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Alt 28.07.2013, 13:35
Colophonius Colophonius ist offline
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Registriert seit: 28.07.2013
Beiträge: 5
Standard Einfach mal was von der Seele schreiben...

So nachdem ich seit über einem Jahr mehr oder weniger stummer Mitleser in diesen Foren war, möchte ich mich auch mal zu Wort melden. Hauptsächlich weil die Situation gerade sehr schwierig ist und ich gelernt habe, dass mir über etwas Schreiben eigentlich meist hilft, wenn es um meine eigene Psychohygiene geht...

Ich versuche eine jetzt bald 1 1/2-jährige Geschichte so kurz wie möglich zu halten. Ende März 2012/Anfang April (auf jeden Fall kurz vor Ostern) begann bei meinem Vater (64 J.) alles mit einer scheinbaren Erkältung, die sich zu einem starken Reizhusten entwickelte, der auch nach mehreren Wochen noch nicht verschwunden war. Da mein Vater - um es vorsichtig auszudrücken - kein Freund davon ist allzu schnell zum Arzt zu rennen, begab er sich, nachdem alle Hausmittelchen usw. ohne Erfolg geblieben waren, erst an einem Freitag (ein immer wiederkehrendes Muster, dass sich alles immer an Feiertagen oder direkt vor dem Wochende ereignet) Anfang Mai zum Hausarzt. Und selbst da war schon mindestens eine Woche lang gutes Zureden vor allem von meiner Mutter notwendig. Zudem hate sich zum Husten auch schon eine beängstigende Atemnnot eingestellt. Nach dem Abhören durch den Hausarzt, direkt Überweisung zum Röntgen und nach Ansicht der Bilder dort ein starker Verdacht auf Lungentumor. CT und weitere Untersuchungen sollten Montags mehr Aufschluss geben. Abgeshen vom Schock über die Nachricht, waren die beiden Tage übers WE auch die Hölle. Jeder Atemzug klang so, als ob es sein letzter wäre...

Auf jeden Fall folgte schließlich doch der Befund: kleinzelliges Bronchialkarzinom (14 cm!), inoperabel, zudem der Verdacht auf Metastsen auf Leber, im Oberschenkel und im Hirn. Dass es keine gute Prognose gibt ist der Familie und ihm selbst eigentlich damals schon klar. Immerhin der Allgemeinzustand meines Vaters wurde soweit als gut eingeschätzt.

Also beginnt recht schnell die erste Chemo. Er verträgt sie sehr gut. Die Atemnot verschwindet recht schnell, bald läuft er längere Wege durchs Krankenhaus, später sogar in den angrenzenden Park. Nach 2 Chemos dieses Zyklus darf er wieder nach Hause auch wenn er für die weiteren immer wieder übers Wochenende stationär ins Krankenhaus muss. Er fühlt sich gut aufgehoben, aber so richtige Zuversicht schöpt er wohl auch nicht. Der Primärtumor schrumpft am Ende der Chemo auf ca 3-4 cm. Dann beginnt eine Kopfbestrahlung ziemlich direkt im Anschluss an die Chemo. Die macht ihm etwas mehr zu schaffen, aber danach ist er für ein Vierteljahr mehr oder minder beschwerdefrei zu Hause, obwohl es ihm im Laufe der Zeit schon wieder etwas schlechter geht.

Die erste Nachsorgeuntersuchung ergibt dann auch folgendes: Primärtumor in der Lunge wieder auf ca. 8 cm angewachsen, auch die Hirnmetastase ist noch da. 2. Chemozyklus,ambulant, eine schwächere Chemo auch weil der Körper noch nicht wieder vollständig regeneriert ist. Irgendwie ist von Anfang an bei allen das Gefühl schlechter. Dieses Mal stellt sich keine schnelle Verbesserung des Zustandes ein, eher kommt mein Vater geschwächt aus dem KH zurück, gegen Ende hat er auch erstmals mit Nebenwirkungen der Chemo zu kämpfen. Am Ende der Befund: Tumor nicht gewachsen, aber auch nicht geschrumpft. Mittlerweile ist circa 1 Jahr seit Beginn der Krankheit vergangen.

Die Ärzte meinen, dass man noch einen dritten Chemo relativ kurzfristig anhängen könnte. Sie verbreiten keinen überschäumenden Optimismus, zudem wirkt mein Vater auch langsam etwas "krankenhausmüde". Dennoch entschließt er sich den Versuch zu wagen. Schon nach der ersten Einheit geht es ihm katastrophal. Verwirrung, Sprachprobleme schwere Übelkeit. Vater will die Chemo eigentlich nicht mehr fortführen.

Dann kommt der erste Mai (Feiertag!). Mein Vater schaut gemütlich Fernsehen, zeigt keine Auffälligkeiten. Plötzlich beginnt sein rechtes Bein unkontrolliert zu zittern und zu zucken, bald erfassen die Krampfanfälle den gesamten Körper. Krankenhaus, Notaufnahme, Ergebnis: epellepsieartiger Anfall vermutlich aufgrund der Metastasen im Hirn. Ja, Mehrzahl, denn eine erneute Untersucheng des Hirns ergibt, dass sich dort 2 Metastasen befinden. Es folgt ein knapp 4 wöchiger Krankenhausaufenthalt mit erneuter Bestrahlung. Überraschenderweise bessert sich ein Zustand in den 4 Wochen sehr. Als er nach Hause kommt ist er sehr aktiv, unter nimmt viel. Er beschließt allerdings auch, dass er die Chemo nicht mehr fortführen will und eigentlich sowieso nie mehr ins Krankenhaus will. Er gilt daher als "austherapiert", alle Maßnahmen von nun an sind palliativer Natur.

Diese Mal hält der gute Zustand allerdings nicht lange an. Bald beginnt der Reizhusten wieder einzusetzen. Mein Vater nimmt dagegen ein Spray. Sein Körper wird auch schwächer, die Belastungsfähigkeit nimmt ab. Er kann definitiv weniger tun, als noch Wochen zuvor. Das große Problem stellen allerdings die Hinmetastasen dar, denn seit einigen Wochen sorgen die für richtig viel Verdruss. Es beginnt mit einer "Schwäche" im rechten Bein die allerdings der Beginn einer einsetzenden Lähmung ist. Mein Vater schwankt zunehmend bei gehen, weite Wege sind nicht mehr möglich. Sin Aktionsradius beschränkt sich auf Wohnung + plus kurze Strecken zum oder aus dem Auto heraus. Vor 2 Wochen dann fällt er zum ersten Mal hin. Die Negativentwicklung ab jetzt ist rasant. Eine Woche später schafft er kaum noch den Weg zum Klo. Seit Dienstag kann er gar nicht mehr selbstständig laufen. Mehr noch die Metastase lähmt nicht nur sein komplettes Bein, sondern auch die Blasenfunktion. Seit Freitag hat mein Vater einen Katheder. Dazu setzt am selben Tag Inkontinenz ein. Ohne Hilfe kommt er nicht mehr aus dem Bett. Seit gestern hat er trotz der Lähmung auch starke Schmerzen im gesamten rechten Bein.

Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch innerhalb von exakt 2 Wochen (da war er noch auf einem Geburtstag bis 11 Uhr abends) zu einem kompletten Pfelegfall werden kann. Und jetzt kommt das Problem. Mein Vater verweigert die meisten externen Hilfen zunächst grundsätzlich. Krankenhaus ist nicht drin. Erst am Freitag (!) Besuch vom Hausarzt nach langem Zureden von Mutter, meinerseits, Tante + Onkel. Natürlich muss jetzt alles her: Krankenbett, Toilettenstuhl, Rollstuhl etc., Unterstüzung von Sozialstation + ambualanten palliativen Dienst. Der Arzt stellt Rezepte aus, aber es ist Freitagabend und davon ist nichts mehr zu besorgen. Mein Vater zögert solche Dinge auch gern hinaus. Allerdings benötigen meine Mutter und ich dringend Unterstützung. Dazu kommt, dass mein Vater ein sehr schwieriger "Patient" ist. Er ist wohl aufgrund des Tumors (aber nicht nur) schnell reizbar wenn etwas nicht funktioniert, sehr unzufrieden und geht schnell an die Decke. Seine eigene Hilflosigkiet belastet ihn schwer, darüber reden kann er wenig bis gar nicht.

Lange Rede, doch jetzt mein eigentliches Anliegen. Die Situation gerade belastet mich schwer. Die Pflegetätigkeit und teilweise auch der Umgang mit meinem Vater ist sehr schwer. meine Mutter ist extrem angespannt und ich finde wenig Schlaf. Zudem ist es auch körperlich anstrengend. Mit Tod und Krankheit können wir eigentlich ganz gut umgehen, wenn dies überhaupt möglich ist, zumindest sind sie keine Unbekannten für Mutter und mich. Meine Großeltern + div. Großtanten (teilweise Leukämie, Demenz, Krebs...) wurden lange von meinen Eltern und mir mit betreut. Allerdings haben gerade meine Eltern darin auch viel Kraft gelassen und es scheint nicht jetzt auch noch nicht zu enden. Zu dem ganzen Unglück kommt noch meine eigene Persönlichkeit. Ich habe gerade - im März 2013 - eine zweijährige Psychotherapie wegen zwanghaften Grübeln, depressiver Verstimmung und einer schizoiden Persönlichkeit und den daraus resultierenden Problemen abgeschlossen. Jetzt drohen all die mühsam abgelegten Verhaltensmuster wieder auf zutrten. ZWanghaftes Grübeln über eine Problemstellung, das sich immer im Kreis dreht und zudem immer mit negativer Erwartungshaltung verbunden ist. Wird es mir kognitiv zu viel, bin ich früher gern in meine Fantasie geflüchtet, was kurzfristig sehr hilft, aber lnagfristig zu Problemen führt. Manchmal ertappe ich mich auch beim Gedanken, dass Vater nicht mehr solange leiden muss. In meiner Vorstellung wird es dann aber zugleich lang und quälend. Gleichzeitig verliere ich mit ihm natürlich auch einen der wenigen Fixpunkte in meinem Leben, die sehr wichtig für mich sind. Mein Verwandten und Bekanntenkreis ist sehr klein. Zuletzt kann ich mit Situationen, die stark emotionalbelastet sind, sehr schlecht umgehen. Und damit bin ich den tag über logischerweise oft konfrontiert. Ich neige da zu Kontrollverhalten, gelingt dies nicht muss ich mich meist zurückziehen. Mein Vater versteht dies oft nicht, er denkt besonders ein Mann muss stark sein (Produkt seiner Erziehung). Gleichzitig liebe ich ihn so sehr und wil die Zeit mit ihm verbringen...

Ach, ich könnte noch viel mehr schreiben (ich neige dazu auschweifend zu schreiben), aber der Text ist jetzt schon so lange. Trotzdem hat es nicht schlecht getan etws zu rekapitulieren und Balast von der Seele zu schreiben. Damit ende ich hier und werde mich vielleicht demnächst wieder äußern. Ich hoffe ich langweile nicht und vielleicht interessiert es den ein oder anderen ja auch...


Gruß

Colo
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