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Alt 28.08.2012, 09:53
Odelbie Odelbie ist offline
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Registriert seit: 06.04.2012
Ort: Deutschland
Beiträge: 124
Standard Gekämpft,Gehofft,Verloren

Hallo liebe Angehörige ,Trauernde, stille Leser




Nun bin auch ich mit meiner Tochter Lisa hier auf dieser Forumseite /Thema Hinterbliebene gestrandet.

Mein Mann und Lisa`s Papa, ein Kämpfer bis zum letzten Tag starb bei Sonnenschein und in unserem Beisein am 15.07.2012

Unsere Diagnose: Adenokarzinom der rechten Parotis
cT4 cN2c M1 ( mediastinale Lymphknotenmetastasen) G4
Dieses wurde uns am 20.02.2012 mitgeteilt. Nachdem ich die Bilder gesehen hatte und die worte des Arztes hinterfragte, wußte ich was auf uns zukommt.

Jürgen war ein Kämpfer, spielte es herunter um uns nicht zu verunsichern. Er machte die Chemo und Bestrahlung mit, wie kein Anderer. Mit der höchsten Dosis von 70 Gy wurde er bestrahlt. Es war unserem Kämpfer egal, ob er dabei das augenlicht verlieren könnte oder nichts mehr trinken konnte,schlucken,riechen,hören.
Er wollte nur Leben.
Er bekam eine Magensonde. Hatte das was mit trinken und essen zu tun ????? Heute weiß ich die Antwort. NEIN.

Ich selber kann nur MITFÜHLEN, was Krebskranke Menschen in der Therapiezeit durchleben. Ich weiß auch, das man an seinem Leben hängt. Aber ich weiß auch, das meine Entscheidung eine andere Entscheidung sein wird, was die Therapie betrifft.

Ich habe alles versucht. Es gab kein Termin, wo ich nicht dabei war. Jede Minute, habe ich meinen Mann und Lisa`s Papa begleitet. Es war sehr schmerzhaft, diese Erfahrung selber zu machen. 5 Monate und 2 Tage dauerte unsere Hoffnung und unsere Angst. Und unser Kämpfer sagte genau 7 Tage vor seinem Tod " ich kann nicht mehr". Wir akzeptierten es, wir nahmen es hin, wir weinten,lagen uns in den Armen, unsere Uhr blieb stehen, unsere Gedanken waren weg, unserer Glaube an Jesus und die Ärzte war vollkommen auf Null. Wir fühlten uns wie in einem bösen Traum.
Und dann, dann wurde es Zeit klar zu Denken. Denn wir hatten ja das große GLÜCK: " WIR KONNTEN UNS VERABSCHIEDEN" Vielen Menschen geht es nicht so. Da verunglücken die Angehörigen auf der Straße, plötzlicher Herzstillstand, ertrinken,bringen sich um u.s.w.
Doch wir ,wir hatten das Glück uns zu verabschieden.
Es war der Mittwoch der 11.07.2012 ein Tag an dem die Wolken tief über unsere Stadt hingen. Der Papa schlief schon 2 Tage und Nächte. War nur kurze Zeit wach und sprach im Schlaf. Ich nahm unsere Tochter in meine Arme, sagte:" Lisa, es wird Zeit sich vom Papa zu verabschieden ". Sie sah mich mit großen Augen an. Mit 13 Jahren nicht ganz einfach zu verstehen, zu begreifen. Dann sagte die Maus zu mir: " Mama bring du mich an Papa`s Bett. Ich möchte mich an Papa ankuscheln. Darf ich das ???? Na klar.
Ich legte eine CD ein, Adele sang. Und da lagen die Beiden. MEINE BEIDEN. So wie früher. Und plötzlich legte der Papa seine Hand um unsere Tochter. hielt das Kind, streichelte durch ihr Haar und drückte Lisa fest an sich. Dann ging ich. Wollte die zwei Mäuse alleine lassen. Zeit für sich.
Nach 30 Minuten rief mein Kind. Mama !!!!!! Sie weinte, sie lachte, sie war entzetzt,erschüttert,traurig,ämgstlich,ruhig und dann sagte sie mit leiser Stimme:"Mama, ich habe Papa gesagt er darf gehen und ich wünschte Papa eine gute Reise. Er soll uns nicht vergessen. Und ich habe ihm gesagt in meinem Herzen trage ich dich immer weiter".
Danke Mama, das du mir den Zeitpunkt gesagt hast und ich mich verabschieden konnte. Das werde ich dir nie vergessen. Ich liebe EUCH Beide.




Es war Stille im Raum. Wir hielten uns in den Armen und weinten. Lisa blieb zu Hause, wurde von der Schule befreit. Unsere Trauerzeit begann schon, da lag mein Mann und Papa von Lisa noch in seinem Bett und schlief. Dann kam der Freitag. Freitag der 13.te . Lisa sagte Mama, ein Tag der immer nur Pech gebracht hatte. Bitte Heute nicht. Bitte sag Papa HEUTE NICHTTTTTTT.
Ich ging an Papa`s Bett , nahm seine Hand und sagte :" Jürgen, Heute ist ein schlechter Tag, du bist ein besonderer Mensch, also gehe auf deine Reise an einem besonderen Tag. Bitte".
Es sollte auch nicht der 14.te sein, denn Lisa hatte an einem 14.ten Geburtstag. Ich hoffte es passiert nicht an diesem 14.ten. Es gab keine Minute, wo er alleine war. Immer war einer an seinem Bett. Das war mir sehr wichtig, denn ich hatte fest versprochen, er wird nicht alleine sterben müssen.
Nun spürte ich, das es auch für mich Zeit wird, sich für immer zu verabschieden. Es war Sonntag, der 15.07.2012, um 2.15 Uhr wurde mein Mann ganz unruhig, ich versuchte ihn zu beruhigen. Aber nix, es gelang mir nicht. Plötzlich setzte er sich ins Bett, sagte: " Komm lasse uns eine Runde spazieren gehen.Ich sagte ihm, es ist Dunkel, mitten in der Nacht. Verschieben wir es auf den Vormittag. Nein JETZT. Er sprach ganz klar und deutlich. Was die letzten Tage nicht möglich war. Dann schoss die angst durch meinen Körper. Ich sagte zu Jürgen:" Na klar du hast recht, komm lasse uns spazieren gehen. Wir liefen durch die ganze Wohnung, er blickte aus jedem Fenster, schaute in den Himmel, nur in das zimmer unserer Tochter ging er nicht. Da blieb er vor der Tür stehen und sagt: " Mama, die kleine Hexe lassen wir schlafen. Nun bin ich Müde,will mich zur Ruhe legen und schlafen. Ich brachte Jürgen ins Bett und dann sagte er : " Mach mir die Tür auf, ich bin soweit".
Ich hielt seine Hand, begann in mich zu weinen und plötzlich sagte er:" Warum hast du so dicke Augen". Ich sagte:" Ich verstehe die Welt nicht. Ich schicke dich auf deine Reise. Lasse dich nun gehen, du mein Kämpfer.Danke für ALLES. Und ich verspreche dir, alle für unser kind zu tun. Ich passe auf, so gut ich kann. Und wenn du im Himmel angekommen bist, dann schicke uns ein Zeichen. Bitte. Ich hoffe du findest deinen Papa(70) und Britta(42) und Daniel(5) . Du darfst loslassen, geh in eine Welt wo es viel schöner ist. wo du deine Ruhe findest. Wir lieben dich und werden dich nie vergessen................
Er lächelte mich an und schlief ein.

........... Gegen 5.00 Uhr begann die Atmung flach und flacher zu werden. es wurde hell. Es war schon lange Sonntag. Noch immer saß ich an seinem Bett. Doch plötzlich schlief ich ein. Um 7.25 wurde ich wach. Die Atmung kaum noch da. Ich streichelte ihn, hielt seine Hand, erzählte ihm liebe Dinge und sagte, Papa...... du kannst gehen, mußt dich hier nicht mehr quälen. Er tat es. Punkt 7.30 Uhr am 15.07.2012 starb mein Mann in meinen Armen . Ganz friedlich schlief er ein.

Sein Tod war ein wunderschöner Tod. Ohne Schmerzen. Ohne diesen Kampf der letzten Minuten. Er ging und die Sonne schien.
Ich blieb an seinem Bett und weinte mir alles von der Seele. Ich befreite mich von meinen Ängsten. Denn ich versprach meinem Mann, nicht ins Krankenhaus zu müssen. Ich versprach Ihm, er darf zu Hause sterben. Was ich vergessen hatte, ich wußte nicht ob ich es kann und ob ich es schaffe und ob es laut Ärzte überhaupft geht. Aber ich versprach es meinem Mann. Und nun fiel mir der Stein vom Herzen, das ich es geschafft habe, seine Wünsche zu erfüllen.

Ich weckte unsere Tochter. Sie wußte was passiert war. Sagte mir:" Mama unser Papa ist was ganz besonderes. Er kam an einem Samstag auf die Welt und ging an einem Sonntag". Dann nahmen wir uns in die Arme und weinten.Die Angst stand uns ins Gesicht geschrieben. Lisa holte ihre Taufkerze, stellte diese auf den Tisch und zündete diese an. Und ich nahm seine Lieblingskerze ,die wir nie anbrennen durften und zündete diese für Jürgen an. Legten eine CD mit seiner Lieblingsmusik ein, öffneten das Fenster und ließen seine Seele ziehen.

So erlebten wir diesen Tag des Gehen`s.

Die Trauerfeier mit Urnenbeisetzung fand am Mo. den 30.07.2012 statt. Es war unser 14.ter Hochzeitstag und es war sein Geburtstag. 57 Jahre wäre Jürgen geworden.
Wir suchten bewußt diesen Tag aus. So konnten wir an diesem Tag alles zusammen feiern. Lisa trug ihren geliebten Papa selber aus der Kirche und hin zu seiner letzten Ruhestätte. So konnte Lisa einen Abschied feieren, wie kein ANDERER.
Am Nachmittag gab es dann Kaffee und Kuchen und Gulaschsuppe. Und na klar, es gab auch ein Bier. So wie es sich Jürgen gewünscht hatte.

Das war unserer Kampf gegen den Krebs. Der Krebs war Sieger. Aber unser Kämpfer hat sich so toll geschlagen, dafür sind wir so Dankbar.
Der Tod meines Mannes schmerzt uns sehr. Doch im inneren wissen wir, das es keinen Sinn mehr gemacht hätte so zu leben. Das hatte mit LEBEN nix zu tun.



Ich danke diesem Forum hier, das ich meine Gedanken frei schreiben darf. Das es hier Menschen gibt, die all die Sorgen,Ängste,Gefühle verstehen.

Ich schicke einen ganz lieben Gruß in die Runde und schicke ein Kraftpaket für euch Alle hier.



Liebe Grüße von

Grit mit Lisa fest an der Hand und Jürgen fest im Herzen
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