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  #1  
Alt 11.01.2009, 12:29
Heike_K Heike_K ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Zusammen,

ich schreibe nicht viel hier, habe aber jetzt doch das Bedürfnis mich mal zu äußern zu diesem schwierigen Thema.

Als erstes wollte ich kurz sagen, dass das hier zwar ein Hinterbliebenen-Forum ist, aber dass ich auch hier schon gelesen habe als ich noch Angehörige war. Ich denk mal, dass das viele Angehörige, die sich mit dem Thema beschäftigen auch so ist. Das nur mal dazu.

Dann finde ich, dass es schon gut ist wie hier über das Thema Tod geschrieben wird. Ich weiß allerdings nicht ob mir solch drastischen Formulierungen nicht noch mehr Angst gemacht hätten als ich eh schon hatte. Ich persönlich denke nämlich, dass diese Formulierungen wenn man sie so liest wesentlich "brutaler" klingen als man sie dann tatsächlich empfindet wenn man es dann erlebt. Wisst ihr was ich meine? In diesem Moment schöpft man so viel Kraft aus geheimen Quellen von denen man vorher noch nicht mal eine Ahnung hatte dass es sie gibt und tut einfach was getan werden muß.
Natürlich ist es wichtig und notwendig informiert zu sein was passieren KANN, aber auf der anderen Seite hat man dann vielleicht noch viel mehr Angst vor der Entscheidung seine Lieben beim Sterben zu begleiten als man eh schon hat, ich bin da etwas zwiegespalten.
Und mir kann keiner erzählen, dass da keine Angst im Spiel war, ich hatte gehörig die Hosen voll, habe es aber trotzdem getan und bin unendlich dankbar, dass mein Bruder mich auch dabei sein ließ.
Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass Sterbende sehr wohl beeinflussen können wer bei dem Tod dabei sein soll und wer nicht.

Mein Bruder war knapp 10 Jahre älter als ich. Und immer hat er versucht mich, seine kleine Schwester, zu schützen. Ich bin der Meinung, dass er schon viel länger wusste wie es um ihn steht und es nur nicht sagen wollte, für uns alle kam das dann doch sehr schnell und überraschend, ich dachte er hat noch viel mehr Zeit.
Mein Bruder lebte 400 km von mir entfernt. Ich bekam morgens einen Anruf von meiner Mutter (die schon ein paar Wochen bei ihm war), dass ich kommen müsse, das traf mich wie aus heiterem Himmel, ein paar Tage vorher war er sogar noch arbeiten.
Ich hab mich dann sofort ins Auto gesetzt, meinen Mann und meinen Vater eigesammelt und bin zu ihm gefahren.
Und ich war rechtzeitig dort!! Ich bin unendlich dankbar dass mein Bruder entschieden hat erst dann zu gehen als wir alle dann da waren und ihn begleiten konnten.
Er starb zu Hausen in seinem geliebten Wasserbett, umringt von seiner Frau, seinen Eltern und seiner Schwester und seinem Schwager. Wir alle erzählten ihm stundenlang dass es ok sei, dass er gehen dürfe und ich versprach ihm auf seine Frau acht zu geben.
Und wenn ich das hier alles so lese merke ich was für ein großes Glück es war, er durfte friedlich gehen. Anfangs rasselten seine Atemzüge wie hier auch schon beschrieben. Aber dann wurden sie immer leiser und langsamer und hörten dann irgendwann einfach auf.
Was ich absolut unglaublich fand war diese so extrem schnelle Veränderung des Körpers nach dem Tod. Wie ich schon schrieb, er hatte keinen Todeskampf, er hört einfach auf zu atmen, aber in absolut genau diesem Augenblick sah er schon ganz anders aus. Ich kann das gar nicht beschreiben, seelenlos trifft es vielleicht am ehesten obwohl es vielleicht bescheuert klingt. Aber in diesem Moment war der Körper einfach nur noch Hülle und er selbst war weg. Spürbar weg. Wir haben auch alle in genau diesem Zeitpunkt nach oben geschaut, wie verabredet, das war einfach unglaublich, fast schon unheimlich.

Ich bin dankbar dass er mich dabei sei ließ, ich bin überzeugt davon, er hätte es verhindern können wenn er es anders gewollt hätte, ich hab immerhin einige Stunden Autofahrt vor mir gehabt bis ich bei ihm war.
Aber er wusste bestimmt wie es mich gequält hätte wäre ich zu spät gewesen...
__________________
Mein Bruder
24.05.1965 - 01.08.2008
in meinem Herzen
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  #2  
Alt 11.01.2009, 14:13
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Heike,

Zitat:
Zitat von Heike_K Beitrag anzeigen
Ich weiß allerdings nicht ob mir solch drastischen Formulierungen nicht noch mehr Angst gemacht hätten als ich eh schon hatte.
Da ist halt jeder anders. Wenn etwas aussieht wie eine Ente, quakt wie eine Ente, und jeder weiss, dass es eine Ente ist... Dann kann man Ente dazu sagen oder es irgendwie höflich umschreiben. Ist alles OK. Ich weiss sehr wohl, dass ich oft konfrontativ und provokativ bin, auch in der Wortwahl. Glaube aber kaum, dass ich mich da auf meine alten Tage noch schnell mal ändern kann.

Zitat:
Ich persönlich denke nämlich, dass diese Formulierungen wenn man sie so liest wesentlich "brutaler" klingen als man sie dann tatsächlich empfindet wenn man es dann erlebt. Wisst ihr was ich meine?
Ich denke schon. Der Prozess des Sterbens meiner Frau war nicht in allen Aspekten schön und friedlich. Trotzdem bin ich dankbar dafür, dass sie mich dabei haben wollte und ich dabei sein durfte. Und die paar rein physisch unangenehmen Dinge beeinträchtigen doch nicht meine Gefühle für meine Frau, und es beschädigt auch nicht ihr Ansehen, die anzusprechen. Für mich ist selbstverständlich, dass ich wieder dabei wäre, daran ändert doch ein bischen Ekel und Würgereiz nichts. Weil ich das so will und es wichtig finde. Dass das Leben nunmal nicht immer schön und keimfrei ist, weiss doch wohl jeder Mensch. Wer das erwartet, noch dazu beim Sterbevorgang, für den ist es IMHO höchste Zeit, mal dem Leben ins Gesicht zu schauen. Und sich entsprechend zu entscheiden (wiegesagt, ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn jemand sowas nicht erträgt oder einfach nicht miterleben will).

Zitat:
Und wenn ich das hier alles so lese merke ich was für ein großes Glück es war, er durfte friedlich gehen.
Das durfte meine Frau auch. War zumindest mein Eindruck. Trotz Muskelkrämpfen und Erbrechen. Sie konnte loslassen und recht schnell gehen.

Zitat:
er hört einfach auf zu atmen, aber in absolut genau diesem Augenblick sah er schon ganz anders aus. Ich kann das gar nicht beschreiben, seelenlos trifft es vielleicht am ehesten obwohl es vielleicht bescheuert klingt. Aber in diesem Moment war der Körper einfach nur noch Hülle und er selbst war weg. Spürbar weg.
Meine Frau wollte 3 Tage lang aufgebahrt werden. Und ich dachte vorher, dass ich diese lange Zeit auch brauchen würde, um Abschied von ihr zu nehmen. Das war nicht so. Schon wenige Stunden nach ihrem Tod, spätestens, als die Hausärztin da war und pro forma nochmal den Herzschlag gefühlt hat... ab da war ich, als ich den Leichnam meiner Frau gesehen habe, ganz seltsam "gefühllos". Und dieser Zustand hat die nächsten Tage angehalten. Mir war schnell im Herzen klar, dass sie das nicht mehr ist - sondern da nur noch eine seelenlose Hülle liegt. Ich war selbst etwas erschrocken, dass ich meine Frau an diesen Tagen immer wieder gleich "teilnahmslos" anschauen und anfassen konnte.

Was sich noch 2 Tage lang gehalten hat (bei mir und meiner Schwägerin) war die Illusion (oder der Wunsch), dass meine Frau, kaum kommt man ins Totenzimmer, scheinbar noch atmet. Gleich öffnet sie die Augen und wacht wieder auf! Bis das (trotz besseren Wissens) vom Gefühl her angekommen war, hat es etwas Zeit gebraucht. Dann war auch das OK. Und der Bestatter konnte sie abholen kommen.

Zitat:
Ich bin dankbar dass er mich dabei sei ließ, ich bin überzeugt davon, er hätte es verhindern können wenn er es anders gewollt hätte, ich hab immerhin einige Stunden Autofahrt vor mir gehabt bis ich bei ihm war.
Aber er wusste bestimmt wie es mich gequält hätte wäre ich zu spät gewesen...
Genau so empfinde ich das bei meiner Frau auch. Dankbarkeit dafür, dass sie mich dabei haben wollte, und sich nicht "klammheimlich" vom Acker gemacht hat. Sie war halt die beste Ehefrau der Welt. Bis zuletzt.

Viele Grüße,
Stefan
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  #3  
Alt 11.01.2009, 15:01
Heike_K Heike_K ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Zitat:
Zitat von Stefans Beitrag anzeigen
Hallo Heike,


Da ist halt jeder anders. Wenn etwas aussieht wie eine Ente, quakt wie eine Ente, und jeder weiss, dass es eine Ente ist... Dann kann man Ente dazu sagen oder es irgendwie höflich umschreiben. Ist alles OK. Ich weiss sehr wohl, dass ich oft konfrontativ und provokativ bin, auch in der Wortwahl. Glaube aber kaum, dass ich mich da auf meine alten Tage noch schnell mal ändern kann.
Das mußt Du auch nicht. Wie oben schon mehrfach geschrieben wurde, man kann dann ja weg klicken wenn man das nicht verkraftet.



Zitat:
Und ich dachte vorher, dass ich diese lange Zeit auch brauchen würde, um Abschied von ihr zu nehmen. Das war nicht so. Schon wenige Stunden nach ihrem Tod, spätestens, als die Hausärztin da war und pro forma nochmal den Herzschlag gefühlt hat... ab da war ich, als ich den Leichnam meiner Frau gesehen habe, ganz seltsam "gefühllos". Und dieser Zustand hat die nächsten Tage angehalten. Mir war schnell im Herzen klar, dass sie das nicht mehr ist - sondern da nur noch eine seelenlose Hülle liegt. Ich war selbst etwas erschrocken, dass ich meine Frau an diesen Tagen immer wieder gleich "teilnahmslos" anschauen und anfassen konnte.
So ähnlich ging es mir auch. Mein Bruder war zwar keine 3 Tage aufgebahrt, aber er war noch etwa 14 Stunden daheim. Er starb abends und am späten Vormittag des nächsten Tages wurde sein Körper geholt. Aber auch diese wenigen Stunden reichten aus mich völlig davon zu überzeugen, dass er wirklich weg ist. Ich war auch eher merkwürdig teilnahmslos beim Anblick seines Körpers. Ich konnte ihm auch das Kinn hochbinden und all diese Dinge. Das hätte ich niemals vorher gedacht dass ich dazu in der Lage sein würde, es hat mich selber überrascht, aber er war ja schon längst weg.

Zitat:
Dankbarkeit dafür, dass sie mich dabei haben wollte, und sich nicht "klammheimlich" vom Acker gemacht hat. Sie war halt die beste Ehefrau der Welt. Bis zuletzt.

Genauso wie mein großer Bruder einfach der perfekte große Bruder war, ich drück Dich mal...
__________________
Mein Bruder
24.05.1965 - 01.08.2008
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  #4  
Alt 11.01.2009, 22:25
Cindy 69 Cindy 69 ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo an alle,

ich bin erschrocken darüber, welche Lawine dieses Thema ausgelöst hat. Gleichzeitig finde ich es interessant und mutig, wie individuell jeder zu diesem Thema seine Meinung, Erlebnisse, Empfindungen schildert. Denn jeder hat andere Erfahrungen mit Sterben und Tod. Ebenso wie das Sterben etwas ganz individuelles ist, und es keine generellen Gültigkeiten dafür gibt. Ganz klar. Mir ist auch durch eure ganzen Beiträge die ihr geschrieben habt, klar geworden, wie viel Schrecklichkeiten ihr teilweise durchlebt habt bzw. auch, welche Wunden hier dadurch erneut aufgerissen wurden. Ich danke euch für eure ehrliche Meinung und eure ungeheure Beteiligung zu meinem Thema. Was ich auf gar keinen Fall wollte und will, ist, irgendwelche Streitigkeiten hervorzurufen. Ich denke die Meinung eines jeden sollte respektiert werden !

Ich bin am 22.12.08 am Bett meiner toten Oma gesessen. Sie ist auf eine völlig friedliche Art und Weise von uns gegangen. Schlimmer war die Zeit bis sie gehen durfte, weil sie bis auf die Knochen abgemagert war und sie lange nur noch im Bett auf auf den Tod gewartet hat... Habe hier aber kein Thema dafür eröffnet. Wahrscheinlich, weil ich im Moment zeitgleich einen weiteren Schicksalsschlag zu verkraften habe: Meine Mama hat mit 58 Jahren Lungenkrebs im Endstadium mit Metastasen überall... Das nur kurz zu mir.

Hallo Stefan,

mein Beileid noch nachträglich zu deinem Verlust !
Deine Worte sind klar und deutlich, ohne Beschönigung, so wie du es erlebt hast. Du hast über Abläufe gesprochen, die wahrscheinlich keiner von irgend jemand sonst so erfahren hätte.
Ich erkenne auch, wie viele Leser deinen Beiträgen zusprechen. Das ist völlig in Ordnung. Nur mir hat deine Wortwahl, wie du dich darüber äusserst, nicht gut getan. Ganz ehrlich. Aber ich denke, auch das ist zu akzeptieren. Da gehen die Meinungen eben deutlich auseinander. Es gibt ja die Möglichkeit wegzuklicken...
Hoffe, wir rammen uns jetzt nicht, symbolisch gemeint, die Messer in die Rippen.
Machs gut weiterhin...

Ich hoffe jetzt einfach, dass wir hier friedlich, ohne Streitigkeiten weiter schreiben können und wünsche euch allen noch einen schönen Abend.

Herzliche Grüsse
Cindy
__________________
Meine geliebte Oma: 04.02.1916 - 22.12.08
Meine geliebte Mama: 07.04.1950 - 22.01.09

Menschenleben sind wie Blätter die von Bäumen fallen,
all unsere Liebe vermag es nicht zu verhindern...
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  #5  
Alt 12.01.2009, 07:27
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gitti gitti ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Cindy,Du brauchst auch viel Kraft in naechster Zeit,ich schicke sie Dir mal "einfach" so.
Mit Deiner Mama,das tut mir sehr leid.

Meine Mutter hatte Schilddrüsenkrebs mit Metastasen in Lunge und Leber,leider

konnte keine Behandlung mehr durchgeführt werden...

Mein Vater ist auch an Krebs gestorben,vor 3,5 Jahren.

Doch das Sterben verlief unterschiedlich,vielleicht,weil es die Mutter war?

Mir hat es jedenfalls sehr geholfen,dass Du das Thema hier eröffnet hast,ich habe viel gelernt...
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  #6  
Alt 12.01.2009, 08:56
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mascha2600 mascha2600 ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Sch...xxx, einmal falsch geklickt und mein Geschreibsel war weg !
Also nochmal von vorne !!!

Normalerweise bin ich ja im BK-Forum unterwegs, muß mich jetzt hier aber auch mal zu Wort melden !

@Stefan
Ich bin traurig, dass Deiner Frau und Dir nur noch so wenig Zeit geblieben ist und ich war wirklich erschüttert zu lesen, dass sie es nicht "geschafft" hat. Ich wünsche Dir für die kommende Zeit alles Gute und viel Kraft für die kommende Zeit.

@all
Was Stefans Thread anbelangt, kann ich die ganze Aufregung mal wieder nicht verstehen.
Stefan hat lediglich [U]seine[U] Empfindungen resp. Eindrücke geschrieben und sonst nix !
Als meine Mutter vor 22 Jahren an BK starb, wäre ich froh gewesen, hätte es damals schon eine solche Plattform wie den KK - mit solchen Threads wie den von Stefan - gegeben.

Ich glaube, ich hätte meiner Mutter eine "Hilfe" sein können, wenn ich durch meine Unwissenheit, wie eben der Sterbeprozeß bei einem Menschen abläuft, nicht vollkommen paralysiert dagesessen hätte. Denn ich bin davon überzeugt, dass ein Angehöriger nur dann für einen Sterbenden eine Hilfe darstellt, wenn er weiß, wie das Sterben "abläuft". Ich hoffe, Ihr verzeiht mir meine etwas bescheidene Wortwahl, kanns aber nicht besser ausdrücken.

Ich wäre froh gewesen, hätte man mir erklärt, dass sich ein toter Körper eben verändert. So aber war ich vollkommen schockiert, als ich sie 5 Tage nach ihrem Tod nochmals im Sarg liegen sah. Mag sein, dass dies auch mit meinem damaligen Alter (23 J) zusammenhing, aber so wars einfach.

Als meine Mutter dann letztendlich tot war, hatte auch für mich die "Hülle", die letztlich im Sarg lag, nichts mehr mit ihr gemein. In meinen Gedanken - übrigens bis heute - ist sie fröhlich, gesund - schlicht eben die Mutter, wie ich sie gekannt hatte.


Was ich hier auch nicht verstehe, ist einfach, dass der KK ja eine Plattform sein soll, auf welcher die User Gefühle, Gedanken, oder auch Fragen etc. austauschen können.
Vor allem bin ich fest davon überzeugt, dass viele hier solche Empfindungen/Gedanken wie Stefan haben, sich aber nicht getrauen, sie auszusprechen/äußern, denn leider tendiert unsere Gesellschaft daher immer noch dazu, das Sterben an sich immer noch zu "tabuisieren". Klar muß es nicht bei jedem Sterbenden zu "kaffeesatzartigem Erbrechen" usw. kommen. Aber ich halte es für absolut besser, zu wissen was evtl. "kommen könnte" um einfach besser für den Betroffenen da sein zu können.

Schlußendlich kann ich nur sagen, dass ich mir für meinen Teil wünschen würde, dass mein Mann diese Threads hier mal lesen sollte. Denn ich glaube, dass mein Männe - wenn meine Zeit gekommen ist - genauso überfordert sein wird, wie ich damals.
Ich finde jedenfalls die "pragmatische Einstellung" von Stefan gut und würde mir - wie gesagt - wünschen, mein Mann (den ich übrigens sehr sehr liebe) könnte sich davon etwas aneignen.

LG von der "saukalten" Alb
Chris
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  #7  
Alt 12.01.2009, 10:41
Geske Geske ist offline
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Liebe Cindy,

ich wünsche Dir Kraft und auch Zuversicht auf Deinen schweren Weg, gleich zwei Dir nahestehende Personen in so kurzen zeitlichen Abständen begleiten zu müssen.
Wenn sich Dein Thread auch so anders entwickelt hat, wie Du es nicht für möglich gehalten hättest, vielleicht sind Dir die vielen Beiträge von Angehörigen auch eine Hilfe, so wie bei mir die Schilderungen von Töchtern im Angehörigenforum vor längerer Zeit dafür gesorgt haben, dass ich beim Sterben meines Mannes nicht in Panik geraten bin. - Leider waren der ambulante Palliativdienst einer örtlichen Diakoniestation und der Hausarzt nicht so hilfreich.

Liebe Grüße
Geske
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  #8  
Alt 12.01.2009, 14:12
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Chris,

Zitat:
Zitat von mascha2600 Beitrag anzeigen
Was ich hier auch nicht verstehe, ist einfach, dass der KK ja eine Plattform sein soll, auf welcher die User Gefühle, Gedanken, oder auch Fragen etc. austauschen können.
Das Thema Sterben ist sehr sensibel. Auch (oder besser: besonders) hier. Nicht nur die Sterbephase, sondern auch die Zeit davor. Die vom Erhalt des Todesurteils / der "Restlebenszeitprognose" bis zum Tod. Und Angehörige tun sich damit oft sehr viel schwerer als die Betroffenen selbst - die nun leider oft nicht mehr in der Lage sind, sich hier zu äußern.

Zitat:
Zitat von Karin B. Beitrag anzeigen
Außerdem bekam ich einige PN`S, dass das geschmacklos sei, und ich würde mit so einer Frage bei vielen die Hoffnung nehmen.
Ich habe da ähnlich traurige Erfahrungen gemacht. Vor langer Zeit war ich so naiv, hier in den KK-Foren im Lungenkrebs-Forum eine Frage zu stellen, die mir eigentlich recht harmlos schien. Nämlich, ob jemand der Anwesenden die Krebsbehandlung bei Lungenkrebs für sich abgelehnt hat (bzw. einen Angehörigen kennt, der das getan hat). Die Überlebensstatistik bei diesem Krebs ist nunmal miserabel, und in dem Zusammenhang hat mich interessiert, ob sich jemand bewusst dafür entschieden hat, seine letzten Lebensmonate lieber Zuhause zu verbringen statt in Kliniken mit Chemo usw.

Gegen den Sturm der Entrüstung, der darauf hin losbrach, ist die Entwicklung dieses threads nur ein laues Lüftchen im Wasserglas. Die Antworten öffentlich und per mail waren ziemlich drastisch. Was mir immer noch nachhaltig in Erinnerung ist, ist die Antwort einer Angehörigen, die verkündete: WIR WOLLEN LEBEN !!! Und dieses Leben-Wollen schloß offensichtlich ein, das über das Sterben-Müssen nicht gesprochen werden darf.

Das hat mich sehr gewundert, weil ich solche Tabus aus dem Brustkrebs-Forum nicht kannte. Und dann ist mir irgendwann aufgefallen, warum das so ist. Weil Betroffene mit einem Krebs wie BK, mit dem frau noch recht lange selbständig leben kann, und dessen Heilungschancen sehr gut sind, sich überwiegend noch selbst in den Foren zu Wort melden. In Foren zu Krebsarten, die häufig schnell tödlich verlaufen (wie LK), finden sich dagegen ganz überwiegend Angehörige.

Und die Angehörigen sind meiner Erfahrung nach sehr viel empfindlicher gegenüber der Wahrheit als die Betroffenen selbst. Ist mir auch nachvollziehbar. Wenn meine Frau gerade an LK stirbt, und ich genau weiss, dass sie nur noch 3 Monate hat... was würde ich dann lieber tun, als die Augen davor zu schließen, WIR WOLLEN LEBEN !!! (wobei ich mit 'wir' natürlich 'ich' als Hinterbliebener meine...) zu rufen und sämtliche Themen, die mir 'die Hoffnung nehmen' könnten, sofort in Grund und Boden zu verdammen. Und ich würde auch nichts davon lesen wollen, wie unschön das Sterben manchmal sein kann. Menschlich ist mir das sehr wohl nachvollziehbar.

Andererseits: tut sich wirklich jemand einen Gefallen, die Augen vor dem Unabwendbaren zu verschließen? Im BK-Forum hier gibt es einen riesig langen thread mit dem Titel "Die dümmsten Sprüche". Da findet sich mit schöner Regelmäßigkeit all das wieder, was Angehörigen und Umwelt einfällt, um sich die Lage schönzureden, statt sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Wohlgemerkt: _nicht_ den Betroffenen, sondern den Angehörigen. All das, was meine Frau und ich uns in den letzten 2 Jahren auch zur Genüge haben anhören müssen. Da darf man den Mut nicht verliefen, der liebe Gott wird's schon richten, das wird schon alles nicht so schlimm, bloss nicht den Kopf hängen lassen, viele überleben das ja auch, da braucht man einfach Kampfeswillen... usw. usf. Bis hin zu ganz widerlich instinktlosen Äußerungen wie: wer Krebs hat ist selbst schuld, der hat wohl falsch / ungesund gelebt; schämen sie sich nicht, sich so todkrank in der Öffentlichkeit zu zeigen, was sollen die Leute da denken; du hast es gut, du musst morgen nicht zur Arbeit gehen, sondern kannst ausschlafen; im Rollstuhl rumgefahren werden möchte ich auch gerne mal; gib' doch deine Frau ins Heim, wieso belastest du dich damit; usw. usf.

Erst seit ich begriffen habe, welche Funktion solche Einstellungen und statements für Angehörige und Mitwelt haben, rege ich mich weniger darüber auf. Das sind einfach Schutzmechanismen, um so eine schreckliche Krankheit und die Konsequenzen, die man bei anderen mitunter hautnah miterleben muss, menschlich nicht an sich heranzulassen. Psychologen haben bestimmt Fachbegriffe für diese Strategie. Verständlich ist mir schon, dass viele Menschen - besonders Angehörige - Leid, Schmerz, Sterben, Tod, Trauer, Ohnmacht, Verzweiflung, Einsamkeit, Versagensängste, Schuldgefühle einfach verdrängen _müssen_. Weil sie sonst wahrscheinlich im Alltag ziemlich schnell zusammenbrechen würden. Sich der Wahrheit zu verschließen, ist mitunter vielleicht einfach lebens-notwendig. Weil es ganz individuelle Grenzen für das gibt, was ein Mensch ertragen kann.

Daraus mache ich niemandem einen Vorwurf. Böse werde ich nur, wenn manche Menschen andere, für die es die bessere Lösung ist, offen über etwas zu sprechen, was die Umwelt nur schwer ertragen kann, deswegen angreifen. Bzw., indem sie einen auf moralisch machen, ihnen über den Umweg von 'Sitte und Anstand' den Mund verbieten wollen. Nach dem Motto "muss doch nicht sein, über so unangenehme Dinge zu sprechen; will doch keiner lesen, und belastet nur und nimmt die Hoffnung". Nein, muss nicht sein, darüber zu sprechen. Ist aber auch nicht verboten, und manchen hilft es vielleicht sogar.

Und dass dieser thread trotz aller Widrigkeiten manchem hilft und das darüber Reden Erleichterung verschafft, das erfüllt mich mit Freude. Tabus brechen ist doch gar nicht so schlimm, wenn man merkt, dass auch zig andere das schon längst gerne getan hätten, sich aber nur nicht getraut haben. Und ich denke: sich zu trauen, das muss hier in dieser Atmoshpäre unter "Gleichgesinnten" niemand bereuen. Zum Glück!

Viele Grüße,
Stefan
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  #9  
Alt 12.01.2009, 10:40
Stefans Stefans ist offline
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Beiträge: 426
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Cindy,

Zitat:
Zitat von Cindy 69 Beitrag anzeigen
ich bin erschrocken darüber, welche Lawine dieses Thema ausgelöst hat.
Dann war es wohl an der Zeit dafür ;-) Keine Sorge, mir liegt nichts an langfristigem Streit (auch wenn ich mich "im Affekt" öfter mal im Ton vergreife).

Was den Sterbeprozess betrifft, so ist mir in diesem langen thread aufgefallen, dass scheinbar sehr viele v.a. über die "rasselnde" / Schnapp-Atmung erstaunt / verunsichert waren. Ich habe darüber gestern mal mit meiner Schwester (Krankenschwester Intensivmedizin) gesprochen. Und die meint, dass das nach ihrer Erfahrung ein gar nicht so seltener Grund sei, dass Menschen, die das eigentlich niemals wollen, letztendlich doch im Krankenhaus sterben. Weil sie eben mit diesem Symptom von den unwissenden Angehörigen noch "5 vor 12" eingeliefert werden. Und dann halt später an den Apparaten sterben, die Leute wie meine Schwester irgendwann abschalten. Und das finde ich so traurig.

Zitat:
Schlimmer war die Zeit bis sie gehen durfte, weil sie bis auf die Knochen abgemagert war und sie lange nur noch im Bett auf auf den Tod gewartet hat...
Davor hatten meine Frau und ich die größte Angst. Sie, weil sie nicht so enden wollte. Ich, weil ich als pflegender Angehöriger Schiss hatte, das irgendwann nicht mehr auszuhalten. Anfangs, als meine Frau noch in der Klinik war, war ich völlig naiv. Klar, meine Frau will Zuhause sterben, und selbstverständlich pflege ich sie Zuhause. Ist doch Ehrensache!

Schon damals haben mich einige Leute gewarnt, dass das vielleicht nicht so einfach ist, wie man sich das als Laie vorstellt. Und deshalb haben wir meine Frau schon, als sie die Klinik verlassen hat, vorsorglich im Hospiz angemeldet (Warteliste). Für alle Fälle. Das war richtig so. Meine Frau war nur 15 Tage Zuhause, und davon war ich nur 6 Tage allein mit ihr (+ einmal täglich der Pflegedienst zur Körperpflege). Schon da habe ich gemerkt, dass ich das allein nicht schaffen kann. Schon rein physisch nicht. 2-3 mal pro Nacht aufstehen, niemals für länger als 30 Minuten aus dem Haus gehen können, nebenbei noch die Tiere versorgen und den Haushalt machen... das geht auf Dauer nicht.

Vor der seelischen Überforderung hatte ich noch viel größere Angst. Ich weiss, was oft passiert, wenn Angehörige auf sich gestellt Pflegepatienten Zuhause versorgen: aus Überforderung entsteht Missmut oder gar Hass auf den zu Pflegenden, dann Vernachlässigung, Misshandlung, und mitunter gibt es sogar aktive Tötungsdelikte. Sagen zumindest Pathologen, dass da die Dunkelziffer enorm hoch sei. Davor, meine Frau irgendwann als Belastung zu empfinden und darauf zu warten, dass sie endlich stirbt - davor hatte ich eine Mordsangst. Auch, wenn meine Wortwahl mal wieder drastisch ist: mir ist schlichtweg der Arsch auf Grundeis gegangen bei der Vorstellung, dass ich irgendwann mal, wenn meine Frau mich zum dritten mal die Nacht auf dem Handy anklingelt, weil man ihre Windeln wechseln muss, das einfach ignorieren, im Bett liegenbleiben und mir denken würde: ach, lass die doch in ihrem Kot liegen. Das reicht morgen früh auch noch, sie kriegt ja sowieso nichts mehr mit.

Ich kenne meine Grenzen und weiss, dass es früher oder später gut dazu hätte kommen können. Deswegen war, als meine Frau Samstag starb, schon Hilfe organisiert. Ab Dienstag hätte wöchentlich der Pflegedienst den Hausputz und Großeinkauf erledigt. Und gut 12 Stunden, bevor meine Frau starb, habe ich noch mit dem Arbeitsamt telefoniert, damit die die drei Leute kontakten, die ich mir aus der Jobbörse als in Frage kommende (selbst bezahlte) Teilzeit-Pflegehilfen rausgesucht hatte. Und am Montag drauf meldete sich der ambulante Hospizdienst - jemand von dort wollte einen Ersttermin ausmachen...

Nur mit all dieser Unterstützung hätte ich mir eine dauerhafte Hauspflege vorstellen können. Und wir sind gut dran, weil wir sowas selbst bezahlen können. Und ich rund um die Uhr hier bin und nicht 12 Stunden täglich bei der Arbeit ausser Haus. Hätten wir nicht diese Privilegien gehabt, hätte ich meine Frau trotz allem Widerstreben ziemlich schnell in Hospiz oder Klinik bringen müssen. Da hätte sie es dann nämlich besser gehabt. Und ich mit der Lösung auch.

Früher habe ich Bewunderung empfunden für Angehörige, die ihre geliebten Menschen Zuhause aufopfernd über längere Zeit pflegen. Mittlerweile denke ich, dass man sich sehr genau überlegen sollte, ob man das als Angehöriger aushält. Und dass das Eingeständnis der eigenen Überforderung und die Fähigkeit, Hilfe zu suchen, wichtiger sind als Aufopferung und Entbehrung. Niemandem ist gedient, wenn Menschen an sowas langsam zerbrechen. Dann doch lieber stationäre Pflege.

Zum Glück kam es bei uns nicht dazu. Meine Frau hat sich entschlossen, nachdem sie Weihnachten Zuhause erleben durfte und von allen wichtigen Menschen Abschied nehmen konnte, zu gehen, bevor sie zum schweren Pflegefall wurde. Offenbar haben ihr ein paar Tage vollständige Bettlägerigkeit mit Blasenkatheter und Windeln gereicht. Für sie war das würdelos. Sie wollte nie groß betüddelt, bevormundet und von anderen abhängig sein. Wer will das schon. Also hat sie ihren Zeitpunkt des Abschieds gut bestimmt. Ich möchte genau so gehen, falls ich das selbst entscheiden darf - weiss man ja vorher nicht.

Im Vergleich zu dem, was uns erspart geblieben ist, war die kurze Phase des Sterbeprozesses noch eine leichte Prüfung.

Viele Grüße,
Stefan
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