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  #1  
Alt 14.04.2004, 08:59
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Beiträge: n/a
Standard Bin ich eine

Kurz zu meiner Person: ich bin 37 Jahre alt, habe eine 6jährige Tochter, einen Mann, 30 Stunden Job und Haushalt. Vor genau 3 Monaten hat man bei meiner Mutti (66 Jahre) BSDK festgestellt, weit fortgeschritten. Für uns ist eine Welt zusammengebrochen, das durfte einfach nicht wahr sein. Mein Vater ist erst am 1.9.2003 gestorben und jetzt auch noch das! Es war von Anfang an klar, daß es kaum Hoffnung gibt, daß sie den Sommer noch mit uns erleben darf. Ich habe sie jeden zweiten oder spätestens dritten Tag besucht (das Krankenhaus ist 70 km entfernt). Letzte Woche hat sich ihr Zustand sehr verschlechtert und am Freitag nachmittag hat sie meinen Bruder und mich zu sich gerufen, damit sie sich von uns verabschieden kann, weil sie jetzt sterben wird. Wir saßen an ihrem Bett, haben sie umarmt und gestreichelt und uns eben von ihr verabschiedet,da ich aus mehreren Fachbüchern über Sterben und Sterbebegleitung wußte, daß Patienten spüren, wann "es soweit ist". Das ist jetzt 5 Tage her und unsere Mutti lebt immer noch, wir sind in diesen 5 Tagen wirklich rund um die Uhr an ihrem Bett gesessen und wollten ihr "beistehen". Seit gestern gehe ich wieder arbeiten und somit bleibt mir nur der Nachmittag, sie zu besuchen. Sie reagiert kaum noch auf die Außenwelt, obwohl sie oft lange die Augen offen hat, bei plötzlichem Lärm schreckt sie ein bißchen auf. Nun zu meinem eigentlichen Problem: ich habe mich gestern dabei ertappt, daß ich sie am liebsten anschreien würde: jetzt stirb endlich! Ich schaffe es nicht mehr, täglich stundenlang an ihrem Bett zu sitzen und ihre Hand zu streicheln. Aber natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen dabei.....ich habe auch ein schlechtes Gewissen meiner Tochter gegenüber, weil ich sie immer zu Freunden "abschieben" muß, wenn ich ins KH fahre, meinem Mann gegenüber, weil ich so gereizt bin und außerdem meinen Haushalt total vernachlässige.
Heute habe ich mir vorgenommen, mit meiner Tochter ins Hallenbad zu fahren, vielleicht kann ich dort etwas "abschalten" und sie kann nach Herzenslust herumtollen. Morgen fahre ich dann wieder nach der Arbeit zu meiner Mutti und halte ihre Hand......
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht oder bin ich ein hartherziger Mensch???
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  #2  
Alt 14.04.2004, 11:23
Benutzerbild von Petra Loos
Petra Loos Petra Loos ist offline
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Registriert seit: 12.03.2003
Ort: NRW
Beiträge: 627
Standard Bin ich eine

Liebe Hanna,

du bist nicht hartherzig. Du bist einfach mit deiner Kraft, körperlich, wie seelisch am Ende.
Schau was du leisten mußt: du hast Familie, gehst arbeiten, dein Vater ist noch nicht lange tot und nun deine Mutter so krank.
Es ist völlig in Ordnung, solche Gedanken zu haben. Ich bin Betroffene. Ich hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Bauchfellmetastasen.
Als Betroffener hat man oft den Gedanken oder den Wunsch aufzugeben, endlich Ruhe zu haben und sei es durch den Tod und du als Angehörige hast diese anderen Gedanken.
Ich denke beide Seiten haben das Recht solche Gefühle zu haben und sie auch mal auszuleben.
Manchmal sieht die Welt am nächsten Tag oder ein paar Tage später schon wieder ganz anders aus.
Ich kann dir nur den Rat geben, dass du neben all deinen Verpflichtungen unbedingt etwas auch für dich tun mußt, zB. Dinge, die dir Kraft geben.
Ich als Betroffener wünsche mir zwar, dass meine Angehörigen für mich da sind, aber ich möchte nicht, dass sie sich für mich aufopfern und somit am Ende ihrer Kräfte sind.
Alles Liebe für dich und meld dich mal wieder, würde mich freuen.
Liebe Grüße Petra
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  #3  
Alt 14.04.2004, 11:38
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Nein, bist Du nicht!

Hallo Hanna,

Erfahrungen rund um den Tod führen uns oft an den Rand des
Erträglichen - und darüber hinaus. D.H. manchmal ist es einfach
mehr als ein Mensch ertragen kann, z.B. durch Schmerz, Trauer,
Verlust seiner Selbstbestimmung und vielem mehr.
Es ist deshalb natürlich - aus reinem Selbsterhaltungstrieb - das
man sich irgendwann wünscht "das es einfach nur vorbei ist".
Ausserdem steckt darin auch die Hoffnung, das der Sterbende
nicht so lange leiden muss.

Ich kann Dir leider keinen Rat geben, wie man die Situation ver-
bessern kann, aber ich kann Dir versichern, dass Deine Gedank-
en in dieser Situation nicht ungewöhnlich - geschweige denn ver-
werflich sind!

Ich wünsche Dir viel Kraft und Mut für die nächsten Tage!

ole
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  #4  
Alt 14.04.2004, 12:40
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Beiträge: n/a
Standard Bin ich eine

Hallo Hannah,
kann deine Gefühle total nachvollziehen. Dieser Sch. Tumor verlangt wirklich von allen Beteiligten, dass man an seine Grenzen geht.
Wieso gibt es solche Krankheiten. Wer hat das verdient??
Hader nicht mit Dir selbst. Dein Überlebenstrieb in dir drinnen fordert sein Recht. Lass die Gefühle zu und sage ihnen, sie sollen sich noch etwas Gedulden. Irgendwie funktioniert man dann doch noch.
Drück Dich ganz fest
Katharina
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  #5  
Alt 14.04.2004, 17:45
Tamara Wiedmann
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Bin ich eine

Hallo Hanna!

Ist ok, ichmach gerade dasselbe durch und hatte den Gedanken auch schon. Bei uns geht das Ganze jetzt schon 3 Wochen so. Mein Vater ist allerdings zu Hause. Meine Mutter ist beurlaubt, mein Mann und ich haben unsere Arbeit auf 80% reduziert, weil meine 92jährige Großmutter auch noch mit uns allen zusammen lebt.
Er ist nicht mehr bei Sinnen, stellenweise kennt er mich schon gar nicht mehr. Er hat sich nicht verabschiedet. Böse gesagt, mein Vater ist tot, er liegt da in seinem Pflegebett und fantsaiert die wildesten Sachen zusammen. Nachts, wenn wir dann vom Tag so richtig fertig sind, dreht er richtig auf, versucht aufzustehen, weil er zu Leuten will, die schon lange gestorben sind. Hätte mein Vater gewußt, in welchen Zustand er sich noch begeben wird, hätt er 100%ig Selbstmord vorher begangen.
Da hatte ich diesen Gedanken auch schon.
Du bist also nicht allein, Hanna!
Ist ok.

Liebe Grüße


Tamara

tawie@gmx.net
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  #6  
Alt 15.04.2004, 23:46
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Beiträge: n/a
Standard Bin ich eine

Liebe Hanna!
Auch ich möchte dir sagen, das diese Gedanken normal sind und du auch kein schlechtes Gewissen zu haben brauchst.
Meine Schwiegerma leidet ebenfalls an BSDK und man ist eben als Angehöriger irgendwann am Ende der Reserven angelangt.
Mir ist es zeitweise ebenso ergangen und es geht mir teilweise immer noch so. In den schlimmen Phasen, in denen meine Schwiegerma wirklich dem Tode näher war als dem leben und mir Stunden und Tage im Krankenhaus, bei Ärzten und neben ihrem Bett zugebracht haben, waren meine Nerven total am Ende. Es hat mich fürchterlich augeregt, wenn meine Schwiegerma nur etwas seltsam gehustet hat, oder wenn ich bei ihr geputzt habe, und zwei Tage später schon wieder alles schmutzig war.
Manchmal wünschte ich mir das es bald eine Ende findet und im gleichen Moment war ich entsätzt und wütend auf mich selbst, das ich auch nur einen Gedanken in diese Richtung verschwenden konnte.
Ich glaube es geht jedem in dieser besch... situation ähnlich, wenn auch viele es sich selbst nicht eingestehen wollen.

Ich wünschr dir weiterhin viel Kraft und versuche auch etwas für dich zu tun, Elena
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