Mein Vater hat eine neue Bekannte und verändert sich sehr ...

[Kiwi1009]

Hallo ihr Lieben,

lange habe ich hier nicht mehr geschrieben. Mit dem Tod von meiner Mum komme ich von Tag zu Tag etwas besser zurecht, auch wenn es immer noch sehr schwer ist. Sie war einfach der wichtigste Mensch in meinem Leben und ich merke immer mehr wie wenig ich mit den anderen Mitgliedern meiner Familie anfangen kann.

Mein Vater hat mir Anfang Oktober (6 Monate nach ihrem Tod) eröffnet, dass er jemanden kennen gelernt hat. Erst war ich etwas irritiert, die Zeit erschien mir so kurz, aber dann habe ich mir gedacht dass er außer Mums Freunden gar keinen eigenen Freundeskreis hat. Für ihn ist es also sicherlich gut jemanden nur für sich zu haben und nicht mehr den ganzen Tag alleine oder mit seiner 90jährigen Schwiegermutter zusammen zu hocken. Und ich mache mir auch weniger Sorgen um ihn.

Soweit so gut. Aber er verändert sich immer mehr auch mir gegenüber. Ich dachte eigentlich bis zu Mums Tod wir hätten alle ein sehr inniges Verhältnis, aber jetzt muss ich erkennen dass das wohl nur für Mum und mich galt. Mein Vater entfernt sich immer mehr und verlangt auf der anderen Seite ständig meine Hilfe. Ich kann damit gar nicht umgehen. Wir haben uns nichts zu sagen.

Er möchte gerne dass alles so bleibt wie früher, unsere Kaffeenachmittage und Fußball gucken. Aber wenn ich dann da bin schweigen wir uns nur an. Ich mache das ihm zuliebe bis jetzt mit, aber eigentlich kostet es mich so viel Kraft die ich zur Zeit nicht habe. Mich hat schon seit Monaten keiner mehr gefragt wie es mir denn eigentlich geht. Ich bin ja nur die Tochter. Mein Vater und meine Oma sind ja die mit dem Verlust.

Neulich hatte er eine Augen OP und konnte am Tag danach nicht Auto fahren. Ein geplantes Treffen mit seinen ehem. Arbeitskollegen wollte er deswegen absagen. Da das Treffen in der Nähe meiner Arbeit war habe ich vorgeschlagen ihn dann abends einfach mit zu nehmen und eben länger zu arbeiten. Er meinte ok, so zwischen 20 und 21 Uhr wird er sich dann melden. Um 22:30! habe ich ihn dann angerufen wo er denn bleibt - er war schon zuhause und hatte mich vergessen - sorry. Am nächsten Tag wollte ich mit ihm reden, er hat sich kurz entschuldigt, sich wieder in seinen Sessel gesetzt und in seinem Heft gerätselt. Und ich bin im Zimmer gestanden wie doof.

Er will mir auch andauernd seine neue Bekannte vorstellen. Sie ist auch sicher nett, aber ich kann im Moment noch nicht. Das habe ich ihm auch so oft gesagt. Ich möchte das noch nicht. Frühestens nach Weihnachten. Er weiss das ganz genau wie ich denke. Gestern abend bin ich noch kurz wie jeden Abend bei ihm vorbei gefahren um einfach schnell Hallo zu sagen. Und wer sitzt da im Esszimmer - genau! Er mit seiner Bekannten beim Abendessen. Ich wäre am Liebsten aus der Tür gerannt. Warum macht er das, warum tut er mir sowas an? Er denkt einfach nicht nach, und wenn ich dann was sage schaut er ganz traurig und ich bin wieder die Böse. Er sieht so glücklich aus wenn er über sie redet und ich will nicht immer die Böse sein, aber er verletzt mich damit. Ich will sie nicht in meinem Elternhaus (jetzt noch nicht), ich will nicht gezwungen werden sie kennen zu lernen.

Solche Geschichten häufen sich halt immer mehr. Kleinigkeiten und größere Dinge die wir ausmachen und an die er sich dann einfach nicht hält oder sie vergisst. Aber eben nur mir gegenüber. Bei allen anderen ist er ein Muster an Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Er ist nicht mehr der Mann den ich als meinen Vater kenne.

Und niemand in meiner Familie bekommt es mit wenn ich es nicht erzähle. Von seiner neuen Bekannten weiß außer mir eh noch niemand. Das belastet so sehr. Ich habe das Gefühl ich passe nicht mehr in den Rest meiner Familie.

Entschuldigt wenn das so nicht hier her passt und etwas verwirrend klingt, aber ich musste mir das einfach einmal von der Seele schreiben.

Fühlt euch alle umarmt
LG
Kiwi

[Sternchen912]

Hallo liebe Kiwi,

ich kann zwar gerade nicht viel schreiben, aber möchte dir dennoch unbedingt antworten, denn ich bin in der gleichen Situation wie du.
Meine Mama starb am 09.12.14 und mein Papa hat seit ca. 2 Monaten eine Bekannte, mittlerweile würde ich sagen Partnerin.

Für mich war der Anfang als ich das geahnt habe und er es mir erzählt hat so unsagbar schwer. Mir tat das Herz weh.
Allerdings weiss ich wie sehr er leidet und wie gut ihm diese Bekannte tut.
Durch sie hat er seit 3 Wochen mit dem Rauchen aufgehört. Für mich hätte er das sicher nicht getan, auch das hat mir erst wehgetan, allerdings sind die Sachen die er ihretwegen tut auch in meinem Sinne, zum Wohle seiner Gesundheit. Er ist auf einmal sehr aufgedreht und anders als früher. Muss ich mich auch erst dran gewöhnen aber naja.

Kennenlernen werde ich sie bald. Ich habe gesagt das ich den Zeitpunkt bestimme. Und sie bei dem Treffen auf mich Rücksicht nehmen müssen.

Klar mir ist das alles zu früh, aber ich will auch nur das es ihm gut geht.
Wenn es ihm gut geht, geht es mir auch ein wenig besser.
Ich hoffe halt das es ne Nette ist...

Wie war das als du sie bei deinem Vater gesehen hast?
Darf ich fragen wie alt du bist?

Liebe Grüße

[Kiwi1009]

Hallo Sternchen912,

vielen lieben Dank für deine Antwort.

Ich finde es eigentlich nicht schlimm, dass er wieder jemanden in seinem Leben hat der ihn nicht an Mum erinnert. Er hat ja gar keine eigenen Freunde. Und auch eine neue Partnerschaft gönne ich ihm von Herzen. Ich komme nur nicht mit der Unbedachtheit (ist das ein Wort??) klar, die er mir gegenüber an den Tag legt.

Ich habe das Gefühl dass er und auch meine Oma es gerne haben, wenn wir alles so machen wie früher als meine Mum noch da war - nur soll ich jetzt ihren Part übernehmen. Also kochen jedes Wochenende für die Beiden, nachmittags Kaffee trinken, alles eben, was die 3 vorher auch ohne mich gemacht haben.

Wir wohnen „leider“ sehr eng zusammen (im gleichen Ort) und ich habe dann immer ein unheimlich schlechtes Gewissen wenn ich nein sage.

Ich bin 39 Jahre alt und hatte die letzten 4 Jahre praktisch kein eigenes Leben weil ich jede freie Minute mit meiner Mum und meiner Familie verbracht habe. Das war meine Entscheidung, ich wußte dass sie unheilbar krank war und ich wollte jede Sekunde Zeit mit ihr verbringen. Wir haben das genossen, es war schön für alle, aber jetzt möchte ich auch wieder mein eigenes Leben leben. Ich habe zu viel anderes vernachlässigt.

Wie war das als ich sie gesehen habe? Ein Schock - ich kann es nicht anders sagen. Ich wollte das so nicht, wollte weg, ich wußte überhaupt nicht was ich mit der Frau reden soll. Ich wollte sie nicht in meinem Elternhaus haben. Nicht in diesem Moment.

Er hat da jetzt leider mit seiner Aktion einen riesen Fehler gemacht. Ich möchte sie erst einmal nicht mehr sehen und nichts mit ihr zu tun haben. Ich kann nicht mehr unbedarft in mein Elternhaus gehen, weil ich immer im Hinterkopf habe „hoffentlich ist sie nicht da“. Sie kann die liebste und netteste Frau auf der Welt sein, aber dieses Kennenlernen war total falsch für mich. Er hat mich überrumpelt und mir keine Wahl gelassen. Und er wußte das ich das so nicht wollte.

Bitte, bestehe darauf, dass dein Treffen so abläuft wie du dir das wünscht. Mich hat es wieder in ein Loch gezogen.

Liebe Grüße

[gilda2007]

Ich denke, in den Jahren von Ende 20 bis Ende 30 muss man sein Verhältnis zur Familie und vor allem zu den Eltern immer neu sortieren, ganz unabhängig von dem Verlust, den Du gerade erlitten hast. Durch die Krankheit Deiner Mutter ist das vielleicht bei Dir in den Hintergrund getreten. Du konntest sozusagen "schwänzen".

Ich denke, die nächsten Monate und Jahre wirst Du ein anderes und wahrscheinlich unabhängigeres Verhältnis zu Deinem Vater aufbauen. War zumindest auch bei mir so. Ich bin nicht weniger Tochter, in gewisser Weise mehr auf Augenhöhe. Kurz: Ich bin auch meinen Eltern gegenüber erwachsen

Mein Rat: Sieh es als Chance. Dein Vater hat keinen Fehler gemacht. Er ist erwachsen und macht, was er möchte. Auch Du bist erwachsen. Dein "Elternhaus" ist das Haus Deines Vaters, es ist sein Heim, nicht Deines. So wie Deine Wohnung Dein Zuhause ist. Ich denke, es ist Zeit, sich abzunabeln, den eigenen Freiraum zu genießen und das auch deinem Vater zuzugestehen. Wenn man das geschafft hat, kann es wieder ein sehr schönes Verhältnis werden. Der Weg dorthin ist manchmal etwas anstrengend.

[kölnerin]

Hallo Kiwi,
das hört sich jetzt vielleicht etwas platt an, aber jeder Mensch trauert anders, Männer anders als Frauen und Kinder anders als der Partner. Du bist trotz deines "Alters" die Tochter also das Kind und du trauerst als Kind. Aus eigener Erfahrung, mein erster Mann ist nach 7 Jahren an Darmkrebs verstorben, kann ich es dir nur so erklären dein Vater hat während der letzten 2 Jahre bereits angefangen zu trauern und Abschied zu nehmen. Dadurch ist er auch für Veränderungen bereit die dir einfach noch weh tuen und für dich einfach zu früh kommen.
Es wird noch platter, denk an dich finde deine neue Rolle und lass dich nicht in die Mutterrolle in eurer Familie drängen.

Wenn du das Gefühl hast das nicht zu schaffen geh in eine Trauergruppe und rede. darüber.
Ganz liebe Grüße
Ute

[Sternchen912]

Liebe Kiwi,
das zusammentreffen muss sehr aufwühlend gewesen sein. Kann ich voll und ganz verstehen.
Kann auch verstehen das du nun Abstand willst. Er hätte es für dich angenehmer gestalten können.
ABER Männer sind da manchmal etwa unbedacht.

Klar ich habe schon gesagt wenn es ein Treffen geben wird, er bitte auf mich Rücksicht nehmen soll.
Ich habe ein ganzes Jahr lang nur an meinem Papa gehongen, mehrmals täglich telefoniert und alle 2 Tage gesehen, sodass auch da die Abnabelung wieder schwer fällt.

Aktuell steht bei uns der erste Todestag bevor, ich merke wieviel angst es ihm macht.
Ich habe schon das ganze Jahr nur Angst davor, allerdings ist es an Tag 364 und Tag 366 genauso schlimm wie an Tag 365.

Ich will nur das er wieder glücklich wird, aber momentan sind soviele schlimme Tage zwischendrin