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  #1  
Alt 28.03.2004, 15:53
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Standard vom Sterben sprechen

Hallo,
eine gute Bekannte unserer Familie ist an Magenkrebs erkrankt. Sie wurde vor 1 ½ Jahren operiert, es wurde der gesamte Magen entfernt. Damals wurden Gutachten eingeholt, ob sie ein Chemo machen sollte. Ihr wurde aber nicht mitgeteilt, dass die Ärzte sehr im Zweifel waren, ob eine Chemo überhaupt noch hilft, da sie an einer sehr aggressiven, diffusen Art leidet. Ihr Mann sagte mir erst vor kurzem, dass nur ihr Alter ( sie ist erst 46 und hat noch zwei kleine Kinder (8 und 12) den Ausschlag für die Chemo gab, ansonsten hätten alle Ärzte von einer Chemo abgeraten. Die Entscheidung über die Chemo wurde dann ihr überlassen, wohlgemerkt, ohne dass sie um ihren wirklichen Zustand wusste und alle die sie um Rat fragte auch nicht. Nur ihr Mann war eingeweiht. Sie hat sie nur sehr widerstrebend begonnen. Sie hatte aber ziemlich Angst vor den Nebenwirkungen, es war ihr auch immer sehr übel und es wurde nach dem ersten Durchgang abgebrochen. Nachdem es ihr fast ein Jahr bis Januar gut ging, brach der Krebs in Form von metasierenden Zellen dann durch. Sie bekam Wasser in Herz und Lungen. Sie hat wohl keine Schmerzen, aber wegen der Angstzustände durch die Kurzatmigkeit bekommt sie Morphium. Seit drei Wochen bekommt sie eine starke Chemo (auch vor dieser hatte sie große Befürchtungen), das Wasser in der Lunge ist auch weniger geworden (bei der letzten Punktion waren es 3 Liter), aber jetzt ist es auch in den Beinen. Dies ist die medizinische Seite. Für die Familie und die Freunde ist es sehr schwer, dass sie ihren möglichen Tod nie anspricht. Erst habe ich gedacht, es wird bewusst von ihr fern gehalten, aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher. Sie macht eigentlich alles, was man tut, wenn man es nicht wahrhaben will. Sie macht Pläne für die Kommunion des Kindes im nächsten Jahr, sie will nach China reisen, weil sie sich dort bessere Hilfe erhofft. Sie ist Chinesin und ihre Schwester ist nun da. Aber auch mit ihrer Schwester spricht sie nicht, diese ist verzweifelt und weint. Aber sie selber weint nie. Sie vermeidet jedes Gespräch, sondern schickt die Schwester schnell zu den Kindern, damit diese nicht allein sind usw. Solange sie kein Zeichen gibt, spricht es niemand an, man spricht im wahrsten Sinn nur über das Wetter. Auch ihr Mann spricht es nicht wirklich aus, er sagte nur, dass es Ernst sei. Wer hat Erfahrung mit einer solchen Situation und was kann man tun?
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  #2  
Alt 28.03.2004, 16:53
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Liebe Christine,

die Situation, die Du beschreibst, kenne ich ganz gut. Meine Mutter ist im vorletzten Januar gestorben, nachdem sie acht Monate lang gekämpft hatte. Wir haben nie darüber gesprochen, daß sie sterben könnte; wir haben auch in dieser Zeit nie über den Tod auch nur irgendwie abstrakt oder so gesprochen. Es war manchmal sehr schwer für mich, da ich sowohl die Statistiken kannte als auch den Verlauf der Krankheit schon ahnte...
Auch die Ärzte haben nicht über den Tod mit ihr gesprochen und sie wollte es auch nicht. Hat jemand von den Bekannten oder Freunden angefangen, darüber zu reden, sind wir entweder geflüchtet oder haben schnell abgelenkt. Ich denke, es war vollkommen in Ordnung.
Ja, als Angehörige hat man Ängste und man weiss nie so richtig, was man machen soll, wenn das Sterben irgendwie so nah ist. Aber nicht ich musste damit klar kommen, sondern meine Mutter. Sie war am wichtigsten in der ganzen Zeit und wenn sie sich nicht mit dem Tod beschäftgen wollte, ist das okay gewesen.
Das Verdrängen von solchen Dingen ist auch eine Möglichkeit, die schwere Situation überhaupt zu überleben und alles, was ich tun konnte, war, meiner Mutter immer wieder anzubieten, mit mir über alles zu reden, wenn sie mochte. Aber sie hat die Zeit, die ihr blieb, eben nicht mit solchen Gedanken verschwenden wollen, auch, wenn sie mit Sicherheit die ganze Zeit über die Angst vor dem Sterben mit sich herum schleppte.
Ich kann Dir keinen eindeutigen Rat geben, weil jeder anders mit der Situation umgeht. Wichtig ist es aber, daß man da ist, wenn sie reden will.
Nur nicht dazu zwingen, denn das würde keinem helfen und schon gar nicht ihr, die jede einzelne Minute mit dieser Krankheit konfrontiert ist. Ich habe alles versucht, um meiner Mutter in den letzten Monaten ein annähernd normales Leben zu ermöglichen, ohne ihr den Tod und die Krankheit vor Augen zu halten.
Am schwersten ist es für den Patienten selbst und er sollte bestimmen, wie er in dieser Zeit damit umgeht. Wir können nur zuhören und da sein....

Ganz liebe Grüsse und viel Kraft,
Sandra
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  #3  
Alt 28.03.2004, 17:45
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Kann mich Sandra nur anschließen.
Eine liebe Freundin ist an metastasierendem Brustkrebs erkrankt und es stand schon 2x auf Messers Schneide.Sie will nicht darüber reden, man muß das akzeptieren. Lies doch mal den Thread "Schwiegermutter - Gefühle sortieren" in diesem Forum, da geht es auch in einem Beitrag darum.
Ich habe viel von Elisabeth Kübler-Ross gelesen, sie schreibt auch, daß der Patient bestimmen soll, worüber geredet wird. Sie schlägt vor,das Gespräch anzubieten, z.B. "Es ist schwer für Dich, nicht wahr?"
Manche Patienten halten nur mit Verdrängung durch und wenn wir ihnen das nehmen, weil wir selber gern reden wollen, dann läuft da was falsch.
Ich bin einfach für meine Freundin da und hoffe, daß mir die rechten Worte zur rechten Zeit einfallen, wenn es mal auf das Thema kommen sollte. Vielleicht ist es aber auch so, daß man übers Sterben eher reden kann, wenn es noch ein Stück weit weg ist oder eben ganz ganz nah. Dazwischen ist soviel Hoffnung, die sollten wir nicht kaputtreden, denn sie ist für die Betroffenen einfach lebensnotwendig. Wenn ich bei ihr sitze, verdränge ich ihren Zustand auch und mache Pläne für den Sommer mit ihr, WAS DENN SONST ???

Liebe Grüße!!
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  #4  
Alt 28.03.2004, 18:21
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Liebe Christine,

Möchte mich im Grunde nur meinen beiden VorschreiberInnen anschließen.

Als Angehöriger/Begleitender ist es sehr oft unverständlich, warum ein Betroffener nicht über das Sterben, sein Krankheit reden möchte. Wenn Du Dir es vielleicht bildlich vorstellen kannst, denke, Deine gute Bekannte ist die Dirigentin für ihr Leben, sie entscheidet, wann der Takt beginnt, sprich wann und ob sie reden möchte.

Ich habe meine beste Freundin begleitet, vom Moment der Diagnose an wollte sie monatelang mit nichts mehr konfrontiert werden. Sie bat mich, die Gespräche mit ihrer Familie über ihren Zustand zu führen. Ebenso alle Arztgespräche. Sie hätte es nicht gekonnt, und wie ich es später sah, auch nicht wollte. Sie versuchte mit all der unglaublichen Hoffnung in sich, jeden Tag so zu leben, wie seither. Wir machten große Pläne, gestalteten ihren Geburtstag als würden wir diese Pläne noch alle wahrmachen.

Christine, erst als es keinen Hoffnungsschimmer mehr gab, und ihre Kraft nachließ, kam das Thema "sterben" auf, aber auch nur dann, wann sie es wollte. Sie wußte, durch meine Worte, wann immer, ich bin da, daß sie es jederzeit konnte. Und das war auch richtig so. Egal, wie sehr mir mein Herz weh tat, ich öfters gerne mit ihr darüber geredet hätte. Die restliche Zeit haben wir so verbacht, als wäre alles in Ordnung. Sie bestimmte den Takt, gab die Musik an.

Ich weiß, es ist schwer es zu akzeptieren, aber diesen Wunsch, den sollte jedermann respektieren.

Ich wünsche Euch alles Gute
liebe Grüße
Jutta
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  #5  
Alt 28.03.2004, 19:39
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Hallo liebe Christine Müller,

Du hast schon soviele gute Ratschläge bekommen, denen ich mich nur anschliessen kann. Der Patient sollte bestimmen, was er möchte....
Warum ich mich trotzdem melde, hat einen anderen Grund. Die Situation Deiner Bekannten hört sich leider schon sehr fortgeschritten an. Ich möchte dennoch etwas berichten, das ich Anfang März im Focus-Heft las. Chin. Ärzten ist es in der Tumorklinik Peking gelungen, einen angeblich fortgeschrittenen Magenkrebs innerhalb Monaten mittels GENTHERAPIE zum Verschwinden zu bringen.Sie galt danach als geheilt. Inwieweit diese Geschichte wirklich so ist???????? Da Du schriebst, sie ist Chinesin.....vielleicht bestünde ja die Möglichkeit des Kontaktes mit der Tumorklinik Peking. Nur als Option!
Alles Gute und viel Glück, Nadine
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  #6  
Alt 29.03.2004, 10:20
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Meine Mutter hat sich immer geweigert, über das Thema Tod zu sprechen und so haben wir gedacht, sie hätte das auch nie getan. Dann erzählte uns eine Nachbarin, dass sie darüber gesprochen haben. Es ist sicher richtig, die Entscheidung dem Patienten zu überlassen. Dummerweise handelt es sich oft um falsche Rücksichtnahme von Betroffenen und der Familie. Und dann sind da noch 2 Kinder, die ganz dringend wissen müssen, was los ist und wer sich nach dem Tod der Mutter um sie kümmert. Christine, ich wünsche dir so, dass du Worte findest, die der Mutter helfen, eine Entscheidung für ihre Kinder zu finden.
mit liebem Gruß
Dorothee
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  #7  
Alt 29.03.2004, 12:16
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Liebe Christine,

habe im letzten Jahr meinen Vater im Sterben begleitet. Bin von Beruf Krankenschwester und habe mich auch dadurch viel mit dem Thema Sterben befasst. Sterbende benutzen oftmal ihre eigene Sprache und teilen sich auf diesem Weg mit, der uns leider häufig nicht ersichtlich ist. Ich versuchte viel zwischen den Zeilen zu lesen und es gelang mir, jedenfalls zeitweise zu verstehen.
Wie meine Vorschreiber/innen kann ich auch nur beipflichten, immer dem Sterbenden zu überlassen, wann und ob er sprechen möchte. Mein Vater teilte sich dann aber kurz vor seinem Tod unmissverständlich mit, nämlich dann, als sich seine Hoffnungen nicht mehr auf das Diesseits, sondern auf das Jenseits richteten. Man muss einfach die Geduld aufbringen und im richtigen Moment zur Stelle sein und es aushalten können.
Manchmal ist es für Sterbende auch leichter sich fremden Personen anzuvertrauen, um ihren Angehörigen nicht zusätzlich weh zu tun. Sie spüren meistens ganz genau, wer sich diesem Thema stellen kann und wer noch nicht wirklich dazu bereit ist.
Ich hoffe deiner Bekannten und ihren Angehörigen wird es gelingen, einen gemeinsamen Weg zu finden.
Liebe Grüße
Asra
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  #8  
Alt 05.04.2004, 21:13
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Meine Mutter gilt nun als unheilbar und sie hat von sich aus die Chemo abgesetzt. Ihr geht es von Tag zu Tag schlechter. Nun hat der Arzt zu mir gesagt, wenn ich ihr etwas sagen will, dann soll ich es jetzt tun. Nun schreibt ihr alle, ich soll es ihr überlassen, ob sie reden will. Soweit ich weiß redet sie mit mir nicht und auch keinem anderen aus der Familie. Da sie unter starker Atemnot leidet, werde ich ihr natürlich kein Gespräch aufzwingen.
Nun habe ich mir überlegt, ob es wohl eine gute Idee wäre, einen Brief zu schreiben wo ich ihr sagen könnte, was mir auf dem Herzen liegt. Wenn sie mit mir nicht reden kann oder will, könnte sie diesen dann lesen wenn sie dazu bereit ist, oder halt nicht. Ich würde gerne eure Meinung dazu lesen.
Danke und liebe Grüße
Michaela
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  #9  
Alt 05.04.2004, 22:27
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Hallo Michaela,

auch meine Mutter wird seit November 2003 palliativ behandelt. Höhen und Tiefen wechseln sich ab. Meine Mutter redet zwar über ihre Krankheit, aber nicht über ihre Ängste und Gefühle. Obwohl ich für meine Eltern alles machen würde, kann auch ich über meine Gefühle nicht sprechen. Deshalb habe ich Ihnen an Weihnachten, als es ihr schlecht ging einen Brief geschrieben über meine Ängste und meine Gefühle. Habe mich bedankt für alles was sie für mich und meine Familie jemals getan haben. Es hat mich sehr viel Kraft und Tränen gekostet diesen Brief zu schreiben, aber danach fühlte ich mich richtig befreit. Bis heute wurde der Brief weder von Ihnen noch von mir erwähnt, aber ich weiß, dass sie ihn gelesen haben und bin mir sicher, dass er trotz allem auch Ihnen gut getan hat. Für mich ist es beruhigend zu wissen, dass sie jetzt meine Ängste und Gefühle kennen und auch wie sehr ich sie liebe.
Dies war meine Erfahrung, vielleicht konnte ich Dir etwas helfen.

Viele liebe Grüße
Karin
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  #10  
Alt 05.04.2004, 23:24
Trude63 Trude63 ist offline
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Liebe Michaela,
Brief schreiben halte ich für eine prima Idee, mach das. Dann kann Deine Mutter selbst entscheiden, ob sie ihn liest, ob sie mit Dir drüber redet oder was auch immer. Und Du bist diese Last los.
Ich wünsche Dir viel Kraft Trude.
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  #11  
Alt 08.04.2004, 16:29
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Danke Trude,
leider kam meine Idee zu spät. Sie ist gestern verstorben! Sie war an ihren letzten beiden Tagen auch kaum noch ansprechbar. Es ging alles sooo schnell, daß wir einfach keine Zeit hatten. Aber ich habe nun im nachhinein erfahren, daß sie mit dem Krankenhausseelsorger -ein phantastischer Mensch- viel darüber gesprochen hat und das beruhigt mich ungemein. Immerhin konnte ich ihr noch sagen, daß ich sie liebe und ich glaube, daß hat sie noch aufnehmen können.
Ich denke nun auch, daß man den Kranken nicht mit Gesprächen quälen soll. Die Körpersprache sagt einem, ob er sprechen will, das weiß ich jetzt. Ich glaube, meine Mutter konnte einfach nicht mit uns, ihren Kindern darüber sprechen, weil sie uns schützen wollte. Ich denke man muß unbedingt seine eigenen Redebedürfnisse zurückstellen, es sei denn, der Kranke andere ist bereit dazu. Für den Kranken dazusein ist wirklich das einzige, was man tun kann, so schlimm, frustrierend und quälend das auch ist!
Vielen Dank und liebe Grüße
Michaela
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  #12  
Alt 08.04.2004, 17:26
Asra
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Liebe Michaela,

ich möchte dir hiermit mein herzliches Beileid ausdrücken und hoffe, dass deine Mutter in Frieden gehen konnte.
Der Verlust eines nahestehenden Menschen ist sehr schmerzlich und noch so viele Worte können keinen wirklichen Trost spenden.
Auch ich bin davon überzeugt, dass sie aufgenommen hat was du ihr mitgeteilt hast, auch wenn es so schien, als sei sie nicht mehr ansprechbar. Der behandelnde Arzt meines Vaters sagte seinerzeit, Sterbende teilen sich auf ihre Art mit und so war es ja wohl bei deiner Mutter auch, die mit dem vertrauenswürdigen Seelsorger das Gespräch suchte.
Ich wünsche dir für die kommende schwere Zeit viel Kraft.
Liebe Grüße
Asra
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  #13  
Alt 02.06.2004, 16:47
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hallo,
gestern haben wir Jinfang beerdigt. Sie ist 46 Jahre alt geworden und hinterlässt zwei Jungen (8 und 12) und ihren Ehemann. Sie ist gestorben nach 4 Monaten , die von zunehmender Luftnot geprägt waren. Die letzten Wochen bekam sie ständig Sauerstoff, auch wenn sie für kurze Zeit zuhause war. Sie bekam Morphium, aber nicht wegen Schmerzen, sondern gegen die Angstzustände, die das Erstickungsgefühl mit sich bringt. Bis zum Schluss war sie klar, nur in den letzten paar Stunden ist sie weggedämmert. Ich habe sie am Tag vor ihrem Tod noch einmal gesehen. Sie war nur noch ein Hauch, sie ist einfach immer weniger geworden. Sie hat ihr Sterben jedoch bis zum Ende nicht akzeptiert. Noch am letzten Tag sprach sie von neure Chemo und Verlegung.Wir alle standen dabei und wussten nicht, was sagen. Jeder hat auf seine Weise versucht, Hinweise zu erhalten, ob sie vielleicht doch sprechen will. Sicher ist diese extreme Form der Verdrängung ihre einzige Möglichkeit gewesen, es zu ertragen. Sie empfnad es als großes Unrecht, so jung sterben zu müssen. Sie war sehr wütend und hat diese Wut bis zuletzt nicht überwunden. Sie hat es nicht zugelassen, sich zu verabschieden. Sie hat den Ärzten einfach nicht glauben wollen. Durch einen Zufall konnte ihre Schwester am letzten Tag ihren ältesten Sohn an ihr Bett holen, so konnte sie noch Hallo sagen und ist dann ohnmächtig geworden. Ich habe sie nie weinen sehen, ich habe das Gefühl, dass die Zurückgelassenen nun alle ihre Tränen weinen müssen. Man ist traurig, aber auch wütend, dass sie es sich und uns so schwer gemacht hat. Die Kinder sind nicht auf den möglichen Tod der Mutter vorbereitet wordén, aber sie haben sich wohl innerlich schon in den letzten Wochen verabschiedet. Sie selbst merkte die Distanz und hat einmal gesagt:"Sie brauchen mich gar nicht mehr". Das war aber nur die Folge, wie sollten die Kinder das sonst aushalten. Die Kinder sind noch so jung, aber sie hat nichts mit ihrem Mann über die Zukunft besprochen und ihnen (soviel ich weiß) auch nichts mitgegeben. Vielleicht ist das zu hart gesagt, aber ich empfinde es so.
Ich weiß nicht, ob sie mit jemand Fremden gesprochen hat. Mit der Krankenhauspsychologin jedenfalls nicht. Da ist es sehr schwer irgendwo Trost zu finden.
Vielleicht geschieht Sterben ja öfter so, aber es ist wirklich schlimm so, für den Sterbenden und die anderen, die zurückbleiben.
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  #14  
Alt 02.06.2004, 17:20
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Liebe Christine
Ich umarme dich. Sei nicht wütend, dass Jinfang nicht übers Sterben reden wollte, sie kann ja nichts dafür, dass sie sterben musste. Jeder muss wohl selber klarkommen damit.
Mein Schatz ist nur 4 Monate nach der Diagnose vor sechs Wochen 61 jährig gestorben. Dreissig Jahre waren wir zusammen und hatten noch soviel vor. In drei Monaten wäre er pensioniert worden. Über den Tod haben wir selten gesprochen, sonst wäre das Leben für ihn vermutlich unerträglich gewesen (und für mich auch). Er konnte sich auch nicht mit dem Tod versöhnen (wie auch). Da wir eine sehr glückliche Ehe geführt und das Leben eigentlich immer genossen haben, waren wir auch mit allem im Reinen. Ich weiss auch so, dass er mich immer lieben wird und was er jetzt von mir erwartet. Ich wünsch dir viel Kraft. Liebe Grüsse Barbara
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  #15  
Alt 11.06.2004, 16:05
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Liebe Mitleidenden !

Meine Mutter ist 86 Jahre alt und hat vor 25 Jahren eine Niere entfernt bekommen. Sie trank unmengen von Tee und bis zum jetzigen Auftreten ihres Blasenkrebses fühle sie sich wohl und hatte keine Schmerzen.
Nun hatte sie plötzlich Blut im Harn, eine Blasensspiegelung decke ein "Geschwür auf" und der Arzt riet sofort zur OP.
Sie war guter Dinge, ließ sich operieren. Zuerst teilte man ihr mit, man hätte die Blase erhalten können, aber nach 3 Tagen "kolabierte" diese und sie bekam einen künstlichen Ausgang von ihrer einzigen Niere.
Das hat sie ziemlich seelisch mitgenommen. Der Artr setze viele Medikamente ab, es blieben ihr nur 2 Blutdruckmittel und 1 Herzmittel (Klappenschinsuffizienz).
Ich schickt ihr, da räumlich von ihr entfernt, eine Sozialarbeiterin, die sich um ihre seelischen
Sorgen annahm.
Letzlich konnte sie wieder ein paar Schritte alleine gehen und der Arzt befürwortete eine Entlassung nach Hause. Meine Mutter bewohn alleine ein Haus mit Garten und es gibt keine Angehörigen die sie intensiv pflegen könnten.
Jetzt war für mich der Zeitpunkt gekommen, mich ins Auto zu setzen und zu ihr zu fahren.
Inzwischen hatte ich erfahren, dass Mamma ein aggresives Karzinom hatte, das bereits alle Lymphknoten bis in die Halsregion befallen sind und dass auch blutmäßig streut! Niemand sagte ihr die "Wahrheit".
Meine Mutter ist eine Frau, die sehr geradlinig ist und ziemlich hart und konsequent zu sich selbst, so hat sie mich auch erzogen.
Nach RÜCKSPRACHE mit unserer Pastorin, die sich schon mit "Sterbebegleitung" befasst hat, und Bestätigung ihrerseits, dass ein Patient das RECHT hat seine Diagnose zu erfahren, beschloss ich ihr die Prognose und die Diagnose mitzuteilen.
Ich weinte, sie legte Gelassenheit an den Tag.
Sie meinte, sie hätte ihr Leben ja schon gelebt und ohnehin 25 Jahre geschenkt bekommen.
Ich hatte von der Caritas inzwischen eine HOSPIZ-Begleiterin kontaktiert, und bot Mutter an, diesen Dienst in Anspruch zu nehmen. Sie willigte sofort ein, denn, so sagte sie, sie würde schon jemanden zum REDEN brauchen.
Ihre RATIO hatte die Endlichkeit ihres Lebens akzeptiert, aber ihr GEFÜHL beiweitem noch nicht !
Wem würde es da anders gehen? Wenn es "ernst" wird, sind die Stadien, nach Kübler-Ross
1.)Verweigerung
2.)Aggression
3.)Depression
4.)Akzeptanz
Ich hatte zuvor in einer Woche 3 Bücher über Sterbebegleitung gelesen, weil auch ich nicht weiß, was tun, was reden,wann schweigen etc.
Mutters Verweigerung klang so
" Na ja, ich werde mich "entscheiden" was ich
tun werde " - so als ob sie noch "alles in der
Hand" hätte
Ihre Agression bekam ich auch zu spüren
.... sie wieß mich zurecht, als ich alles putzte,
Teppiche wegräumte die Stolperfallen darstellten und ihr einen Vertreter bestellte, der elektrische Dekubitusmatratzen ( gegen Wundliegen ) mit Luftkammern verkauft.
Sie warf mir vor " Diese Matratze hast Du mir aufoktruiert !" . Ich nahm das alles hin, und die Tränen flossen - nicht aber bei Mamma.
Wir fuhren gemeinsam in die Kirche zum Abendmahl, ich bat ihren Pfarrer sie zu besuchen. Sie nahm an.
´Gott sei Dank - die Hoszipbegleiterin von der Caritas war ihr sofort sympatisch - und sie sagte ihr, dass sie froh wäre "darüber" sprechen zu können. Sie meinte, bei meinem Vater hätten Sie jemanden zum Reden gesucht, aber nicht gefunden.

Jeder Mensch, so stand es in den Büchern, stirbt nach der ihm eigenen Art, wie er zuvor gelebt hat.
Es gibt keine Regeln !
Ich musste mit meiner Mutter aber offen darüber reden, weil ich sie, nun umgeben von organisierten Diplompersonal, dass 2x täglich kommt um das Harnsäckchen zu wechseln - sowie Essen auf Rädern und 3x wöchentlichen Reinigunsdienst - alleine lassen muss!
Sie hat zu mir nie eine warme Beziehung gepflegt, leider,immer wieder hat sie die Hand die ich nach ihr ausgestreckt habe zurückgewiesen und "gebissen". Ich habe sehr darunter gelitten, mein ganzes Leben lang, ich hätte so gerne eine liebevolle Mutter gehabt, zum liebhaben und kuscheln und zum verwöhnen - aber sie war eben anders!
In einem Buch über das Sterben habe ich
5 REGELN für den Begleiter und den Sterbenden gefunden
1.) Ich verzeihe Dir
2.) Verzeihe Du mir
3.) Ich danke Dir
4.) Ich habe Dich lieb
5.) Lebe wohl !
Instinktiv habe ich nach diesen Punkten gehandelt, ich rufe sie jeden Abend an und frage nach ihrem Tag. In 2 Wochen fahre ich für 2 Monate auf die Azoren - und bin dann nicht mehr unmittelbar abrufbar und erreichbar.
Wir haben darüber gesprochen, dass ich sie vielleicht ein "letztes Mal" sehe, und ich habe Sie gebeten mir zu sagen was sie fühlt und sich mit mir auszusprechen.
Zaghaft kam ein Gefühl zu mir, um sich dann sofort wieder zu verschließen. Wir haben beim Abschied geweint - ich habe gesagt " Wir sehen uns im Himmel wieder " - sie hat gesagt " Das ist meine einzige Hoffnung !"
Niemand weiß wie lange "es" dauern wird, ich hoffe ich sehe sie im September wieder, dann fahre ich wieder zu ihr.

Es ist schon so, dass es einem das Herz bricht - wir alle haben nicht mehr gelernt mit den Tod umzugehen. Wir haben eine schreckliche Sterbekultur, besser gesagt, gar keine.
Nur langsam bringen Hospize die Menschen wieder dorthin, das Sterben in ihren Lebensalltag zu integrieren. Nur wer sich dessen bewußt ist, lebt ein reiches und dankbares Leben.
Es ist das einzige, was uns wirklich sicher ist - der Tod! Wir wollen nicht davon wissen, verdrängen und ignorieren.
Ich werde mich weiterhin mit diesem Thema befassen, und versuchen, Menschen, wenn diese in die Endphase ihres Lebens kommen, zu unterstützen.
Ich muss noch viel "lernen" - und bin noch lange nicht soweit Sterbende zu begleiten, schließlich kann ich nicht immer in Tränen aufgelöst und Worte verschluckend eine Hilfe sein.
Ich kann nur allen empfehlen, in einer Leihbibliothek Bücher über das Sterben zu leihen, das hilft enorm, und ich bin drauf gekommen, dass es sehr viel Literatur gibt, nicht nur von Kübler-Ross.
Ich wünsche Euch allen sehr viel Kraft und Liebe und die richtigen Worte zur richtigen Zeit, auch das Schweigen wenn es notwendig ist. Sterbende brauchen unsere Hilfe, Geborgenheit und Ruhe, um würdevoll gehen zu können - und wir alle haben eine Verantwortung für unsere Familienmitglieder und Freunde.
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