Schwiegerpapa ist tot - Mann kapselt sich ab

[Lourdes-Rune]

Hallo liebes Forum ,

Ich lese schon eine Weile hier und wollte eigentlich auch ein paar Fragen stellen , nur leider hat sich das seit gestern erübrigt.

Mein Schwiegervater ist gestern an einer Lungenentzündung gestorben. Er hatte ein kleinzelliges Bronchialkarzinom und war in seiner 2. Chemotherapie. Mein Mann und ich wollten morgen nochmal hinfahren , damit er unseren Sohn , seinen Enkel kennenlernt aber das haben wir nun nicht mehr geschafft. Es ging ihm gar nicht so schlecht und das Alles kam jetzt sehr plötzlich.

Das ist wirklich sehr bitter. Mein Mann hat sich total zurück gezogen , redet nicht wirklich mit mir , weint natürlich viel und ich überlege die ganze Zeit über, wie ich reagieren soll.

Im Moment lasse ich ihn natürlich in Ruhe aber ich wünschte , ich könnte etwas tun für ihn. Vielleicht hat jemand einen Rat für mich.

Traurige Grüße , Lou

[TheTide]

Hallo Lou,

zunächst mein allerherzlichstes Beileid zu eurem Verlust. Ein Abschied ist immer schmerzhaft, vor allem wenn er plötzlich kommt.

Ich stöbere eigentlich im Forum umher, weil meine Schwiegermutter an Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium leidet, aber als ich deinen Beitrag las, musste ich sofort 5 Jahre zurück denken, als mein Schwiegervater starb.

Mein Mann ist auch in ein bodenloses Loch gefallen. Er hing sehr an seinem Vater und sein Tod kam auch überraschend. Ebenfalls nach einer Lungenentzündung. Deshalb weiß ich genau, wie es dir geht. Du fühlst dich hilflos, kannst es kaum mit ansehen, wie er leidet und hast das Gefühl, nichts tun zu können, vielleicht verspürst du sogar Ablehnung gegenüber dir und dem Kind. Auch mir ging es damals so. Gleichzeitig war ich mit der Versorgung unserer Kinder und des Haushaltes auf einmal ganz allein.

Ich möchte dir folgendes mitgeben: Mein Mann hat mir Monate später gesagt, dass meine pure Anwesenheit, mein Bemühen um Kinder und Haushalt, ihm im Leben hielt. Ich brauchte nichts sagen oder tun, schon gar nicht etwas von ihm verlangen oder erwarten. Nur da sein. Er sagte mir, er wusste die ganze Zeit über, dass er sich um unsere Ehe oder unser Verhältnis zueinander niemals Sorgen machen muss, weil ich ihm uneingeschränkt Raum zum Trauern gab und zu keiner Zeit Vorwürfe oder Vorhaltungen gemacht habe (obwohl mir manchmal durchaus danach war!)

Sei dir gewiss, dass dein Mann die Zeit braucht. Manchmal länger, manchmal kürzer. Er wird versuchen allein klar zu kommen, aber er weiß dich an seiner Seite. Sei selbstbewusst und präsent. Wenn er reden möchte, wird er das tun. Die fünf Phasen der Trauer hat mein Mann komplett durchlaufen und es brauchte mehr als ein halbes Jahr und anfangs auch medikamentöse Unterstützung, bis er halbwegs wieder "normalisierte". Aber egal wie und egal wie lange, er findet zurück. Da bin ich mir sicher.

Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig aufmuntern und stärken. Du kannst dich immer gern bei mir melden.

LG
Anne

[Lourdes-Rune]

Hallo Anne,
Danke für deine lieben Worte.

Heute geht es etwas besser zuhause... Er macht viel mit dem Baby , welches seinem Opa wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Mein Mann weint ab und zu aber wenigstens vor mir. Er ist immer noch etwas distanziert und ich kann nicht wirklich mehr machen als ihm anbieten, sich an mich zu wenden, wenn er es möchte.

Bald ist Beerdigung und davor graut es mir auch nochmal.

Liebe Grüße, Lou

[TheTide]

Liebe Lou,

Die Beisetzung war für meinen Mann der Tag des wirklichen Abschied nehmens. Er wollte für seine Mom stark sein,war aber gleichzeitig von heuchelnden Verwandten genervt und wollte nur heim.

Wenn du das noch vor der Beerdigung liest, nimm meine Gedanken an euch mit. Sei stark für deinen Mann. Du brauchst sonst nichts sagen oder tun. Ein Händchen halten oder umarmen wird reichen.

Herzliche Grüße und viel Kraft für morgen!
Anne

[Lourdes-Rune]

Hallo Anne,

Da sagst du was. Die Beerdigung mit heuchelnden Verwandten steht uns am 10.10. bevor. Ich hoffe mein Mann kann sich auf sich und seine Trauer konzentrieren, und ich werde versuchen ihm die zerrüttete Familie vom Hals zu halten. Sein Bruder und die Frau vom Papa sind Gott sei Dank auch noch da.

Ich finde es ja immer wieder erschütternd, wie dreist manche Verwandte nach dem Tod von jemanden auf der Bildfläche erscheinen und man in deren Tränen ertrinken könnte. Das macht mich sehr wütend und ich hoffe , ich habe mich im Griff. Am besten wirds noch , wenn es ums Erbe geht. Da "freue" ich mich ja jetzt schon drauf.

Alles in allem geht es meinem Mann aber schon besser und er hat sich mir geöffnet und sich bedankt , dass ich ihm einfach zuhöre.

Mal sehen wie es weiter geht. Er ist glaube ich noch nicht so richtig in der Realität angekommen. Aber das kann ja auch noch dauern.

Liebe Grüße, Lou

[hierfalsch]

Mein Schwiegervater starb letztes Jahr. Mein Mann schien sich zurück zu ziehen. Sagte kein Wort. Weinte nicht. Schrie nicht. Lief wie ein Tiger im Käfig durch die Wohnung. Er wollte zu seiner Mutter fahren. Sofort. Ich packte ihm ein paar Sachen, während er auf und ablief. "Soll ich mitfahren?" "Ich weiß nicht." Ich suchte ihm eine Zug Verbindung heraus und war ratlos. Sollte ich mich aufdrängen? Oder ihm Freiraum geben? ...

Irgendwann habe ich es gewagt.
"Ich liebe Dich. DARF ich mitfahren?" - "Komm mit."
Wir rannten zum Bahnhof. Er hielt den Fuß in der Zugtür, während ich mich am Fahrkartenschalter vordrängelte. Im Zug begann er zu reden. In der Nacht weinte er in meinen Armen. Am nächsten Morgen vertraute er mir an, er habe Sorge seine Trauer auszuleben. Wer werde dann bei seiner Mutter sein? "Das mache ICH". Mein Mann wollte seinen Vater noch einmal sehen. Wieder fragte ich, ob ich mitkommen solle?
"Wie Du willst." sagte Schwiegermutter. "Aber was findest DU?" "Ich" sagte Schwiegermutter "finde wir bleiben zusammen."
Wir drei waren in der Leichenhalle. Auf der Beerdigung. Wir haben Schwiegervaters Sachen ausgemistet. Und uns mit den Nachbarn rumgeärgert. Ich werde nie wieder fragen, ob ich mitkommen soll. Wer Freiraum möchte, darf mich wegschicken. Ansonsten bin ich da. Ich habe den Satz noch im Ohr. "Ich finde wir bleiben zusammen."

Ich weiß, die Menschen sind unterschiedlich. Für UNS war es gut mitzukommen. Mitzumachen. Mitzudenken. Sich mit durch den Papierkram zu schlagen. 1000 Briefumschläge für Todesanzeigen zu beschriften. 1Mio doofer Kleinigkeiten zu erledigen. "Ich finde wir bleiben zusammen." Finde ich auch!!!

[Hermine81]

Liebe Lourdes-Rune,
ich glaube das Dein Mann einfach etwas Zeit braucht. Es ist alles noch so frisch.
Als meine Mama gestorben ist hab ich mich in den ersten zwei Wochen auch zurück gezogen, mein Partner hatte auch etwas Angst dass ich ihn aussen vor lasse und anfange alles in mich rein zu "futtern".
Es war nicht weil ich ihn ausschliessen wollte sondern eher weil ich das, was passiert ist erstmal mit mir ausmachen musste.
Auch gab es diese innere Leere und nicht viel was ich in dem Moment laut aussprechen wollte.
Ein paar Mal hat er gefragt, ob ich nicht reden möchte, da hab ich ihm gesagt dass mir momentan nicht danach ist.
Bei euch kommt auch dieser "Schock"-Moment dazu, da ja alles relativ schnell ging.
Ich würde ihn erstmal lassen und abwarten. Kann dich aber verstehen dass dich das belastet da ja gerade Männer in der Gesellschaft oft das Gefühl haben, sich ihre Trauer nicht eingestehen zu dürfen.

Liebe hierfalsch,
ich fand deinen Post unglaublich ergreifend und dieser Satz "ich finde, wir bleiben zusammen" ist, wenn auch in einer wahnsinnig traurigen Situation, unglaublich schön und drückt so viel Wärme aus.
Auch wie du in der Situation reagiert hast find ich so toll von dir.

Ganz lieben Gruss
Hermine