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Alt 17.03.2009, 20:40
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Standard noch ein ei weniger - und mehr...

hallo zusammen,


nach einigen monaten des gelegentlichen mitlesens (vieles hat mut gemacht und übers klinische informationsdefizit hinweggeholfen) wird es zeit mich auch aktiv einzubringen. bestimmt ist das gut für die verarbeitung der diagnose - und dafür zu akzeptieren, dass mich der krebs nun für den rest meines lebens begleiten darf. neben bewältigung beschäftigen mich noch einige fragen, von denen ich hoffe, dass mir eure erfahrungen und ratschläge ein wenig sicherheit geben -

vorab formuliere ich schonmal einige fragen die mich zur zeit bewegen, damit keiner gezwungen ist, die ewige geschichte zu lesen und mir vielleicht trotzdem hinweise geben kann (auch wenn es quasi das ende meiner geschichte vorweg nimmt):

- vermutlich bin ich ein wenig ungeduldig - aber ich frage mich, wie nun die erholungsphase wohl aussieht - wie war das bei euch? wie lange wart ihr erschöpft? wann habt ihr euch wieder so richtig fit gefühlt?

- wäre froh, wenn ein paar ihre thrombose-erfahrungen hinterlassen.

- ich habe das gefühl, dass mein linker hoden seit der chemo noch kleiner geworden ist, ist das normal?

- ab wann sollte ich meine hormonwerte checken lassen und ggf mit testosteron aus der tube einen mangel ausgleichen? sexuelles verlangen ist zwar vorhanden, aber nicht auf dem niveau von früher, allerdings ist die chemo auch erst 6wochen her.

- gibt es jemanden der ebenfalls viel gelaufen ist (1-2marathons im jahr) und dann eine tiefe beinvenenthrombose im unterschenkel hatte?

- und wann habt ihr dann mit dem training wieder angefangen? wie habt ihr den wiedereinstieg gestaltet?
zu meiner geschichte:


erstes erkennen und op:
nach 2wochen leicht nervösen herumfummelns an einem knoten am skrotum (ziemlich nah an der leiste) hatte ich mich im vergangen november endlich entschlossen einen urologen aufzusuchen. der uruloge war spitze, die diagnose weniger. irgendwie hatte ich es geahnt, jedenfalls hatte ich genau das befürchtet: hodenkrebs, getastet hatte ich eine metastase am hodenstrang. ich hatte hodenkrebs erwartet, anders konnte ich mir das getastete "ding" nicht erklären. aber ich glaube wirklich im innersten erreicht hat mich die diagnose noch einige wochen nicht.

wie die meisten hier, hatte ich zum zeitpunkt der diagnose kein bild davon, was es denn nun wirklich bedeutet, krebs zu haben. ich habe jedenfalls zu keinem zeitpunkt daran gezweifelt, dass ich es überleben würde. das mag fein klingen, ist aber auch ziemlich überheblich. wie scheisse sich der kampf anfühlen würde hatte ich mir nicht ausmalen können. mein leben bestand/besteht aus viel sport und einem großen hang zu ungebundenheit, gepaart mit der einstellung, dass sich jedes problem zu seiner zeit lösen lässt (- wenn es am dringensten ist - ja, genau, gelegentlich schiebe ich dinge ein wenig). so wie es war wirds nimmer. mindestens regelmässige nachsorgezyklen binden mich - ausserdem verlangt die erkrankung insgesamt mehr vorrausplanung und problembewusstsein.

zwei tage nach der diagnose und zwei tage vor der op bin ich noch den marathon gelaufen auf den ich trainiert hatte. vielleicht spielte verdrängung eine rolle, gedacht habe ich, dass ich mir von der diagnose nicht die tage versauen lasse. soweit ich das beurteilen kann war es die richtige entscheidung.
die op fünf tage nach der diagnose - rechter hoden raus, implantat rein, verlief problemlos. ein paar tage später war klar: seminom, glück gehabt. leider waren im ct einige kleinere "flecken" im bauchraum zu sehen - metastasen, vermutlich. also war klar, dass ich eine chemo würde machen müssen. PEB, 3zyklen, erstmal.

14 tage nach der OP hab ich mich getraut ein wenig zu joggen. für anfang dezember war die chemo angesetzt. weil die op (durchgeführt von meinem urologen) super war und die betreuung danach auch fein, entschloss ich mich die chemo am örtlichen klinikum durchzuziehen - ohne familiäres backup, dafür aber mit freunden und freundin im hintergrund. das wiederum war eine fehlentscheidung. besser ich hätte auf die gerüchte gehört, die da meinten, dass das klinikum ein ziemlicher saftladen ist.

vor der chemo hab glücklicherweise noch sperma einfrieren lassen - nicht die beste qualität, der tumor muss da schon was kaputt gemacht haben. oder es war halt nie besonders. spielt jetzt aber auch keine rolle mehr.


erster zyklus:
ich hab die chemo in der urologischen abteilung der klinik erhalten (nicht in der onkologie) und bin kein privatpatient - das betreuungsverständnis war entsprechend minimal, mein optimismus dagegen am anfang noch groß. ich hab sogar einen arzt gefragt ob ich den reha-fitness raum ohne rezept für erholsames radln während der chemo nutzen könnte. ging natürlich nicht.

der wunsch hatte sich aber auch schnell erledigt. nachdem ich den ersten tag im klinikum verbracht hatte, ohne dass etwas passierte, weil man zu beschäftigt war mir einen zvk zu legen (subclavia), musste alles am nächsten morgen schnell gehen - nämlich noch vor den regulär angesetzten ops. leider hat der anästhesist es nicht geschaft mit der nadel um mein schlüsselbein zu kommen. ich kann vermelden: es ist ein irrer schmerz, wenn jemand minutenlang an einem knochen rumschabt. kurz bevor mir die lichter ausgingen (schweissnass vor schmerzen, dankbarerweise haben mir zwei schwestern die pfoten gedrückt) hatte er erbarmen und die nadel in die halsvene geschoben.


danach fühlte es sich so an, als säße ein dicker kerl auf meiner brust. als ich das mittags dem oberarzt meldete sah der nichts ungewöhnliches darin. abends jedenfalls fiel atmen mir immer schwerer: und jipi! man hörte mich ab, lungenröntgen, festgestellt wurde: pneumothorax, rechter lungenflügel schon kollabiert, linker gerade dabei dies nachzumachen. ich also schnell runter, schön viele schwestern dabei, weil neugierig, 'das hat man nicht alle tage in der urologischen'. arzt mir also den schlauch zwischen die rippen gelegt (dank der schmerzmittel und des publikums war ich ziemlich witzig, währenddessen) drainage angeschlossen. leider konnte die nächsten tage keine schwester diese drainage richtig bedienen - beim versuch diese an die unterdruckleitung in der wand anzuschliessen haben die damen (mit ärztin) erstmal einen schönen springbrunnen in meinem zimmer gemacht. sehr vertrauenserweckend. anstatt jemanden zu fragen der sich auskennt, lieber ein wenig rumprobieren, ist ja nicht meine lunge. peneumothorax kann immer passieren das nehme ich niemandem übel, aber dann noch weiter zu experimentieren ist fragwürdig.

die nächsten tage waren weniger ereignisreich, weil extrem betreuungsarm. teilweise liefen die infusionen bis nachts um drei, weil tagsüber die ärzte im op waren und die infusionen nicht von den schwestern gewechselt werden dürfen, für nachfragen war keine zeit, häufig bekam ich zu hören, dass ich noch super aussehe/ drauf bin, einmal, dass sich das aber zum zweiten zyklus ändern würde, die schwestern waren wahnsinnig gestresst, weil zu wenige von ihnen zuviel arbeiten mussten. zudem waren mehr leute als betten auf der abteilung, in meinem zimmer liessen es sich meine jugendlichen nachbarn nicht nehmen morgens um halb acht die glotze an zumachen und nachts um eins erst wieder aus. toll, so ein 3-mann-zelt. nach 5 tagen war ich platt, wegen der medikamente und der art und weise behandelt zu werden. aber ich war auch entlassen - und die entscheidung mich dort nicht mehr behandeln zu lassen, längst gefallen.
die nebenwirkungen hielten sich in grenzen - blutige schleimhäute, geschmacksnerven im arsch, schlaflos, dauernd aufm klo, total kaputt, konzentration null. das bleo doch über die feiertage konnte ich mich blendend erholen - schön 2-3mal joggen in den zwei erholungswochen. nur der tinitus der sich bald einstellte hat mich bis heute nicht mehr verlassen.


zweiter zyklus:
mit dem neuen jahr kam auch der neue zyklus. diesmal bei einem niedergelassenen onkologen - sehr behutsamer typ, sehr ruhig, lieblingssatz "das kriegen wir hin". zu meiner überraschung zog er es vor den zyklus ambulant durchzuziehen. erfreulicherweise war auch kein weiterer zvk nötig. er ließ die soße über die armvenen reinlaufen. soweit verlief diesmal alles unkompliziert. ich musste nochnichtmal meine ausfuhr protokollieren. hehe. ausserdem kam ich um das miese essen im krankenhaus rum. obwohl es in der praxis manchmal zuging wie im bienenstock, war es insgesamt erträglicher - zu hause schlafen, frühstücken usw sind eine ziemliche erleichterung gewesen. um das fehlen der profilaktischen heparinspritzen hab ich mir keine gedanken gemacht, schliesslich war ich täglich 30min mit öffentlichem nahverkehr unterwegs - und auch zu hause nicht ans bett gefesselt, obwohl ich natürlich überwiegend lag.

nebenwirkungsmässig war es ähnlich wie nach zyklus eins - nur diesmal waren eben noch ein paar armvenen kaputt. ausserdem war ich komplett lustlos. zudem war ich während der erholungsphase deutlich erschöpfter, obwohl weniger passiert ist. bleo hab ich wieder prima verkraftet.



dritter zyklus:
den dritten und vornehmlich letzten zyklus ging ich ziemlich optimistisch an - wollte noch nebenher ein paar sachen für die uni erledigen und mir die zeit auf der liege mit angenehmen dingen vertreiben. das war leider nicht möglich - zu erschöpft war ich. zu sehr angenervt von der durchlässigkeit der nieren (vermutlich musste auch jeder von euch ca. alle 30min aufs klo). besonders gesprächig war ich in den zyklen davor schon nicht gewesen - diesmal noch genervter, noch lustloser, ziemlich verzweifelt, warum kann ich bis heute nicht sagen. der dicke klops aber kam am ende der 5tage. konnte nur sehr elend auf meinem bett liegen und nichts machen. die konzentration war schon in den zyklen davor weg gewesen immer weg gewesen. nun war mir einfach nur übel, weniger im magen als im ganzen körper. dazu kam ausgeprägter ekel vor fast allem, inklusive meinem eigenen speichel. alle paar minuten musste ich mich überwinden diesen zu schlucken. das war eine extem fiese phase. aber so richtig hats noch nicht gereicht. am tag 7 bekam ich ein leichtes ziehen im unterschenkel. daraus wurde im laufe des tages ein richtig anständiger schmerz - wie ein einziger muskelkrampf, nur dass es unterhalb der wade halt recht wenig muskeln gibt. und weil es so schön ist, wenn sich die schlimmsten befürchtungen bestätigen stellte sich am nächsten tag beim onkologen raus, dass es wirklich eine unterschenkelthrombose war/ist.

der schock saß tief und er sitzt immernoch, 6wochen nach der diagnose. ich weiss, dass ich nicht der einzige bin, der damit umgehen muss. trotzdem ist es der horror für mich - bin nun für 12monate auf blutverdünner eingestellt. keine gefährlichen sportarten mehr. kein alpencross, nicht 2wochen abgeschieden durch die gegend stapfen, kein fussi, kein motorrad. nada. nichts. quasi alles worauf ich mich nach der chemo gefreut hatte, dinge von denen ich geträumt hatte, fällt flach. zudem meinte der gefäßspezialist, dass ich mir nen marathon fürs nächste jahr abschreiben könne - zu groß die gefahr eines rezidivs. habe trotzdem angefangen ein klein wenig zu joggen - wenigstens zweimal die woche 30minuten.

die restlichen nebenwirkungen waren wie in zyklus 1 und 2 - geschmack weg, schlaf nicht mehr als 4-6h am stück, tinitus, übelkeit, appetitlosigkeit etcpp. ausserdem ist mein linkerhoden mittlerweile eher eine erbse, als ein ei. hehe.

zudem macht sich, glaube ich, der mangel an testosteron bemerkbar. ich bin total schnell sehr, sehr müde. meine brusthaare (sorry die damen, ich hab sie gemocht) sind fast komplett weg, auch die schamhaare sind verschwunden. die kopfbehaarung kommt langsam wieder. dafür habe ich gut zugenommen - eine ordentliche speckschwarte am bauch, das was an muskeln mal war ist genauso futsch wie die ausdauer.

wie es nun um die metastasen steht, werde ich im april erfahren, bei einem ct. zuvor hat der doc mich geschallt und dort nichts gesehen - größer geworden ist wohl nichts. jetzt gehts erstmal für vier wochen in reha. glücklicherweise. denn schon direkt danach steht mein letztes uni-semester an und ein umzug...


und nochmal die fragen vom anfang, vielleicht ergeben sich im laufe der tage und wochen noch weitere. danke schonmal an alle die sich die mühe machen, etwas zu antworten.

- vermutlich bin ich ein wenig ungeduldig - aber ich frage mich, wie nun die erholungsphase wohl aussieht - wie war das bei euch? wie lange wart ihr erschöpft? wann habt ihr euch wieder so richtig fit gefühlt?

- wäre froh, wenn ein paar ihre thrombose-erfahrungen hinterlassen.

- ich habe das gefühl, dass mein linker hoden seit der chemo noch kleiner geworden ist, ist das normal?

- ab wann sollte ich meine hormonwerte checken lassen und ggf mit testosteron aus der tube einen mangel ausgleichen? sexuelles verlangen ist zwar vorhanden, aber nicht auf dem niveau von früher, allerdings ist die chemo auch erst 6wochen her.

- gibt es jemanden der ebenfalls viel gelaufen ist (1-2marathons im jahr) und dann eine tiefe beinvenenthrombose im unterschenkel hatte?

- und wann habt ihr dann mit dem training wieder angefangen? wie habt ihr den wiedereinstieg gestaltet?
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