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  #1  
Alt 20.10.2005, 17:12
ElkeHH ElkeHH ist offline
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Beiträge: 11
Standard Ausweglose Diagnose verkraften?

Hallo,

wie haben Eure Lieben eine ausweglose Diagnose verkraftet?

Wir wissen nicht mehr weiter, wie wir unserem Vater helfen können. Im Juni wurde bei meinem Vater Speiseröhrenkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Es wurden sehr viele Untersuchungen gemacht, weil man sich nicht darüber klar wurde, ob bereits Metastasen vorhanden sind, oder nicht.

Schließlich entschieden sich die Ärzte für eine sehr aggressive Chemo- mit gleichzeitiger Strahlentherapie. Anschließend wieder alle Untersuchungen und auch hier wieder der Ver- dacht, dass doch Metastasen vorhanden sein könnten.

Da die Therapie im Bereich der Speiseröhre sehr gut funktioniert hat, entschied man sich nun doch zu einer Operation – immer mit dem Hinweis, dass eine Operation abgebrochen wird, wenn sich der Metastasenverdacht doch noch bestätigen sollte. Leider ist genau dies während der OP eingetreten. Es wurden Mikrometastasen – kleiner als Stecknadelköpfe – im Bereich des kleinen Beckens gefunden. Diese waren noch nicht mit dem Auge zu sehen und konnten deshalb vorher durch keine Untersuchung festgestellt werden. Genauere Untersuchungen haben dann noch ergeben, dass diese Metastasen zwar auf die Chemotherapie reagiert haben, aber nicht vollständig vernichtet werden konnten. Zur Zeit sollen nur minimale Tumorreste vorhanden sein. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann der Krebs wieder angreifen wird.

Die Situation ist jetzt so, dass zur Zeit keine weitere Behandlung stattfindet, weil eine weitere Chemo- oder Strahlentherapie ihm zum jetzigen Zeitpunkt mehr Schaden als Nützen würde. Man will erst dann einen weiteren Therapieplan erarbeiten, wenn feststeht, wie und in welchem Zeitraum der Krebs wieder wächst. Wie und wann das der Fall sein wird kann niemand sagen.

Obwohl die Chemo- und Strahlentherapie sehr hart war, hatte sich mein Vater anschließend wieder sehr gut erholt. Zur Zeit ist er noch im Krankenhaus, da auch die nicht komplett durchgeführte Operation (der Bauch wurde von oben bis unten aufgeschnitten) zu Komplikationen geführt hat. Er hat eine Lungenentzündung, es geht ihm aber heute schon etwas besser. Wir hoffen, dass das alles wieder in „Ordnung“ kommt. Mehr Sorgen macht uns zum jetzigen Zeitpunkt aber der seelische Zustand unseres Vaters. Wir wissen nicht mehr, wie wir an ihn herankommen können. Er verweigert sich, möchte keine Hilfe und wird von Tag zu Tag verschlossener. Vom Krankenhaus wurde psychologische Hilfe angeboten, diese lehnt er aber ab. Mein Vater hat einen sehr guten Freundeskreis, der ihm und auch uns zur Seite steht, was in solchen Situationen nicht selbstverständlich ist. Aber auch seine zwei besten Freunde kommen zur Zeit nicht an ihn heran. Wir haben alle dieses ohnmächtige Gefühl, ihm einfach nicht helfen zu können. Was ja leider auch so ist. Bestimmt kennt ihr dieses Gefühl selber. Kann mir vielleicht trotzdem jemand sagen, was vielleicht bei seinen Lieben geholfen hat?

Liebe Grüße Elke
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  #2  
Alt 21.10.2005, 15:08
FridaB FridaB ist offline
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Registriert seit: 25.09.2005
Beiträge: 28
Standard AW: Ausweglose Diagnose verkraften?

Hallo Elke,

wie du schon selbst sagst, helfen kannst du nicht aber du kannst für deinen Vater da sein. Das kann heißen nur still im Zimmer zu sitzen oder ihm seine lieblings Getränke zu bringen. Von deinen Erlebnissen im alltag zu erzählen oder ähnliches.

Dräng ihn zu nichts, gib ihm nur das Gefühl, das jemand da ist wenn er reden möchte und akzeptiere, wenn er es nicht möchte. Es geht um sein Leben, vielleicht möchte er alles mit sich ausmachen und euch nicht belasten. Oder er möchte nicht bemitleidet werden. Vielleicht ist er selbst aber auch einfach nur Sprachlos. Jeder Mensch reagiert da anders und es gibt kein richtig oder falsch. Unterstütze ihn auf seinem Weg.

Es gibt sehr gute Bücher für Angehörige, mit vielen Tipps. Schau mal unter Ladinas Buchtipps.

Wichtig wäre vielleicht, das du jemanden findest mit dem du sprechen kannst. Die Arbeiter Wohlfahrt zum Beispiel und andere Organisationen bieten Gespräche für Patienten und auch für Angehörge an. Wenn du mit jemandem sprechen kannst, der schon viele Patienten begleitet hat und der dir Tipps geben kann, fühlst du dich bestimmt sicherer. Schau mal in die gelben Seiten. Mit dem Seelsorger vom Krankenhaus kannst du natürlich auch sprechen.

Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute.

Lieben Gruß

FridaB
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  #3  
Alt 22.10.2005, 19:38
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Registriert seit: 30.10.2002
Ort: Norddeutschland
Beiträge: 155
Standard AW: Ausweglose Diagnose verkraften?

Hallo Elke,

ich denke wenn Dein Vater sich (erstmal?) zurückzieht dann kannst Du da nicht viel machen, ausser eben da sein für ihn, so wie Frida es schon gesagt hat.

Mein Vater war lebenslang ein Verdränger bei Poblemen aller Art. Letztes Jahr im Juni ist er gestorben. In den zwei noch "guten" Jahren nach seiner Diagnose hat er sich so wenig wie möglich damit beschäftigt, hat sofern es immer möglich war so getan als wäre nix.... zumindest nach aussen hin. Wollte nach eigener Aussage nicht mal dran denken. Schliesslich kam eine OP wegen Darmkrebs-Rezidiv, dann gab es Komplikationen und er lag wochenlang bis zu seinem Tod auf der Intensiv. Da er beatmet wurde konnte er nicht mehr sprechen, oft war auch unklar wie "wach" oder bei Bewusstsein er war. Die Ärzte und Pfleger haben aber mehrfach berichtet dass er sich verweigerte, z.B. beim Zähneputzen (durchaus wach) den Mund nicht öffnete und den Kopf schüttelte. Er hasste übrigends auch immer Ärzte und Krankenhäuser, bzw. hatte immer Angst davor, fast nie zum Zahnarzt usw. Eine Schwester kam dann mal auf die Idee ihm die Zahnbürste in die Hand zu drücken und nur zu helfen, da machte er plötzlich mit. Was da auch immer sein Grund war, vielleicht wollte er sich in der entsetzlichen Hilflosigkeit diese kleine Eigenständigkeit bewahren.... Im Beisein der Ärzte schloss er oft die Augen, weigerte sich zu kucken oder zu erkennen zu geben dass er verstand, so empfanden sie es zumindest offenbar bei einigen Visiten. Wenn wir da waren (seine Frau oder ich) schlief er oft, aber mit der Zeit dachten wir auch manchmal dass er nur die Augen nicht öffnen wollte. Ich nehme an, es hat Zeiten gegeben wo er einfach nicht bei Bewusstsein war (schlechte Leberwerte, Lungenentzündungen, die Medikamente, all sowas) und auch Zeiten wo er sich einfach in sich selbst zurück zog, oder wohin auch immer..... Und da standen wir dann alle am Bett und zerrten an ihm, die Ärzte, wie, alle sagten "komm zurück, mach mit"... manchmal denke ich jetzt vielleicht konnte und wollte er nicht mehr.

Es ist so unendlich schwer daneben zu stehen und nicht loszulassen und zu bitten und zu ermutigen und versuchen Optimismus oder so was ähnliches zu verbreiten. Fast bis zum Ende habe ich das nicht geschafft, erst am Ende konnte ich ihn gehen lassen, und mussten wir auch.

Aber vielleicht konnte er irgendwann einfach nicht mehr anders. Das muss man versuchen zu respektieren und aushalten, auch wenn es einem das Herz bricht.

Bei deinem Vater ist die Situation ja anders, vielleicht braucht er einfach nur eine Zeit um mit sich selbst ins Reine zu kommen, das muss ja nicht heissen dass er sich jetzt aufgibt oder so. Sicher will er Euch auch schützen. Und mit einem Psychologen hätte mein Vater NIE gesprochen.

Wir Angehörigen und alle die den Kranken mit begleiten müssen uns auch zurücknehmen können. Natürlich WILL und WILL und WILL man etwas TUN, bloss was TUN und HELFEN. Die Hilflosigkeit ist natürlich zermürbend. Aber da muss man durch. Man kann fragen und Hilfe anbieten, aber letzten Endes muss man sich nach dem Betroffenen richten, so sehe ich das. Es ist nun mal sein Weg. Man kann nur da sein und zeigen (und sagen, wenn man das schafft.....), dass man immer da sein wird.

Ich weiss nicht, ob Dir das jetzt irgendwie weiterhilft.

Die Idee von Frida, dass Du Dir selbst auch Hilfe + Unterstützung suchst, finde ich auch gut.

Kerstin
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  #4  
Alt 25.10.2005, 17:48
AndreaM AndreaM ist offline
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Registriert seit: 12.09.2005
Beiträge: 201
Standard AW: Ausweglose Diagnose verkraften?

Liebe Elke,

ich fürchte, ich kann Dir nicht wirklich helfen - ich kann Dir nur sagen, wir waren mit dieser Diagnose auch überfordert. Als meine Mama erfahren hat, dass sie unheilbar krank ist, war es auch schon zu spät, es war schnell abzusehen, dass es keine Besserung geben würde. Ich wusste oft nicht, wie sie sich fühlt, ob sie Angst hatte, ob sie mit ihrem Schicksal haderte. Allerdings litt meine Mama vorher schon an Depressionen, so dass das ohnehin alles ziemlich undurchschaubar war. Ich habe versucht, immer auf mein Bauchgefühl zu hören, sie nicht zu bedrängen. Ihr kleine Wünsche, wenn sie sie geäussert hat, zu erfüllen. Es waren oft nur Kleinigkeiten, meistens ging es einfach darum sie im Krankenhaus zu besuchen, mit ihr einen Kaffeetrinken zu gehen und wenigstens für eine Weile so zu tun als sei das nur ein gemeinsamer Kaffee wie sonst auch. Oder einfach nur da zu sein und ihr die Zeit zu vertreiben. Ich denke,ich hatte noch Hoffnung, als sie schon der Realität ins Auge sah. Meine Familie kannte die Diagnose genauer als ich, wollte aber, dass wenigstens einer ein echtes Lächeln auf Lager hat, und haben mir einige Details verschwiegen (sie hätten es mir auch erzählen können, ich bin ein guter Verdränger).

Meine Schwägerin ist ebenfalls krank, sie hat MS. Als wir von der Diagnose erfuhren, waren wir alle völlig überfordert. Niemand weiss, wie diese Krankheit verläuft, und sie möchte so weit das irgendwie möglich ist, ein normales Leben führen. Ich habe ihr damals gesagt, dass ich nicht weiss, wie ich mich "richtig" verhalte. Wir sind übereingekommen, dass die Signale von ihr kommen müssen. Wenn sie reden möchte, fängt sie an. Wenn sie Trost braucht, dann muss sie mich traurig anschauen, wenn sie einfach nur Spaß haben will, dann machen wir alle mit. Natürlich wissen wir dass sie krank ist, versuchen sie nicht zu überlasten, versuchen auch bei unseren Unternehmungen heimlich Pausen einzubauen, damit sie wirklich mithalten kann (ich glaube sie merkt es).

Worauf ich aber eigentlich hinauswollte: am Anfang hat sie sich erstmal verschlossen, um die Diagnose für sich selbst zu verarbeiten. Sie musste Träume begraben, neue Ziele im Leben finden. Sie hat sich gelegentlich geöffnet, Anregungen gesucht, und sich dann wieder zurückgezogen. Ich dendeke, jeder muss selbst herausfinden, wie er das mit sich verarbeitet. Und diese Möglichkeit musst auch Du Deinem Vater lassen. Du kannst nur signalisieren dass Du da bist. Immer, und egal was kommt.

Ich erinnere mich, als meine Mama den Kampf aufgeben und ins Hospiz wollte - sie hat es nicht über sich gebracht, es ihren Kindern zu sagen und hat sich zuerst ihrer Freundin anvertraut. Ich denke, so, wie man als Tochter nicht alles mit den Eltern bespricht, so haben auch Eltern Dinge, die sie mit Freunden besprechen, weil sie ihre Kinder schützen wollen. Schliesslich tun Eltern genau das ihr Leben lang: sie versuchen, alles Unheil von ihren Kindern abzuwenden. Das Umdenken, dass irgendwann der Tag gekommen ist, wo die Kinder die Eltern stützen, das fällt sicher nicht leicht.

Vertrau auf Dein Gefühl, dann wirst Du nichts falsches tun.

Ich Wünsch Dir viel Kraft für alles was kommt!
Andrea
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