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  #1  
Alt 07.07.2007, 06:37
Wolf1950 Wolf1950 ist offline
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Registriert seit: 25.06.2007
Ort: Hamburg
Beiträge: 8
Standard Sie wird wohl bald sterben ...

Liebe Forumsmitglieder,

ich habe mich vor einigen Tagen hier angemeldet und einige Beiträge gelesen -
ich fühle mich recht unbeholfen will aber dennoch versuchen, heute nacht über
mein Problem zu schreiben.

Ich bin 56 Jahre alt und lebe in Hamburg, seit 35 Jahren habe ich eine ganz
normale Beziehung zu K., seit mehr als 20 Jahren leben wir zusammen, ohne
Trauschein, unsere Liebe hat Höhen und Tiefen erlebt - und sie hat gehalten.

Am Anfang dieses Jahres ist mir aufgefallen, dass K. immer dünner wurde und
auch im Gesicht ein wenig krank aussah.

K. hat das zuerst abgestritten, runtergespielt und verharmlost ... ist dann
aber doch zum Arzt gegangen ... und hat mir in den letzten ca. 6 Wochen
peu a peu beigebracht, dass sie einen inoperablen Tumor an der Leber hat,
aber zum Glück würde der nur ganz langsam wachsen........... .

Ich habe in den letzten Wochen ganz langsam begriffen, dass K. bald sterben
wird, dass es wohl so kommen wird ohne dass ich oder irgendjemand etwas
daran ändern kann.

Ich lebe zur Zeit wie in Trance, wie betäubt, ich bin unsicher, durcheinander,
und ich bin verzweifelt und tieftraurig, ich könnte den ganzen Tag lang nur
weinen.

Ich weiss nicht, wie ich ohne K. weiterleben soll - ich sehe nur ein bodenloses
schwarz-trauriges einsames Loch vor mir. Ich stelle mir vor ich komme abends
vom Job nach Hause - und es ist kein Licht in der Wohnung, niemand ist da,
K. ist gestorben, ich bin allein in unserer Wohnung mit all den Erinnerungen
und Vertrautheiten des gemeinsamen Lebens - ich könnte schreien und
meinen Kopf gegen die Wand schlagen vor Angst und Schmerz.

Dieser Schmerz macht mich schwach - dabei sollte ich K. doch gerade jetzt
Stärke und Geborgenheit geben können.

Ich versuche K. zu unterstützen wo ich nur kann ( bin berufstätig ), versuche
lieb und aufmerksam zu sein, mache alle Einkäufe und Erledigungen, wasche
unsere Wäsche und versuche, K. etwas aufzuheitern. Ich habe ihr gesagt,
dass ich zu ihr halte und sie bei allen Entscheidungen unterstützen werde.

Ich suche immer wieder das Gespräch , ganz vorsichtig denn ich möchte
sie nicht verletzen, aber sie weicht aus. Sie tut und lebt, als sei alles wie
immer und als ob es keinen Anlass für Sorgen oder Angst gäbe.

Dabei sind die bösen Anzeichen mittlerweile unübersehbar geworden, K.
verlässt die Wohnung nicht mehr, die Treppen zum 2.Stockwerk fallen ihr
schwer.

Ich würde so gerne mit ihr über alles sprechen, offen, gemeinsam. Das Leid
teilen, mit ihr weinen und sie meine Liebe und Nähe spüren lassen - aber
sie hat sich total verschlossen und flüchtet sich in oberflächliche Aufregung
über Fernsehnachrichten.

Ich bin so ratlos und verzweifelt, jede Stunde mit ihr zusammen ist so kostbar
geworden - wie kann ich ihr helfen, wie kann ich die vertraute Nähe zu ihr
wiederherstellen ? ?

Darf ich versuchen, ihre Abwehr durch Direkheit zu überwinden ? Destabilisiere
ich K. damit eventuell und vergrössere ich ihr Leid ? Vergrössert der Versuch
ihr nahezusein eventuell die Distanz ?

Wolf1950
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  #2  
Alt 07.07.2007, 07:57
Sabine44 Sabine44 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.03.2007
Beiträge: 13
Standard AW: Sie wird wohl bald sterben ...

Hallo Wolf 1950,

es kommt mir alles so bekannt vor, was Du schreibst.

Bei uns war es ganz ähnlich.(s.Bauchfellkrebs/Zum Sterben nach Hause).
Mein Mann hat in den ersten Monaten auch alles nicht wahrhaben oder zeigen wollen. Seit Anfang diesen Jahres war das Unvermeidliche nicht mehr zu leugnen. Es war für ihn ein langer Prozeß das anzunehmen, mit den verschiedensten Gefühlen. Nur dass sich ein Mann meist mit dem Zeigen der Gefühle sehr schwer tut.
Ostern sprachen wir öfters über das nahe Ende. Sein Satz war häufig: "Ihr müßt mich auch gehen lassen." In den folgenden Wochen wurde er immer schwächer und auch immer verschlossener. Auch er nahm Anteil an "Unwichtigkeiten", regte sich über Nachrichten und Berichte auf, die an mir vorbei rauschten.
Ich hätte mir in den letzten Wochen eine größere Nähe zu ihm gewünscht, aber ich glaube es war seine Art Abschied zu nehmen. Von neutralen Personen (Pflegedienst) habe ich erfahren, dass er sich schon Gedanken um unser weiteres Leben machte.
Jetzt habe ich den Faden verloren. Das ist das erste Mal, dass ich das so deutlich ausdrücke.
Es gibt mir viel Kraft zu wissen, ihn bis zuletzt begleitet zu haben. Ich habe intuitiv zum richtigen Zeitpunkt unsere Töchter informiert, bin von der Arbeit zu Hause geblieben und wir konnten den letzten Kampf mit ihm gehen.
Jetzt muß ich versuche allein das Leben zu leben.
Auch wenn der Satz: " Ich wünsche Dir viel Kraft.", oft hohl klingt, ist es dass was man braucht uns diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten.

Sabine
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  #3  
Alt 07.07.2007, 11:48
Benutzerbild von rezzan
rezzan rezzan ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 10.01.2006
Ort: Frankfurt
Beiträge: 145
Standard AW: Sie wird wohl bald sterben ...

Lieber Wolf1950,

das schwierigste und das kräftezehrendste ist wohl immer die Frage, was kann ich tun damit es dem geliebten Menschen besser geht? Was darf ich sagen, was erwartet er/sie? Soll man Rücksicht nehmen auf die ganzen Verdrängungsmechanismen, die kranke Menschen oft aufbauen? Oder behält sie ihre schlimmsten Ängste und Sorgen nur für sich um dich zu schonen und fühlt sich dadurch auch einsam? Oder braucht sie für sich einen Selbstschutz um nicht völlig die Hoffnung zu verlieren? Der Verlust der Hoffnung ist eigentlich das grausamste was bei einer schweren Krankheit passieren kann und wenige Menschen können damit umgehen. Ich glaube nicht, dass man das alles pauschal beantworten kann.

Genau so sicher bin ich aber auch, dass du derjenige bist, der das am besten entscheiden kann. Du kennst und liebst deine Freundin sicher so wie kein anderer Mensch. Und damit kannst du schon gar nichts mehr falsch machen. Bei allem Leid und Unglück das sie gerade durchleben muss, hat sie in dir einen wertvollen und liebenden Menschen, der einfach da ist. Nicht viele haben dieses Glück. Und je schlimmer es wird, desto deutlicher wird es, dass das alles ist was man eigentlich machen kann und es auch alles ist was zählt.

Deswegen quäl dich bitte nicht mit solchen Fragen, du wirst intuitiv alles genauso machen und sagen wie es richtig ist.

Und noch ein letztes Wort zur Kraft: Die wirst du auf jeden Fall haben, egal wie schlimm es noch kommt. Wieso und warum weiß ich auch nicht und ohne ein groß gläubiger Mensch zu sein, kann ich nur sagen, das ist das eigentliche Wunder, das man erleben darf.

Ich wünsche euch von Herzen alles Gute,
Rezzan
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  #4  
Alt 07.07.2007, 18:56
Schnucki Schnucki ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 917
Standard AW: Sie wird wohl bald sterben ...

Lieber Wolf,

meine Mutter ist ähnlich wie Deine Lebensgefährtin. Ich wünschte auch, ich könnte mir ihr über alles reden, auch, dass sie sich mal alles von der Leber redet. Damit ich weiß, was sie fühlt, was sie gerne hätte, wie sie alles gerne hätte.

Aber auch sie läßt mich nicht an sich ran. Sie sagt immer: Ich sag Dir doch alles.

Meine Mutter ist Verdrängungskünstlerin und hört auch nur das, was sie will. Also nur das für sie Positive, negative Nachsätze nimmt sie nicht auf.

Es ist einfacher für sie, so damit fertig zu werden. Auch wenn es für die Angehörigen unglaublich schwer ist. Aber es ist ihr Weg, den ich akzeptieren muß, auch wenn es mir schwerfällt.

Ich würde K. zu verstehen geben, dass Du gerne mit ihr reden würdest, aber sie nicht mit Direktheit konfrontieren. Sie wird wissen, dass sie zu Dir kommen kannst, wenn sie will. Aber wenn sie sich für das "Verschließen" entschlossen hat, egal aus welchem Beweggrund, dann würde ich sie lassen.

LG

Astrid
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  #5  
Alt 08.07.2007, 08:27
Mona66 Mona66 ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 17.06.2007
Ort: Bonn
Beiträge: 236
Standard AW: Sie wird wohl bald sterben ...

Lieber Wolf

ich bin keine Angehörige, sondern Kranke. Eine, die keine Probleme hatte, offen über alles zu reden. Das war auch vorher im Leben schon so. Es ist eben meine Art.
Und das ist auch das, was ich Dir als Rat mitgeben möchte. Geh so damit um, wie ihr ausgemacht habt, dass ihr mit Problemen umgehen wollt. Ihr Tumor hat ihr Hirn nicht angegriffen und ihren Charakter nicht grundlegend verändert. Wenn ihr früher offen über alles geredet habt, dann mach es auch jetzt. Wenn ihr früher eher abwartend wart, dann sei es auch jetzt.

Was ich nicht ausschließen würde, ist, dass sie sich mehr Sorgen um dich macht, als du um sie. Sowas hab ich schon einige Male gehört. Es kann also durchaus sein, dass sie nicht weiss, wie sie dich ansprechen soll, ohne dich zu sehr zu verletzten und zu destabilisieren. Was mich stutzig gemacht hat, war, dass sie 6 Wochen gebraucht hat, um dir beizubringen, was los ist. Warum diese lange Zeit? Vermutlich war ihr Arzt schneller. Sie wusste also schon länger was los ist? Hatte also auch etwas mehr Zeit, sich mit allem auseinanderzusetzen. Du selbst solltest dich also so sehr mit allem auseinandersetzen und "bereit sein", damit ihr Euer Leid teilen könnt und nicht möglicherweise "nur" dein Leid. Vor allem, teilt nicht das Leid, sondern macht Euch noch viele schöne Stunden, so lange sie da ist.

Mona
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  #6  
Alt 08.07.2007, 12:21
martinaIna martinaIna ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.12.2006
Ort: Nordhessen Knüll
Beiträge: 221
Standard AW: Sie wird wohl bald sterben ...

Lieber Wolf,

die anderen haben ja schon Einiges geschrieben.
Ich stelle mir vor, dass ihr beiden sehr eigenständige, starke Menschen seid. Kann es sein, dass K. erst mal mit sich selbst mehr ins Reine kommen will, bevor sie drüber reden kann?

Mein Mann hat ein halbes Jahr gewartet, bis er mir erzählte, dass er so krank ist. Danach war es aber viel leichter für ihn.

Ansonsten machst Du es doch goldrichtig. Das wichtigste ist doch: Du bist da. Das weiß sie auch.
Solche Gespräche brauchen ihre günstige Gelegenheit (Kairos sagen die Theologen). Es wird ihn sicher auch bei Eiuch geben.

Alles Gute
martina
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