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Alt 12.06.2006, 13:14
Peggy_WI Peggy_WI ist offline
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Registriert seit: 11.03.2006
Ort: Wiesbaden
Beiträge: 27
Standard Ich kann nicht mehr

Liebe Leute

ich muß ich mal ausheulen bei euch.
Ich bin am Ende meiner Kräfte. Ich (29) pflege meinen Vater seit einigen Wochen. Er ist an Lungenkrebs mit multiplen Hirnmetastasen und Nebennierenmetastasen erkrankt. Seit kurzem hat er so starke Schmerzen, daß wir vermuten, daß nun auch noch Knochenmetas dazugekommen sind. Da ich ganz alleine bin (keine Angehörigen hier vor Ort) fühle ich mich trotz der -supertollen- Unterstützung des Hospizvereins sehr allein. Ich habe Angst vor dem was noch alles auf mich zukommt. Es mag sich schlimm oder unmoralisch anhören, aber ich wünsche, mein Papa könnte endlich einschlafen und seinen Frieden finden. Aber er ist mittlerweile total verwirrt und erzählt den ganzen Tag Unsinn. Es ist so schlimm das mit anzusehen. Aus den paar Wortfetzen die ich raushöre, interpretiere ich, daß er einfach nicht loslassen kann und sich um die - aus meiner Sicht- sinnlosesten Dinge Gedanken macht. Nur ein Beispiel: er fragte mich heute, ob ich an das Mittagessen gedacht habe, daß er vor längerer Zeit mal eingefroren habe. Das müsse man doch auftauen, sonst würde das schlecht werden. Wohl gemerkt meint er den Inhalt seiner Gefriertruhe, die wir vor Monaten bereits entsorgt haben als wir seine Wohnung aufgelöst haben... Dann bekommt er plötzlich große Angst und schreit, jemand würde ihn verfolgen und ihn holen mit irgendwelchen Kampfhunden. Ich versuche ihn dann zu beruhigen, was mir meistens auch ganz gut gelingt. Oft reicht einfach nur, ihm am Arm oder an der Wange zu streicheln. Aber was ist, wenn ich das nicht mehr schaffe? Was ist, wenn meine Kraft am Ende ist?
Heute vormittag hatten wir so eine Situation in der es bald eskaliert ist. Seine Verwirrung geht soweit, daß er die einfachsten Bewegungen nicht mehr steuern kann. Er kann einpaar Sekunden stehen (wenn ich ihn festhalte) und dann sackt er plötzlich zusammen und nichts, aber auch gar nichts geht mehr. Das Problem ist - er wiegt zwar nur noch 62 Kilo, aber ich selbst habe nur 58 Kilo und krieg ihn einfach nicht mehr hoch. Wir haben heute eine halbe Stunde im Badezimmer auf dem Fußboden zugebracht bis er wieder soweit war, daß ich ihn in den Rollstuhl heben konnte. Er war da wie "weggetreten", verleierte die Augen bis man nur noch das weiße sah ...und ich bin am verzweifeln.

Ich weiß, daß ich jederzeit einen Pflegedienst beauftragen kann, aber das Waschen, Füttern etc. ist nicht das Problem. Mich reibt es vielmehr auf, daß ich Papas Aktivitäten vielleicht irgendwann nicht mehr unter Kontrolle habe. Eigentlich ist er viel zu schwach um aufzustehen. Wenn er mit meiner Hilfe einpaar Minuten sitzen kann, kommt er schon ins Schwitzen und will sich wieder hinlegen. Aber heute morgen war er plötzlich wieder so fit, daß er aus dem Bett steigen wollte - über die Seitenabsperrung drüber. Oder er richtet sich auf im Bett und kippt plötzlich zur Seite weg und landet mit dem Kopf auf dem Holz. Ich bin rund um die Uhr bei ihm, aber ich kann ihn ja nicht festbinden. Da bekommt er ja noch mehr Angst?! Was soll ich nur tun??
Morgen kommt der Hausarzt und am Mittwoch die Hospizschwester. Ich weiß, daß ich Papa jederzeit in gute Hände geben könnte, auch wenns nur für ein paar Stunden ist, aber warum gelingt mir das nicht? Ich hatte am letzten Freitag die Gelegenheit, mal wieder 2 Stunden schwimmen zu gehen, aber ich habe einfach keine Ruhe gehabt und war nach einer Stunde wieder zuhause bei Papa... Warum kann ich ihn nicht loslassen? Warum klammern wir so aneinander?

Versteht mich nicht falsch, aber manchmal wünschte ich, ich könnte einfach so aussteigen und wiederkommen, wenn sich alles beruhigt hat. Alles türmt sich so vor mir auf. Papas Konto ist leer, meines auch, ich kann mich nicht mehr um meine Firma kümmern, kann die Aufträge nicht mehr abarbeiten, ich kriege eine Zahnwurzelvereiterung und Migräne, dann springt mir noch die Katze vom Balkon, weil sie sich durch das Katzennetz gebissen hat... ich hops hier im Dreieck...und meine beste Freundin macht Urlaub auf den Seychellen... okay, keine hat den Urlaub so verdient wie sie.
Aber das Leben ist ungerecht...

...danke fürs lesen..

...alles wird gut...
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