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  #1  
Alt 03.10.2009, 20:55
Benutzerbild von Kerstin26
Kerstin26 Kerstin26 ist offline
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Standard Es ist unerträglich!

Liebe Forumsmitglieder,
ich habe mich hier vor zwei Jahren angemeldet, als wir erfuhren, dass mein Vater - und auch gleichzeitig mein bester Freund - an Lungenkrebs erkrankt ist.
Ich las viel und suchte mir gezielt Themen aus, in denen die Krankheit besiegt wurde. Nachdem ich mich lange damit beschäftigt hatte, entschloss ich aber auch, dass die Krankheit uns nicht beherrschen darf.
Ich stand meinem Papa immer bei und war bei allen Behandlungen dabei, aber gleichzeitig lenkte ich immer im vom Thema ab und wollte ihn auf andere Gedanken bringen.
Ich versuchte es einfach zu verdrängen und redete mir ein, dass alles wieder gut wird...

Leider wurde bei der Behandlung alles verpfuscht, was es zu verpfuschen gab... Während der Bestrahlung des Bronchialkarzinoms wurde leider übersehen, dass mein Vater eine Lungenentzündung hatte und so "platzte" regelrecht die Lunge - leider der gesunde Lungenflügel. Nachdem sie ihn im Krankenhaus 3 Wochen liegen ließen, wurde er erst operiert.
Seitdem ist eine operative Entfernung des Tumors nicht mehr möglich. Die Chemotherapien haben nicht angeschlagen und mittlerweile ist der restliche Teil der Lunge mit Emphysemen voll und es sind Metastasen an den Lymphdrüsen da.

Seit 3-4 Wochen baut er nun gewaltig ab und isst nur noch unregelmäßig ein bißchen. Er kann kaum noch sprechen weil ihm dazu die Luft fehlt.

Da er nicht mehr ins Krankenhaus will und wir dies auch nachvollziehen können, pflegen wir ihn 24 Stunden daheim (meine Mom und ich).
Er ist mittlerweile zu schwach um sich aufzusetzen oder sich umzudrehen.
Nachdem wir diese Woche im Krankenhaus bei seiner behandelnden Oberärztin anriefen, ob wir vielleicht Mediamente oder Tipps bekommen könnten, wie wir es ihm erleichtern könnten, bekamen wir nur die Antwort, dass sie etwas besseres zu tun hätte und noch andere Patienten hätte und wir uns gefälligst damit abfinden sollen, dass man nichts mehr tun kann...

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal denken würde, dass ich mir wünsche, dass er endlich in Frieden einschlafen könnte. Aber momentan ist der Punkt erreicht, an dem wir ausgepowert sind und nur noch funktionieren.

Ich bin Gott sei Dank im April diesen Jahres wieder heimgezogen und bin also immer vor Ort.

Meine Mutter ist herzkrank und ich habe soviel Angst, dass sie das nicht übersteht.
Das Herz meines Vaters ist dagegen wie das eines 25jährigen! Das ist auch der Grund, warum er so lange aushält - Fluch oder Segen...

Seit 3 Wochen haben wir hier einen regelrechten "Tourismus" - jeder kommt und will sich verabschieden. Es ist nicht auszuhalten. Heute kam seine Schwester angereist.
Die letzten zwei Jahre kam niemand...
Aber da mein Vater alle noch einmal sehen, kann ich nichts dagegen machen (auch wenn ich mich manchmal frage "wo seid ihr die letzten 2 Jahre gewesen?")

Niemand, der so etwas noch nicht durchgemacht hat, kann nachvollziehen, wie sehr dies nervlich anstrengt.
Tagsüber bin ich stark und ruhig - für meine Eltern. Aber abends alleine im Bett überwältigt es mich immer öfter.

Ich will ihn nicht gehen lassen, aber ich will, dass dies alles ein Ende hat.

Sorry, ich wollte es mir einfach mal von der Seele schreiben. Ihr wisst, wie das ist...
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  #2  
Alt 03.10.2009, 21:56
Benutzerbild von honeybunny1012
honeybunny1012 honeybunny1012 ist offline
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Standard AW: Es ist unerträglich!

Hallo liebe Kerstin,

es tut mir sehr leid das es deinem Papa so schlecht geht....erst recht durch die Umstände, die im Krankenhaus herrschten....einfach unbegreiflich......die Aussage von der Oberärztin ist sowieso das allerletzte!!!!!!!!!!! Da werd ich grün vor Wut..........
Ich kann dich nur allzu gut verstehen, da wir mit meiner Schwiegermama das Gleiche durchmachen (fing vor 8 Jahren mit BK an, jetzt Metas in den Lympfdrüsen und in der Lunge....) und immer versucht man es so gut wie möglich zu verdrängen....bis das Unausweichliche näher und näher kommt.....Meine SchwieMu isst seit ca. 2 Monaten fast nichts mehr und hat seit gut einem Monat Sauerstoff, weil sie fast keine Luft mehr bekommt. Jetzt ist sie im KH, heute sagten die Ärzte meiner Schwägerin das sie nichts mehr für sie tun können, sie hat enorm viel Wasser in der Lunge, es kann nicht mehr punktiert werden....ich weiß nicht, wie lange sie es noch durchhält....wir beten schon täglich, dass sie endlich gehen darf und keine Schmerzen mehr ertragen muss......ich kann dich sooooo gut verstehen.....
Und wenn ich an die ganzen Menschen denke, die sich nach und nach verabschieden kommen....das kennen wir auch zu Genüge ! Oft hätte ich gerne dem einen oder anderen die Türe vor der Nase zugeknallt....in den letzten zwei Wochen hatte meine SchwieMu allerdings keine Lust mehr jemanden zu sehen.....

Ich ziehe meinen Hut vor dir und deiner Mam, dass ihr euch zuhause so liebevoll um deinen Papa kümmert......das erfordert sehr, sehr viel Kraft....ich wünsche dir, dass dein Papa auch bald loslassen kann und in Frieden gehen darf.....es ist unerträglich zuzusehen, wie ein geliebter Mensch so leiden muss....ich schicke dir und deiner Mam ein riesen Kraftpaket und wünsche deinem Papa das er ohne Schmerzen einschlafen darf......

Alles Liebe von Gitti
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  #3  
Alt 03.10.2009, 22:13
Benutzerbild von Kerstin26
Kerstin26 Kerstin26 ist offline
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Standard AW: Es ist unerträglich!

Liebe Gitti,
vielen lieben Dank für deine lieben Worte.
Es tut so gut, verstanden zu werden.
Und es tut gut, zu hören, dass andere das gleiche Schicksal erleiden, auch wenn es mich unendlich traurig macht, dass auch andere so leiden müssen.
Ich drücke auch euch aus der Ferne und wünsche, dass es alle schnell hinter sich haben!

Ich konnte zwei Jahre nicht weinen. Zwei Jahre habe ich viel gelesen und sah es fast als "Außenstehender". Als die Diagnose kam, war es, als wäre mein Papa das erste Mal gestorben. Und ich dachte, ich hätte mich innerlich schon etwas damit abgefunden.

Aber nun könnte ich den ganzen Tag weinen und kämpfe nur, dass ich vor meinen Eltern immer stark bin.

Ich habe gerade etliche Medikamenten-Namen aus dem Internet gesucht und werde damit am Montag die Ärzte konfrontieren.
Ich weiß, dass es nichts bringt, aber ich will einfach alles versuchen.

Am Mittwoch waren meine Mutter und ich so weit, dass wir einen Krankenwagen holen wollten. Wir haben immer Angst, dass er erstickt. Aber er wollte es nicht und wir akzeptieren es.

Eine Freundin von mir sagte neulich, ich müsse endlich lernen, weinen zu können - jetzt kann ich es und fühle mich auch nicht besser.
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  #4  
Alt 03.10.2009, 22:24
Benutzerbild von honeybunny1012
honeybunny1012 honeybunny1012 ist offline
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Standard AW: Es ist unerträglich!

Liebe Kerstin,

schön, dass dir meine Zeilen gut getan haben.....mir ist es auch immer besser gegangen wenn ich mir alles von der Seele geschrieben habe....und wenn man liebe Antworten bekommt, ist das zusätzlich schön....
Ja, ich kenne auch das....man steht irgendwie "daneben" und glaubt immer es wird wieder gut....niemals glaubt man, dass der geliebte Mensch bald sterben kann.......wenn es dann allerdings so nahe kommt, muss man sich damit befassen und ist dann wie vor den Kopf gestossen (auch bei uns, wo der Kampf schon sooo lange dauert)
Hat dein Papa eigentlich ein Sauerstoffgerät, damit ihm das atmen ein bisschen leichter fällt ? Bei meiner SchwieMu hat es anfangs gut geholfen.
Das schlimmste für uns Angehörige ist glaub ich - wie du schreibst, dein Papa wäre fast erstickt.....wenn die Luft weg bleibt und man schon regelrecht selber mitatmet....und man kann NICHTS tun....

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  #5  
Alt 03.10.2009, 22:30
Benutzerbild von Chrigissi
Chrigissi Chrigissi ist offline
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Standard AW: Es ist unerträglich!

Liebe Kerstin!
Auch ich kann gut nachvollziehen wie es Euch geht.
Man denkt, jetzt ist es genug, aber es geht immer weiter.
Bei mir liegen die Nerven momentan auch blank, obwohl wir einen ganz guten Befund haben.
Das nicht mehr alles können bei meiner Schwester, macht sie fertig.
Das überträgt sich natürlich auch auf mich. Und das ist die Schwierigkeit.
Wie geht man damit um? Im Moment schaffe ich es nicht damit klar zu kommen.
Ich drücke Euch die Daumen, daß alles für Euch nicht mehr so schwer ist und Deine Mom keinen Schaden nimmt.
Lieben Gruß: Christine
__________________
Wirklich trösten kann nur,
Wer selbst durch Leid gebeugt wurde.
Annegret Kronenberg
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  #6  
Alt 03.10.2009, 22:40
Benutzerbild von Kerstin26
Kerstin26 Kerstin26 ist offline
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Standard AW: Es ist unerträglich!

Ein Sauerstoffgerät hat er schon seit 1,5 Jahren. Es hat ihm anfangs gut geholfen, aber jetzt leider nicht mehr.
Das schlimmste ist die Schwäche, die einfach aus der Atemlosigkeit und der fehlende Nahrungsaufnahme resultiert.

Christine, es tut mir leid, dass du auch "zum Club gehörst"!
Aber ich merke gerade, dass wir nicht alleine sind!

Das schlimme ist irgendwie, dass ich immer allen anderen helfen kann, nur bei mir fällt es schwer...

Meine Mutter sagte gestern zu mir, sie hätte soviel Angst vor DEM Moment und ich meinte "ich auch, aber im schlimmsten sind wir jetzt gerade drin und wir werden auch das schaffen".
__________________
Liebe Grüße,
Kerstin
_____________________________________
Papa: Diagnose Bronchialkarzinom 21.12.2007
T3N2M0
gestorben am 15.10.2009 um 11.37 Uhr
_____________________________________
Denn es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, das uns verbraucht und zerstört wie die Handvoll Sand, sondern als etwas, das uns vollendet.
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
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  #7  
Alt 03.10.2009, 23:01
Heike44 Heike44 ist offline
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Ort: bei Würzburg
Beiträge: 139
Standard AW: Es ist unerträglich!

Ich kann dich sehr gut verstehen.
Mir geht es auch so und ich habe auch immer öfters so Gedanken, für die ich mich hinterher schäme. Im Moment gehts meinem Mann ganz gut und trotzdem bin ich irgendwie total ausgepauert.
So wie Du sagst , auch ich bin seit 1,5 Jahren alleine , obwohl es genug Verwandte gäbe....
Gut , das ich die Knder habe und die schon recht groß sind.
Halte durch.
Grüße Heike
__________________



Liebe Grüße Heike


Mein Mann Jürgen ( 52)
AML M 2 - 18.04.2008 - Remission nach 4 Chemoblöcken am 02.12.2008 - Rezidiv 20.03.2009 - allogene SZT 30.04.2009 - Rezidiv 10.08.2009 - 24.08.2009 Chemo und T-Zellengabe - 05.06.2010 Rezidiv- 09.06.2010 Chemo und T-Zellen - 14.07.10 Rezidiv - 11.08.10 zweite SZT - 18.12.2010 Remission
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