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Alt 16.08.2012, 18:07
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Registriert seit: 16.08.2012
Beiträge: 42
Standard Mama, ich brauche dich, warum bist du nicht mehr hier?! ...

Hallo ihr Lieben, ich bin durch Zufall auf euer Forum gestoßen und habe mich registriert in der Hoffnung, dass mir jemand sagen kann, wie ich mit der ganzen Situation am besten umgehen kann.

Ich habe meine Mama am 06.07.2012 nach einem langen Krebsleiden verloren und fühle mich nun, als wäre ich in ein bodenloses Loch gefallen ... Meine Mama war für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben, meine beste und einzige Freundin, mein Halt. Seit sie weg ist, fühle ich mich schrecklich alleine, kraftlos, haltlos und die Lebenslust scheint täglich zu schwinden.

Vor einigen Jahren hat meine Mama eine harte Stelle an ihrer Brust bemerkt, sie hat es mir erzählt und ich hab sie gebeten zum Arzt zu gehen. Doch meine Mutter ist keine Arztgängerin gewesen, seit ich auf der Welt war, war sie nie bei einem Arzt, sie war auch selten krank und wenn, dann hat sie sich alleine daheim auskuriert. Sie sagte sie habe Angst vor der Antwort des Arztes und wolle nicht gehen … ein fataler Fehler!

Einige Jahre vergingen und der damals kleine feste Punkt wurde größer, härter und bereitete ihr große Schmerzen. Als sie sich in der Arbeit auch noch gestoßen hatte und der Schmerz unerträglich wurde ging sie zum Arzt – Diagnose Brustkrebs! Sie nahm es sehr locker, machte Scherze und spielte die Angst von mir und meinem Papa runter. Ich habe sie damals zu ihrer ersten Chemotherapie begleitet, fröhlich und munter war sie an dem Tag, voller Zuversicht alles locker zu überstehen, als sei es ein Schnupfen und sie war ein starker und positiver Mensch, alle „Gleichgesinnten“ hatte sie damals aufgeheitert, getratscht und die Stationsschwestern mochten sie sehr. Ihre Haare fielen aus und wir haben alle zusammengelegt, um ihr eine Echthaarperücke zu kaufen (eine Frechheit wie teuer das ist). Sie fühlte sich damit allerdings nicht wohl und meinte, dass das nicht sie sei und so ist sie mutig nur mit Kopftuch oder sogar ohne rausgegangen. Ich war stolz, so eine starke Mama zu haben!

Zumal sie erst so spät zum Arzt gegangen ist, konnte man ihre Brust nicht mehr retten, die linke musste ihr abgenommen werden. Sie nahm es mit Humor und sagte zum Arzt: „Dann gehe ich heute nochmal in die Disko, denn morgen kann ich damit nicht mehr rumwackeln“. Sie sagte locker zu mir: Ich bin doch schon so alt, ich brauche die Brust gar nicht! Die OP verlief gut, danach folgte eine Bestrahlung. Sie sagte mir, dass nichts gestreut hätte, alles wäre vorbei – ich dachte damals, jetzt wird endlich wieder alles wie früher doch schon nach einigen Monaten schwollen ihre Beine und Arme an, sie wurden so dick, dass sie damit nichts mehr greifen konnte. Sie erklärte mir, dass dies aufgrund der fehlenden Lymphdrüsen sei, das Wasser würde nicht abgebaut werden, sie müsse zur Lymphdrainage. Sie wehrte sich immer gegen eine Kur, doch sie hatte keine Wahl und fuhr nach Kärnten für einige Wochen. Als sie wieder kam, waren Arme und Beine wie früher und es blieb auch so, wieder schöpfte ich Hoffnung, dass nun Normalität einkehren würde. Monate vergingen, als war gut, sie ist sogar wieder arbeiten gegangen. Ihre Haare sind wieder nachgewachsen und sie freute sich, dass sie sie wieder rot färben konnte.

Doch eines Tages hatte sie einen schlimmen Husten, sie dachte sie hätte sich beim Arbeiten verkühlt oder hätte eine Grippe und blieb daher einige Tage zu Hause. Der Husten wurde nicht besser und all die Mittel vom Hausarzt brachten keine Besserung. Auch klagte sie zusehend über Atembeschwerden und sie konnte plötzlich nicht mehr so weit gehen und fühlte sich stets müde und schwach. Ein Lungen CT brachte das Ergebnis, dass sie Wasser in der Lunge hatte, es wohl eine verschleppte Lungenentzündung gegeben hat, außerdem scheint sie eine Rippe gebrochen zu haben bei der Arbeit, … Wieder beruhigte sie mich und erzählte mir, dass sie nun an ein „Blubbergerät“ angeschlossen würde und dann wenn das Wasser draußen ist, geht es ihr wieder gut. Ich glaubte stets ihren Worten und hoffte auf das Beste. Nach einigen Wochen wurde sie auch wieder entlassen und es ging ihr gut – sie sagte mir, das Wasser könne wiederkommen, aber dann lässt sie es sich einfach wieder absaugen.

Wieder zu Hause klagte sie nach einiger Zeit über große Rückenschmerzen, sie könne nicht mehr schlafen und alles tue ihr weh. Eine weitere Untersuchung zeigte, dass sich Metastasen auf der Wirbelsäule gebildet haben sowie im Bauchfell.

Eine neue Chemo wurde ihr verschrieben, zu stark wie die Ärzte später feststellten, denn plötzlich spürte sie eines ihrer Beine nicht mehr. Gehen schmerzte, liegen schmerzte, sie bekam starke Schmerzmittel und die neue Chemo machte alles nur noch schlimmer.

Ich wohne 200 km von ihr entfernt, konnte nicht immer bei ihr sein und am Telefon hat sie sich stets vor mir und der Familie verstellt, hat so getan, als ob alles in Ordnung wär, sagte ständig, dass es ihr bald wieder gut gehen würde. Jeder glaubte ihr, doch als ich dieses Jahr zu Ostern nach Hause kam hab ich mich sehr erschrocken. Meine Mama war immer eine eher „festere“ Frau. Ich mochte sie wie sie aussah, aber vor mir lag plötzlich ein Häufchen Elend. Von 95 kg runter auf 38 kg … ich sah sie lange an, versuchte meine Mama zu erkennen … ich konnte es nicht fassen, mir kamen die Tränen sie so zu sehen!

Ich fuhr immer wieder heim an WE, so oft ich konnte um für sie da zu sein, doch eigentlich wollte sie das nicht, sie fühlte sich schlecht und wollte von niemanden so gesehen werden. Ihr Zustand verschlechterte sich von Monat zu Monat … sie hatte so viel Hunger, konnte aber nichts essen, sie sagte mir sie könne schon seit Wochen nicht mehr aufs Klo gehen, aber die Ärzte schickten sie immer wieder heim. Eines Tages wurde ihr Bauch immer dicker und dicker und man sagte ihr, dass sie Wasser im Bauch hätte, aber man traue sich nicht es ihr rauszuziehen, weil sie einfach zu dünn sei. Ein furchtbarer Teufelskreis, ich wurde immer wütender auf die Ärzte die meine Mama immer wieder mit Schmerzen und hilflos heimschickten. Ich versuchte sie mit HIPP zu ernähren, aber nach jedem Bissen, nach jedem Schluck Wasser hat sie immer wieder alles erbrochen. Mein Papa war mit den Nerven am Ende, ich war traurig ohne Ende und verstand nicht, warum man ihr nicht helfen wollte. Sie hatte im Krankenhaus um Aufnahme gebettelt, zumal sie gerne künstlich ernährt werden wollte, aber man schickte sie wieder weg. Ihr Hausarzt hat schlussendlich eine Überweisung in das Krankenhaus unterfertigt und das KH zur Aufnahme gezwungen.

Ich war im ersten Moment erleichtert und dachte (wieder einmal), dass nun alles gut werden würde … jetzt würde man sie ernähren und wenn sie erst wieder genug Gewicht hätte und das Wasser rausgezogen werden würde, dann wäre wieder alles ok! Es ging ihr die ersten Tage im Krankenhaus auch besser, stolz berichtete sie mir morgens immer, dass sie heute ein bisschen gegessen hätte und ich mir keine Sorgen machen muss. Ich hab sie immer gefragt, ob sie nicht ihren Eltern Bescheid geben möchte, aber sie sagte: Nein bitte nicht, wenn ich wieder aus dem Krankenhaus komme und es mir wieder gut geht, dann fahre ich zu ihnen bzw lasse ich sie zu mir kommen. Ich habe ihren Wunsch respektiert … heute ein großer Fehler wie ich weiß ... sie wollte auch nicht, dass ich sie besuchen komme, erst wenn sie wieder zu Hause wäre … alles schien lösbar, wenn sie mir davon berichtete.

Im Juli schrieb sie mir eine SMS, dass sie nun Röntgen müsste und dann würde sie operiert werden. Ihr würde in Schlauch eingesetzt werden, mit dem könne sie von zu Hause immer selbstständig das Wasser abpumpen und noch lange gut leben! Mein Papa und ich waren vorerst beruhigt und sahen der OP positiv entgegen. Zu der Zeit war sie noch an dem Gerät angeschlossen, welches das Wasser aus dem Körper zieht … den Ärzten ist wohl ein Fehler unterlaufen, denn statt es abzupumpen haben sie es umgeleitet und es ist ihr in den Kopf gelaufen, ich habe sie leider nicht gesehen, aber mein Papa hat mir erzählt, dass man sie nicht wiedererkannte. Ihr ganzes Gesicht war geschwollen und nur durch die aufmerksame Zimmernachbarin konnte sie in letzter Sekunde gerettet werden. In einer Not-OP hat man sie wieder ins Leben geholt. Sie konnte nicht mehr sprechen, auch nichts mehr sehen.

Ich rief damals gegen ihren Wunsch bei ihren Eltern (Oma und Opa) an und erzählte ihnen alles, sie waren schockiert, hatten ja keine Ahnung und wollten sofort kommen. Sie haben sich ein Ticket für Sonntag gekauft (zur Info: Meine Mama wohnte in der Steiermark/Österreich – ihre Eltern in Oberfranken/Bayern Deutschland). Sie hatten sich das letzte Mal vor vielen Jahren gesehen, haben immer nur telefoniert und gekonnt wie meine Mama war, hat sie sich nie etwas anmerken lassen, wollte ihre Eltern nicht beunruhigen wie sie immer sagte. Doch ich war der Meinung, dass es wohl nicht mehr allzu lange gehen würde und sie unbedingt ihre Eltern noch einmal gesehen haben sollte!

Es war ein Freitag, der 06.07.2012. Ich war noch immer geschockt ob des Ärztefehlers vor einigen Tagen, deshalb habe ich ihr ein Bild gemalt, um sie aufzumuntern: „Ich schicke dir einen Engel, der immer zu dir hält, ein Engel der dir Kraft gibt und Mut voranzugehen“. Dann rief mich mein Vater an, ganz aufgelöst, dass er jetzt ins Krankenhaus fährt, die Mama habe ihn angerufen und schrecklich geweint. Ich hatte sofort große Angst, da ich befürchtete dass Weinen eine zu große Belastung für ihren schwachen Körper wäre. Papa erzählte mir, dass die Ärzte ihr verboten haben das Fenster zu öffnen, zumal sie eine „Isolierpatientin“ in ihr Zimmer gelegt hatten. Diese war auch noch in eine Art Koma. Sie war traurig, weil sie sich mit der Dame davor wenigstens unterhalten konnte und diese ihr auch ab und zu Sachen bringen konnte. Ich sagte ihm, er solle mit den Ärzten sprechen, sie bitten das rückgängig zu machen. Ich habe dann meine Mama angerufen und wider Erwarten, hat sie sehr gut geklungen. Voller Sorge fragte ich sie: Mama, warum hast du geweint, geht es dir gut, bitte sag es mir! Sie sagte, „Das erzähle ich dir später … ich bin jetzt sehr müde, ich hab dich über alles lieb mein Schatz“. Ich dachte, ok, dann telefonieren wir am Abend wieder.

Zu Hause angekommen, fotografierte ich meine fertige Zeichnung und schickte ihr sie als SMS. Ich bin dann auf der Couch eingenickt und wurde einige Stunden später wach, weil ich mich fühlte, als wäre ich in der Sauna … es war ein ganz komisches Gefühl, dann läutete mein Telefon, der Papa war dran, er weinte und ich verstand ihn kaum … er sagte nur: „Die Mama ist tot, sie ist tot … ich will nicht mehr leben“. Er legte auf und ich erreichte ihn nicht mehr, die Tränen liefen mir über das Gesicht und ich hatte Angst um ihn. Ich hatte von niemandem die Nummer, konnte keinen bitten nach ihm zu schauen und es fuhr kein Zug mehr nach Hause … später riefen mich die Arbeitskolleginnen meiner Mama an, dass sie bei Papa wären und mit ihm ins Krankenhaus gefahren seien um die Mama noch einmal zu sehen und dass sie auf ihn aufpassen. Ich wusste nicht was ich denken soll, ich wusste nicht was ich fühlen soll … ich hab die Oma und den Opa angerufen. Die Oma ist am Telefon zusammengebrochen, und ich war unendlich traurig, dass sie jetzt ihre Eltern doch nicht mehr sehen konnte und am meisten traurig bin ich, dass sie wohl meine Zeichnung nicht mehr gesehen hat vor ihrem Tod!

Ich war so traurig und wütend, wie konnte sie denn gehen, einfach so, wo sie doch am Morgen noch so gut geklungen hat … sie hat mir einen schönen Tag gewunschen, hat gesagt, dass sie mir „später mit mir reden will“. Ich verstehe das alles nicht, was ist denn nun schief gelaufen?! Mein Papa hat mir erzählt, dass der Arzt ihm sagte, dass meine Mama unheilbar krank war, sie hätte nur noch ein paar Tage gehabt, aber sie hatten es nicht über ihr Herz gebracht es meiner Mama zu sagen, zumal sie bis zuletzt fröhlich und zuversichtlich war. Noch einige Stunden vor ihrem Tod hat sie mein Papa besucht und mein Papa war stets voller Angst und Sorge … man sah es ihm an, meine Mama mochte das nicht und sie sagte: „Was schaust du so, ich sterbe schon nicht, diesen Gefallen tu ich keinem!“ Sie sagte ihm auch: „Nächsten Freitag bekomm ich meinen Schlauch raus, dann darf ich heim, dann kommt ein Pflaster drauf und alles ist wieder gut – ich kann vielleicht nicht gleich wieder gehen, aber irgendwie kommen wir schon in unser Stammcafe und dann trinken wir gemütlich einen Cafe“. Mein Papa sagte zu ihr: „Ja, das machen wir“. Ich war bei allem nicht dabei (falls sich das jemand fragt), aber seit ihrem Tod wiederholt er das letzte Gespräch mit ihr immer wieder. Mein Papa hatte eine unendliche Wut auf den behandelten Arzt, erst verpfuscht er sie beim Wasser aus dem Bauch ziehen, dann wird sie in ein Isolierzimmer gesteckt, wo sie kein Fenster aufmachen darf und dann sagt man ihm nicht mal, dass sie eh bald stirbt. Er hätte sich so gewunschen, dass man wenigstens ihm das alles gesagt hätte (oder mir), dann wäre er mit ihr rausgegangen oder hätte sie mit heimgenommen und hätte sie da hingebracht wo sie hinwollte, zu ihren Katzen, zu ihrem Mann, ein letztes Mal eine Rauchen!

Ich fuhr am nächsten Tag gleich von Wien in die Steiermark, habe auch gleich meinen Chef verständigt, dass ich nach dem WE nicht gleich wiederkommen kann. Eigentlich ein ziemlich ungünstiger Moment, denn ich hatte erst meinen Job verloren und bin gerade in die neue Firma gewechselt … noch nicht einmal 1 Monat war ich in der neuen Firma, und dann gleich das, aber man hatte großes Verständnis, worüber ich sehr dankbar bin!

Mein Papa lag verkrampft zu Hause im Bett, mit einer Hand hielt er das Hochzeitsfoto, in der anderen klammerte er sich an das Bettlaken, auf der Seite an der meine Mama bis zuletzt gelegen ist. Tagelang lag er da, aß nichts, war kaum ansprechbar, hat nur geweint und nach ihr gerufen … ab und zu hat er das Handy genommen, hat sie angerufen und gesagt: „Sandra, sie geht nicht ans Telefon, warum geht sie nicht ans Telefon“ … ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt die Starke sein muss, denn Papa kann sich um nichts kümmern. Mein Papa war schon immer ein sehr unselbstständiger Mann. Er kann sich ein Wurstbrot machen und vielleicht eine Packerlsuppe kochen, aber das wars. Er wusste nicht wo all die Unterlagen sind und so hing es an mir. Meine Tränen und die Trauer mussten warten. Mein Papa konnte weder Wäsche waschen, noch Putzen, dementsprechend sah es zu Hause auch aus, nachdem meine Mama schon wochenlang im KH war … Beide hatten die Unterlagen nicht geordnet und ich hab das ganze WE von Samstag bis Montagmorgen ohne auch nur eine Minute zu schlafen geräumt und geputzt … (die einzige Ablenkung die mir blieb). Ich fand die Polizze des Wiener Vereins und die wichtigsten Unterlagen (bis auf die Geburtsurkunde meiner Mama) und fühlte mich sicher. Ich ging am Montag zur Bestattung … mein Vater war dazu nicht in der Lage, ich eigentlich auch nicht, aber mich schien keiner groß u fragen  Alles kam mir nach wie vor so unwirklich vor … dort muss man furchtbare Entscheidungen treffen … die Farbe des Sarges, die Wahl des Holzes, die Farbe und das Muster des Stoffes, den Hintergrund der Gedenkzettel, die Anzahl, die Farbe der Urne, und ich dachte dauernd nur: Warum muss man sich das aussuchen, wenn sie doch verbrennt wird und warum lebe ich nicht in Afrika, da könnte man sie ohne TamTam einfach auf einen Haufen werfen und verbrennen … es war so sureal!

Plötzlich … eine Fehlermeldung, die Polizze der Sterbeversicherung ist nicht gültig. Eine Rückfrage ergab, dass meine Mama sie kurz vor dem Tod aufgelöst hat und schlimmer nicht nur ihre, sondern auch die von Papa und mir … wir wussten von nichts! Ich wurde beruhigt, zumal sie Gemeindebedienstete war standen ihr aus dem Arbeitssterbefond 4000 Euro zu, damit könne alles bezahlt werden … doch auch hier eine Fehlermeldung, meine Mama habe als EINZIGE auf den Fond verzichtet … ich kann es nicht verstehen, nun stand ich da, was solle ich nur tun … tiefe Verzweiflung machte sich breit. Mein Papa hat auch viele Schulden, wie solle er das bezahlen. Ich bin zur Bank um um einen Kredit zu bitten, doch weil ich gerade meine Arbeit gewechselt habe steht mir frühestens in sechs Monaten ein Kredit zu … was sollte ich jetzt nur tun?

Die Woche bis zur Beerdigung wurde immer schlimmer, ich räumte und sortierte Unterlage und mehr und mehr Wahrheiten brachen über mich herein, immer mehr Fragen zermarterten mir das Hirn … warum hatte sie das nur getan, wie konnte sie mir das nur antun? Ich fand in jedem Zimmer, an den unterschiedlichsten Orten ungeöffnete Briefe, scheinbar hatte meine Mama ein Problem von dem niemand wusste, nicht mal Papa. Ich war wütend auf Papa, wie konnte er das nicht wissen, wieso hat er sich nicht eher gekümmert, immer hat er alles die Mama machen lassen und sie war damit wohl überfordert … zum Schluss hin sowieso. Ich fand Exekutionen, Klagen, scheinbar Schulden ohne Ende, ich war fassungslos! Sie hätte doch mit mir reden können!!! Ich bin nicht reich, aber ich hätte ihr immer geholfen, ich dachte sie wäre meine beste Freundin, täglich haben wir mind 3 x telefoniert, ich habe ihr alles erzählt … warum sie mir nicht???

Ich habe alle Gläubiger durchtelefoniert, habe sie vom Tod verständigt, habe mir eine Aufstellung von allen offenen Kosten gemacht. Alle haben aufgurnd ihres Todes auf die Forderung verzichtet, bis die bVa und GIS … aber auch GIS hat nach längerem hin und her eingelenkt. Auf ihrem Konto, als auch Mastercard war ein Minus und auch einen Kredit iHv 12.000 Euro war noch offen, wurde aber gsd erlassen.

Ihr Konto wurde gesperrt, ein Notar hatte sich bislang nicht gemeldet und die Verzweiflung von mir und meinem Papa wurde immer größer. Meine Oma und Opa trafen ein und sie schienen so unbeteiligt … wir fuhren zum Pfarrer und er fragte meinen Opa wie es ihm damit ginge … er sagte: „Ich ärgere mich, dass ich nicht noch mehr Kinder gezeugt habe, dann hätte ich jetzt noch eines“. Mama war ihre einzige Tochter … mein Opa hatte keine Träne vergossen … Meine Oma hingegen war nah am Nervenzusammenbruch. Ich war so traurig und meine Großeltern sahen wie schwer ich es hatte aufgrund der Kostensituation aber sie wollten mir nicht helfen … erst bei ihrer Abreise sagte die Oma sie gibt mir ein wenig Geld, aber der Opa dürfe nichts wissen …

Die Beerdigung war sehr schön, ich hatte mich durchgesetzt und wider dem Willen meiner Großeltern ein Lied von Mamas Liebslingsband (The Offspring) spielen lassen, das hat sie sich immer gewünscht! Es hieß „The Future is Now“ von einem Album das genau an ihrem Todestag rauskam, sie hat es nicht mehr hören können, aber das Lied passte sehr gut, ich hoffe sie war anwesend und konnte es hören … Der Pfarrer war toll, hat gemeint das ich mir das gut ausgesucht habe und dass es gut passt!

Ich hab ihr das von mir gezeichnete Bild zum Sarg gelegt … dann fuhr der Wagen mit ihrem Sarg weg … weg für immer …

Alle sagen mir: Du bist aber stark, du meisterst das ganz locker … ich bin wütend über diese Aussage, wie kann man sowas sagen, ich hatte schlicht keine andere Wahl! Bislang war keine Zeit um richtig zu Trauern … stets stehe ich stark in der Öffentlichkeit … lasse mir nichts anmerken, versuche meinem Papa eine Stütze zu sein. Aber mit meinem Papa verstehe ich mich nicht so gut wie mit meiner Mama, wir haben verschiedene Ansichten und ständig streiten wir uns … Ich war dauernd wütend, weil er mich mit allem allein lässt, mich allein ihre Sachen ordnen lässt, nicht lernen will und lieber nur jammert! Ganz allein weine ich für mich … zu Hause … im Zimmer … Mama wie konntest du nur gehen, du hast mir versprochen, dass du wartest bis ich verheiratet bin, dass du meine Kinder sehen würdest, dass du mir hilfst …

Ich hab sie die letzten Wochen immer gefragt: Mama bitte sag mir die Rezepte von den ganzen Sachen die ich so gerne esse, damit ich sie auch nachkochen kann, aber das machte sie wütend und sie meinte: Ich sag dir das schon noch, ich zeigs dir wenn es mir besser geht, denkst du etwa ich sterbe oder was willst du damit sagen?!  und jetzt ist sie weg … ohne mir die Rezepte gesagt zu haben und ich fühl mich verloren … kann nicht wirklich kochen und fühle mich so hilflos, meine Mama hat einfach immer alles für mich gemacht … ich war immer ein ziemliche Mamakind … und nun, was soll ich tun?

Alle sagen es wird besser, es wird einfacher, aber es wird von Tag zu Tag schlimmer … schwerer … Ich finde beim Zusammenräumen und ausmisten immer mehr Sachen, die immer neue Fragen aufwerfen … ich habe einen Halbbruder, habe ihn nie gesehen, der Mama wurde er weggenommen als er noch ganz klein war, die Gerichtsbeschlüsse dafür habe ich gefunden … ich habe Briefe gefunden, die sie geschrieben hat und nie abgesendet hat, an die damaligen Vormundschaften meines Halbbruders, dass sie ihn sehen möchte und traurig ist, dass diese immer auflegen, wenn sie anruft …

Ich fand Briefe an meinen Papa, wie sehr sie ihn geliebt hat, dass sie nach einem harten schweren Leben mit ihm neu anfangen wollte … dass sie beide arm waren, aber sie schrieb, dass sie sich sicher ist, dass sie eines Tages mehr Geld haben würden, um sich Einrichtung für die Wohnung kaufen zu können und dass dann alles besser werden würde! … und nun … ich bin so traurig … wenn ich ihr eine Frage stellen könnte, dann wäre es, ob sie glücklich war … obwohl sie bis zuletzt sehr arm waren … obwohl ihre Träume sich nicht erfüllt haben … was wen sie unglücklich gestorben ist?!

Da sind so viele Fragen, so viel Unausgesprochenes, so viele Geheimnisse und seit dem Tod schweigen die Eltern meiner Mama noch viel mehr … sie wollten es nicht, aber ich hab mich auf die Suche gemacht nach meinem Halbbruder, habe ihn gefunden und er hat sich sogar über den Kontakt gefreut, er möchte mit mir unter vier Augen sprechen und daher konnten wir bis dato noch nichts bereden, aber vielleicht bringt er ja Klarheit in die Sache. Er war nicht traurig über den Tod, warum auch, für ihn ist meine Mama wie eine Fremde, er hat sie nie gesehen … ach Mama warum hast du nie mit mir geredet? Hab ich mir eingebildet, dass wir die besten Freunde sind … ich habe plötzlich das Gefühl, als wärst du völlig fremd … was soll ich denken, was soll ich fühlen?

Ich frage mich die letzten Tage dauernd, ob ich ein furchtbarer Mensch bin, ob ich bestraft werden muss … so viel Schlechtes passiert mir auf einmal? WIESO?

Ich habe vor einigen Monaten meine Wohnung mit allem Inhalt durch einen Regenschaden verloren, die Dachrinne war verstopft und über tausend Liter sind in meiner Wohnung … ich war auf der Straße … jeden Tag hab ich mit meinen Katzen woanders übernachtet, Versicherung und Vermieter fühlten sich nicht zuständig, es war die schwerste Zeit meines Lebens, gleichzeitig bin ich aus Verzweiflung die Treppen runtergefallen, musste ins Unfallkrankenhaus und weil mein damaliger Chef dachte, dass ich nur simuliere weil ich Urlaub wollte habe ich meinen Job verloren … meine 10-jährige Beziehung hat der ganzen Situation nicht standgehalten und als mein Freund seinen Job auch noch verlor, hat nichts mehr gehalten … ich habe eine neue Wohnung gefunden, einen neuen Freund, eine neue Arbeit, aber jetzt ist meine Katze erkrankt … ihre Augen müssen operiert werden, sonst würde er blind werden, das ganze kostet mich 2000 Euro … auf Flehen, dass man mir bitte Ratenzahlung gewähren solle, weil ich die Beerdigung meiner Mama zu zahlen habe, kam man mir nicht entgegen … warum passiert das alles? Jetzt stehe ich da … 2000 Euro Tierarztkosten, 8000 Euro Bestattungskosten … Mama bitte hilf mir ich brauche dich so sehr … ich frage mich wozu ich überhaupt noch leben soll, alles scheint in meinem Leben doch immer nur schief zu gehen und ich habe mich so verändert seit dem Tod meiner Mama … ich bin launischer wie sonst, möchte am liebsten alleine sein … mein neuer Freund leidet sehr unter dieser Situation … all meine Freunde meiden mich … Mama ich bin ganz allein, ich weiß nicht wie lange ich das noch schaffen soll …

Ich habe Angst, dass ich meinen neuen Job auch verliere, weil ich dauern so unkonzentriert bin, ich muss auch dauernd mit Behörden etc telefonieren, weil ich versuche die ganze Kostensituation zu entschärfen … mein Papa hat allein nicht so viel Geld und alle Behörden scheinen mir zZ alles nur noch zu erschweren! So wollen sie die unmöglichsten Daten für den Antrag auf Witwenpension haben zB wo meine Mutter ihre Lehre gemacht hat, wann sie zum ersten Mal verheiratet war, wann mein Halbbruder geboren wurde, wann sie im Mutterschutz waren und alle sind wütend und sagen: Das ist ihre Mutter, warum wissen sie all diese Daten nicht … dann breche ich in Tränen aus und bin wütend und sage selbst: JA, warum weiß ich das nicht … wusste ich überhaupt etwas über meine Mutter, habe ich sie gekannt … ich bin so hilflos … Mama ich will nicht ohne dich sein … wenn soll ich jetzt anrufen, habe niemanden zum reden, bin ganz allein …;____;

Ich bin so wütend und traurig und ich wünsche mir natürlich von niemandem den Tod, aber alle anderen wären nicht so schlimm gewesen … warum der wichtigste Mensch in meinem Leben … ich weiß nicht wie ich Entscheidungen treffe soll ohne meine Mama, ich hab sie für jede Kleinigkeit um Rat gefragt, und wenn es nur darum ging, welche Zahnpasta ich kaufen soll … Mama ich ertrage diesen Schmerz nicht mehr …

So nun bin ich wieder am heulen und kann nicht weiterschreiben, Respekt an jene die diesen langen Text bis zum Ende lesen … ich wollte mir nur mal alles von der Seele schreiben … hätte ich viel Geld würde ich das Krankenhaus verklagen, aber so ist es mit der zwei-Klassengesellschaft in unserem Land, wir sind nichts wert …
__________________
Zweifle nie ohne Hoffnung, hoffe nie ohne Zweifel

Mama (BK, Lungen- und Bauchfellmetastasen)
12.12.1955 - 06.07.2012 - Love u 4-ever
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