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Alt 11.01.2006, 12:08
anny anny ist offline
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Standard Mutters Geschichte

Meine Mutter starb im Juni 2003 an einem Kolonkarzinom mit Lymphknotenmetastasen.

Bereits im Jahre 2000 klagte sie immer wieder über diffuse Bauchschmerzen,ihr Stuhl war damals alles andere als normal. Breiig und vorallem rot. Daraufhin wurde sie ins KH eingewiesen,zahlreiche Untersuchungen hat sie über sich ergehen lassen.Befunde waren negativ......kein Hinweis auf ein Karzinom.
Ihr BB war grauenhaft,alles deutet auf eine innere Blutung hin,nur man fand nichts.

Daraufhin wurden ihr die Gallensteine entfernt,man nahm an dass die Beschwerden daher führen.
Nach der OP hörten auch die Bauchschmerzen vorübergehend auf.
Als sie nach dieser OP wieder nach Hause kam ging es ihr einige Zeit gut,nur eines Nachts kam es zu massiven Schmerzdurchbrüchen,das war ca. eindreiviertel Jahr später.

Wieder kam sie ins KH...wieder begannen diverse Untersuchungen und dann diagnostizierte meine Mum ihr Karzinom während der Untersuchung.
Sie hatte ein Cäkumca. faustgroß.......das sah sogar ein Blinder.

Den Ärzten war es ein Rätsel das man dies bei den Untersuchungen nie gefunden hat.
Ich war damals gerade in meiner Arbeit,natürlich versank ich in ein Loch....Mutter nicht.
Was solls,sagte sie......in 2 Wochen werden sie versuchen den Bauch zu öffnen und wenn im Peritoneum keine Metas vorhanden sind dann schneiden sie mir die Hälfte des Darmes raus.
Das wars.

Mutter wurde am 18.Dez. 2001 operiert....nach der Op ging es ihr beschissen.
Der Bauch war aufgeblasen wie bei einem Walross und sie hatte immense Schmerzen.
Schmerztherapie schien in manchen KHs noch immer ein Fremdwort.

Nach 14 Tagen kam sie nach Hause und dann fragte sie mich was ich von einer Chemo halte.
Bedingt durch die infauste Prognose sagte ich,ich würde keine Chemo machen......den dadurch beeinträchtigst du deine verbleibende Lebensqualität.

Doch es war Mutter Entscheidung,nicht die Meinige.....und daher sagte sie....sie werde diese Chemo machen.
Sie bekam von Beginn an den stärksten Zyklus das hieß wenn dieser nicht ein wenig greift dann gibt es nichts mehr.

Unzählige Male ging sie ins KH um ihre Chemo in Anspruch zu nehmen.....ein halbes Jahr ging es ihr auch relativ gut.
Von mir bekam sie zu dieser Zytostatikatherapie eine Misteltherapie wöchentlich.
Dadurch waren die Nebenwirkungen der Chemo zu Beginn leichter zu ertragen.

Zwischen uns gab es kein Tabu,beide wußten wir wie es um sie stand....niemand machte dem anderen etwas vor.
Der Rest der Familie hat sich still und heimlich aus dieser ganzen Affäre gezogen,sie meinten immer und immer wieder.....du bist diejenige die Erfahrung hat und vom Fach bist du auch,also wirst du da auch durch gehen. Punkt und aus.

Im Herbst 2002 fing sie wieder und wieder an an den verschiedensten Stellen zu bluten.Metastasen hatte sie von Anfang an,im Bereich der Lymphknoten.
Ein Lymphknoten am Rande der Bauchaorta konnte ihr damals bei der OP nicht entfernt werden,es wäre eine Gefahr gewesen.
Genau dieser Lymphknoten ist mehr und mehr gewachsen. Eigroß war er zum Schluss,dadurch hat es ihr das Bauchnetz zerissen.

Bei der Körperpflege hat man richtige Beulen auf ihrem Bauch gesehen.....kein flacher Bauch,es sah aus wie eine Hügelpiste.
Schmerzdurchbrüche waren damals an der Tagesordnung,nicht einmal hat sie geschrien....ich stand sehr oft hilflos daneben und wußte nicht was ich noch alles tun soll.

Während ich meine Mum pflegte habe ich auch weiterhin meinen Dienst im KH versehen.
Also 10 Stunden Dienst und dazwischen war Mum an der Reihe.
Dazwischen hab ich immer wieder angerufen und gewartet ob sie noch das Telefon abheben kann.
Sie konnte es bis zum Schluss,obwohl sie schon fast nichts mehr gesehen hatte.

Bei uns war es damals im Jahre 2003 im Frühjahr sehr heiß.Mutter litt unter dieser Hitze......im April ist sie das letzte Mal in ihren Garten gegangen,mit Hilfe ....denn mittlerweile war sie bis auf die Knochen abgemagert.

Mutter hatte sich mit ihrem bevorstehenden Tod abgefunden und sie hat sich immer wieder damit auseinandergesetzt.
Es gab Tage da hat sie nur geweint und es gab Tage da kam sogar ein Lachen über ihre Lippen.
*Hast du Angst vor dem Tod* fragte ich sie....sie verneinte.....*ich bin froh das ich den Zeitpunkt nicht erfahre,Angst habe ich vor dem WIE sterbe ich*

Während meiner Begleitung hab ich ziemlich viel mit ihr gearbeitet.......Gespräche,*Spiele*....Rollenspiel e.......etc.

Mum hatte seit Beginn ihrer Erkrankung einen großen Wunsch,sie wollte unbedingt zu Hause....umgeben von ihren Katzen sterben.
Doch genau diesen Wunsch konnte ich ihr nicht mehr erfüllen.

4 Tage vor ihrem Tod.......war sie an ihrer Grenze,sie war bereits sehr ausgetrocknet,sie roch nach Aceton und sie hatte nur mehr Schmerzen .... trotz den Morphinen die sie bekommen hat.

Mutter setzte sich vor den Spiegel und sah sich an....* weißt du,genauso haben meine Patienten ausgesehen kurz vor ihrem Tod......*

Dann kam die Rettung und ab ins KH.......ihr letzter KH Aufenthalt.

Ein Psychiater hat ihr endlich eine richtige Schmerztherapie verordnet,von da an war sie schmerzfrei. Sie bekam eine Pumpe.
Beim ersten Besuch war sie euphorisch,sie lachte und teilweise wirkte sie abwesend......ich wußte sie macht sich auf ihren Weg.

Am 4. Tag wollte ich eigentlich erst später ins KH fahren,nur irgendetwas sagte mir geh gleich........als ich bei ihr am Bett stand traf mich fast der Schlag.
Mutter war aufgedunsen wie ein *Wal*.....sie wurde in Flüssigkeit per Infusion ertränkt.
Ihr Körper konnte diese Mengen nicht mehr aufnehmen,ich hab ihr diese verdammte Infusion entfernt.
Der Oberarzt war ein A........ Mutter erzählte ihm von ihrem Glauben an ein Leben nach dem Tod.....er meinte ach,alles Schwachsinn.
Mum ließ sich auf am Ende ihres Lebens von den Ärzten nichts gefallen und sie meinte......*irgendwann liegen sie auch auf der Schaufel und dann werden wir ja sehen *

Mutters letzter Tag war das Schlimmste was ich in meinem Leben gesehen und erfahren haben.
Sie verlor bei Bewußtsein sehr viel Blut,schwarzrot ronn es ihr aus dem Mund....und sie röchelte.
Dieses Todesröcheln kannte ich .....aber nicht in dieser Form.

Mutter kämpfte,sie war zeitlebens eine sehr starke Frau und genau so ist sie gegangen......es war ein Todeskampf.

fast 24 Stunden dauerte dieser Kampf. Ihr Lebensgefährte und ich blieben bei ihr,hielten ihre Hand und ich betete lass sie endlich einschlafen....und ich sagte ihr.....*ich lass dich gehen*
Ich wartete auf ihren letzten Atemzug,nur das war alles andere........es war als ob sie ersticken müsste...............und dann rann diese schwarzrote Flüssigkeite ohne Unterbrechung aus ihrem Mund.

Handtücher,Zellstoff,Leintücher.....nichts hat im ersten Moment geholfen.

Aber sie hatte es endlich geschafft.

Viele Menschen sind in meinem Beisein eingeschlafen,Mums Tod war das Ärgste was mir widerfahren ist. Ich meine dies mitanzusehen.

Aber sie hat mir wertvolle Dinge mitgegeben........vorallem EINES.....nicht ICH bin der ARME weil ich verlassen wurde von ihr....sondern SIE,die ihr irdisches Leben lassen musste.

Mutti hat mir noch etwas gezeigt,beginne zu lernen wie man stirbt....während deines Lebens.

Bei der Begleitung meiner Mutter stand ich an einem Punkt wo selten ein Mensch zuvor gestanden ist,ich hielt eine leere Spritze in der Hand und sah sie an.....ja,ich wollte ihr helfen zu sterben......sie sagte *tu es nicht,denk an dein Kind*

Das Schönste zeigte sie mir kurz vor ihrem Tod.
Da ist mitten in der Nacht ein großer Schmetterling zu ihrem Bett geflogen und hat sich auf ihrer Brust niedergelassen.
Mutter bekam das nicht mehr mit......nur wir sind daneben gestanden und haben dieses Schauspiel beobachtet.....dieser Schmetterling bliebe lange bei ihr........kurze Zeit später starb sie.

Geändert von anny (11.01.2006 um 19:04 Uhr)
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