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Alt 02.08.2001, 02:47
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard " Ins Niemandsland spucken" oder "D. Zeit danach

Am 13. Juni 1999 kurz nach 3 Uhr nachts ist Giorgio gestorben. Ganz genau
13 Tage vor seinem 33. Geburtstag am 26.6.
Es hat uns alle umgehauen. Er hatte ein Lungen- Ca. (Adenokarzinom)
Im März 99 wurde es diagnostiziert ( bereits mit Metastasen in Rippen-Bauchfell und Hirn ...) 3 Monate dauerte sein "Fight" !!
So an die drei Wochen gab man "I H M " !
Chemo und Strahlentherapie wurden palliativ ( lebenserhaltend...) eingesetzt.
Am Tag , als er drüber erfuhr ...anhand des Ergebnisses der Bronchuskopie
war er sich so glaube , denke ich 100 % ig der Tragweite "bewusst"
Er starrte Richtung "Kruzifix" im Zimmer. Meinte , daß ist das Kreuz , das
er tragen muss .
Die nächsten Gedankengänge galten uns . Er sorgte sich um unseren Schmerz ,
das Ertragen dieses Leids.
Mein Vater erzählte mir wie grossartig feinfühlig und kämpferisch gleichzeitig er dieses seiner "Natty" beibrachte !
Was folgte war ein bravouröses Vorleben von unbändiger Tapferkeit und nicht verlorenem Lebensmut , ein selektives Angehen von Dingen , die zu
machen sind .
Für mich die schlimmste und intensivste "Lebenslehrstunde" bisher.
Wir haben massig Zeit miteinander verbracht . Meistens überall und nirgendwo nach Lust und Laune rumgefahren .....
Gut war , daß er so lang es ging "mobil" war. Er checkte alles mit
seinem Sauerstoffgerät . Er stellte Überlegungen an , damit "arbeiten zu gehen. Führte uns "Kundengespräche" vor.
Ich hab ihn nur wenig "zerstört" gesehen !!
Das tragische oder fast tragikkomische war , daß er uns sukzessive vorbereitete .. auf seinen Abgang ...
Als er im Bett lag , nicht mehr Essen zu sich nehmen konnte , Schmerzmittel
bekam , die ihn müde machten , das "Reden" schwer fiel ( er sprach immer gern und viel , hatte viel zu sagen ) gab er uns "Aufträge" ....
So massierte ich seine Füße , versorgte eine drohende Druckstelle am Popi..
mein Vater bastelte ein wattiertes Ding für die Sauerstoffschläuche , daß sie ihn nicht wundscheuerten und Natty küsste ihn.....wo er entgegnete
"Küssen ist wichtig - wichtig für die Immunabwehr" ..
Das waren auch so ziemlich die letzten Worte . Er schickte uns nach Hause !
Auf mein "Bis morgen " entgegnete er nichts ...
In der Nacht erhielt ich den Anruf seiner Freundin und gleich darauf den des Spitals.
Ich vergesse nie das Überbringen der Todesnachricht an meine Eltern um fünf
Uhr früh ..... Ich meinte ich würde umfallen .....
Ich checkte viel. So viel , wie ich in alle Richtungen versucht hatte , was zu tun , als er noch lebte , so "checkte" ich das Terrain der Familie.
Das hieß , ich versuchte ein provisorisches Netzwerk zu spinnen.
Für meine alte Oma ( sie hatte uns von klein an aufgezogen ) , meine psychisch kranke Mutter ( medizinisch usw..) , für Natty ( Giorgios Freundin )....mein "Dasein" und meinen Vater ( häufiger Kontakt ).
Als Standortbestimmung für mich wand ich mich an einen befreundeten
Arzt , der mir mehr oder weniger objektivieren sollte , daß ich nicht den
Boden unter den Füssen verloren hatte.
Zu dieser Zeit war auch meine grosse lange Liebesbeziehung zu Ende gegangen und überall stand Was Jetzt ?? Was TUN ??...
Es geht mir gut . Er fehlt mir und ich vermisse vor allem , daß ich mich
nie wieder mit ihm austauschen kann , über unsere gemeinsame Zeit , die
Vergangenheit , die Kindheit , die Jugend....
Ich verspüre so einen grossen Stolz und so eine Verbundenheit , wenn ich an ihn denke oder von ihm rede . Da ist auch so ein grosses Gefühl von
Energie , das so ziemlich in die Richtung geht wie sein Bestreben sehr sehr
alt zu werden , nämlich der Wunsch so "verdammt gut zu leben " !!
Natty sucht und ringt nach der Möglichkeit , nach Möglichkeiten irgendwie
zurechtzukommen.
Es ist Sisyphusarbeit. Sie hält nur losen Kontakt zu den Eltern ( telefonisch) . Sie geht ausser Haus , nur wenn sie arbeitet oder Besorgungen machen muss oder dann mal mit mir trifft.
Sie hat kein "Umfeld" .
Das war auch vorher so. Giorgio und sie hatten ihre kleine gemeinsame
Welt für sich allein , die dann verlassen wurde , wenn unser Familienbesuch
anstand ..
N. ist eine Eigenbrötlerin ...immer gewesen..jetzt noch scheuer geworden u.
introvertierter und hochverletzlich.
Sie "hängt" fest. Praktiziert zwei Welten. Arbeitswelt und scheinbare
"Käseglocke".
Sie will sich auch zum Beispiel nicht mit anderen Hinterbliebenen so
richtig austauschen. Sie will drüber lesen , sich eine Sendung ansehen,
Sie will keine Zuschauer und Zuhörer !!!
Ich tue mir schwer . Ich kann keinen Mantel des Schweigens darüber ziehen.Ich versuche ihr seit 2 Jahren auf alle mir bis jetzt erdenklichen
Möglichkeiten zu visualisieren , daß man ein Ventil braucht und wenn
es auch ein "Spucken " ins Niemansland ist , einfach , um was loszuwerden.
..............
Für sie so meint sie ist vor allem nicht verkraftbar , weil er so jung war. Sie hätten noch 3o Jahre haben können. Im Alter hätte man damit
eher rechnen müssen usw...es dreht sich im Kreis.
Giorgio hat ihr mitgegeben , daß es sich immer lohnt zu leben ..... er hat
es ihr unmissverständlich klar "vorgelebt" an Ihrer Seite und auch das nicht nur in seiner letzten schweren Zeit !!
Natty "lebt" noch nicht ......wieder !!!
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