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Alt 13.04.2006, 14:17
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Kritische Nachbetrachtung meiner hier im öffentlichen Forum geschilderten Trauerarbeit.

Es wurde meine "Nüchternheit", das "strukturierte" Vorgehen, die "gefühlsmäßige Distanz" und diverse andere Dinge angemerkt.

Es wurde die systematische Gliederung meines Erfahrungswegs hinterfragt, die dann zum Teil als "absolut setzend" und "missionierend" ankam. Dabei ist zu bedenken , daß ich nur den (gedanklich geordneten) Ablauf meiner Erfahrung, weniger die Rückschritte, Seitwärtsschritte usw. aus der zeitlichen Distanz beschrieben habe. Ich bin zudem erst drei Jahre nach dem Tod meiner Frau zum Krebsforum gestossen und habe dann im eigenen Thread meine Erfahrungen aus der Rückschau geschildert. Jetzt nach sechs Jahren ist die Bearbeitung meiner Trauer wieder ein Stück fortgeschritten.

Vernunft und Gefühl in Balance zu halten, war (ist) für mich schwierig. Neben anderen wichtigen Richtschnüren ist das Nachdenken, das Hinterfragen (das Einschalten der Vernunft) jedoch eine wesentliche Leitlinie in meinem beruflichen und auch privaten Leben. Gefühl und Vernunft miteinander wirken zu lassen war(ist) ein sehr mühsamer Prozeß. Ja, manchmal eilt die Vernunft dem Gefühl weit voraus, dann war es Zeit für mich, die Seele nachkommen zu lassen.

Die öffentliche Darstellung der eigenen Erfahrung mit Krankheits- (Trauer)erfahrungen und -konflikten (das habe ich wohl hier im Krebsforum lernen müssen) trifft Menschen in den unterschiedlichsten (und oft äußerst sensiblen und labilen) Seelenzuständen. Die konnte ich jedoch nicht in jedem Fall erahnen. Daher auch nachträglich meine Entschuldigung an die Teilnehmer in diesem Hinterbliebenenforum, daß ich durch die Darstellung MEINER Erfahrungen eventuell die Befindlichkeiten anderer "überrannt" habe.

Hier im Trauerforum sind eher Betroffene, die frisch trauern. So wie es mal in meine Richtung beschrieben wurde, lag mein Antrieb nicht darin, zu "missionieren" oder ein "Trauergesetz zu verkünden", sondern eher MUT zum Leben zu machen, geschildert an meinem Erfahrungsweg.

Wo und wie sich jeder hier wiederfindet (wenn überhaupt) um ein paar dieser persönlich geschilderten Schritte nachzuvollziehen, muß jedem selbst überlassen bleiben. Keiner muß sich durch die Erfahrungen anderer eingezwängt fühlen. Was für einen Trauernden geeignet erscheint, muß es für andere jedoch nicht unbedingt sein. Die Trauerexperten sprechen von Trauerphasen, aber diese Phasen gestalten sich für jeden Trauernden wohl ganz individuell oder auch mal ähnlich zu einem "Nachbartrauernden".

Es wurde meine "Nüchternheit" oder "Coolness" angesprochen.

Nüchternheit und systematische Gliederung meiner Aussagen sind sicher bei mir auch beruflich bedingt. Ich bin sensibel, aber nicht empfindlich. Wie man in verschiedenen Threads merken konnte, weiche ich auch Konflikten nicht aus, sondern spreche sie an. Dabei wurde von mir nicht die Art der Trauer, wohl aber die zeitweilige Art des öffentlichen Umgehens miteinander im Forum kritisiert. Ich habe ein Gespür dafür, wenn in der Kommunikation eine Schieflage auftritt. Da war ich auch nicht ganz alleine mit meiner Ansicht.

Die außerordentlichen Chancen in dieses Forum liegen darin, uns austauschen zu können, mitnehmen zu können, was wir benötigen, beiseite zu legen, was uns nicht geeignet erscheint.

Es ist doch eine gute Seite dieses Forums, sich zur Seite zu stehen. Dabei braucht Trauer sehr viel Zeit: für die Nachbearbeitung des bisherigen gemeinsamen Lebens mit unseren Verstorbenen, aber auch für das Nachdenken und für die Vorbereitung auf das weitere Leben nach dem traurigen Ereignis.

LG
Shalom

Alles hat seine Zeit

Es gibt eine Zeit der Freude,
Es gibt eine Zeit der Stille,
Es gibt eine Zeit des Schmerzes, der Trauer,
und eine Zeit der dankbaren Erinnerung.
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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