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  #1  
Alt 23.04.2008, 02:00
Norma Norma ist offline
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Registriert seit: 06.11.2005
Beiträge: 1.157
Standard BEIDES zu sein ist so verdammt schwierig.



Hallo,

es gibt auch hier sehr wahrscheinlich keine Konstellation, die auf mich zutrifft.

Ich bin Angehörige und Betroffene zugleich.
Selten wohl, aber so etwas gibt es.

Hauptsächlich geht es aber um meinen Mann.

Ich schaffe es manchmal nicht mehr, ihn aus seinen vielen seelischen Tiefs rauszuholen.

Zur Info:
Mein Mann hat die Diagnose Darmkrebs mit einem befallenen Lymphknoten im Juni 2007 erhalten.
Er wurde erfolgreich operiert (ohne Stoma) und hat dann 6 Monate Chemo hinter sich gebracht.

Körperlich geht es ihm momentan ganz gut; allerdings geht er nächste Woche noch einmal ins KH, weil ein großer Polyp am Ausgang des Dünndarms entfernt werden muss (endoskopisch).

Ich weiß nicht, ob es nun dieser Eingriff ist, ob es meine kürzlich festgestellten Knochenmetastasen sind oder ob ihn die allgemeine Situation in so tiefe Depris fallen lässt.

Er starrt oft stundenlang die Wand an; reagiert nur ungehalten auf Ansprache und wenn, steigen ihm sofort die Tränen in die Augen.

Und immer die Frage von ihm, warum wir???
Warum wir BEIDE???
Was haben wir getan???

Es ist so verdammt schwierig, BEIDES zu sein!

Als ICH im Nov. 2001 die Diagnose Brustkrebs erhielt, war er mir eine unendliche Hilfe. War immer für mich da; hat mich getröstet und Hoffnung gegeben.

Und nun sitzt da ein völlig in sich gekehrter Mann vor mir und ich fühle mich so hilflos.

Natürlich weiß ich, wie er sich fühlt oder fühlen muss. Und ich versuche auch, ihn zu trösten und Hoffnung zu vermitteln.
Aber er scheint dafür nicht so empfänglich zu sein.

Wir sprechen viel über unsere Erkrankung (ich warte dann, bis er dazu bereit ist) und ich sage ihm auch immer wieder, dass ich ihn verstehe.

Einmal hat er dann gesagt: "Als du damals erkrankt bist, habe ich auch geglaubt, dich zu verstehen. Heute weiß ich, dass das Unsinn gewesen ist. Um dich richtig zu verstehen, musste ich erst selbst erkranken."

Ja klar, ein bisschen stimmt das schon. Aber wenn ich daran denke, wie sehr unsere Kinder leiden, dann kann ich nur sagen: auch als Angehörige tut es sauweh, jemanden, den man liebt, leiden zu sehen.

Nun ja, vielleicht sollte mein Mann den Psychologen wechseln. Offensichtlich kann der ihm nicht helfen. Medikamente bekommt er auch; aber die Dosierung stimmt offensichtlich nicht und ist nicht ausreichend (ich bin gut eingestellt).

Irgendwie fehlt mir seine frühere Zuversicht; sein Mutmachen, sein Hoffnung vermitteln.

Gerade jetzt, wo ich mit dem Fortschreiten meiner eigenen Erkrankung klar kommen muss, fehlt er mir.

Es ist so verdammt schwierig, BEIDES zu sein!

Sorry, ist lang geworden.

Hilflose Grüße
Norma
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001
Diagnose Knochenmetastasen April 2008
Diagnose Darmkrebs Juni 2007 bei meinem Mann
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  #2  
Alt 23.04.2008, 06:02
Benutzerbild von Jutta
Jutta Jutta ist offline
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Ort: Im Süden
Beiträge: 3.320
Standard AW: BEIDES zu sein ist so verdammt schwierig.

Hallo Norma,

ja, es ist verdammt schwierig BEIDE Schuhe tragen zu müssen!!!!

Norma, ich kam am Anfang überhaupt nicht mit den Reaktionen meines Mannes zurecht, denn egal was innerhalb der Familie anstand, es wurde darüber geredet. Plötzlich begegnete ich einer Mauer. Versuchte ich ihm das zu geben, was er mir immer gab und gibt, machte er dicht. Tat ich garnichts, war es auch nicht recht. Ich hatte gerade meine Bestrahlungen des letzten Rezidivs hinter mir, und war selbst noch ganz doll am Nagen.
Auch dachte ich, dass mein Mann nun versteht wie es mir die ganzen Jahre wirklich ging, Fehlanzeige. Warum? Weil er gefühlsmäßig auf einem ganz anderen Gleis wie ich fuhr und heute noch fährt.

Wie viele Male versuchte ich durch zu dringen, dachte, wir müssen doch darüber reden, wir haben Beide doch dieselbe Sch*krankheit!!! Wir haben doch erst die Jahre zuvor meine Eltern und meine beste Freundin in ihren Krebserkrankrankungen begleitet.

Norma, es dauerte sehr lange bis ich kapierte, durch von mir gelenkte Gespräche, ohne das Kind beim Namen zu nennen, was wirklich dahinter steckt. ANGST, nicht vor den OP's oder sonst etwas. Nein, die Angst nicht mehr die Familie so versorgen zu können, wie es in seinen Augen sein sollte (ich bin in Erwerbsminderungsrente, neues Haus gebaut etc.). Angst, mich alleine in meiner Erkrankung und all den Auswirkungen zu lassen; Angst, dass niemand mehr da ist, der mich versorgt; Angst nicht mehr das zu sein, was seinen Platz innerhalb der Familie ausmacht. Angst, mir seine Sorgen und Ängste auch aufbürden zu müssen; Angst, meine Schuhe innerhalb der Familie nicht tragen zu können. Er war gefangen in seinen eigenen Ängsten....

Norma, vielleicht hilft deinem Mann auch das Gespräch mit Gleichbetroffenen? Nicht das Gespräch mit dem Psychologen, der ja diese Geschichte nicht mittragen und wirklich mitfühlen kann? Bei meinem Mann war das so, er "kümmert(e)" sich um Männer aus seinem Umkreis, die dieselbe Erkrankung wie er haben, und das half und hilft ihm mehr als alles andere. In meiner Position als Begleiterin und Selbsthilfegruppenleiterin erlebte ich, wie die Männer sich eher einer fremden Person mit den gleichen Problemen öffneten, als der Familie oder den angebotenen Psychologen. Durch diesen Austausch sie auch wieder offen für die Familie waren, und so manches Verständnis wieder kam.

Unsere Jungs, sie tun mir in der ganzen bescheidenen Situation am meisten leid. Nein, es tut mir bis ins Tiefste weh, ihre Not zu sehen, die große Angst beide Eltern vielleicht bald zu verlieren. Ganz besonders, da sie die Krebserkrankungen und den schleichenden Tod meiner Eltern und Freundin hautnah miterleben mußten. Ihre Reaktion, ihre eigenen Probleme lieber selbst zu lösen, als auch noch uns auf zu halsen. Oft initiiere ich die Gespräche darüber, dass es für mich keine Last ist, sondern immens wichtig. Beide versuchen wie mein Mann zu reagieren, klischeemäßig ausgedrückt ... wir Männer lösen unsere Probleme selbst. Doch ich sehe oft ihre nackte Angst in ihren Gesichtern, wenn es mir mal wieder schlechter geht, die nächste Untersuchung ansteht. Dann sage ich mir, DAS haben meine Jungs doch nicht verdient! Ein Leben nur geprägt von der Angst den nächsten geliebten Menschen an Krebs zu verlieren.

Norma, es gibt einfach Zeiten, wo keiner beide Schuhe tragen kann.
Wie ich für mich feststellte, dass ich manchen Weg alleine durchgehen muß, auch wenn es schön wäre, diesen starken Arm zu spüren, dieses Getragensein des Partners oder der Familie. Ich habe in all den letzten Jahren gelernt, dass es nicht immer so sein kann, sondern ich mir meine Kraft in mir selbst suchen und auch finden muß. Es ist verdammt schwer, und das eine oder andere Mal die Verzweiflung so groß, dass man nicht mehr möchte....

Norma, ich bin gerne für dich da, wenn du das möchtest. Ein Ventil zu öffnen, all die Dinge loszuwerden, die drücken und belasten, ein offenes Ohr auf der anderen Seite, das dieselben Schuhe trägt.
__________________
Jutta
_________________________________________




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  #3  
Alt 23.04.2008, 07:43
Lissi 2 Lissi 2 ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
Beiträge: 1.348
Standard AW: BEIDES zu sein ist so verdammt schwierig.

Liebe Norma,liebe Jutta,
ich möchte Euchund,möge die Kraft und der Mut den nächsten Schritt zu machen Euch nie verlassen.
LG Lissi
__________________
Wege entstehen dadurch,dass man sie geht.
Franz Kafka

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