenüber und auch ihm gegenüber. Ich will nicht, dass er denkt, dass ich mich abwende, nichts mehr von ihm oder Mama wissen will.

Lg
Milena
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  #4  
Alt 17.07.2013, 20:10
chrisi0211 chrisi0211 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo,

sag Deinem Vater, dass man jemanden, der so leidet und den man liebt die Ruhe vergönnt sein soll und er loslassen soll... Tja, das ist leichter gesagt als getan und er klammert sich leider nur noch an ihrem Körper, am liebsten möchte er alles rückgängig machen können und klammert sich so an jedem noch so winzigen Strohhalm, er will sie nicht verlieren... sie selbst lebt ja schon in einer anderen Welt, sie ist ja nur kurz und phasenweise noch da, sie selbst ist sie schon lange nicht mehr .

Steh Deinem Papa in dieser schweren Zeit bei, nimm Dir aber auch Auszeiten, es nützt ja niemanden was, wenn Du zusammenklappst.

Wünsche Dir und Deinem Papa ganz viel Kraft und möge Deine Mama bald erlöst werden von ihrem Leiden.
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  #5  
Alt 18.07.2013, 08:39
Nirak 56 Nirak 56 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Liebe Milena
ja wie lässt man richtig los, ich weiß es nicht. Man will ja schließlich nicht das sie sterben . Mein Mann hat bei den Gesprächen mit den Ärzten immer nur genickt und gesagt das er es versteht und wenn sie weg waren ging alles von vorne los. Heute redet er nicht mehr darüber ,er macht alles mit sich alleine aus. Nach außen ist er betont fröhlich doch in ihm sieht es anders aus. Ich habe immer ein schlechts Gewissen , den schließlich war ich es die an seinem Bett stand und dachte ,wann ist es endlich vorbei wann hört diese Qual auf. Ich weiß das mein Sohn nie so weiter leben wollte ,ohne Hoffnung auf Besserung und als Pflegefall .Wenn man das verstanden hat ,das unsere Lieben das bestimmt nicht wollen , dann können wir sie gehen lassen. Auch wenn es unheimlich schwer ist.
Lg karin
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  #6  
Alt 18.07.2013, 20:57
Nordlicht2013 Nordlicht2013 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo Milena,

Männer trauern anders als Frauen (größtenteils, gibt immer Ausnahmen ). Wenn Frauen mit Schmerzen, Trauer und Ängsten konfrontiert sind, "lösen" sie die Gefühle, indem sie sich anderen anvertrauen, sich Hilfe holen und vor allem reden - manchen hilft allein schon das Reden, auch ohne Lösung. Viele entwickeln während des Austausches mit anderen eine für sich passende Lösung.

Männer lernen in unserer Gesellschaft, dass sie handeln müssen, um etwas zu lösen. Hier wird nicht geredet, sondern getan. Was auch der Grund ist, warum Männer - wenn sie nicht gerade in einem sozialen oder kommunikativen Beruf sind - oft "stumm" sind und es ihnen nicht hilft oder es für sie peinlich ist, reden zu müssen.

Das könnte erklären, warum dein Vater zwar auf Reden mit Worten reagiert, dann aber doch wieder in ein Handlungsmuster umkippt, um seine Traurigkeit bewältigen zu können, vielleicht auch, um sich nicht hilflos zu fühlen, durch Handeln (egal, wie sinnlos diese Handlungen sind) Verantwortung zu übernehmen oder nicht an die Zeit "danach" denken zu müssen. Vielleicht will er anders, sein Unbewusstes "zwingt" ihn jedoch zum Handeln, weil er möglicherweise keine andere Verarbeitungsstrategie gelernt hat. Dummerweise gibt es - wie du geschrieben hast - in der jetzigen Situation nichts, was man durch aktives Handeln tun, lösen oder verbessern könnte...wahrscheinlich wirkt deshalb das, was er tut, so widersprüchlich...

Ich kann dir nicht mit einem Patentrezept weiterhelfen, mir kamen nur beim Lesen zwei Gedanken:
1. hat dein Vater irgendwelche Männer mit Trauer-/Verlusterfahrung in seiner Nähe, mit denen er einfach 'mal zusammensein könnte oder die ihm - ohne Gespräche - einfach mal mitnehmen/"rausholen" könnten? (oder gibt es männliche Hospitzhelfer, die ihn besuchen und unterstützen könnten?)
Er scheint bereits in der Trauerphase zu sein, sonst würde er wahrscheinlich gar nicht so an deine Mutter "Klammern". Ein Teil von ihm weiß schon, was gerade los ist.

2.
Es kann auch sein, dass dein Vater im Moment unter dem Eindruck steht, dass er deine Mutter nicht aufgeben "darf" (als wäre er dann "schuld", wenn sie stirbt). Sollte das der Fall sein, könntest du vielleicht noch schauen, ob es im Umfeld einen Psychologen gibt, der ihm in der schwierigen Situation beim Loslassen hilft. Verwirrte Gefühle im Sinne von Trauer, Wut, Schuldgefühlen, Ängsten etc. sind normal, wenn jemand geht, den man liebt.

Zum Loslassen:
Ein Bekannter von mir (damals 62) hat als seine Frau nur noch körperlich anwesend war und es deutlich war, dass es zum Ende geht, zum einen psychologische Hilfe in anspruch genommen (hat er erst hinterher erzählt), und zum anderen als ein Mittel zum Loslassen für seine Frau einen Baum gepflanzt. Er hatte das wohl als sein persönliches Symbol zum Loslassen gefunden. Er meinte, der Psychologe hatte ihm damals dazu geraten, einen passenden Baum zu finden, der nicht immergrün ist, sondern sich auch über die Jahreszeiten verändert, und den er zu Ehren seiner Frau und der Liebe zu ihr pflanzt. Mein Bekannter meinte, damals habe er noch überlegt, eine Schatzkiste mit Erinnerungsstücken an seine Frau bei dem kleinen Bäumchen zu vergraben (ob er es tatsächlich gemacht hat, weiß ich nicht, ich fand einfach die Idee schön). Der Baum steht immer noch. Ich habe das erst Jahre später erfahren, weil er lange darüber geschwiegen hat, obwohl wir ansonsten guten Kontakt hatten.

Ich wünsche deiner Familie und dir viel Kraft, deiner Mutter, das sie bald erlöst ist und deinem Vater, dass er einen Weg zu trauern findet.
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  #7  
Alt 19.07.2013, 19:42
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Danke Karin,
Ja sowie du deinen Mann erlebt hast, macht es Paps auch. Hier sagen, dass er es genau weiß und im nächsten Moment redet er mit ihr als wäre sie voll da und manchmal kommen so Sachen wie "heute morgen ging es ihr so gut, ich dachte schon wir gehen gleich in den Garten".

@Nordlicht: nein, so eine Männergruppe hat Papa nicht, auch niemanden der zumindest vor kurzem in so einer Situation war. Aber wie du auch schon sagst, Männer...... Er würde niemals mit einem Psychologen oder ähnlichen über seine wahren tiefen .Gefühle reden. Da ruft ab und an so ne Psychotante an, aber die ist uns allen unsympathisch und bei der bekommt man nur Depressionen. Tante und ich haben ihn ja schon gebeten, dass er wenigsten nach der Beerdigung für ein paar Tage so Beruhigungsdragees oder Schlafdragees nimmt, sind ja rein pflanzlich und hilft ja nur beim ruhigerem schlafen, aber schon das bißchen hat er vehement abgelehnt, er braucht sowas nicht.

Angeblich gibt er Mama gar kein extra Kochsalzlösung mehr, nur das wo das Medi drin ist, snd so 100ml. Ob das so stimmt, keine Ahnung. Ansonsten bekommt sie wohl nichts mehr.
Der neue Paleativärzt sagte gestern "in diesem Raum sage ich nichts mehr über die Zukunft". Laut den Ärzten müsstest ja schon lange nicht mehr da sein.

Ich habe Papa gestern gefragt, ob ich wohl für 3 Tage zur Nordsee fahren könnte, wären so 2,5 Stunden fahrt. Ich konnte den Blick nicht deuten, stilles mich anstarren. Er sagte dann: woher soll ich das wissen, ihr Zustand ändert sich stündlich, wie soll ich dann wissen, wie es bei mehreren Tagen aussieht?

Ich bin mir nicht sicher, ob er tatsächlich das nur so meinte, oder ob er angepisst ist, weil ich mich aus dem "Staub" machen will, mich erholen will und er muss da seit 7 Wochen sitzen und kann auch nicht raus. Muss ich mitleiden? Ich mein, er wollte es ja so, er hat es sich doch ausgesucht.
Ich hab schon wieder ein schlechtes Gewissen.
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  #8  
Alt 19.07.2013, 20:24
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo Milena,

nun, ich hatte schon mal ein Posting verfasst, es aber dann doch nicht aktiviert. Warum? Nunja, ich gehöre zu den Betroffenen, die sich nicht an die Prognose der Ärzte halten wollten. Bis heute.
Zitat:
da hieß es, jetzt wird sie sterben. Aber nein, Mutter sah das nicht ein, ganz im Gegenteil, sie wurde wieder wach,sogar so wach, dass sie selbstständig schluckweise was trinken konnte, Flüssignahrung bekam und auch ein paar Worte sagen konnte. Soweit alles okay.
Diese Aussage hat mich ganz schön schlucken lassen.

Zitat:
Die paleativärztin wollte anfangs ihr Nahrung und Flüssigkeit verweigern, meinte, es wird so ne Woche dauern
Hat mit verweigern garnichts zu tun. Der Körper braucht ab einem bestimmten Zustand keine Nahrung mehr, der Tumor bedankt sich und nutzt die Nahrung. Flüssigkeit, ja die braucht man länger als Nahrung.

Zitat:
Ich weiß nicht, was das soll. Er sagt zwar, dass er weiß, dass sie sterben wird, aber er will sie noch da haben, auf die paar Tage kommt es nicht an. Dass wir alle inkl seiner Person aber leiden, dass übersieht er lieber.
Schade, dass Du das so siehst. Nicht jeder hat die gleiche Geschwindigkeit bei der Trauerverarbeitung. Mal davon abgesehen, dass ich hoffe, dass Deine Mutter aufgrund der Schmerztherapie nicht leidet. Alles andere sind Befindlichkeiten. Uiiih, ich höre schon ein paar Aufschreie. Keine Angst, auch ich bin Angehörige. Und habe damals gefrotzelt, wer früher geht mein Vater oder ich. Da war eigentlich eher ich im Raum stehend. Es kam, wie es im Leben häufig ist, anders. Dafür konnte ich dann meinen Eltern die Möglichkeit bieten loslassen zu können. Jedem auf seine Weise. Meine Person war da nicht vorrangig. Man muss nicht immer im Mittelpunkt stehen. Im Gegenteil man kann als Mittler beiden zur Seite stehen. So wie Du Deinem Vater die Möglichkeit bieten könntest für sich selber Freiraum zu schaffen, um sich über einiges klar zu werden. Bei einer 24-Stunden -Pflege ist es nicht möglich (oder so gut wie nicht) den Kopf frei zu haben, Abstand zu gewinnen. Die kommt mit einer räumlichen Distanz. Die hat Dein Vater aber nicht.
Zitat:
Ich mein, er wollte es ja so, er hat es sich doch ausgesucht
Hat er? Hatte er eine Wahl? In den eigenen Augen. In den Augen anderer? In Deinen Augen?

Es ist einfach als Kind die Situation zu beurteilen. Man geht aus der Wohnung, geht zu seiner eigenen Familie. Der Partner, die Partnerin des Betroffenen aber bleibt allein zurück. Mit seinen Ängsten, mit seinen Hoffnungen und Wünschen, die er vor seinen Augen zergehen sieht. Es ist wie in allen Partnerschaften, man weiß um die Endlichkeit, weiß, dass einer früher gehen wird, aber auch hier ist es wie bei Krebserkrankungen: Zum einen erwischt es immer andere, zum anderen hat man ja alle Zeit der Welt. Bis der Fall eintritt ...
Sei also nicht so streng zu Deinem Vater. Er steht vor einem Trümmerhaufen seiner gemeinsamen Zukunft. Und Du hast die Möglichkeit ihm diesen Schritt, den ersten, zu erleichtern, ihn zu begleiten. Kein einfaches Unterfangen, weiß ich, aber es sind unsere Eltern. Sie waren auch immer für uns da. Nun ist die Zeit gekommen uns dafür zu revanchieren. Auf eine Art und Weise, die einfach menschlich ist. Denn vielleicht wartet Deine Mutter darauf, dass sie in aller Ruhe allein gehen kann.
__________________
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Geändert von J.F. (19.07.2013 um 20:30 Uhr)
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  #9  
Alt 19.07.2013, 23:57
sanne2 sanne2 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo Milena!
Ich habe der Aussage J.F`s nichts weiter hinzu zu fügen.

Meine Frage wäre noch!
Soll das Leiden deiner Mutter beendet werden weil du leidest, oder weil deine Mutter leidet?
Das ist jetzt nicht provokativ gemeint, aber überlege es dir mal.
Ich musste es für mich damals, als meine Mutter im Endstadium ihrer Lungenkrebserkrankung war, auch erst einmal durchdenken.

Vielleicht sollte dein Vater seine Entscheidung selber treffen.
Sollte er deiner Mutter helfen, dass Leiden zu beenden, würde er sich wahrscheinlich später Vorwürfe machen ( natürlich unbegründet, aber in diesem Zustand kann man eben nicht klar denken. In dem schlimmen Zustand der Trauer).

Steh ihm bei und suche dir deine Auszeiten.

Liebe und verständnisvolle Grüße,
Sanne

Geändert von sanne2 (20.07.2013 um 00:27 Uhr)
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  #10  
Alt 20.07.2013, 01:29
Maxima86 Maxima86 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Ich werde mit meinem Beitrag nun sicherlich bei vielen Mitgliedern anecken, auch weil ganz viele Menschen klare Linien zwischen Menschen (Humanmedizin) und Tiere (Veterinärmedizin) ziehen. Auf was ich hinaus möchte ist, dass es in der Veterinärmedizin völlig normal ist ein Leiden nicht unnötig hinaus zu ziehen, in der Humanmedizin dagegen Menschen für jeden Preis am Leben gehalten und das Sterben bis es nicht mehr geht hinaus gezögert wird. In den Niederlanden und der Schweiz ist man da schon weiter und respektiert den persönlichen Wunsch eines sterbenskranken Menschen, nicht dahinvegetieren zu müssen bis zum bitteren Ende.

Es tut sehr weh einen nahe stehenden und geliebten Menschen los zu lassen, aber es tut noch viel mehr weh so jemanden leiden zu sehen. Für mich ist der Wunsch von Milena absolut legitim, denn es ist durchaus einer der größten Liebesbeweise einen geliebten Menschen los zu lassen/gehen zu lassen, wenn ein Weiterleben nur Leid bedeutet. Das ist für mich absolut nicht egoistisch, sondern kann nur im Sinne des Sterbenden sein... es nutzt niemanden etwas, derart fest zu halten, nur um das unvermeidliche hinaus zu schieben und das Leiden für den Sterbenden in die Länge zu ziehen. Für viele Menschen ist es unglaublich schwer zu gehen, ehe sie nicht von ihren Liebsten los gelassen werden.

Ich finde chrisi0211 hat es sehr gut getroffen mit der Aussage, dass man einen geliebten Menschen der so leidet, die Ruhe vergönnen sollte und los lassen muss.

Nur um Missverständnisse vorzubeugen: Mir geht es in meinem Beitrag weder um aktive Sterbehilfe noch einen schwer erkrankten Menschen sein Leben abzusprechen. Es geht um Sterbende im Endstadium und ihnen zumindest den letzten Weg zu erleichtern, indem die Angehörigen los lassen.

Geändert von Maxima86 (20.07.2013 um 02:16 Uhr)
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  #11  
Alt 20.07.2013, 11:20
Maxima86 Maxima86 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Ja, ich bin mir sicher, dass es auch für Sterbende zum Teil nicht einfach ist, sei es weil sie noch nicht bereit sind oder weil sie selbst ihre geliebten Menschen nicht loslassen können.

Dein Mann hatte vielleicht gewartert, dass ihm seine Mama abholt und mit ihm gemeinsam rüber geht. Ich finde den Gedanken tröstlich, denn das würde bedeuten, dass wir alle unsere vorausgegangenen Liebsten wiedersehen werden.

Ich wünsche dir viel Kraft... für mich hast du alles richtig gemacht und du brauchst auch kein schlechtes Gewissen wegen den damaligen Gedanken haben. Es ist ja nicht so, dass man seine leidenden Liebsten los werden möchte, weil sie zur Last geworden sind, sondern diese Gedanken sind nur da, weil man weiss, dass der Tod eine Erlösung bedeutet.

Das Problem ist, das ganz viele Angehörige den absolut natürlichen und notwendigen Prozess des loslassens nicht zulassen, da eben ein schlechtes Gewissen aufkommt. Aber man sollte sich immer vor Augen halten, das gerade loslassen sehr viel Liebe bedeutet, da man in dem Moment nicht an sich und seine Trauer denkt, sondern nur an dem geliebten Menschen... man ist bereit den Sterbenden gehen zu lassen, damit die Schmerzen und das Leid ein Ende haben und der geliebte Mensch seinen verdienten Friede finden kann. Auch wenn man selbst daran seelisch stirbt und nicht weiss, wie man jemals mit dem Verlust klar kommen wird.
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  #12  
Alt 20.07.2013, 18:09
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Ich danke euch für eure Beiträge und Gedanken. Jeder hilft auf seine eigene Art, die Sichtweise zu verändert oder beizubehalten.

Oh ja, ich habe mir Gedanken gemacht, ob es für mich besser wäre oder für Mama. Und ich bin mir sicher, ich meine ich hab es auch schon geschrieben, dass sie diesen Zustand so niht gewollt hätte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es irgendjemanden gibt, der sagen würde, ja das wäre okay für mich.
Ihre Haut ist mittlerweile so dünn, dass sich nur durch ihre eigene Hand die am Bein liegt Blasen holt. Und das wird noch schlimmer werden. Bald wird man sie nicht mehr anfassen können ohne das es weh tut oder gar die Haut aufreist, so dünn ist diese schon.
Ich denke, für sie wäre es besser.
Ja es stimmt, ich bin ein Mensch der schnell akzeptiert wenn sch etwas nicht mehr ändern lässt. Trotzdem bin ich eine Zeitlang mitgegangen, aber ich will sie nicht mehr so leiden sehen. Sie hat durch den Tumor keine Schmerzen, aber durch die anderen Dinge werden doch gewiss Schmerzen auftreten.
Sie atmet in Rückenlage sehr schwer. Die Sxhwester sagte, er soll ihr Morphium geben, das würde das atmen erleichtern. Will er nicht, das ist ja eine Droge und dann ist sie im Dilirium.

Maxima ich habe auch schon oft wie du über die Veterinärmedizin nachgedacht. Vielleicht sehe ich es auch anders, weil ich 2 Haustiere erlösen hab lassen. Habe da auch gewartet bis es nicht mehr ging, sogar noch länger und mit dem Tier am Bauch gesessen, geweint und gefleht, es möge doch bitte endlich gehen weil es nur noch Schmerzen hatte. Ich wollte nicht diesen Weg zum Arzt machen, ist ja immer stressig für Tiere. Aber man muss! Und so sehenich dss eben auch.
Ich habe vielleicht auch dadurch gelernt, dass man auch sterbende loslassen MUSS. Papa hat diese Erfahrung noch nie gemacht, er hatte nie Haustiere. Vielleicht fällt es ihm auch daher so schwer.

Ich finde im Moment kann es ihm auch keiner Recht machen. Sind wir da, ist es ihm zuviel. Bieten wir ihm an, dass er was machen soll, raus soll, will er nicht. Gehen wir nicht hin, ist er beleidigt, weil er da sitzen MUSS und wir ja so ein tolles Leben haben.
Erist wohl selbst etwas überfordert im Moment.
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  #13  
Alt 21.07.2013, 16:58
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Essen und trinken hat sie vor 7 Wochen eingestellt. Von allein passiert da gar nichts mehr. Papa hat den Tropf durchgesetzt und ihr mit allen erdenklichen Mitteln irgendwie Flüssignahrung Löffelchenweise eingeflösst. WENN sie Schlucksn konnte. Und auch das eher wiederwillig und nach 3-4 Löffelchen war auch Ende.

Du, ich kann meinen Vater ein Stückweit auch sehr gut verstehen und auch seine Angst vor dem danach. Ich schiebe jetzt schon regelrecht Panik vor dem kommenden Weihnachtsfest. Wie wird das sein ohne Mama? Bei uns gab es traditionell immer dss gleiche. Sollen wir es beibehalten oder lieber nicht. Traurig wird es allemal, aber wie damit umgehen? Solche Sachen gehen mir durch den Kopf und ich mache mir enorm viele Gedanken und Sorgen um Papa. Wie er damit klar kommen wird.

Aber im Moment, so empfinde ich, denkt er mehr an sich als an sie. So empfinde ich es.
Aber ich denke, da gibt es einfach so viele verschiedene Sichtweisen der Dinge. Viele wären niemals in der Lage ihre Angehörigen z.b. wie in unseren Nachbarländer auf Wunsch zu erlösen. Und dann gibt es jene die das könnten. Das hat weder was mit mehr noch mit weniger Liebe zu tun, sondern nur mit der persönlchen Sichtweise.
Vielleicht denke ich auch so, weil es für mich "das Leben danach" gibt und es nicht vorbei ist. Für mich ist der Körper nur eine vorübergehende Station unserer Seele, mehr nicht. Deshalb gibt es mir absolut null an einem
Grabstein zu stehen. Für mich ist das ein Stein mit Blumen drumrum, mehr nicht. Der Verstorbe ist in mir und um uns alle herum. Vielleicht kann ich durch diese seltsame denkweise damit besser umgehen.

Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass ich selbst anders handeln oder denken würde, wenn es um meinen langjährigen Lebensgefährten gehen würde. Vielleicht ist durch die Bindung eine andere Verlustangst da.
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  #14  
Alt 21.07.2013, 22:04
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Das ist der Hammer mit der Schwester und den Kindern? Ihn nicht besuchen wollen, denn für mich ist das ein wollen, aber über seine Beerdigung bestimmen, das wollen sie. Unfassbar!!!
Aber wir kennen das leider auch. Meine Mutter hat noch 3 Schwestern, die weiteste wohnt 20 Autominuten weg und diese kam in den 7 Wochen 1x um sich zu verabschieden. Das war ganz am Anfang als wir dachten, das wird nun nur ein paar Tage dauern. Die rufen nicht mal an um zu fragen, ob die Sxhwester noch lebt! Sie fragen Oma und die ist 84 und ehrlich gesagt, bekommt sie geistig so viel auch nicht mehr auf die Kette. Ich finde das sehr sehr traurig. Papa sagt, ich muss da tolerant sein, aber ich kann nicht. Mir kommt das so falsch vor wenn ich mir vorstelle, wie sie am Grab stehen und weinen und sie nicht mal wissen wollten, wie es ihr wirklich geht.

Ich wusste gar nicht, dass es geht mit der Urne. Ich werde das Papa erzählen, vielleicht wird es ihm helfen. Wobei er sie ja nicht verbrannt wissen will, weil er der Meinung ist, dass sie das Fegefeuer nicht verdient hat und man nie weiß, was für Asche ist. Ich selbst würde mich auch lieber verbrennen lassen, statt als Buffett für die Würmlis zu enden.
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  #15  
Alt 23.07.2013, 22:44
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Mama ist heute Mittag gestorben.
Ganz friedlich ohne zu leiden und sie sah aus, als würde sie schlafen.
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