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Alt 16.10.2014, 00:04
phil93 phil93 ist offline
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Standard 21 Tage - mein Chemotagebuch

Hallo.

Mein Name ist Philipp, ich bin 21 Jahre jung und komme aus dem wunderschönen Wien. Was soll ich sagen? Im Nachhinein betrachtet ärgere ich mich selbst über die vielen Kleinigkeiten, die ich in meinem Leben vor dem 15.9.2014 als Nichtigkeit und als Frechheit abgestempelt habe. Vom heutigen Standpunkt aus gesehen war mein Leben ziemlich perfekt: Ich habe eine tolle Familie, einen wunderbaren Job und ziehe bald in meine erste Wohnung, raus aus dem elterlichen Nest.
Ich will Euch kurz auf eine kleine Reise ins Jahr 2011 nehmen. Wir schreiben Oktober, es war entweder der 14. oder 15. Stellung war am Programm, eine kleine Vorsorgeuntersuchung, die in Österreich jeder Junge über sich ergehen lassen muss. Bisher war ich im Glauben, dass es einfach nur dazu da war mich zu quälen und mich des Zwangsdienstes zu verdonnern. Ich hätte nie gedacht, dass es mir mein Leben retten könnte.

Man hatte wohl beim Abtasten meiner Hoden einen Knubbel gespürt. Ehrlich gesagt, ich fasste mir nicht so oft an die Hoden, weil das für mich ganz und gar keine erregende Stelle war, und nein - ich habe ihn nicht bemerkt. Ab ins Heeresspital, Ultraschall. Und hier verdichtete sich der Verdacht. Gewebe, das stärker durchblutet wird, wie mein restlicher Hoden. Ganz toll. Ab ins Krankenhaus, Urologie. Zum mittlerweile fünften Mal wurde ich im Intimbereich abgetastet, durchleuchtet, abgegriffen und abgetastet. Mittlerweile hatte ich das Schamgefühl schon so gut wie abgelegt. Und Wahl hatte ich ohnehin keine. Hodenfreilegung, am Besten noch heute. Es war aber leider kein Bett mehr frei, und die OP wurde auf Montag verlegt. Ein gedanklicher Stress, nebenher noch die Schule, und ich hatte gar keine Zeit mich wirklich darauf vorzubereiten, und schon lag ich unter der OP Lampe. Die OP dauerte in etwa 2 Stunde, Raumforderung inkl. Gewebeprobe. Ich wachte mit einem Ei weniger auf, als ich noch davor hatte. Im Ärztegespräch erfuhr ich gleich, dass ich wohl in einem Hoden eine Dermoidzyste hätte, die wurde entfernt. Im zweiten fand man ein Seminom. Bis heute verklickern mir die Ärzte, dass es sich hierbei um eine Art "Glück-im-Unglück-Diagnose" handelt. Mit einem Hoden weiterzuleben finde ich jetzt nicht unbedingt als Glückstreffer, aber ich hätte auch draufgehen können, schon verstanden.

Wir schreiben das Jahr 2014. Drei Jahre sind ohne auffälligen Befunden vergangen. CT, Blutkontrolle, Urologenbesuche in regelmäßigen Abständen. Doch diesmal entnahm ich dem Befund Dinge, die ich nicht mehr in meinem Leben lesen wollte. Hochgradiger Verdacht auf malignes Rezidiv oder sowas stand da geschrieben. Gleich krankgemeldet, nächster Morgen: 2. Med. Ambulanz. Notfall. Am selben Tag noch in den PET Scan - eine furchtbare Untersuchungsmethode für einen Duracellhasen, wie mich. Ich schaffe es doch nicht einmal während des CTs ruhig zu liegen, es war also eine schreckliche Erfahrung für mich.
Diesmal wohl zwei Lymphknoten im Bauchraum, schon ziemlich groß. Sollten wohl Metastasen sein, obwohl nach meiner letzten Chemo (Hochdosierte P, und E glaube ich) die Chance sehr niedrig sein sollte. Naja, ich habe scheinbar ein Händchen dafür zur Minderheit zu gehören. Schon jetzt freue ich mich darauf, wenn der Tag kommt, an dem ich zu den 0,01% der Menschen gehöre, die den Jackpot im Lotto gleich zweimal in ihrem Leben machen dürfen!

Gewebeprobeentnahme. Vier Stunden OP, alles gut. Knoten entfernt, aber die schlechte Nachricht: zwei böse Gewebe entdeckt, vom Seminom fast ganz vereinnahmt. Und wieder: SIE HABEN GLÜCK, AUCH WENN SIE DAS NICHT SO GANZ VERSTEHEN KÖNNEN.

1,5 Wochen ist meine erste Chemo nun schon her. PEB, 3 Zyklen. Ich muss sagen, ich hatte die ersten beiden Tage wirklich den Verdacht, dass die Chemo durchhaltbar sein würde. Aber am vierten Tag hat es mich dann entgültig zusammengehauen. Mehr als 18h Schlaf am Tag, Hitzewallungen, kaum Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme...es war für mich ein körperlich sehr mitnehmende Zeit, und jetzt wächst immer mehr der psychische Druck, und wo der Körper wieder stärker wird, wird die Seele schwach. Meine Haare sind (noch) dran, ich möchte sie aber auch nicht umsonst abschneiden. Wenn sie raus wollen, dann werden sie schon ausfallen, und dann kommen sie schon ab!
Die Bleospritze hat mich auch hart zurückgeworfen. Kaum eine Stunde danach war mir schon wieder wahnsinnig schlecht und ich konnte mich nicht bewegen. Schlafdauer: 21h30. Restliche Zeit: Klogang, Jammer. Bereits am kommenden Tag war ich aber wieder fit, konnte mich frei bewegen und das Leben halbwegs genießen.

Ich weiß, dass es noch hart wird. Aber ich habe fast 1/3 geschafft. Am 1.12 wird die letzte Chemie in meinen Körper fließen. Und dann wird er verschwunden sein, und ich werde ein neues Leben beginnen. Dinge, die heute so selbstverständlich erscheinen, werden wieder mit neuer Seele erfüllt. Ich schätze meine Familie, die für mich einfach so super da ist, wieder zu 100001%! Ich genieße jede Minute, in der es mir gut geht. Und ich habe die Power diese letzten zwei Zyklen durchzustehen, um dann im Leben wieder Vollgas durchzustarten!

PHIL


Ich habe aber noch ein paar Fragen an Euch, vielleicht könnt ihr mir helfen!

1. Mich plagen so sehr Akne. Ich hatte früher NIE Akne, nicht einmal einen Pickel. Ging es Euch nach einer PEB auch so? Wie bekomme ich das in den Griff? Das nimmt mich psychisch wirklich mit...mein ganzes Gesicht sieht total entstellt aus :-( Und es beginnt auch zu jucken..und das gibt dann Narben :-( BITTE HELFT MIR :-(

2. Wenn ich Nadeln und diese Chemobeutel sehe, bin ich wirklich schon am Zittern. Es ist einfach wahnsinn, was das psychologisch mit mir anstellt zu wissen, WAS diese Beutel mit meinem Körper machen werden. Und ich könnte schon wieder heulen, wenn ich an diesen Cisplatinbeutel denke :-(

3. Wann habt Ihr Männer (und Frauen natürlich auch gerne :-) ) denn nach der gesamten Chemo wieder so Haare am Kopf gehabt? Ich glaube, dass das schwierig für mich wird. Da hat man es hinter sich, und wird doch jeden Abend daran erinnert, dass man gar nicht gesund ist :/


Ich möchte hier gleich erwähnen, dass der Text oben in meiner Sprache verfasst wurde. Es ist meine Art mit dem Thema umzugehen, und ich möchte keineswegs Menschen beleidigen oder ihnen zu Nahe treten. Ich gehe mit dem Thema sehr ironisch und humorvoll um - und ich bitte Euch, dass Ihr (mir zuliebe) den Text mit einem kleinen Augenzwinkern lest. Es tut mir und meiner Heilung einfach gut, und ich will mich selbst motivieren!
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