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  #1  
Alt 24.05.2008, 23:13
Bambolina Bambolina ist offline
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Registriert seit: 14.01.2008
Beiträge: 3
Standard Kreislauf des Lebens

Hallo,
ich habe mir schon seit Monaten vorgenommen, diesen Beitrag zu schreiben, finde aber erst heute due Ruhe und den Mut dazu.
Der Krebs hat mir im vergangenen November meinen Papi nur 5 Tage nach seinem 60. Geburtstag und ca. 15 Monate nach der Erstdiagnose fuer immer genommen, und er fehlt mir unsagbar. Waehrend seiner Krankheit habe ich oft hier mitgelesen und aus den vielen Beitraegen immer Kraft geschoepft. Zu einem Thema allerdings, das mich sehr interessierte, haette ich gerne mehr Informationen gehabt: das ist auch der Grund fuer diesen Beitrag.
Im August 2007 waere mein Vater an den Nebenwirkungen der Second-Line-Chemo fast gestorben. Er lag 3 Wochen im Krankenhaus, bekam Bluttransfusionen und ein Einzelzimmer. Uns wurde nicht viel Hoffnung gemacht. Und wie er da lag, abgemagert und blass in diesem Krankehausbett, in Morpheus' Armen, voellig weggetreten vom Morphium und in den seltenen wachen Momenten unendlich muede und traurig, und ich lange Tage bei ihm sass, abwechselnd mit meinem Mann, meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Schwester, genau in diesen Tagen erfuhr ich, dass ich schwanger war. Sein heiss ersehnter erster Enkel war auf dem Weg in die Welt und der Opa wuerde seine Ankunft nicht erleben... der Schmerz war unbeschreiblich!
Mein Vater kam noch einmal nach Hause, erholte sich wie durch ein Wunder noch mal, hatte seine Freude an Ultraschallbildern und der Namenswahl und meinem wachsenden Bauch, bis es dann unwiderruflich abwaerts ging und wir ihm hilflos beim Sterben zusehen mussten. Ich habe so viel geweint in dieser Zeit und mir oft Sorgen und mein Kind gemacht. Wuerde es diese schwierige Zeit unbeschadet ueberstehen? Wuerde ich es schaffen, mich zu freuen, und wenn ich es nicht schaffte, was bedeutete das fuer mein Kind? Wieviele Traenen ertraegt ein ungeborenes Kind?
Ich habe oft im Internet nach aehnlichen Erfahrungen gesucht um irgendwie Mut zu schoepfen, um Anregungen zu bekommen, wie ich mich verhalten sollte. Leider fand ich nicht viel, und als mein Papi schliesslich Abschied nahm und fuer immer ging, schien ich mit meiner Kraft am Ende. Gibt es etwas absurderes, als mit einem 5-Monats-Bauch den eigenen toten Vater zu waschen? Es war die Hoelle und ich werde dieses Gewicht in meinen Armen nie vergessen.
Als mein Vater ging, schneite es, so frueh im Jahr wie schon seit Jahren nicht. Und als mein Sohn kam, schneite es, so spaet im Jahr wie schon seit Jahren nicht.
Mein Sohn hat ein sonniges Gemuet, lacht viel und liebt es, geherzt und geknuddelt zu werden. Ich habe die Schwangerschaft irgendwie ueberstanden und auch die Zeit nach der Entbindung, als die Depression wie einer schwarze Wolke immer drohend ueber mir hing.
Das Leben ist ein Kreislauf, das habe ich am eigenen Leib erfahren. Es ist ein wertvolles Wissen, das jedoch manchmal schwer auf meinen Schultern lastet, und ich wuerde mich gerne austauschen mit Betroffenen, die mir vielleicht Tips geben koennen, wie Trauerarbeit und Saeuglingspflege sich vertragen...
vielen Dank vorab und allen viel Kraft und Mut!
Bambolina
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  #2  
Alt 25.05.2008, 11:52
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blueblue blueblue ist offline
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Ort: Lüneburg, Niedersachsen
Beiträge: 534
Standard AW: Kreislauf des Lebens

Hallo Bambolina,

dein Beitrag rührt zu Tränen und speziell mich erinnert er daran, dass mein Großvater starb als ich gerade erfahren habe, dass ich schwanger bin. Dies ist alles schon lange her aber doch noch gut in Erinnerung. Meine Oma sagte damals zu mir, dass der Opa nun Platz gemacht hätte für ein neues Leben in der Familie.

Heute ist dieses neue Leben 25 und mir immer eine Freude und in einer ganz eigenen Art auch immer eine Erinnerung. Mein Großvater war ein absoluter Spaßvogel und mein Sohn ist es auch.

Leider habe ich für dich auch keinen Rat wie man die Trauerarbeit am besten mit der Freude um den Nachwuchs verbindet. Aber muss man das überhaupt? Wäre es nicht besser, sich daran zu erinnern, wie sehr sich dein Papi über den Enkel gefreut hätte und sich für ihn einfach mit zu freuen über das Glück einem neuen Erdenbürger das Leben geschenkt zu haben?

Lass dich mal drücken

blueblue


Wer nicht kämpft, hat schon verloren!
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  #3  
Alt 25.05.2008, 14:36
Bambolina Bambolina ist offline
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Registriert seit: 14.01.2008
Beiträge: 3
Standard AW: Kreislauf des Lebens

Liebe Blueblue,
danke fuer die lieben Worte! Ich versuche es so zu sehen, aber es gelingt mir nur selten, vielleicht ist die Wunde einfach noch zu frisch... ich kaempfe im Moment auch mit meinen Erinnerungen. Das erste Bild, das mir von meinem Vater vor Augen kommt, ist immer eins wo er leidet. Ich kann es kaum ertragen und es kostet viel Traenen und Kraft, dieses Bild "weg zu legen" und mich an ihn zu erinnern, wie er war, als es ihm noch gut ging.
Nur zweieinhalb Monate nach dem Tod meines Vaters starb mein Grossvater (sein Vater) mit 87 an seinem 3. Infarkt: haette es nicht gereicht, wenn er Platz gemacht haette???
Manchmal ist das Leben wunderbar. Und manchmal ist es sehr bitter. Und beides kommt mir im jeweiligen Moment nicht richtig vor...
Wie lange dauert es bloss, bis ich die furchtbaren Bilder los werde und mich an meinen zahllosen Erinnerungen an meinen Superpapi erfreuen kann?
Bambolina
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  #4  
Alt 25.05.2008, 17:29
Benutzerbild von blueblue
blueblue blueblue ist offline
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Beiträge: 534
Standard AW: Kreislauf des Lebens

Liebe Bambolina,

bis die Bilder - die schreckliche der Qual - verblassen wird es sicher noch eine ganze Weile dauern. Aber lass dir gesagt sein, sie verblassen nur, verschwinden werden sie vermutlich nicht. Jedenfalls ist es bei mir so. Ich sehe noch immer meinen Großvater (nach 3. Infarkt gestorben) vor mir, meine Oma (durch Krebs von dieser Welt gegangen) und meinen Vater ( da wars ein Aneurisma) vor mir.

Und inzwischen ist es so, dass ich selbst betroffen bin, weil ich zum 3. Mal die Diagnose bekommen habe. Mein Krebs ist wieder da, wo ich schon immer glaubte, ich hätte ihn besiegt. Auch nicht einfach.

Lass den Kopf nicht hängen, schau dein Kind an und erzähle ihm, was für ein toller, lieber, führsorglicher Mensch der Opa war.

Lieben Gruß an dich

blueblue

Wer nicht kämpft, hat schon verloren!
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  #5  
Alt 25.05.2008, 19:48
katzesturmi katzesturmi ist offline
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Registriert seit: 08.11.2007
Beiträge: 180
Standard AW: Kreislauf des Lebens

Hmm, meine geliebte Oma ist im Sept 2003 gestorben, fast auf den TAg genau 1 Jahr später kam mein erster Sohn zur Welt... auch da wurde mir gesagt, ein Leben geht, ein neues kommt.

Mein 2ter Sohn kam im Sept 07 zur WElt, 2 Wochen nach seiner GEburt erfuhr mein Mann, dass er Krebs hat. Vor eineinhalb Wochen ist mein Mann gestorben. Ich trauere und ich kümmere mich mit Unterstützung meiner Eltern um die beiden Kinder.
Du kannst Kraft schöpfen aus den Kindern, ein Teil deines Vaters wird auch in deinem Kind weiter leben.
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