Meine Schwester ist voraus gegangen

[steffi66]

Hallo,

zunächst mal möchte ich Dir mein herzlichstes Beileid aussprechen. Der Verlust für eure Familie ist furchtbar. Vor genau 5 Jahren verstarb meine Cousine (die für mich wie eine Schwester war) innerhalb von wenigen Monaten am anaplastischen Schilddrüsenkarzinom. Sie hinterließ zwei Kinder (damals 13 und vier) und einen Mann. Der Verlust für ihre Kinder war besonders schlimm, da die Großeltern nicht in der Lage waren das Chaos auch nur im Geringsten aufzufangen. Man nennt solche Menschen wohl gefühlskalt, die einem Teenie in dieser Situation sagen, sie möge sich nicht so anstellen und das Leben ginge ja weiter. Kurz vor ihrem Tod habe ich meiner Cousine versprochen immer ein Auge auf ihre Kinder zu haben. Dieses Versprechen löse ich auch heute so gut es geht ein. So gut es geht deshalb, weil sich mittlerweile so viel verändert hat. Da gibt es eine neue Lebenspartnerin des Vaters, die ein Superverhältnis zumindest zu dem jüngeren Kind aufgebaut hat, dann ist die Große mittlerweile ausgezogen und lebt jetzt eigentlich ihr eigenes Leben.... Doch manchmal, wenn es Probleme gibt oder wie jetzt der Todestag der Mutter wiederkehrt, merkt man, daß die Große den Tod nie richtig verarbeitet hat. Dann bricht die Trauer wie am ersten Tag durch. Wir weinen gemeinsam, versuchen uns zu trösten und können aber auch wieder lachen, wenn uns aus der Zeit mit der Mutter lustige Dinge einfallen. Ich glaube, ganz wichtig ist, die Erinnerung lebendig zu halten und nicht (wie Oma und Opa) alles möglichst zu vergessen.
Man sagt immer, daß auf den Flügeln der Zeit die Traurigkeit davon fliegt, aber das gilt für Kinder, die im Teeniealter die Mutter verlieren nur ganz bedingt.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie ganz viel Kraft, denn die werdet Ihr brauchen...

Liebe Grüße
Steffi

[melin]

Liebe Steffi,
danke für Deine Worte.
Nein, verschweigen wird bei uns niemand meine Schwester und wenn die Kinder reden wollen werden wir reden aber zur Zeit verdrängen sie. Sie wissen, sie können immer kommen oder ich komme wenn sie mich brauchen und auch so fahr ich öfters vorbei und frage wie es geht und was so los ist. Fahre sie zum Reiten und begleite sie auch anderswohin. Wie sie es wollen so richte ich es mir ein. Sie sollen nicht denken wir würden sie jetzt allein lassen. War eigentlich während der Kankheit ihrer Mutter schon so und so haben sie sich daran gewöhnt das ich und andere jetzt mehr für sie da sind als vorher.
Es muß und es wird weiter gehen und im Herzen lebt meine Schwester immer weiter.
Gruß
Melin

[steffi66]

Liebe Melin,

es wird auch weitergehen, aber eben anders. Ich finde es toll, daß auch ihr schon während der Krankheit der Mutter einen Weg gefunden habt, die Kinder einen möglichst normalen Alltag (mit Reiten etc.) habt leben lassen. Das Verdrängen (so war es jedenfalls bei uns) ist erstmal ein Schutz vor dem unbändigen Schmerz und das ist auch gut so. Ich bin sicher, später werdet ihr einen Weg finden damit umzugehen und die positiven Erinnerungen wach zu halten.

Liebe Grüsse
Steffi

[melin]

Hallo Steffi,
danke für Deine Worte. Nein, vergessen werden wir sie nie, in unserem Herzen lebt sie weiter. Das weiß ich ganz genau. Nur fehlt sie so sehr. Nun ist keiner mehr da zu der man mal schnell auf einen Kaffee fahren wollte und plötzlich war man für irgend etwas eingeplant. Es ist jetzt fürchterlich ruhig geworden ohne sie. An diesen Umstand müssen wir uns alle erst gewöhnen. Sie war so voller Energie und hatte immer etwas zu tun.
Und für die Kinder werden wir immer da sein und es wird immer wieder ein neuer Morgen kommen solang wir leben.
Gruß Melin

[steffi66]

Hallo Melin,

leider komme ich erst heute dazu Dir zu antworten. Meiner Mutter ging es nicht so gut (Darmkrebs mit Lungenmetastasen). Aber ich hoffe, das wird schon wieder.
Dir muß ich ein dickes Lob aussprechen. Mir scheint, als hättest Du jetzt die Kraft Deiner Schwester. Du strahlst es jedenfalls aus und Deine Schwester wäre sichre sehr stolz auf Dich, wenn sie sehen könnte, welcher Fels in der Brandung Du für ihre Kinder bist. Mach weiter so! Ich wünsche Dir und Deiner Familie ein schönes Wochenende.

Liebe Grüße
Steffi

[melin]

Hallo Steffi,
wenn ich Deine Worte über die Krankheit Deiner Mutter lese wird mir angst und bange. Dies war ja auch die Krankheit meiner Schwester. Wie weit sind die Metas in der Lunge????? Ich hoffe man kann ihr noch helfen. Ich drück Dich und wünsche euch allen viel Kraft und Glück.

[steffi66]

Hallo Melin,

tut mir leid, daß ich erst heute antworten kann. Erstmal möchte ich mich für Deinen lieben Worte bedanken. Tut echt gut, mal mit Menschen zu "reden", die auch als Angehörige betroffen sind. Also meine Mutter hat Darmkrebs Stad. 4 mit inoperablen Lungenmetastasen. Zur Zeit bekommt sie Chemo nach FOLFIRI. D.H. alle 14 Tage zwei Tage stationär auf die Onkologie. Das war jetzt gerade wieder. Deshalb war ich auch nicht im Forum. Immer wenn meine Mutter im KH ist, wird es hier etwas schwierig. Dann möchte sie natürlich besucht werden, was ich auch gerne mache. Aber da sind auch noch meine Kinder, mein Vater, etc.. Aber ich will mich nicht beklagen, irgendwie kriegen wir dann doch alles auf die Reihe...
Gesagt haben die Ärzte, daß es keine Heilung mehr gibt, nur noch Verlängerung und Linderung. Also nutzen wir die Zeit, die uns noch bleibt....
Trotz allem wünsche ich dir und Deiner Familie ein einigermaßen schönes Osterfest. Bis bald und

viele liebe Grüsse
Steffi

[melin]

Hallo Steffi,
fühl Dich ganz doll gedrückt von mir denn ich weiß jetzt wie schlimm das ist.
Ich hoffe die Chemo schlägt an denn bei meiner Schwester hat nicht eine angeschlagen. Sie hatte so auf diese neue gehofft ( Namen kenn ich nicht, kam aber erst im Dezember auf den Markt). Bei der mußten die Metas untersucht werden und durften nicht mutiert haben. Sie war in einer Lungenklinik um zu sehen ob die Bronchien ok sind als man ihr sagen mußte das sie diese nicht bekommen kann weil sie bei ihr nichts bringen würde. Ihr Arzt wollte ihr dann einen Coktail aus verschiedenen Chemos mixen allerdings war ihre Hoffnung dahin und somit hatte sie aufgegeben. Ihr Körper war dann zu schwach um noch irgendetwas zu vertragen und innerhalb einer Woche war sie dann gegangen. Mitte Jannuar war sie noch tanzen und einen Monat später nicht mehr da.
Ich hoffe und wünsche euch ganz fest das die Chemos wirken und das Leben verlängern und erleichtern. Heilung gibt es nicht aber vielleicht noch ein paar glückliche Jahre.
Mir fehlen die Worte um zu sagen wie leid mir das alles tut den man ist so machtlos und hilflos wenn man zusehen muß wie jemand, den man liebt weiß das er sterben muß und nur noch darauf wartet und man kann nicht mehr helfen. Es ist alles so ungerecht. Meiner Mutter konnte ich das Leben retten indem ich ihr eine Niere von mir gab aber meiner kleinen Schwester konnte ich nicht helfen. Das ist so eine bescheuerte Hilflosigkeit und auch euch kann ich nicht helfen, niemand kann das nur da sein kann man und mit Worten versuchen euch beizustehen. Das ist leider nicht viel. Ich würde so gerne viel mehr tun aber leider kann ich es nicht.
Gruß
Melin

Ach ja, euch auch ein schönes Osterfest

[steffi66]

Hallo Melin,
wie Recht du doch hast. Diese Hilflosigkeit ist das Allerschlimmste. Zweimal mußte ich schon erleben(bei meinen Schwiegereltern) wie grausam und auch am Ende schmerzhaft diese Krankheit sein kann. Meinen Schwiegervater, der an einer sehr agressiven Form von Prostatakrebs litt, haben meine Schwiegermutter und ich noch zusammen gepflegt. Nur zwei Jahre später brach bei ihr dann der eigentlich überwunden geglaubte Brustkrebs wieder aus. Innerhalb weniger Monate, die ich sie zu Hause gepflegt habe, verstarb sie dann. Ich weiß also genau, was uns noch erwarten kann und davor habe ich tierisch angst.
Meine Ma bekommt wie gesagt Chemo nach FOLFIRI und eigentlich geht es ihr bis auf die ersten Tage nach der Chemo ganz gut. Ihre Blutwerte sind auch noch o.K. und im Moment hat sie auch wieder ein Ziel. Unsere ältere Tochter wird im April konfirmiert und da will sie unbedingt dabei sein. Ich hoffe, sie behält bis dahin ihren jetzigen Kampfgeist.
So, jetzt habe ich mir den Frust mal wieder von der Seele geschrieben. dir und Deiner Familie wünsche ich ein schönes Osterfest. Haltet "die Ohren steif" würde man hier bei uns sagen, denn daß hätte Deine Schwester sicherlich auch so gewollt.
Bis bald und liebe Grüsse
Steffi

[melin]

Hallo Steffi,

sicher, meine Schwester hat ja uns geschrieben das sie nur vorraus gegangen ist ins unbekannte Land und dort auf uns warten wird.
Weißt Du was ich zur Zeit am blödesten finde, die ständigen Beileidsbekundeungen mit Händedruck von Menschen, die sie nie gekannt hat oder beiläufig kannte. Ist zwar mit Sicherheit gut gemeint aber es erinnert immer wieder an den Verlußt und das tut immer wieder weh. Ich glaube wir Verdrängen den Verlußt noch immer weil es zu Haus geht da sie ja nicht bei mir wohnte. Ihre Kinder kommen klar, ob sie es auch verdrängen ist weiß ich nicht so genau aber sie wollen jetzt endlich mal mit zum Grab und Blumen hin bringen. Habe eine Vase eingbuddelt damit sie immer mal wieder eine Blume hinbringen können.

Ich hoffe bei euch geht es gut und die Konfirmation könnt ihr zusammen feiern. Wünsche euch auch schöne Feiertage mit der Hoffnung auf schönere und Angstfreien Tagen und Jahren.
Gruß Melin

[steffi66]

Hallo Melin,
danke für Deinen lieben Worte. Welch schöne Zeilen Du geschrieben hast (unter Deinem Text meine ich). Ähnlich dem Gedicht der Regenbogenbrücke. Echt superschön....
Na ja, daß mit dem Blumen zum Grab bringen würde sich hier bei uns nicht lohnen, wir versinken gerade im Schnee. Aber es wird ja wohl hoffentlich mal bald Frühling.....Und zu den Leuten, die dir immer wieder ihr Beileid ausdrücken: Sicherlich meinen sie es nur gut, aber gerade weil es immer wieder Wunden aufreißt, verzichte ich gänzlich auf Beileidsbekundungen. Meine Freunde wissen warum und der Rest ist mir wurscht. Sollen sie mich doch für einen ungehobelten Klotz halten....
Liebe Grüsse
Steffi

[Conny 58]

Hallo melin
Ich weiß wie dir zu Mute ist,ich habe vor fünf Jahren meine kleine Schwester
wegen Krebs verloren.Es schmerzt immer noch sehr,auch nach dieser langen
Zeit.Irgend etwas in mir ist kaputt gegangen ,sie fehlt mir so sehr.
Jetzt pflege ich meine Mutter ,die an Krebs erkrankt ist und frage mich manchmal,wieviel ein Mensch aushalten kann.
Meinekleine Schwester konnte ich nicht nicht beschützen und bei meiner Mutter ist es jetzt das gleiche.
Ich habe ja die Hoffnung ,das die beiden sich auf der anderen Seite wiedersehen und es ihnen dort besser geht.
Hier war und ist es nur eine unsagbare Tortur.
Es gibt glaub ich ,nichts schlimmeres als eine Krebserkrankung.

In gedanken bei euch allen
Conny

[melin]

Hallo Conny, hallo Steffi,

@ steffi: die Worte stammen von meiner Schwester. Es sind die Worte, die sie sich selbst für ihre Traueranzeige ausgesucht hatte und ich finde sie tröstend und wunderschön. Ich kann Dir garnicht beschreiben wie stark sie war. Sie hat jedem einen Brief hinterlassen und mich gebeten ihrem Mann mit den Kindern zu helfen wenn er eine neue Frau kennen lernt, was sie sich für ihn wünschen tut und das ganze Begräbnis hat sie geplant so wie ihren Sarg und ihre Urne hat sie selbst ausgesucht und auch die Rede das Pfarrers hat sie mitgestaltet.
Liebe Steffi, auch ich wünsche niemanden mein Beileid, ich frage ob ich irgendwie helfen kann. Ich denke alle kennen mich und wissen wie ich bin. Und wer das nicht versteht weiß nicht was trauern heißt oder hat nie wirklich getrauert und weiß nicht wie weh das tut. Kopf hoch, wenn ich Dir irgendwie helfen kann, wie auch immer sag es.

@ conny: Danke für Deine Worte. Du hast recht. Krebs ist grausam denn man weiß nie ob man genesen ist oder nicht. Ob man leben darf oder nicht und doch denke ich Krebs ist nicht die einzige grausame Krankheit der Welt, es gibt so viele davon. Und immer wenn uns jemand genommen wird hinterlassen sie eine Lücke die nie geschlossen werden kann, sie wird immer da sein und wir müssen lernen damit zu leben. Meine Schwester fehlt mir wie irre und ich begreife nicht das sie nicht mehr da ist und wie das Leben ohne sie weiter gehen soll und trotzdem geht es weiter. Ich hoffe nur es wird nicht mehr Fälle von dem Krebs in meiner Familie geben denn es ist so schwer das durchzustehen und ich bewundere jeden hier, ob Kranke oder Angehörige. Alle die das durchstehen müssen oder mußten.


Gruß Melin

[melin]

Noch mal ich,

liebe Steffi,
auch bei uns schneit es zur Zeit immer mal wieder. Habe die Vase aber nur aus einem Grund eingebuddelt. Die beiden Kleinen waren noch nicht wieder am Grab. Ich werde regelmäßig mit ihen hin gehen und immer eine Blume hinbringen damit sie die Scheu verlieren. Egal ob die Blume dann gleich erfriert oder nicht. Ich für die Kinder.

Gruß Melin

[maryloulou]

Hallo, Melin, ich war heute nach langer Zeit wieder mal hier im Krebsforum und bin an der Überschrift: Meine Schwester ist vorausgegangen" hängen geblieben. Ich habe auch meine Schwester verloren und seit dieser Zeit hat sich mein Leben total verändert. Ich weiß also, wie es dir geht. Ich wusste nicht, dass Trauer so weh tun kann. Ich habe an nichts mehr Freude. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich vermisse sie so sehr. Wenn ich etwas Schönes sehe, etwas, das sie auch gerne mochte, wie z.B. einen schönen Tulpenstrauß oder wenn die Sonne scheint, dann könnte ich nur noch heulen, dass sie so etwas nicht mehr erleben darf.Meine Schwester ist nun 3 Monate tot und ich habe das Gefühl, es wird alles nur nch schlimmer jeden Tag. Kann ich jemals wieder mit Freude weiterleben? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin so traurig.
Maryloulou