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  #1  
Alt 01.07.2005, 22:27
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Es tut mir leid, wenn ich vielleicht mit "meiner" geschichte vom tod schockiere, aber ich weiß mir nicht anders zu helfen. kann mit niemandem drüber sprechen. wer sich für sich oder seine angehörigen einen "schönen" tod wünscht oder erhofft möge bitte hier nicht weiterlesen...

wie gerne hätte ich meinen vater in den tod begleitet....ich lese hier seit längerem im forum und seit 2 monaten nun auf der "hinterbliebenen-seite"

im mai 2004 bekam mein vater die diagnose "lungenkrebs", zu diesem zeitpunkt war ich die einzige aus unserer familie, die zu ihm kontakt hatte. wir waren seelenverwandt und ich hätte ihn niemals allein gelassen. meine tochter hatte gerade ihre ersten schritte gemacht... sie lief in seine arme und er war sooo stolz. er fing gerade an, sich von der scheidung zu erholen, ich hatte ihm einen computer geschenkt und er chattete durch die weltgeschichte und bereiste halb deutschland. ich habe mich so gefreut, es war endlich wieder lebensmut in ihm.

dann kam der krebs

chemo, strahlen, reha, rezidiv, ungeheures wachstum (wie groß der tumor wirklich war, hat ihm niemand verraten), resistent gegen alles.

als die ärztin auf mein drängen hin ein gespräch mit uns führte und sie ihm sagte er wird nie wieder arbeiten gehen können, brauch für ihn eine welt zusammen. er verlor den lebensmut zum zweiten mal.

ich habe alles für ihn getan, ich wollte doch nur, dass er kämpft, wenigstens ein bisschen, er hat alles ertragen, mir zuliebe, obwohl er es besser wußte

ich bin alleinerziehende, berufstätige mutter einer 2-jährigen und mein vater wohnte 40 km von mir entfernt 2 mal hat er bei mir gewohnt, weil nichts mehr ging,

am 20.04. war ich kurz bei ihm, hab was zu essen gemacht, er hat wie immer mit meiner tochter gespielt, obwohl es zu anstrengend für ihn war, wir sind dann nach hause, weil der zwerg ins bett musste, es ging ihm nicht super, aber er war dem tode nicht nahe
umarmung, kuss, "hab dich lieb"

am 22.04. anruf bei der arbeit "guten tag mein name ist sowieso, ich bin notärztin, ich muss ihnen leider sagen, dass ihr vater verstorben ist"

2 stunden später stand ich in seiner wohnung, meinem elternhaus,

es war niemand mehr da, die pflegerin nicht, die ärztin nicht, die bestatter nicht

mein vater nicht

er starb an einem blutsturz, der tumor hat ein großes blutgefäß verletzt und er ist erstickt.

seine wohnung voller blut, er muss in panik ins bad gerannt sein... es folgten die schlimmsten 2 stunden in meinem leben, ich stand völlig neben mir, fing an, wie bescheuert überall zu putzen

ich habe ihn nicht wieder gesehen !

es ist jetzt mehr als 2 monate her und noch immer will das gefühl, er sei auf eine längere reise gegangen, nicht weichen, noch immer will ich ihn fragen, ob wir da und da hinfahren wollen, noch immer will ich ihn anrufen wenn ich eine frage habe
noch immer kann ich sein foto nicht anschauen,was wir 3 wochen vor seinem tod im zoo aufgenommen haben, weil es mir das herz zerreissen würde,

mein großer, starker baum der immer für mich da war

er steht nicht mehr

mein großer, starker baum, der mit tränen in den augen wie ein häufchen elend vor mir saß, als wir einmal über den tod sprachen

mein vater ist tot und ich wäre gern dabei gewesen, wenn er einfach nur friedlich eingeschlafen wäre und ich hätte "auf wiedersehen" sagen können

ja es war besser für ihn, aber es tröstet mich nicht, denn als ich ihn umarmte ahnte ich nicht, dass es das letzte mal gewesen ist..
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  #2  
Alt 01.07.2005, 22:52
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Liebe Nadja,
mit Tränen in den Augen lese ich Deine Zeilen. Ich weis nicht was ich schreiben soll, nur das es mir wahnsinnig leid tut, das Dein Paps gehen musste.
Ich kann Deine Gefühle verstehen... es geht Dir nicht gut, weil Du immer daran denkst, das er allein war in seiner letzten Stunde.
Ich nehme Dich einfach mal ganz fest in den Arm.... weil ich sonst leider nicht viel tun kann.
Meine Mama ist im Oktober gestorben. Sie war zwar nicht allein, aber auch sie hat unendlich leiden müssen. Ihre Schmerzen waren am Schluss sehr schlimm und sie hat sehr am Leben festgehalten die letzten Stunden.
Auch ich stelle mir immer wieder die Frage , warum unsere lieben Menschen so leiden müssen. Warum können sie nicht einfach nach so einer langen und schweren Krankheit in Ruhe einschlafen?
Wie oft habe ich mir gewünscht, ihr die Schmerzen abnehmen zu können. Aber es geht nicht.
Wenn es Dir hileft, hier zu schreiben, tue es. Mir hilft es und ab und an brauch ich dieses Forum wie die Luft zum Atmen. Und wenn es nur ist, um mal wieder die Gefühle rauslassen zu können.
Wo kann man das heut noch?
Liebe und traurige Grüße von Anja
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  #3  
Alt 01.07.2005, 23:16
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Danke Anja

du hast den nagel auf den kopf getroffen

er war allein, wie so oft konnte ich nicht bei ihm sein

ein bisschen bin ich froh darüber, denn ich hätte ihm nicht helfen können, hätte völlig hilflos daneben gestanden

es soll sehr schnell gegangen sein, sagte sein arzt

ein bisschen tröstet der gedanke

fast jeder hier hat einen geliebten menschen verloren

und doch ist man mit seiner trauer eigentlich allein

man sieht es in den gesichtern der menschen "bitte sprich nicht über ihn" wollen sie sagen

ich nehme anderen die sprachlosigkeit ab, in dem ich übers wetter rede und doch braucht man eigentlich nur ein offenes ohr..
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  #4  
Alt 02.07.2005, 10:26
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Liebe Nadja, auch mein Vater ist im Oktober, nach vielen Widrigkeiten, verstorben. Nicht an einem Blutsturz, aber auch nicht "schön", friedlich? Ich weiß es nicht. Er wurde nach einer Magensondungssetzung (Nachdem er von knapp 65 auf 36 kg abgemagert war) aus dem Krankenhaus Montags entlassen, in einem schlimmen Zustand, schwerster Pflegefall, Dienstags wieder in ein anderes Krankenhaus eingeliefert, zu Hause noch ansprechbar, im Krankenwagen wurde plötzlich die Sirene angemacht, vor dem Krankenhausgebäude war er nicht mehr ansprechbar, er wurde noch abgesaugt und dann unter Morphin gesetzt, wo er 5 stunden mit offenen Augen und Mund dalag und ich dabei. Ich verstehe Dich wirklich, hatte auch sehr viel Angst vor dem Blutsturz, was auch bei meinem Vater vorkommen hätte können, habe viele Gespräche mit einem sehr guten Arzt gehabt, der meinte, wenn wirklich ein Blutsturz kommt, kann NIEMAND mehr etwas machen und der Patient verliert direkt das Bewußtsein, bekommt nichts mehr mit....
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  #5  
Alt 02.07.2005, 10:56
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Liebe Nadja,

ich möchte dir nur sagen, daß du das wunderschön geschrieben hast. Schlicht und ergreifend, im wahrsten Sinne des Wortes.

Natürlich kann ich dich nicht trösten, du hast ganz recht, wenn du sagst, daß man mit seiner Trauer allein ist.

Aber nachdem ich deine Geschichte jetzt dreimal gelesen habe, denke ich, daß dein Vater sich keine liebevollere Tochter hätte wünschen können. Du warst da, du hast zu ihm gehalten, du hast ihn geliebt. Vielleicht wart es nur ihr, du und deine Tochter, die seine letzten Jahre lebenswert gemacht haben.

Es steht nicht in unserer Hand, ob wir einen friedlichen Tod haben oder nicht. Auch mein Vater ist nicht friedlich eingeschlafen.
Ich wünsche dir und hoffe, daß du wirklich aus tiefstem Herzen sagen kannst: ich bin froh, daß ich nicht dabei war. Du hättest nichts tun können und jede Hilfe wäre zu spät gekommen.

Was zählt ist das, was du für ihn getan hast, als er noch gelebt hat!
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  #6  
Alt 03.07.2005, 00:30
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Hallo Nadja!

Ich glaube es ist ein gar so sehnsüchtiger Wunsch der Menschen, dass man ruhig und friedlich einschläft, wie uns das in Filmen vorgegaukelt wird. Ich weiß nicht wieviel Prozent der Menschen es tatsächlich vergönnt ist. Auch unser Leben ist nicht "filmreif" mit Happy End verlaufen. Es gibt oft mehrere Sichtweisen einer Situation - such dir nicht freiwillig die "schuldbeladene" - schlechtere Version aus! Mein Mann hatte Angst vor dem letzten Weg, ich bin ihn wie versprochen 10 Tage mit im im Krankenhaus gegangen. Er hätte sich diese Qual des hilflosen Zusehen müssens für mich nicht gewünscht, er war immer sooo stark für mich und die Kinder.
Vielleicht hat es so sein sollen, weil es deine/ eure Seelen anders nicht ausgehalten hätten. Er hat sein liebes Enkelkind gesehen am Abend vor dem Abschied...und dich, wie du sagst die Einzige die ihm geblieben war und Halt gab.Ich mußte meinen Vater vor 16 Jahren auch so ähnlich gehen lassen. Er war im Krankenhaus, auf dem Weg der Genesung und wir haben uns für eine Woche in den Urlaub verabschiedet (dachten wir), lachend noch - ich habe ihn dann nur bei der Trauerfeier wieder gesehen, gezeichnet vom Kampf - ich war nicht bei ihm, aber ich hätte auch nichts machen können, die Ärtze haben versucht ihm den Weg zu erleichtern...Man trägt die Bilder lange in sich, ich durchlebe die letzten Tage mit meinem geliebten Mann ständig wieder, nun seit fast 4 Monaten! Glaubst du nicht, dass du dein Bestes gegeben hast, für ihn UND dein Kind? Allen gleichzeitig kann man doch nicht zu 120% zur Verfügung stehen!

Liebe Grüße Petra (2)
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  #7  
Alt 09.07.2005, 08:59
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Hallo !

Zuerst möchte ich euch allen natürlich mein beilied aussprechen (leider kennt man die bedeutung dieser worte erst wirklich, wenn man selbst jemanden verloren hat) und euch für eure lieben worte danken. es ist für mich wirklich ein großer trost zu wissen, dass es menschen gibt, die ähnliches empfinden wie ich. leider habe ich im "real life" nicht wirklich die gelegenheit, mich auszutauschen, da die freunde in meiner altersklasse (28) leider oder gott sei dank noch nicht so viel erfahrung mit sterbenden eltern haben.

ich weiß nicht, ob es einfacher für mich gewesen wäre, wenn er mit morphium vollgepumpt seinem ende entgegen gedämmert wäre...
wie viele monate unglaublicher qualen hätten hinter ihm gelegen ? (noch schlimmer als er sich ohnehin gequält hat).

für ihn war es ohne frage der "bessere" tod, es muss zwar unvorstellbar schlimm gewesen sein, aber dafür ist es sehr sehr schnell gegangen...

aber so ganz ohne abschied ???

ich habe ihn auch nicht noch einmal sehen wollen

jetzt frage ich mich ob das richtig war

einerseits war es wohl besser so, den der körper da dort gelegen hätte, wäre nicht mehr mein vater gewesen

andererseits

hätte es mir vielleicht geholfen, zu begreifen...

dass er einfach nicht mehr da ist...
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  #8  
Alt 09.07.2005, 11:19
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Standard warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Ich verstehe dies alles sehr gut. Denn auch ich konnte mich überhaupt nicht verabschieden. War aber beim Sterben dabei.
Allerdings habe ich bis heute das Gefühl etwas verpaßt zu haben, nämlich das richtige Abschied nehmen und auch, wie er im Sarg lag. Da wurde ich aber auch nicht gefragt...
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  #9  
Alt 27.07.2006, 07:21
Peggy010306 Peggy010306 ist offline
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Registriert seit: 22.04.2006
Beiträge: 33
Standard AW: warum durfte er nicht friedlich einschlafen ?

Liebe Nadja,
ich las gerade Deinen Beitrag. Mein Mann ist auch an einem Blutsturz gestorben. Ich war dabei, aber davon hab ich glaub ich was zurückbehalten. Helfen konnte ich auch nicht. Mein Mann war ungeheuer ruhig dabei. Das Röcheln und die anderen Geräusche jedoch haben sich eingebrannt. Er ist auch noch ins Bad gelaufen und auch dort gestorben. Ich habe Wochen danach noch Blut gefunden. Ob es schnell ging, könnt ich nicht beurteilen. Mir war es wie eine Ewigkeit...Liebe Grüsse! Peggy
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