Angst wie damit umgehen?

[bugatti]

Hallo,

wie haltet ihr es aus, jeden Tag damit rechnen zu müssen, daß der Partner
stirbt.

Der Angehörige soll den Patienten ja immer positiv aufbauend anreden usw.
Das schaffe ich einfach nicht mehr immer.

Die Angst macht mich körperlich und seelisch fertig.

Bitte um Hinweise, wie ihr die Situation bewältigt.

Gruß bugatti

[stellina]

grüß dich bugatti,
mit angst umzugehen ist wohl eine der schwierigsten übungen. jeder versucht es wohl anders.
bei mir war es der glaube. ich konnte mich einlassen auf den gedanken, daß nichts geschehen wird, was nicht sein soll. warum was wie ist, hinterfrage ich schon lange nicht mehr, weil sinnlos. ich hätte diese schlimmste zeit niemals durch gestanden, wenn ich nicht den glauben an eine höhere macht hätte.
ich mußte hinnehmen, was mir da widerfahren ist. eine andere option hatte ich persönlich nicht.
es tut mir sehr leid, daß du solche ängste um deine frau aushalten mußt, aber du wirst es hinkriegen. jeden tag aufs neue ist die nötige kraft da. oder kannst du mit deiner frau über das thema abschied reden?
ich wünsche dir von herzen einen gnädigen weg mit deiner partnerin. liebe grüße, tina.

[IreenS]

Hallo Bugatti,

ich denke es ist auch ganz wichtig das Gefühl zu vermitteln, dass man einfach da ist.
Mein Mann konnte den Gedanken allein zu sein schon nicht ertragen.
Es war mitunter sehr schwierig, aber es ging doch.
Irgendwie bekommt man es auf die Reihe.
Da bleiben eben andere Sachen einfach liegen, macht doch nichts.

Nähe und Verständnis vermitteln, es ist ganz wichtig.
Letzten endes auch für dich.

Dir könnten vielleicht auch Bachblüten in dieser schlimmen Zeit helfen.
Für mich waren sie sehr wertvoll - auch manchmal jetzt noch.
Sie schaden nicht, sie schränken nicht ein.
Hier ist mal ein Link dazu : http://www.bach-blueten-therapie.de/

Vergiss dich nicht,
ich weiß aber auch, wie schwierig das ist


Ireen

[bugatti]

hallo stellina,
hallo IreenS

meine Frau ist 57 Jahre alt. (jung).

man bastelt sich ja immer so neue Hoffnungen: wenn dies oder jenes passiert dann geht es wieder aufwärts......diese oder jene Behandlung anschlägt dann geht es wieder aufwärts......

dann habe ich (leider) diese Woche mit dem Arzt telefoniert, der mich am Telefon so fertig gemacht-noch ein zwei Wochen mehr nicht.

ich habe schon körperliche Probleme und müßte selbst zum Arzt gehen. Die Situation ist einfach unerträglich für mich. Dazu kommt das ich praktisch mit niemanden sprechen kann.

hier habe ich wenigstens etwas Kontakt mit Leuten, die die Situation verstehen.

liebe Grüsse bugatti

[stellina]

lieber bugatti,
versuche, die zeit, die euch im hier und jetzt noch bleibt, so innig und intensiv wie möglich zu leben. es ist auch für dich wichtig, daß nichts offen bleibt. ich weiß, in welchem zustand man selbst ist, ging mir nicht anders. für alles, was dich betrifft, ist auch danach noch zeit. halte durch, zumal das letzte stück weg offenbar nur noch sehr kurz ist.
es gibt nichts anderes, als den anderen in liebe gehen zu lassen, wenn seine zeit gekommen ist. auch danach bist du hier gut aufgehoben. wenigstens virtuell können wir versuchen, dir beizustehen.
alles liebe wünsche ich dir auf diesem schweren weg, tina.

[bugatti]

Danke!

[kedi711]

Hallo,

mir haben damals die Schwestern gesagt, dass man auch Gefühle zulassen soll. Auch ruhig mal zusammen weinen.

Wünsch dir noch ganz viel kraft. Du schaffst das. Glaub mir, hätte auch nie gedacht das mein Körper so viel aushält. Deine Zeit zum ausruhen kommt noch...

Alles liebe, Kerstin

[Stefans]

Hallo,

Zitat von bugatti

wie haltet ihr es aus, jeden Tag damit rechnen zu müssen, daß der Partner stirbt.

Meine Frau, mit der ich über 20 Jahre zusammen war, ist am 3.01.09 an Krebs verstorben. Wir wussten schon ein Vierteljahr vorher (nach der wegen Erfolglosigkeit abgebrochenen Chemo), dass sie sterben muss. Nur nicht, wann...

Wie ich das ausgehalten habe? "Gar nicht", würde ich spontan sagen. Oder besser: daran habe ich nicht gedacht, weil immer so viel Praktisches zu tun war. Erst, meine Frau in der Klinik zu unterstützen. Dann, sie trotz aller bürokratischen Hindernisse aus der Klinik rauszuholen, weil sie Zuhause sterben wollte. Und als sie dann Zuhause war, war gar keine Zeit mehr. Um 6, 12, 18 und 0 Uhr Medikamente verabreichen, Infusionen machen usw., zwischendurch immer mal wieder nach ihr sehen. Täglich mit Pflegedienst und Hausärztin reden, Besuch von Freunden und Familie managen, mehrmals täglich im "Notfall" (Handy klingelt, meine Frau ruft an) einschreiten. Sie waschen, betten, Kleidung wechseln, Bettpfanne bringen, usw. Nachts bei ihr sitzen, weil sie Albträume hat; oder, weil sie wegen der hohen Morphiumdosis nicht mehr ganz klar im Kopf ist.

Das klingt vielleicht herzlos. Aber in der Situation war gar keine Zeit mehr, Angst zu haben. Ich war froh, wenn ich ab und zu mal ein paar Stunden schlafen konnte. Ohne die Freunde, die in der Zeit fast immer hier waren, wäre ich selbst nach kurzer Zeit zusammengebrochen. Nicht wegen der Arbeit, die meine Frau verursacht hat. Sondern, weil ich niemals Zeit für mich hatte. Ich war durch sie dauernd ans Haus gefesselt und immer "in Bereitschaft". Gar nicht daran zu denken, mal mit dem Hund Gassi zu gehen, geschweige denn zum Einkaufen in die Stadt.

Im nachhinein habe ich mir lange Zeit Vorwürfe gemacht, weil ich in der Zeit so im Stress war - und das Freundliche, Liebevolle im Umgang mit meiner Frau (so wie man sich das im Idealfall vorstellt) deshalb einfach viel zu kurz gekommen ist. Aber andererseits ging es meiner Frau auch so schlecht, dass sie über alles "positiv Aufbauende" sicher nur bitter gelacht hätte - wenn sie denn noch die Kraft dafür hätte aufbringen können.

Meine Frau war nur ein paar Wochen vor ihrem Tod Zuhause. Sie hat Weihnachten noch Zuhause erlebt, Hund, Katze, Familie und gute Freunde gesehen. Und dann konnte sie in Frieden gehen. Liebevoll, positiv und aufbauend war diese letzte Zeit nicht. Am ehesten noch die Nacht, in der sie früh morgens gestorben ist, wo ich mit dem Hund bei ihr war, weil ich schon gespürt habe, dass es nun zu Ende geht.

Das Positive bleibt im Alltag sehr schnell auf der Strecke, wenn man als Angehöriger rund um die Uhr verfügbar sein muss. Und dem über alles geliebten Menschen, der bis vor kurzem noch eine starke und unabhängige Persönlichkeit war, ein paarmal am Tag die Windeln wechseln muss. Und man weiss, dass es bald mit ihm vorbei ist...

Der Angehörige soll den Patienten ja immer positiv aufbauend anreden usw. Das schaffe ich einfach nicht mehr immer. Die Angst macht mich körperlich und seelisch fertig.

Das schafft niemand, und deine Probleme sind völlig normal. Meine Frau war vor ihrem Tod nur wenige Wochen hier Zuhause, und ich habe schnell gemerkt, dass ich damit völlig überfordert bin.

Deshalb fällt mir als Rat nur ein, dass du dir schnell Hilfe von aussen suchen solltest. Ob Freunde, Pflegedienst, Hausarzt, ambulanter Hospizdienst, oder sogar eine privat bezahlte Teilzeit-Pflegekraft (wenn das Geld dafür reicht). Mobilisiere alles, was du kannst, um dich zu entlasten. Das schlimmste, was deiner Frau passieren kann, ist, dass du wegen Überlastung krank wirst und dich gar nicht mehr um sie kümmern kannst. Je mehr du an Routine-Aufgaben der Pflege andere delegieren kannst, desto mehr kannst du emotional für deine Frau da sein.

Viele Grüße,
Stefan

[bugatti]

Hallo,

vielen Dank an alle, die geantwortet haben (einschl. von privaten emails).
Ich bitte um Verständnis, daß ich nicht alles sofort beantworten kann.

@Stefans: ich werde Hilfe mobilisieren und hatte schon ein sehr hilfreiches Gespräch mit einer Schwester eines palliativen Dienstes.

Im übigen : die Hoffnung stirbt zuletzt.

p.s.
Mein Schwager sollte lt. Arzt noch ein halbes Jahr zu leben haben. Das ist jetzt 2 Jahre und 6 Monate her.

viele Grüsse bugatti

[bugatti]

@ all

meine geliebte Frau ist heute gestorben.

vielen Dank an alle, die mir mit Rat zur Seite standen.

Auf Wiedersehen..................

[mahanuala]

lieber bugatti

ich möchte dir mein mitgefühl ausdrücken.
ich wünsche dir, daß du diese zeit gut bewältigen kannst



liebe grüße
mahanuala

[IreenS]

Mein aufrichtiges Beileid zum Heimgang deiner lieben Frau.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.....


- lass deine Trauer zu
- lass deine Tränen zu,
jede nimmt etwas deiner Trauer mit.
- und eines Tages wird es dir wieder besser gehen.

Alles Gute für dich

ich zünde eine Kerze an für euch

Ireen