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  #1  
Alt 07.07.2005, 22:57
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Standard egoist und feigling

hallo,
nachdem ich einige beiträge in "ein langer abschied..." und "russisches roulette" gelesen habe, ist mir eins nur noch deutlicher bewusst: ich schaffe diese haltung nicht, dass man sich über die zeit, die man noch hat, freut, und sie genießt.
unsere situation ist, kurz gefasst, so: ich bin 38 und wohne mit meinem mann in köln, meine eltern in nürnberg und mein bruder mit seiner familie auch. meinem vater wurde 98 nach der diagnose prostatakrebs die prostata entfernt. seit drei jahren nun kämpft er gegen wiederkehrende knochenmetastasen an. im augenblick hat er es mit einer zu tun, die an einem rückenwirbel sitzt, und demnächst bestrahlt werden soll, und einer weiteren an einer rippe, die erstmal unbehandelt bleiben soll, da die doppelte bestrahlung für ihn zu viel wäre. bestrahlungen kennt er schon vom letzten jahr, da hatte er zwei im abstand von sechs monaten, die erfolgreich waren.
unsere familiäre situation ist aber etwas komplizierter: meine mutter hatte vor 30 jahren einen schlaganfall und ist seitdem 100% schwerbehindert bei rechtsseitiger lähmung und sprachbehinderung, was sie insgesamt ganz gut packt, aber sie ist eben ein pflegefall, auch wenn sie nicht bettlägrig ist. die pflege hat seit eh und je mein vater übernommen, auch jetzt noch. sie ist 75, er 77.
vor sieben wochen hat er sich bei einem sturz das handgelenk gebrochen, was mit seiner dauererkrankung nichts zu tun hat, aber deutlich auf seine psychische verfassung drückt.
ich weiß gar nicht, wie ich das alles halbwegs verständlich darlegen soll, ich weiß auch gar nicht, für wen ich das hier eigentlich schreibe.
tja, und eben habe ich mit meinem vater telefoniert und ich hörte, wie deprimiert er klang, dass ihm das alles zu viel wird: die nicht ausgeheilte hand, der befund mit konsequenz der neuen bestrahlung, er hatte vorgestern schüttelfrost und ging in voller kleidung ins bett bis er schwitzte und sie wieder auszog, dann hatte er durchfall, woher, weiß man nicht, ist jetzt aber wieder ok., dann fuhr er sein auto beim einparken an die mauer mit deutlichem schaden daran uswuswusw.
und ich höre mir das an, höre, dass er mit meiner mutter im clinch liegt, weil sie anscheinend nicht akzeptieren wollte, dass er nicht zum reden aufgelegt war die letzten tage, und ich frage mich, was da noch auf uns zukommt.
und alles, was ich denken kann, ist: ich will ja dieses wochenende nach nürnberg fahren, ich könnte auch schon freitag fahren, aber mir graut es vor der ganzen situation so sehr, dass ich erst samstag früh fahren werde.
dieses gefühl hatte ich schon oft, wenn ich in nürnberg war: da bin ich mal zuhause, aber ich möchte am liebsten weit weg laufen. ich kann es nicht akzeptieren, dass mein / unser leben nicht mehr so ist, wie es war. dass mein vater nicht mehr der starke held meiner kindheit ist, dass er angst hat, dass ich ihm helfen müsste, aber selber viel zu viel angst habe, dass mein bruder keine große hilfe ist, weil er lieber wegsieht, aber was rede ich da, das tue ich ja auch.
und ich sitze hier und tippe das und heule und hoffe, dass das weizen, das ich nebenher trinke hilft, aber nichts hilft.
da kommt etwas auf mich zu, von dem ich einfach überfordert bin, genauso wie mein vater. was soll denn aus meiner mutter werden, wenn mein vater zu krank ist, um sie zu pflegen? und ich bin 430 km weit weg, habe hier mein leben. und ich will und kann nicht zurück nach nürnberg. wie auch? ich schaffe ja kaum ein wochenende da.
und dann kommen die schuldgefühle, dass ich ihm helfen sollte, dass ich die zeit mit ihm genießen sollte. aber ich kann immer nur daran denken, dass ich das alles nicht will. dass ich die zeit zurückdrehen will. dass ich am liebsten jemand anders wäre. oder, am schlimmsten: dass ich will, dass es 10-20 jahre später ist, und ich das alles hinter mir habe.
das ist alles nicht rational und ich weiß es ja selbst: das ist hochgradig egoistisch und selbstsüchtig und passt überhaupt nicht zu der liebevollen beziehung, die ich zu meinen eltern habe. es ergibt keinen sinn.
außer, dass ich feige bin und mich mal besser auf ihn konzentrieren sollte.
mist, das kann keiner verstehen, ich verstehe es ja selbst nicht.
egal, ich fahre samstag mit all meinen schuldgefühlen bepackt nach nürnberg zu meinem deprimierten, kranken vater und meiner mutter. und wenn es so läuft, wie die letzten male, werden sie sich vermutlich besser fühlen, weil ich da bin, und ich werde mir ein bier nach dem anderen reinkippen (jaja, ich weiß: alkohol ist keine lösung blabla) und versuchen, mich nicht ständig auf mich zu konzentrieren.
hab mir gerade nochmal durchgelesen, was ich da geschrieben habe... bin vor mir selbst erschrocken.
ich will nicht so sein, aber ich fühle so.
ulli
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  #2  
Alt 08.07.2005, 01:11
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Standard egoist und feigling

Hallo Ulli!

Klar gibt´s hier Leute, die deinen Beitrag lesen und dir sicher auch noch antworten werden. Und du musst dir keinerlei Sorgen machen, wie verworren oder konfus dein Beitrag ist. Schreib dir ruhig alles von der Seele, das hilft schon erstmal einen Schritt weiter.

Hm, das allererste was ich dir raten möchte ist, dich nicht als Feigling und Egoist zu sehen. Es ist völlig klar, dass du mit dieser Situation erstmal überfordert bist und völlig instinktiv dich versucht zurückzuziehen. Aber du brauchst keine Angst zu haben, da macht dir keiner einen Vorwurf. Ich hab vielleicht manchmal leicht reden, weil ich selbst Krankenschwester bin und mit der ganzen Situation bei meiner Oma (vor zwei Monaten im Magenkrebs im Endstadium diagnostiziert)dadurch etwas leichter umgehen kann und halt auch weiß, was man machen kann und wo man Hilfe bekommt. Daher schreib ich dir jetzt einfach mal, was ich machen würde und wie ich eure/deine Situation einschätze.

Vorher hab ich noch eine Frage. Du schreibst von deinem Bruder und seiner Familie, die auch in Nürnberg wohnen. Verstehst du dich gut mit ihm und wie ist sein Verhältnis zu euren Eltern? Hat er zeit sie zu unterstützen oder sind sie eher auf sich allein gestellt? Musst du auch nicht beantworten, wenn du nicht magst.

Wenn dein Vater Knochenmetastasen an Wirbelsäule und Rippen hat, hat er ja sicher auch starke Schmerzen, oder?
Vermutlich bekommt er dagegen dann auch starke Medikamente, die dann ihn dann natürlich auch etwas schachmatt setzen und das Reaktionsvermögen herabsetzen (z.B. Autounfall). Sicher belastet es deinen Vater auch psychisch sehr stark, dass er einfach nicht mehr so stark ist und so kann wie früher. Dazu weiß er, dass er sich ja auch noch um seine Frau kümmern müsste, aber es vermutlich einfach nicht mehr schafft. Da deine Mutter ja schon sehr lange ein Pflegefall ist, ist sie vermutlich auch eingestuft? Falls nicht, dann beantragt dies umgehend bei der Krankenkasse. Ich denke mal nicht, dass es dein Vater schafft, sie weiterhin alleine zu versorgen, nachdem er selbst ja auch schwer krank ist. Habt ihr irgendwelche Pflegehilfsmittel daheim? Du schreibst, dass die Hand deines Vaters auch nicht voll ausgeheilt ist. Frag doch mal beim Arzt oder der Krankenkasse nach, wie es da mit Einstufung oder Unterstützung im Haushalt ausschaut, zumindest für die Zeit der "Behinderung". Hab ich schon öfters erlebt, dass so etwas geht. Aber man muss öfters hartnäckig bleiben. Von alleine bekommt man gar nichts. Immer wieder nachfragen, nachhacken und Widerspruch einlegen, wenn was abgelehnt wurde.

Um deinen Vater zu entlsten, würde ich mich in Nürnberg mal mit einem Pflegedienst / Sozialstation in Verbindung setzen. Das geht auch am Wochenende, da muss zumindest ein Anrufbeantworter laufen, da kannst dud ie Situation ja kurz schildern und kurz um Rückruf beten, damit du die Sache am Wochenende klären kannst. Normalerweise können die dich auch in Sachen Einstufung, Hilfsmittel etc. beraten. Zumindest ist das bei unserer Sozialstation so. Außerdem hätte so deine Mutter auch täglich Unterhaltung, wenn der Pflegedienst kommt und dein Vater könnte sich mal zurückziehen.

Ich helfe dir sehr gerne weiter, wenn du noch was wissen möchtest. Frag einfach!

Und mach dir keine Vorwürfe, weil du die Zeit vordrehen möchtest. Das Gefühl kennen ich. Ich stecke eigentlich mitten im Prüfungsstress und manchmal wäre es mir auch am liebsten, wenn meine Oma das alles überstanden hätte. Und dann möchte ich sie am liebsten gar nicht loslassen und meine Mutter so oft wie möglich unterstützen. Aber irgendwo muss man auch schauen, dass man selbst nicht untergeht. Nur das eine guten Mittelweg zu finden, ist sehr schwer. Irgendwie macht man sich doch ständig Vorwürfe. Kannst du wenigstens mit deinem Mann über deine Situation reden oder mit guten Freunden? Mir hilft das sehr. Ansonsten, wenn es dir wirklich sehr schlecht geht und du gerne mit anderen Betroffenen über deine ituation reden möchtest, erkundige dich doch mal nach einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Krebspatienten. Gibt´s in Köln sicher, sowie vermutlich auch einen Hospizverein? Da kannst du auch mal anrufen und nach Hilfsangeboten für dich fragen!

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für das kommende Wochenende! Lass den Mut nicht sinken, sondern such dir Hilfe, dir und deinen Eltern!

Liebe Grüße aus Bamberg!

Julia
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  #3  
Alt 08.07.2005, 16:10
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Standard egoist und feigling

Hallo Ulli,
mir kommt die Situation deiner Eltern sehr bekannt vor. Mutter schwersten schlaganfall (bettlägerig) vor 8 Jahren , Krebs vor 3 Jahren, davor Vater mit Prostatakrebs Knochenmetastasen in der Lendenwirbelsäule. Als Einzelkind und zwar examiniertem, aber unfähigem Pflegepersonal mußte ich schließlich alles alleine machen. Nun bin ich nach insgesamt 10 Jahren kaputt und ernte noch vorwürfe und höhnisches Lachen, da hat die Allgemeinheit wieder eine Doofe gefunden.

Aus meiner Erfahrung ist es als erstes wichtig, daß du etwas gegen vorhandene oder mögliche Schmerzen deines Vaters unternimmst. Meinem Vater haben nicht einmal sehr hochdosierte Morphine geholfen. Schmerzerleichterung ist nur in Kombination mit Cannabis möglich. Aus diesem Grunde bin ich mit meiner Mutter nach Holland ausgewandert, dort gibt es Cannabis in der Apotheke.
Die Angst einen Menschen zu verlieren wird wesentlich kleiner, wenn man ihn unter schweren Schmerzen leiden sieht und weder man selbst, noch ein Arzt helfen kann.

Zur frage Egoist oder Feigling. Weder noch, eher Angst vor ungewisser Situation oder dem Handling der bekannten Situation.


Weist du eigentlich, was dein Vater geleistet hat in den letzten Jahren? Nimm ihm jetzt bitte jedenfals die Schmerzen. Auch die Pflege deiner Mutter sollte nicht mehr von deinem Vater übernommen werden.

Leider müssen unsere Eltern alle irgend wann einmal gehen, wir Kinder jammern über den Verlust, das Leiden haben die Eltern.
Wer selbst die Pflege seiner Angehörigen übernimmt, hat weniger Probleme mit dem Verlust, aber mehr Probleme mit all den anderen Mitmenschen. Ich würde diese Pflege kein 2.Mal übernehmen, aber ich leide auch nicht mehr so stark unter dem Verlust geliebter Menschen.

Also wenn du etwas sehr gutes für deine Eltern tun willst, dann nimm sie beide bei dir auf und sei für sie da. Dann kannst du wirklich alles für sie tun und dich in Ruhe von ihnen verabschieden, ohne selbst unter dem Abschied leiden zu müssen.

Ich wünschedirganz viel Kraft
Hemi
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  #4  
Alt 08.07.2005, 17:22
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Standard egoist und feigling

Hallo,

wieso höre ich hier immer Egoist und Feigling? Nenne mir eine Person, dessen geliebter Mensch so erkrankt ist, und der keine Angst davor hat.
Dann wäre man ja eine gefühllose Maschine, und die möchte doch keiner sein, oder?
Du hast in meinem Thread gelesen. Ich hoffe, Du hast auch gesehen, wie oft ich das Gefühl habe, nicht mehr zu können. Ich wollte auch oft diese Zeit "überfliegen"...Aber im Endeffekt habe ich dann doch gemerkt, dass ich diese Zeit, egal wie grausam und schwer, doch lieber bewußt an der Seite meiner Mama erleben möchte. Die Angst bleibt mein ständiger Begleiter, da ist nichts zu machen.
Bitte verstehe mich nicht falsch! Ich will hier nicht einen auf Vorbild machen (bin ich überhaupt nicht in der Lage zu), nur ich kann haargenau verstehen, wie Du fühlst.
Es gibt kein Handbuch für solche Situationen. Jeder Mensch ist anders. Und Du mußt einen für Dich passenden Weg finden, um alleine für Dich was zu tun, damit Du nicht untergehst.
Nur überlege ganz genau. Das Schicksal liegt jetzt genau SO vor Dir. Du kannst nichts an der Tatsache verändern. ABER: Was ist besser für Dich? Die Zeit mit Deinen Eltern zu nutzen? Oder Dich abzukapseln, und trotzdem (oder sogar noch mehr, wg. schlechtem Gewissen etc.) zu leiden. Es gibt da keine große Wahl. Ich für mich kann sagen, wenn ich nicht all das für meine Mutter (und mich!!!) getan hätte, und tun würde, dann ginge es mir definitiv sehr viel schlechter. Ich läge schon längst am Boden. In so einer Situation kommt einfach der Kampfgeist in mir hoch. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Und siehst Du, ich bin auch öfter mal ein "wirrer" Schreiber. Das ist ein sehr emotionales Thema. Würden wir über Schnupfen oder Verstopfung schreiben, sollte man sich eher Gedanken über "wirre" Sätze machen.
Vielleicht nützen Dir meine Worte was, würde mich freuen. Viel Kraft und alles Gute, Saphir
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  #5  
Alt 08.07.2005, 18:08
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Standard egoist und feigling

Liebe Julia, liebe Hemi, liebe Saphir,
ich danke euch ganz herzlich für eure lieben Worte. Ich hatte richtig Bammel, wieder ins Forum zu sehen, weil mir mein eigenes Posting so einen Tag später beinahe peinlich ist.
Liebe Julia, mein Bruder ist derzeit auf einem Lehrgang zum Sicherheitsfachmann in München, was noch bis zum August dauert. Er sieht das als Chance, wieder Arbeit zu finden, nachdem ihm letztes Jahr gekündigt wurde (er ist 46). Er sit nur am Wochenende da, seine Frau kümmert sich derweil um die zwei Kinder und um ihre eigenen Eltern (ihr Vater hat fortgeschrittenen Blasenkrebs und mehrere Schlaganfälle hinter sich, ihre Mutter hat schwere Rückenprobleme und kann kaum gehen). Wenn mein Bruder also mal zuhause ist, hat er da auch schon genug um die Ohren. Außerdem ist er, finde ich, der Typ Mensch, der erst etwas mitbekommt, wenn man ihn quasi schriftlich darauf hinweist. Den Zustand meines Vaters sieht er irgendwie immer nur im gegenwärtigen Moment. Groß nach vorne blicken und sich sorgen? Eher nicht, da kann er wohl gut verdrängen. Kurz: keine Hilfe zu erwarten.
Mein Vater erhält erst seit dieser Woche Schmerzmittel für die Schmerzen, die er am Lendenwirbel zeitweise hat. Was für welche das sind, weiß ich noch nicht.
Meine Mutter ist längst Pflegestufe 3. Im Augenblick schafft er es, soweit ich das beurteilen kann, noch recht gut, sie zu betreuen, zumal sie viel selbst mit einer Hand erledigen kann und geistig deutlich fitter ist als er. Hätte ich da Bedenken, hätte ich längst interveniert. Aber im Moment ist es schon schwer genug, sie dazu zu überreden, die Putzhilfe öfter als alle drei Wochen kommen zu lassen.
Mein Vater will unbedingt im August für zwei Wochen mit meiner Mutter wieder nach Österreich fahren, selbst fahren, wohl gemerkt. Sie fahren da seit fast 30 Jahren hin. Sie will wohl nicht so recht, aber er hat mir erklärt, wenn der Urlaub nicht mehr drin wäre, könne man sich ja gleich einäschern lassen.
Für ihn ist es schwer genug, sich damit abzufinden, dass er nicht mehr alles kann. Wir kriegen ihn ja nicht einmal dazu, sich ein Hörgerät geben zu lassen. Er sagt, es reicht ihm, dass er falsche Zähne hat, seit der OP inkontinent ist und die Glatze hat.
Ich kriege ihn auch nicht dazu, sich über ein mögliches Pflegeheim in Nürnberg zu informieren. Ich habe meine Eltern zwar dazu bekommen, sich für ein kölner Pflegeheim bei uns um die Ecke vormerken zu lassen, sodass sie notfalls schnell dort einen Platz hätten, aber ich habe den starken Verdacht, dass sie gar nicht aus Nürnberg weg gehen würden. Schließlich ist der Rest der Verwandtschaft und die Enkelkinder dann quasi aus der Welt.
Wie du siehst, liebe Julia, das mit der Hilfe, die man in Anspruch nehmen könnte, ist nicht so einfach.

Liebe Hemi, meine Eltern beide zu mir zu nehmen ist aus mehreren Gründen nicht machbar. Wie du siehst, sind sie im Moment nicht einmal bereit, den Gedanken in Erwägung zu ziehen, aus ihrer Wohnung auszuziehen.
Ich weiß übrigens sehr wohl, was mein Vater in all den Jahren geleistet hat. Das zu wissen, macht mein schlechtes Gewissen nicht weniger, schließlich habe ich mich ja gewissermaßen nach Köln verdrückt, statt in Nürnberg zu bleiben und mich ebenfalls zu kümmern. Nur wäre ich andernfalls nicht mehr ich selbst in meinem Leben und mit meinem Mann wäre ich wohl auch kaum noch zusammen. Ich tauge nicht zur Selbstaufgabe, das ist ja auch ein Grund für meine SChuldgefühle.

Liebe Saphir, ich danke dir ganz herzlich für deine Worte.

Eure Empathie lässt mich glauben, dass ich nicht total durchgeknallt bin. Vielleicht steckt da noch in meinem Hinterkopf, dass ich als Kind von Verwandten oft den Vorwurf hörte, ich sei ja Papas Liebling und dadurch ein total verzogenes, selbstsüchtiges Gör. Wer will schon so gesehen werden? Vielleicht werde ich langsam etwas schizophren: Ich will nicht als Egoist gesehen werden, aber ich schreibe hier nur über mich, mich, mich und seh mir dabei über die Schulter und finde mich ätzend und immer noch schreibe ich über mich...

Mein Mann versucht übrigens schon, mich zu unterstützen, allerdings in der ARt: Was immer du entscheidest, ich stehe hinter dir, aber die Entscheidung kann ich dir und deinen Eltern nicht abnehmen. Außerdem ist er eher der analytische Typ: Da ist ein Problem, also suchen wir eine Lösung. So ein Denken schaffe ich nicht, da kommen mir zu viele Gefühle dazwischen.

Ich merke schon: Ich stecke fest. Ich kann die Situation nicht ändern, und meinen Kopf ausschalten kann ich auch nicht, geschweige denn meine Gefühle.
Und nach all dem, was ich von euch gelesen habe, sage ich es nicht gern, aber mir graut trotzdem vor dem Wochenende.
Ich danke euch nochmal ganz herzlich für eure langen Beiträge und dafür, dass ihr diese Romane von mir lest. Es haut mich um, dass es jemanden tatsächlich interessiert, das zu lesen.
Ganz liebe Grüße,
Danke!
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  #6  
Alt 08.07.2005, 22:10
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Hallo Ulli!

Habe mich sehr über deine Antwort gefreut. Ich hoffe, dass es dir am Wochenende trotz allem gut geht und lass dich nicht unterkriegen!

Ich melde mich nochmal ausführlich, muss morgen nur um 5.00 Uhr schon raus.

Ansonsten kenne ich die Situation mit keiner Hilfe annehmen wollen nur zu gut. Das haben wir bei meiner anderen Oma diesen Winter erst durchgemacht. Und es war nicht angenehm, wenn dann plötzlich offizielle Stellen eingeschaltet werden, weil mein Vater sich stur gestellt hat und seiner Mutter ihren Willen lassen wollte. Auch wenn sich´s bei euch jetzt nicht so drastisch anhört.

Liebe Grüße und viel Kraft für´s Wochenende!

Julia
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  #7  
Alt 09.07.2005, 11:15
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Hallo Ulli,
deine dich quälenden Schuldgefühle vergehen sicherlich,wenn Du Deine Eltern so behandelst wie Du in ihrer Situation gerne von Ihnen behandelst werden würdest.
Liebe Grüße
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  #8  
Alt 09.07.2005, 15:40
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Hallo Hemi,

du sagst, 10 Jahre Pflege haben dich 'kaputt' gemacht.
Und beschließt deinen post mit den Sätzen:

'Ich würde diese Pflege kein 2.Mal übernehmen,.....

Also wenn du etwas sehr gutes für deine Eltern tun willst, dann nimm sie beide bei dir auf und sei für sie da. Dann kannst du wirklich alles für sie tun und dich in Ruhe von ihnen verabschieden, ohne selbst unter dem Abschied leiden zu müssen.'

Es tut mir leid, das verstehe wer will, ICH verstehe es nicht.

Viele Menschen sind nicht in einer Situation, in der sie jemanden rund um die Uhr pflegen könnten. Das war vor 100 Jahren anders, als die Frauen nicht berufstätig waren, die Mobilität sehr viel geringer und die Familienverbände grösser.

Wenn ich Ulli wäre würden mir deine Kommentare noch mehr s
Schuldgefühle machen. Damit will ich aber nicht unterstellen, daß sie so gemeint sind.

LG
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  #9  
Alt 10.07.2005, 20:54
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Hallo Ulli,

ich kann gut verstehen dass Du Dich schlecht fühlst und schlechtes Gewissen hast weil dir davor graut zu Deinen Eltern zu fahren. Ich kenne sowas ganz gut, bin selbst ziemlich empfänglich für sowas. Vor allem wenn man immer liest dass andere es "gern" machen, diese Zeit "geniessen" usw. Lass Dich davon nicht beeinflussen, Du musst keine bestimmte "Haltung schaffen". Es ist für Dich, wie es ist. Versuch, Dich von dem schlechten Gewissen zu verabschieden, und von dem Bild, das Du Dir anscheinend gemacht hast wie es bei anderen ist oder zu sein scheint, und was Dir offenbar aus irgendeinem Grunde idealer erscheint...

Das erinnert mich daran als ich das erste Mal schwanger war und überall bekomst Du diese entzückenden Babyhefte in die Hand gedrückt auf denen Du überglückliche zufriedene stillenede Mütter in malerischen Spitzennachthemden mit ihrem Wonneproppen auf dem Arm siehst. Diese Momente gibt es auch. Aber es gibt eben auch die anderen Seiten: Ängste und kaputt sein und nicht mehr können und Sch... und Blut und schlaflose Nächte und fettige Haare weil man zu nix mehr kommt....aber das sagt einem keiner also denkt man (ich damals...) man sei allein und aus der Art geschlagen und mache alles falsch. Dann trifft man andere Mütter deren Kinder NATÜRLICH durchschlafen und alles ist prima (ist es vielleicht auch) und man fühlt sich noch schlimmer, bis man dann die ersten Mütter trifft die sagen: ja genau, es ist auch anstrengend und oft ätzend und manchmal könnte ich nur alles hinschmeissen.... Und lieben diese Mütter ihre Kinder deswegen weniger (oder ich)??? Nein. Es hat mich eine lange Zeit gekostet zu begreifen dass ich mich da an einem Idealbild gemessen habe. Aber so WAR es bei mir/für mich nun mal nicht. Das muss manb akzeptieren. Es lebt sich leichter, wenn man lernt sich seine Wut und Ängste und Abscheu usw. zuzugestehen und nicht nur diese (schlechten...) Gefühle zu haben die ja an sich schon unangenehm sind, sondern dazu auch noch ein SCHLECHTES GEWISSEN deswegen zu haben.

Verstehst Du wie ich das meine? Ist vielleicht ein komisches Beispiel mit den Babyheften, aber ich sehe da schon eine Parallele, weil es mir scheint dass Du da auch denkst Du müsstest irgendeinem "Ideal" entsprechen. Musst Du aber nicht. Vergiss es, mach Dich davon frei. Sag Dir: ich fühle mich schlecht, ich will nicht hin, es ist mir alles zuviel. Na und? Das ist dein gutes Recht. Du tust es ja trotzdem, Du weichst ja nicht aus, das ist dir doch umso höher anzurechnen als wenn Du es "gern" tätest.

Ich halte es für natürlich dass Dir das alles zu viel wird. Dass Du Dich nicht freuen kannst, dass Du die Zeit dort lieber verkürzt als verlängerst. Dann ist es eben jetzt so. Vielleicht kannst Du unverkrampfter mit allem umgehen, wenn Du Dich nicht auch noch schuldig fühlst wegen deiner ablehnenden Gedanken. Das hilft doch garnichts. Du musst nicht (ich meine sogar: Du kannst nicht) versuchen Dich anders zu fühlen bloss weil es bei anderen Menschen vielleicht anders ist. Das einzige was man tun kann - das ist meine Meinung - ist zu überprüfen warum man dies oder jenes fühlt, und kucken ob man die Dinge so oder anders vielleicht besser bewältigen kann. Wenn Du z.B. mit Deinem Mann fahren würdest (oder eben ohne ihn). Wenn Du meinst dein Bruder braucht schriftliche Hinweise: schreib ihm, fordere seinen Beitrag ruhig ein. Such Dir vielleicht psychologische Unterstützung, dann hast Du garantiert einen gegenüber der Dir einmal pro Woche eintrichtert dass Du Dich wegen deiner Gefühle und Gedanken nicht zu verurteilen brauchst... :-) Versuch wirklich, diese Schuldgefühle hinter Dir zu lassen. Du leistest da eine ganze Menge, versuch das mal besser anzuerkennen, natürlich IST es schwer.

Alles Gute und viel Kraft
Kerstin
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  #10  
Alt 10.07.2005, 23:00
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Hallo Uli!

Ich habe dir gerade eine superlange Antwort geschickt, klick auf Abschicken und alles ist weg.

Ich werd´s morgen oder am Dienstag nochmal versuchen!

Wie war´s Wochenende?

Julia
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  #11  
Alt 12.07.2005, 21:15
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Hallo Isa,
verstehe es bitte so, daß ich jetzt 10 Jahre Pflege hinter mir habe und meine Aufgabe sehr gut erfüllt habe, meine Mutter hatte in dieser Zeit noch sehr viel Lebensqualität, aber ich werde keine weitere Pflege von 10 Jahre Pflege übernehmen, über eine Begleitung von nochmals 1 bis 2 Jahren lasse ich mit mir reden.

Ihre Schuldgefühle hat Ulli sehr gut begründet und die Lösung, um keine Schuldgefühle zu haben, ist mir auch sehr deutlich geworden, ebenfalls die möglichen Konsequenzen. Sie muß sich jetzt nur noch für den Weg mit den geringsten Folgen für sich selbst entscheiden.
Ich wünsche ihr viel Kraft dafür.
Hemi
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  #12  
Alt 15.07.2005, 13:12
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Hallo Ulli,
wie ist das letzte Wochenende gelaufen?
Welche Lösung hast du für die Situation deiner Eltern gefunden?
Hemi
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