Dieter

[Sadie]

Dieter, du fehlst mir so sehr, du warst mein Rettungsanker, meiner Stütze, mein Engel in der Not! Wer hält mich jetzt fest, wenn ich verzweifelt bin, wer fängt mich auf? Ich fühl mich so verlassen. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass du diese neue Angst um deinen Sohn nicht mehr erleben musst. Es hätte dich zu sehr gequält. Jannik denkt auch noch ständig an dich. Immer wieder finde ich in verschiedenen Ecken seines Zimmers Zettel, auf denen er mit dir spricht.
Morgen ist eine entscheidende Untersuchung bei deinem Sohn. Seit 3 Wochen ist er nun im KH. Festgestellt hat man eine akute Pfortaderthrombose, deren Ursache man noch nicht weiß. Der Oberarzt sprach von hochgradigem Tumorverdacht. Morgen ERCP von Galle und Bauchspeicheldrüse. Ich halte das Warten einfach nicht mehr aus. Angst, Panik.. kriechen in mir hoch. Um mich herum geht das Leben weiter, nur meine Welt dreht sich nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wie ich das Leben meistern soll, Beruf, KH und Kind unter einen Hut bringen.
Warum schon wieder wir? Haben wir nicht schon genug mitgemacht? Vor 4 Jahren die Hirnblutung mit wochenlangem Koma und Beatmen. Über Wochen akute Lebensgefahr. Nachts Anrufe aus der Klinik. „Ihr Mann wird die Nacht nicht überleben.“ Du warst immer da, bist sofort zu jeder Zeit von deiner Arbeit weg nur um mich in den Arm zu nehmen. Du hast nachts in der Klinik angerufen, wenn ich wissen wollte, wie es meinem Mann geht, aber nicht den Mut hatte, auch die Antwort zu ertragen.
Überall muss man stark sein, auf Arbeit, vor dem Kind, vor meinem Mann. Bei dir durfte ich mich fallen lassen. Du hast mich gefragt, wie es MIR geht!
Warum musstest du so früh gehen? Ich brauch dich doch noch so sehr! All die Angst ist plötzlich wieder da. Es kann doch einfach nicht sein, dass es jetzt auch noch Krebs ist. Ich will unser Leben wieder haben, zumindest das, was seit 2005 davon übrig ist.

Ich kling total verworren, aber ich hab eine Scheißangst!

Sadie

[IreenS]

Hallo Sadie,

"Angst fressen Seele auf" ...

kommt mir immer wieder in den Sinn.

Ich weiß auch was das heißt.

Es ist kein Trauma sondern leben in einem Trauma.

Ich glaube, niemand kann sich das vorstellen, der es nicht selbst erlebt hat.

Ich wünsch dir einfach, dass dein/euer Weg nicht zu steinig wird.

Vielleicht kannst du dich krank schreiben lassen
oder beruflich eine Auszeit nehmen.
Meiner Freundin wurde es vom Arbeitgeber angeboten.

Nimm dir, wenn nötig, für Jannik professionelle Hilfe.
Kinder gehen ja ganz anders mit diesem Erleben um als Erwachsenen.

Alles Gute

Ireen

[Sadie]

Liebe Dani und liebe Ireen,

danke für eure tröstenden Worte. Das allein tut schon manchmal gut. Im Umfeld hört man immer, reiß dich zusammen, du musst stark sein,....
Ich hab aber das Gefühl, ich kann es nicht mehr. Ich halt das einfach nicht mehr aus. Die Angst nimmt mir die Luft zum Atmen. Es ist wie ein éin Zeitsprung zurück. Wochenlanges Bangen um sein Leben, jeden Tag die Fahrt in die Intensivstation, das Herzklopfen auf dem Weg dahin, der erste Blick auf den Monitor, die vielen Komplikationen. Danach das wochenlange Bangen, in welchem Zustand er überlebt.
Es war sicher sehr viel dramatischer als jetzt, aber ich kann einfach nicht mehr damit umgehen, ich fühl mich so hilflos und mein Schwiegerpapa fehlt mir so unendlich.

Klärung haben wir auch heute nicht erhalten (seit %.Mai geht das so!!!). Das ERCP ergab zwar, dass bis auf die Pfortaderthrombose und einer verletzten Stelle im rechten Gallengang NICHTS weiter an Galle und BSD ist, aber der OA meinte, es sei definitiv was an der Leber!! Man will jetzt die bei der Biopsie am 5. Mai entnommenen Proben nach Hannover einschicken. Hähh????? Ich versteh gar nichts mehr, denn vergangene Woche war die Leber noch i. O. nach ärtzl. Aussage. Nur eine leichte Fettleber durch die vielen Medikamente und die damalige wochenlange künstliche Ernährung.
Irgendwie bin ich jetzt völlig durch den Wind, ich bin zwar sehr froh, dass v.a. an der BSD nichts ist, weiß aber trotzdem nicht mehr.
3 Stunden nach der Untersuchung bekam er zudem extreme Schmerzen im Oberbauch, die sich dann erst langsam durch intravenöses Schmerzmittel gaben.
Morgen ist evtl. Blasenspiegelung, am Donnerstag Darm.
Auffällig ist sein Urin, der hat die Farbe wie dunkler gelber Textmarker, richtig stechend grell, Billirubin ist massiv erhöht und der Eisenwert im Plasma ist auch viel zu hoch.

Leider kann ich mich nicht krankschreiben lassen, habe einen ganz und gar unmenschlichen Chef in der Hinsicht. Vor 4 Jahren bei der Hirnblutung war ich ein Vierteljahr krank. Es ging einfach nicht anders, ich war den ganzen Tag im KH, hab ihn gedreht, gewaschen usw. Später habe ich mit ihm mühsam Schlucken, Essen, Aufstehen geübt. Das war einfach wichtig!!!! Dazu kommt, dass ich Lehrerin bin und da auch so schon bestimmten psychischen Belastungen ausgesetzt bin. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meinen Beruf, aber eine Horde schreihender Pubertierender kann man dann ganz schlecht ertragen. Auf alle Fälle habe ich mir damals oft den Vorwurf gefallen lassen müssen, ich sollte mich zusammenreißen, schließlich wäre mein Mann krank und nicht ich.
Im vergangenen Jahr hatte ich noch mal den selben Ärger, es ging um eine PRIVATE Fahrt mit dem Lehrerkollegium, an der ich nicht teilnehmen wollte, weil mein Schwiegerpapa seinen (wie uns schon da klar war, letzten Geburtstag feierte). Jedenfalls habe ich das Gefühl, das Mitgefühl überzustrapazieren, wenn ich jetzt schon wieder fehle.
Es ist einfach nur verfahren.
Danke, dass ich das hier schreiben durfte.

LG Sadie

[Sadie]

Ich glaub, ich dreh gleich am Rad. Bei meinem Mann sollte ja heute die Blasenspiegelung gemacht werden wg. massiven Blutes im Urin. So wurde er heute zum 3.! Mal in die Urologie gefahren (liegt entgegen der Uniklinik am anderen Ende der Stadt). Die ersten beiden Male wurde jeweils nur die Prostata untersucht, WEITER NICHTS trotz Anweisung auf der Überweisung. Heute fragt ihn nun der OA dort, was er hier wolle!!!! Nachdem mein Männe die Situation geschildert hat, bekam er sogar wohlwollend einen Termin für den 3.Juni!!! Ich bin grad so was von wütend. Den ganzen Tag fiebert man auf irgendwelche Ergebnisse hin und immer wieder erfährt man NICHTS.
Inzwischen sind seine Augen sehr gelb. TAG 23 DER UNGEWISSHEIT!!! Bin ich zu ungeduldig?
Morgen ist Darmpiegelung. Hoffentlich.

Sadie

[heike_mike]

Liebe Sadie,

heute schreib ich mal in deinem Eckchen.
Ich drücke dir ganz doll die Daumen das heute alles mit der Untersuchung klappt.

Und nein, du bist nicht zu ungeduldig. Kennen wir das doch alle. Dieses warten zerfrisst einen die letzten NErven.
Tag 24 heute, ist eine Zeit die bei solch Ungewissheit nicht aushaltbar ist.

Dennoch bist du so stark und findest auch für anderen immer so liebe Wiorte.
Ich weiß,ich sollte an meine Nase packen - aber bitte denke an deine Kräfte.
Die braucht ihr jetzt sehr.
Ich weiß nicht was ich dir/euch wünschen soll.
Einfach ganz doll und von HErzen das bald Ergebnisse da sind. Klarheiten. Man weiß was los ist und man dann entsprechend therapieren kann.
Ich drück gaaaaaaaaaaaaaaaanz fest die Daumen das das befürchtete nicht eintritt und ihr verschont bleibt vor einem weiteren großen Kampf.

Drück dich ganz lieb
LG Heike

[Sadie]

Ihr Lieben,

seit gestern habe ich meinen Mann übers WE zu Hause. Meine Gefühle sind zwiespätig, einerseits freue ich mich, anderserseits habe ich Angst, dass es ihm plötzlich wieder schlechter geht. Schon zweimal in den letzten 3 Wochen habe ich ihn notfallmäßig wieder ins KH bringen müssen. Einmal mitten in der Nacht. Es ist echt nicht lustig, seinem Sohn früh zu sagen: "Heute nacht habe ich Papa wieder in die Notaufnahme gebracht. Geh du jetzt mal in die Schule."
Bei den Untersuchungen sind sie nun immerhin soweit, dass inzwischen auch Darmtumor und Klatskin ausgeschlossen werden konnte. Aber irgendwas müsse sein. Fast kein Blutwert ist normal und gelb ist er auch noch. Ich hoffe, dass wir das WE gut rumkriegen und nichts passiert.

Ich wünsche euch allen ein schönes Pfingstwochenende
Sadie

[Morgana]

Liebe Sadie,

Ich kenne...das Warten...diese unbeschreibliche Ungewissheit...diese starre Angst...bei meinem Mann.
Du bist nicht zu ungeduldig! So etwas zerrt an den Nerven...unvorstellbar für den, der so etwas nicht ähnlich erlebt hat.

Ich drücke Dich ganz lieb.

LG
Morgana (die auch einen gaaanz lieben Schwiegervater ...hatte)