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Alt 23.07.2009, 02:11
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RebeccaG RebeccaG ist offline
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Registriert seit: 30.10.2008
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Standard Meine Mama war schon früher ein Engel...

Hallo zusammen.

Ich habe nun lange hin und her überlegt, ob ich die Geschichte meiner Mutter nun auch hier reinschreibe. Zuerst war ich mir nicht sicher, weil es alles dadurch so Endgültig erscheint. Andererseits, ist es, wenn ich einfach mal alles loswerde vielleicht auch leichter für mich. Ich möchte mich jetzt schoneinmal für mein wirres Schreiben entschuldigen.

Meine Mama und ich hatten schon immer ein besonderes Verhältnis gehabt. Von klein auf an, war ich sehr auf sie fixiert. Egal was auch passierte, war Mama dabei, war sofort wieder alles gut. Ein Kuss von Mami und die Welt war wieder in ordnung. Sie war mit allem zu frieden, hat nie rumgemeckert, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse immer hinter die der anderen gestellt. Mit den kleinsten Dingen konnte man ihr eine Freude machen (Als ich 4 oder 5 war habe ich ihr zum Muttertag einen riesen Strauß Brennesseln gepflückt). Sie hat die Natur so sehr geliebt. Hat anderen Menschen immer geholfen und vor allem, war sie die beste Mutter und Ehefrau, die man sich wünschen konnte.
Bis Januar 2007 war alles noch normal. Auf einmal klagte sie des öfteren über starke Kopfschmerzen. Nahm Tabletten. Fuhr trotz der Schmerzen, jedoch noch jeden Abend meinen Papa von der Arbeit abholen. War für mich da wann immer ich sie brauchte. Hat niemals gejammert nix. Am 24. Januar dann, wollte sie morgens zur Toilette und ist auf dem Weg dorthin zusammen gebrochen. Mein Vater hat sie zurück ins Wohnzimmer getragen und dann direkt den Notarzt verständigt. Welcher nach einer kurzen Untersuchung direkt eine Einweisung ins Krankenhaus veranlasste. Im Krankenwagen hat sie dann zum ersten mal gekrampft, hoher Blutdruck und dieses "abwesend sein"..

Hier bei uns im Krankenhaus wurde nach Blutabnahme, Neurologischen Voruntersuchungen usw usw. endlich ein CT des Kopfes gemacht. Dann kam der große Schock. Diagnose: Hirntumor (Hühnerei - groß). Zu dem Zeitpunkt war ich gerade etwas essen gegangen. Und als ich zurück kam um zu schauen ob nun endlich Ergebnisse da sind, wurde mir die schreckliche Diagnose mitgeteilt. Zum Glück hatte ich zu dem Zeitpunkt Familie, die mich aufgefangen hat. Denn meine Mama war wie auch schon vorher eben mein Ein und Alles.
Meine Cousine holte mich sofort zu sich und dann fing das Warten an. Gegen Abend kam dann endlich mein Papa zu ihr und erzählte mir, dass es nicht gut aussieht was Mama betrifft und sie erstmal stabilisiert werden müsse bevor man operieren könne. Abends um ca. 20 Uhr riefen wir dann nocheinmal im Klinikum in Aachen an um uns nach ihr zu erkundigen. Dort wurde uns direkt mitgeteilt, dass man sofort hätte operiert und sie sich jetzt gerade im op befindet. Der Schock Nr. 2 an diesem Tag. Ich dachte mir jedoch, wenn sie operieren, wird sie das Mistding schon los. Die genaue Diagnose und Prognose standen damals ja noch nicht fest.
Die Op hat Mama super überstanden (war an einem Freitag - Samstag nacht) und am Samstag abend habe ich sie dann auch zum ersten mal wieder am Telefon gehört. Allein der Klang ihrer Stimme beruhigte mich so ungemein. Meine Mama war stark gewesen und hatte es geschafft. Dann 2 Tage später durfte ich zum ersten mal mit auf die Intensivstation sie besuchen. Sie lächelte direkt als sie mich sah und freute sich so sehr darüber. Ich hatte meine "alte" Mama wieder zurück. Wie glücklich ich war.
Dann kam der Befund der Histo. Glioblastoma WHO IV. Der Doc sagte uns, dass die Lebenserwartung bei dieser Art Tumor sehr niedrig wäre. Wir wollten jedoch einfach nicht aufgeben. Und Mama nahm tapfer alles weitere was noch folgen sollte auf sich. Zuerst bekam sie Bestrahlungen 2 mal täglich. Dann die erste Chemo mit Temodal 6 Zyklen. Und siehe da, das Mistding verschwand. Leider nicht für immer.

Im April, erfuhr ich dann, dass ich schwanger war. Freude in der ganzen Familie. Ein Lichtblick nach den ganzen Strapazen der letzten Monate. Allerdings, die Freude sollte nicht lange anhalten. Im Juni wurde bei meinem Kind ein offener Kopf festgestellt und eine 0%ige überlebenschance für das Baby war fakt. Dies war ein schwerer Schlag für meine Mutter und natürlich auch mich. Zu allem Überfluss wurde bei mir auch noch ein Pap IVa festgestellt, welcher kurz nach dem SS-Abbruch operiert wurde.

Dann im August 2008, wir saßen so oft am See und grillten, spürte meine Mama plötzlich ihre Beine nicht mehr. Sie konnte nicht mehr laufen. Meine schlimmsten vermutungen bestätigten sich. Der scheiss krebs war wieder da. Diesmal befand er sich im Rücken. Sie wurde in Aachen direkt operiert, dann Bestrahlung und Chemo. Die Hoffnung nocheinmal laufen zu können gab sie niemals auf.

Im Oktober 2008 dann der nächste Schock. Rezidiv an der Op - Narbe im Kopf. Die Chemodosis wurde erhöht und uns mitgeteilt, Rezidiv und Reste der Metas im Rücken wären kleiner geworden bzw. ganz verschwunden.

Und dann fing alles an. Es wurde immer schlimmer. Wir hätten Vor Wochen noch nicht daran gedacht, dass ich hier in dieser Foren Rubrik schreiben werde heute.

Im Mai beim MRT wurde plötzlich gesagt, der Tumor im kopf ist wieder da. Bestrahlung hat meine Mama abgelehnt, da sie angst davor hatte blind zu werden. So blieb uns nur noch eine letzte Hoffnung. Chemo mit avastin in Bonn. Ich schrieb alle Ärzte in Deutschland an, von denen ich mir erhoffte, eine Antwort mit Behandlungsmöglichkeiten zu bekommen. Und dann, ein Lichtblick für uns. Die Uniklinik in Bonn würde die Chemo mit Avastin durchführen.
Mama kam am 2. Juli also nach Bonn in die Uniklinik. Ihr Zustand verschlechterte sich jedoch so rapide, dass erneut ein CT und MRT gemacht wurden. Dieser Scheiss Tumor hatte sich auf Hirnhäute, Halswirbel und im Kopf vermehrt. Ja vervielfacht. Der Doktor, war jedoch so freundlich, mir geduldig jede meiner Fragen zu beantworten.
Die Chemo wurde letzendlich durchgeführt, da es der Wunsch meiner Mutter gewesen war dies zu tun. Auch wenn sie nix mehr gebracht hat.

Meine Mama wollte weiter kämpfen und sie tat es. Mit dem letzten bisschen Kraft, was sie noch hatte. Zu hause angekommen ging es ihr zunehmend schlechter. Nichtmal hochdosen Cortison halfen gegen ihre Wesensveränderung. Das ödem musste davon zurück gehen, also zeigte uns das, die Tumore weiter gewachsen waren. Ich bekam es mit der Angst zu tun, wollte und konnte es jedoch nicht wahr haben, dass meine mama irgendwann sterben wird. Und das sehr bald.

Am 17. 7. 09 kam sie dann mit V.a Darmverschluss bei uns ins Krankenhaus. Nach einer ausfürhlichen Untersuchung, teilte uns der Arzt mit, dass meine Mutter das Krankenhaus nicht mehr lebendig verlassen wird. Es tat so weh, es klang alles so endgültig. Die ganze Nacht saß ich an ihrem Bett. Der Atem wurde immer schwerer. Es war mehr ein Rasseln als wirklicher Atem. Ich hatte so unbeschreibliche Angst.

Jedoch verabschiedete ich mich von ihr. Ich sagte, wie sehr ich sie liebe, dankte ihr für alles was sie für mich getan hat. Küsste sie ich weiß nicht wie viele male. Hielt die ganze nacht ihre Hand. Sagte ihr, dass ich, wenn ich eine halb so gute Mutter werde wie sie mich glücklich schätzen kann. Sprach ihr gut zu. Sagte ihr, sie solle keine Angst haben. Mein neuer Freund passt auf mich auf. Und ich werde auf Papa aufpassen. Und das sie, wenn sie bereit ist loszulassen gehen kann. Dorthin, wo sie nie wieder leiden muss und keine Schmerzen mehr haben wird. Wieder an ihrem Teich sitzen kann. Angeln kann und dorthin, wo mein Baby, ihre Mutter und auch ihr Vater gegangen sind. Sie drückte meine Hand.
Am nächsten Abend, sagte mein Vater dann zu mir, ich soll nach hause fahren und schlafen, er will bei Mama bleiben. Um 10 Uhr abends verließ ich das Krankenhaus. Und um ca. 00 Uhr bin ich dann eingeschlafen. Kurz vor halb 2 bekam ich plötzlich einen stechenden Schmerz in der Brust. Ich dachte nur: Jetzt ist es geschehen. Und keine Minute später rief mein Vater an und teilte mir mit, dass Mama friedlich und in seinen Armen eingeschlafen ist.

Es tat so weh. Nie mehr würde ich sie in den Armen halten können. Meine Sorgen mit ihr teilen, ihr sagen können wie sehr ich sie liebe. Mit ihr über die Langweiligsten Dinge lachen können. Jedoch habe ich auch gedacht, dass es für sie das beste war. Und mit dieser Einstellung gelingt es mir ein wenig leichter damit umzugehen.

Ich bin sofort ins Krankenhaus. Und Mama gab mir ein Zeichen, dass sie oben angekommen war. Es regnete für ganze 30 Sekunden. Ich war so stolz auf sie, dass sie loslassen konnte. Aber auch so traurig, dass sie es getan hat. Ich liebe meine Mama doch so sehr.
Ich habe mich dann noch in Ruhe von ihr verabschiedet. Sie immer wieder geküsst. Sie wird von oben auf mich herab geschaut haben und sich gefreut haben, dass ich sie noch einmal besucht habe.

Ich habe solche Angst vor der Beerdigung am Freitag. Dort werden alle Dinge wieder auf mich eindringen. Es tut doch so weh. Ich habe meinen Engel auf Erden verloren. Sie wurde zum Engel und führt nun ein schönes Leben allerdings vermisse ich sie mit jedem Tag mehr.


Gebetet habe ich in den Tagen so viel. Hauptsächlich um Erlösung für meine mama. Und die kam schnell. Leider zu schnell. Meine Mama verstarb am 19.7.2009 mit nur 55 Jahren. Der Krebs hatte den Kampf nach 2 Jahren und 6 Monaten gewonnen.

Es tut so weh. Ich vermisse sie so sehr. Jeden Tag wünsche ich mir, sie noch einmal in den Armen halten zu könne. Ihr sagen zu können wie sehr ich sie liebe. Mit ihr zu lachen.. zu weinen und einfach nur bei ihr zu sein.

Meine Familie und vor allem mein Verlobter sind sehr für Papa und mich da und versuchen zu helfen wo es nur geht. Jedoch kann ich nicht so mit ihnen darüber sprechen, wie ich es nun hier alles niederschreiben kann. Mir kommen auch bei diesem Text die Tränen. Es ist so, als hätte ich nun alles noch ein zweites mal durchlebt. 2 Jahre und 6 Monate harter Überlebenskampf und am Ende, doch verloren.


Mama, du warst so tapfer, stark und so liebevoll. Hast trotz deiner Leiden immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Hast so viel für uns getan. Ich will dir so gerne dafür danken. Du warst die beste Mama und auch Ehefrau, die man sich vorstellen kann. Ein wahrer Engel auf Erden.

Mama ich liebe dich
__________________
2 Jahre und 6 Monate hast du tapfer gekämpft. Auch wenn wir den Weg von nun an nicht mehr zusammen gehen können, bist du trotzdem immer bei mir. In meinem Herzen.
Mama Ich Liebe Dich !!

Meine geliebte Mama 19.11.1953 - 19.07.2009

Es gibt Menschen, die haben die Gabe überall Freunde zu finden und können diese loslassen, wenn sie gehen.
Ich bin traurig darüber, dass Mama gehen musste, aber auch dankbar, für die Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte.
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