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  #706  
Alt 20.08.2007, 15:38
AndreaB AndreaB ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo Tonks
das stimmt schon wir haben auch nie offen über unsere Gefühle gesprochen sonst wäre ich aber wirklich zusammen gebrochen ich habe meine Mama über alles geliebt sie ist nein sie muß jetzt ein Engel sein sonst will ich in die Hölle ich kann seitdem nicht mehr an Gott glauben es war zu schlimm.
Ich habe nur 1mal zu Mama gesagt 5Tage vor ihrem Tod :" Mama du wirst jetzt bald ein Engel !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Andrea heul
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  #707  
Alt 20.08.2007, 18:09
Sternchen1000 Sternchen1000 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo liebe Mädels hier!

Auch ich bin eine von euch und habe meine Mami an diese elende Krankheit Krebs dieses Jahr im Mai verloren. Und ich kenne sie nur zu gut, diese quälenden Fragen "Warum nur?" und "Wie LEBE ich jetzt weiter?" Die Antwort liegt irgendwo im luftleeren Raum ....

Meine Geschichte in aller Kürze: Meine Mama hatte lange Jahre Beschwerden, aber war durch nichts zu bewegen, einen Arzt aufzusuchen. Alles war umsonst - mit ihr in aller Ruhe zu sprechen oder vor lauter Verzweiflung zu weinen. Noch heute stelle ich mir die Frage, was ich denn falsch gemacht habe, warum sie mir nicht genug vertraut hat oder ob sie nicht gefühlt hat, dass ich vor lauter Sorge vergehe ...
Im Februar war es soweit - ihr ging es so schlecht, dass sie nicht mehr umhin konnte, und ins Krankenhaus musste. Und dort stand es dann fest - ein Mediziner von der supereinfühlsamen Sorte rief mich kurz nach der OP an und sagte mir, sie hat Krebs im Endstadium - meinem Vater dürfe ich es selbst mitteilen. Und da war sie nun - die Antwort auf meine Frage "WAS ist los mit Mami!" Sie hat kein Wort gesagt, obwohl sie es schon vor der OP erfahren hatte, sie hat geschwiegen und es klingt jetzt egoistisch, aber ich kam mir so verraten vor. All die Jahre, in denen ich mich bemüht hatte, einen Arzt für sie zu finden .... es hätte Heilungschancen gegeben ... aber sie allein wollte nicht. Ich habe sie doch mit ihren 63 Jahren nicht entmündigen können?!?! Und trotzdem fühlte ich mich so sch... schuldig.

Die Wochen darauf waren die Hölle. Ich lebe 200 km von meinem Elternhaus entfernt - das bedeutete jedes Wochenende pendeln ... Stunden am Krankenbett sitzen ... ohnmächtig ...doch ich wollte nicht aufgeben, wollte mich mit dem Befund des einen Arztes, dem ich grundsätzlich kein postives Zeugnis ausstellte, zufrieden geben. Holte sie in die Stadt, in der ich lebe und besorgte ihr einen Top-Onkologen - der begann noch eine Chemo aber 4 Wochen später starb sie in meinen Armen. In all dieser Zeit war ich so allein - mein Vater konnte mit der Situation nicht umgehen, v.a. hatten die beiden nicht gerade eine glückliche Ehe geführt, Geschwister habe ich keine und zur Zeit auch keinen Lebenspartner, der mich mal in den Arm genommen und mir ein bisschen Energie gegeben hätte.

Ich bin froh, dass ich bei ihr war und das Sterben selbst war so friedlich und so paradox es klingt, irgendwie ein schöner Moment, den ich mit meiner Mum geteilt habe.

Aber jetzt Monate später, fällt mir die Decke auf den Kopf, ich kann mich oft im Job nicht konzentrieren und ich weiß nicht, ob ich jemals im Leben noch mal ein Glücksgefühl haben werde - ich komme mir vor wie ein lethargischer Zombie, der verstört irgendwie seinen Alltag aufrecht erhalten versucht.

Auch ich habe in dieser Zeit Freunde verloren - eine mir sehr wichtige Freundin hat mir jeglichen Kontakt abgebrochen, in einer Zeit, in der ich jede Stütze und jeden Halt benötigt hätte - auch hier frage ich noch immer "Warum???" Was sind das für Menschen? Gerade jetzt fällt es mir noch stärker auf als früher, wie egoman viele umherlaufen - ob sie glücklicher sind - ich bezweifle es. Oft denke ich mir, vielleicht sollte ich aus alledem lernen, stärker werden, anderen etwas mitgeben ... aber im Moment habe ich zu nichts mehr Energie ... alles bewegt sich immer auf dieses WARUM NUR zu ....

Sorry fürs Zutexten, aber habt ihr eine Antwort?
Alles Liebe,
Sternchen
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  #708  
Alt 20.08.2007, 18:11
Maja.Berlin Maja.Berlin ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe AndreaB,

Deine Zeilen gehen mir sehr zu Herzen. Ich weiß genau, wie Du Dich fühlst. Ich bin auch oft hier zuhause und warte auf ein Zeichen. Ob es meiner Mutter gut geht, wo sie wohl ist. Ich sehe mir oftmals Photos von ihr und uns zusammen an. Ich begreife nicht, dass das alles vorbei ist. Ist das nicht komisch? Ich kann mit dieser Endlichkeit überhaupt nicht umgehen. Ich will sie oft anrufen - gerade jetzt als ich aus dem Urlaub kam, wollte ich als erstes ihr Bescheid sagen. Es ging mir sehr schlecht, und ich konnte die anderen Leute, die ihre Lieben freudig am Flughafen in die Arme geschlossen haben kaum ertragen. Man fühlt sich in solchen Situationen so verlassen und auch benachteiligt, obwohl es ja vielen anderen Menschen ähnlich geht.
Wenn ich bei mit in der Wohnung bin, fühle ich meine Mutter oft bei mir. Dann geht es mir relativ gut. Mal besser, mal schlechter eben. Und ich muss auch sagen, ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihr. Wann das auch immer sein mag. Obwohl ich ja oft denke, alleine schaffe ich es nicht. Ihr glaubt gar nicht wie einsam ich mich so oft fühle, selbst wenn ich mit Freunden umgeben bin. Es ist nicht mehr dasselbe Lebensgefühl. Das ging mir allerdings schon verloren als die Krankheit fortgeschritten war. Deswegen war ich ja in der Klinik.

Ich habe mit meiner Mutter nicht oft über Gefühle gesprochen, aber doch manchmal. Ich sagte ihr noch, wie sehr ich sie liebe und dass ich ohne sie nicht leben will. Sie war in ihren klaren Momenten auch offen. Sie sagte während einem unserer vielen Streits, dass es so sein muss damit ich sie gehen lassen kann. Ich war so fertig. Ich bin oft auf ihrem Bett gelegen und habe geweint. Ich bin aber auch so ein Mensch, der schnell traurig wird. Ich möchte ihr noch gerne so viel sagen, aber wie ihr kann ich es nicht.
Jetzt kommt ja mein Vater in ein paar Tagen und ich möchte ihm so gerne vieles erzählen, habe aber Angst mit ihm offen über Gefühle zu sprechen. Auch komisch. Ich denke aber, ich gebe uns da mal eine Chance. Was soll schon passieren außer dass ich merke er will es nicht.

Liebe AndreaB, ich hoffe, Du hast ein paar liebe Menschen, die Dir etwas Hoffnung geben. Ich denke auch an Dich...

Maja
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  #709  
Alt 20.08.2007, 18:34
Maja.Berlin Maja.Berlin ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Sternchen,

eben erst lese ich Deine Zeilen. Ich muss fast weinen, ich kann das alles zu gut nachfühlen. Wie ich schon schrieb fühle ich mich allzu oft alleine. Mein Freund versucht sein Bestes, mich zu trösten, aber er prallt oft genug an meiner Lethargie und Trauerhülle ab. Es tut mir so leid, aber ich bin so gefangen in meinem Verlustschmerz. Wie Du habe ich kaum Energie. Ich habe schon ein Jahr keinen Sport gemacht, obwohl ich immer aktiv war. Du hast so recht, das Glücksgefühl ist weg. Manchmal denke ich, ich finde es nicht wieder. Und das mit 30 Jahren!
Es ist sehr traurig, dass Dich Deine Freundin so im Stich gelassen hat. Ich denke mache Menschen kommen schnell an ihre Grenzen beim Thema Krebs und Tod. Sie können das nicht nachvollziehen. Deswegen war ich so froh, diese Seite hier zu finden. Es tut so gut zu wissen, man ist nicht alleine in diesem Zustand und den Trost hier zu bekommen.
Hast Du es denn mit Therapie oder Selbsthilfe versucht? Und wie alt bist Du?
Es ist schön, dass Du hierher gefunden hast und ich sende Dir erstmal viel Trost

Bis bald, Maja
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  #710  
Alt 20.08.2007, 18:58
Sternchen1000 Sternchen1000 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Maja!
Danke für deine lieben Zeilen.
Ja, man fühlt sich wie gelähmt und das "alte Leben", das man zuvor geführt hat, ist irgendwie in weiter Ferne. Man "funktioniert" einfach nur ...
Ich bin 34 Jahre ... und ich fühl mich einfach viel zu jung, ohne Mum zu sein.
Therapie hab ich noch keine versucht, aber ganz viele Bücher in schlaflosen Nächten gelesen... aber ich hab nicht wirklich das Gefühl, dass der Schmerz dadurch besser wird....
Ganz liebe Grüße,
Sternchen
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  #711  
Alt 20.08.2007, 19:30
AndreaB AndreaB ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo Maya Hallo Sternchen
schön das du an mich denkst das ist soooooooooooooooooo schön..........
Sternchen ich bin auch 34 Jahre alt und meine Mama was 64 Jahre ich habe sie auch Zuhause gepflegt bis zum Tod es ist immer noch schrecklich meine Mama ist auch viel zu spät zum Arzt aber die Frage Warum liebes Sternchen darfst du dir niemals stellen sie hatten Angst vor der Wahrheit ,denke ich!!!!!!!Ich habe auch schon viel Bücher gelesen und schreibe seitdem auch ein Tagebuch da lese ich dann immer als meine Mama noch lebe!!!!!!!!
Ich habe die Freundinnen die mir damals nicht geholfen haben auf den mond geschossen das sind keine Freunde nein nein nein ..............
Aber wo sind unsere Mamas wo Sternchen sage es mir
Andrea
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  #712  
Alt 20.08.2007, 20:02
Sternchen1000 Sternchen1000 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Andrea!
Warum meinst du, dass man sich der Krankheit nicht stellt - ich hatte selbst mit 19 Jahren einen Tumor, der gutartig war, aber ich bin ein halbes Jahr von einem Arzt zum anderen gelaufen, weil sie sich nicht sicher waren, was mir fehlt .... doch ich habe mich der sache gestellt. meine mum hat immer gesagt, sie lebt gern, aber scheinbar doch nicht, man verwirkt doch das geschenk des lebens nicht einfach so, oder? irgendwie ist das doch selbstmord auf raten .....oder????
ich bewundere dich, dass du deine mama gepflegt hast, ich hätte das nicht geschafft, da ich allein bin, hätte ich nie meinen job aufgeben können, das wäre aber notwendig gewesen. manchmal denk ich mir, ich hab zu wenig für sie getan. ach, ich weiß nicht. all die monate, die sie krank war, war ich hier stille mitleserin, bevor ich mich jetzt endlich angemeldet hab. aber es tut gut, nicht allein zu sein.
sag, wie geht es dir jetzt - wird der schmerz mit der zeit weniger, erträglicher?

alles, alles liebe
Sternchen
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  #713  
Alt 20.08.2007, 20:46
Tonks Tonks ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebes Sternchen,

meine Mutter ist schon vor einigen Jahren gestorben. Daher kann ich dir sagen: JA, es wird wieder besser! - Aber eben anders!
Es wird wieder Tage, Wochen und Monate geben, in denen geht es dir wieder gut, du wirst wieder lachen können, du wirst dich wieder von Herzen freuen können und wieder das Leben intensiv leben können.
Aber es wird auch wieder Phasen geben, in denen du intensiv über viele Dinge nachdenken wirst, in denen die Gefühle und die Trauer erneut ein Teil deines Lebens sein werden. Vielleicht gibt es einen Anlass dafür, vielleicht die Trennung von einem Partner, ein neuer Lebensabschnitt, vielleicht auch Hochzeit oder Geburt eines Kindes - vielleicht aber auch scheinbar "grundlos".
Du wirst dich vermutlich immer wieder mit diesem Thema befassen, jedesmal wenn du dich weiterentwickelst und "dich neu sortieren" mußt. - Zumindest erlebe ich es so.
Diese Phasen der Trauer können sehr heftig sein. Ich habe viele meiner Gefühle erst jetzt langsam zulassen und durchleben können.
Aber es heilt. So sehr es schmerzt, so sehr es einen manchmal zerreißt, so schwarz und bedrückend der Himmel und die Welt um uns herum uns in diesen Phasen erscheinen - und Verzweiflung und Ohnmacht sind die schlimmsten Gefühle (Zustände), die ich kenne - vertraue dir und "deinem inneren Wesen", dass es nach jeder dunklen Nacht auch wieder einen neuen Morgen voller Hoffnung gibt!

Es gibt ihn! Auch wenn du ihn (noch) nicht sehen kannst!

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  #714  
Alt 20.08.2007, 20:47
Maja.Berlin Maja.Berlin ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebes Sternchen, liebe Andrea,

meine Mutter ist auch zu spät zum Arzt gegangen und ich frage mich bis heute wieso. Ich hatte auch ihren Knubbel gesehen, wie er immer größer wurde, und habe nicht viel tun können. Ich denke Andrea hat soweit Recht, als dass man Angst vor der Wahrheit hat und lieber die Augen lange Zeit zu macht. Das ist falsch, aber es geschieht so oft. Meine Mutter war immer die mutigste Person, die ich gekannt habe, aber sie muss auch Angst gehabt haben. Bestimmt verschließt man sich dann auch vor der Realisation, wirklich krank sein zu können. Eine wirkliche Erklärung finde ich nicht. Ich dachte auch bis kurz vor dem Ende, dass sie es noch schaffen würde. Ich habe auch viel im Netz recherchiert und war mit ihr bei vielen Ärzten. Am Ende muss ich auch vielen ein großes Maß an Unfähigkeit bezeugen. Sie sind selber hilflos im Angesicht einer solchen Krankheit und vertrauen eben auf die Chemie. Diese macht oft mehr kaputt als das sie hilft, aber sie verlängert das Leben ein Stück weit. Unter welchen Bedingungen ist eine andere Sache... Aber das wisst Ihr ja alle...
Meine Mutter wäre jetzt am Freitag 62 Jahre alt geworden. Ich kann es nicht glauben... Sie ist nicht mehr bei mir. Den Schmerz kann man nicht beschreiben und er ist nicht besser geworden. Ich spüre ihn in letzter Zeit eher deutlicher als kurz nach ihrem Tod. Da musste ich mich um so viel anderes kümmern.

Ich bin mir nicht sicher wie ich ihn bewältigen soll und ob er überhaupt je aufhören wird. Ich versuche mich viel abzulenken. Meine Schule hat heute wieder angefangen und es hilft schon. Aber wenn man alleine ist, dann befällt mich die Trauer so oft, dass ich nicht mal raus gehen und einkaufen kann oder ähnliches.

Was machen wir bloß?

Ich wünsche Euch eine gute Nacht. Ich freue mich jedesmal, wenn ich meiner Mutter im Traum begegnen darf, dann möchte ich am liebsten nicht mehr aufwachen.

Liebe Grüße an Euch von Maja
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  #715  
Alt 21.08.2007, 12:50
AndreaB AndreaB ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Maya
ich denke auch genau so wie du !!!!!!!!!!! Meine Mama war auch immer soooooooooooooo stark.......................
Liebes Sternchen
ich weiß nicht mir geht es manchmal ein bisschen besser dann wieder schlechter es ist ein auf und ein ab..........
Aber das Krebs Forum tut sehr gut ihr tut gut das Gefühl nicht allein so was schlimmes durchgemacht zu haben und wir haben alle das leibste verloren
MAMA

Liebe Grüße AndreaB
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  #716  
Alt 21.08.2007, 19:31
Sternchen1000 Sternchen1000 ist offline
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Registriert seit: 20.08.2007
Beiträge: 4
Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo meine Lieben!
Ja, das stimmt wohl, es ist ein ständiges Auf und Ab. Aber damit müssen wir wohl jetzt leben - ich merke schon auch immer, dass es einen Hauch schöner Momente langsam wieder gibt - wenn man mit Freunden nett beisammensitzt, ein paar Tage auf Urlaub fährt, sich endlich wieder dazu aufrafft, ein bisschen Sport zu treiben, um Glückshormone heraufzubeschwören oder mal ausgiebig shoppen geht und sich so ablenkt. Aber irgendwie ist das alles auch immer ein wenig Flucht...
Wünsch euch noch einen schönen Abend!
Euer Sternchen
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  #717  
Alt 22.08.2007, 02:37
Tonks Tonks ist offline
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Beiträge: 7
Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo allerseits,

natürlich ist es Flucht. Das Funktionieren der ersten Tage, Wochen oder Monate ist auch Flucht. Ein Teil von uns weigert sich schlicht, am Leben teilzunehmen. Sternchen, du hast es so "schön" als 'lethargischer Zombie' umschrieben, wenig schmeichelhaft, aber treffend...
Mir kam es manchmal so vor, als "würde ich neben mir stehen", als würde ich irgendwie einen mir merkwürdig bekannten weiblichen Roboter beobachten, der Arbeiten verrichtet, die irgendwie für mich Bedeutung hätten haben sollen, nur hatte ich vergessen, warum. Ich war irgendwie Zuschauer und wußte nicht recht was all das um mich herum bedeuten sollte. Ich tat die Dinge, die ich kannte, mechanisch, emotionslos, aber effektiv wie immer.
Mir ging es nach einigen Wochen nicht langsam wieder besser, sondern Stück für Stück fielen mir alltägliche Dinge immer schwerer. Das Denken fiel mir schwerer, die Konzentration auf schwierigere Inhalte, auf Neues, wurde allein fast unmöglich. Ich habe Texte 5x "gelesen" und dennoch erreichte kaum ein Wort, kaum ein Satz mein Bewußtsein. Solange ich in Gesellschafz anderer Menschen war, solange habe ich mich einigermaßen normal verhalten, kaum war ich allein, gleichte ich einem Ballon, dessen Gas entwichen war und der starr und regungslos in seiner Position verharrte.
Zwei "Freundinnen" (damals 18 und 19 Jahre alt) haben sich von mir abgewandt. Sie wußten wohl nichts mehr mit mir anzufangen. Zuvor war ich immer ein sehr fröhlicher und lebenslustiger Mensch gewesen. Kein Problem, dem ich nicht eine positive Seite hätte abringen können. Ein aufmerksamer und geduldiger Zuhörer. Nun empfand ich ihre Probleme als bedeutungslos. Sie weinten über eine schlechte Note, über den Skilehrer, der sie wohl nur attraktiv fand, aber nicht mehr wollte oder wollten stundenlang den Stress mit einem Lehrer thematisieren. Mit solchen Themen ließ sich eine der beiden tränenüberströmt in meine Arme kippen. Ich stand fast schon angewidert und ungläubig da - eine Woche zuvor hatten wir meine Mutter begraben - und fragte mich, ob die Situation nicht umgedreht normaler gewesen wäre, ob es nicht ihre Aufgabe gewesen wäre, mich zu fragen, wie's mir geht, mir Trost anzubieten.
Nur zwei meiner "alten" Freunde sind aus dieser Zeit übriggeblieben. Sie haben mich nicht wie eine Aussätzige behandelt. Wenn auch ihre Antworten "nur" aus schweigendem Zuhören bestanden, sie haben die Herausforderung des Zuhörens angenommen, sind nicht geflüchtet.
Alle Gleichaltrigen waren gnadenlos mit der Situation überfordert. Schiefe Seitenblicke, Samthandschuhe, aufdringliches Bemitleiden wollen waren die Zeichen ihrer Hilflosigkeit, ihres Unverständnisses. Doch warum sollte ich es ihnen vorwerfen, bedeutend ältere Menschen haben nicht weniger unreif bis taktlos gehandelt.
"Freunde" haben sich abgewandt. Das war sehr schmerzhaft. Doch die, die übrig geblieben sind - und auch die, die ich erst durch den Tod meiner Mutter kennen- und schätzengelernt habe, von diesen Freunden weiß ich, dass ich mich auf sie verlassen und auf sie bauen kann. Sie haben mir mehrfach gezeigt, dass sie sich mutig neben mich stellen, meinetwegen, obwohl(!) sie Angst haben. Sie haben mir gezeigt, dass gemeinsames Schweigen tröstender sein kann als tausend wohlgesetzte Worte.
Andere haben mich gelehrt, Menschen besser einschätzen zu können. Ich habe gelernt, hinter die Fassade zu schauen, Heuchelei von echter Herzensgüte besser zu unterscheiden, Feigheit und Mut.
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  #718  
Alt 22.08.2007, 19:43
Melli Melli ist offline
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Registriert seit: 02.08.2004
Beiträge: 162
Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Zitat:
Zitat von Tonks Beitrag anzeigen
Hallo allerseits!

Seit einiger Zeit suche ich nach Literatur, nach Berichten und Erfahrungen von jungen Frauen, deren Mutter früh verstarb. Dabei bin ich auch auf dieses Forum gestoßen.
Viele Berichte aus diesem Thread, allerdings zugegebenermaßen nicht alle, habe ich gelesen und viele viele Erfahrungen, die auch ich durchlebt habe wurden hier geschildert. Dafür möchte ich allen Autoren meinen Dank aussprechen, denn es tut gut, zu erfahren, mit seinen Gefühlen und seiner Verwirrung nicht alleine zu sein .
Ich selbst bin Mitte zwanzig und meine Mutter starb vor einigen Jahren als ich selbst gerade siebzehn war. Damit liegt ihr Todeszeitpunkt wahrscheinlich um einige Jahre weiter zurück als das bei vielen Elternteilen von euch der Fall ist. Ich hoffe, ich darf mich dennoch dazwischendrängen .
Meine Fragen und meine Geschichte richte ich besonders an die unter euch, die in die Kategorie "twentysomething" fallen oder älter sind, deren Mütter aber starben als sie selbst Jugendliche oder jünger waren.

Obwohl es mittlerweile so viele Jahre her ist, habe ich bis heute meine Mutter nicht wirklich loslassen können. Ich suche sie noch immer in vielerlei Hinsicht, gerade in letzter Zeit. Zwar lebe ich "von außen betrachtet" wieder ein "ganz normales Leben", mit Uni, Job, Freunden usw., ich kann auch wieder von Herzen lachen und mich freuen, nicht aufgesetzt, nicht gekünstelt, sondern tatsächlich mit Freude am Leben leben - und doch...

"Die Zeit heilt alle Wunden", diesen Spruch habt ihr sicher alle schon zu hören bekommen. ...ja, mit der Zeit kommt es tatsächlich zurück, das Leben, die Freude, das Wieder-Lachen-Können - und das meinen viele Menschen wohl, wenn sie diesen Spruch bringen -, aber "heilt" "die Zeit" wirklich die Wunde, die der Tod eines Elternteils - besonders der des gleichgeschlechtlichen - in uns gerissen hat?
Wer oder was heilt?
Oder lernen wir nur, mit der Wunde zu leben?

"Das Leben geht weiter".
Als ich diesen Spruch kurz nach dem Tod meiner Mutter zu hören bekam, klang das für mich wie bitterböser Spott und Ironie... allerdings mit erschreckendem Wahrheitsgehalt... es traf mich nämlich zutiefst, genau das zu erleben!: "Die Erde dreht sich weiter und sie fragt nicht mal nach dir - alles, was dich von ihr trennt ist eine Eisentür" (Die Toten Hosen) ...das Leben um mich herum ging ganz normal weiter - ich verstand nicht, wie und wieso alle Menschen um mich herum, auf der Straße, in der Schule, im Verein noch lachen und fröhlich sein konnten.
Und ich verstand mich teilweise selber nicht, wie auch ich teilweise in gewohnter, aber nicht familiärer, Umgebung "ganz normal" sein konnte
- um dann im nächsten Moment vor inneren Schmerzen fast zerfetzt zu werden.

Aber irgendwann findet sich wieder ein Rhythmus, irgendwann hört dieses dumpfe Funktionieren, dieses wie in einer etwas unrealen, etwas zu grellen oder etwas zu farblosen Welt leben wieder auf, irgendwann stürzt man sich wieder voller Energie in sein Studium, in seinen Beruf und in das Leben.

...und findet sich plötzlich zurückgeschleudert.
Plötzlich bricht eine heilloses Chaos aus einem aus. Plötzlich zerreißt es einen innerlich wieder. Plötzlich kommen all die Gefühle hoch, die so lange unter der Oberfläche verborgen lagen.

...plötzlich stellt man fest, daß man seine Mutter schrecklich vermisst. Ihre Umarmung, ihren Zuspruch, ihre Ermunterung, ihre Liebe.
Hat man sich bis eben noch selbst gezeigt, es auch "alleine" schaffen zu können, erscheint einem plötzlich das Leben wieder so groß und so bedrohlich und man möchte nichts mehr als in die wärmenden und schützenden Arme der Mutter zurückfliehen! ...aber sie ist nicht da! Sie ist nicht da. Sie ist tot.

Da sind die Fragen, die man ihr unbedingt stellen möchte.
Zum ersten Mal entdeckt man nämlich, daß die eigene Mutter mehr als nur die Mutter war. Sie war auch - vielleicht sogar vorallem - eine Frau! Sie war auch mal jung, sie war auch mal genauso alt wie ich heute.
Wer war diese junge Frau? Welche Wünsche und Träume hatte sie? Was hat sie gemacht? Wer waren ihre Freunde? Wie und wo hat sie gelebt? Mit wem?
Hatte sie vielleicht auch Angst?

...warum weiß ich darüber nichts? Warum habe ich sie nie danach gefragt? Hat sie dazu jemals etwas erzählt? Was weiß ich über sie? Kenne ich sie überhaupt?

Und die anderen Fragen, Fragen, die ebenso schwer zu beantworten sind.
Ich suche nämlich nicht nur verzweifelt nach dem mütterlichen Trost, nach der mütterlichen Umarmung, ich beginne auch nicht nur, meine Mutter als Menschen, als eine Frau zu erkennen und trauere darum, sie niemals auf diese Art kennenlernen zu können, nein, ich suche auch ganz massiv nach einer Art Vorbild, einem Modell, einer Antwort auf die Frage, was es bedeutet, eine junge Frau zu sein oder zu werden.
Doch mein Modell lebt nicht mehr.

Und leider habe ich auch keine wirkliche "Idee", wie ich an diese "Informationen" herankomme.


Erkennt sich jemand hier wieder?
Wie habt ihr das Problem lösen können? Habt ihr?

Danke!
Tonks

ich habe leider nicht allzu viel Zeit zum schreiben...fühlte mich bei der Fragen

"Erkennt sich jemand hier wieder"

sehr doll angesprochen, ich fühle mich in vielen deiner Sätze wieder...

LG
Melanie
__________________
...Meine Mama ist im Alter von 44 Jahren am 14.07.2004 an einem Imflammatorischen Karzinom, Wirbelsäulen- und Lebermetastasen gestorben. Von der Diagnose bis zum Tod blieben uns nur 3 Monate...

www.elke-jaitner.de
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  #719  
Alt 22.08.2007, 20:25
Tonks Tonks ist offline
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Registriert seit: 17.08.2007
Beiträge: 7
Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Melanie,

ich habe gerade deine Homepage gelesen.
Eine schöne Seite! Sehr liebevoll!
Deine Texte berühren mich sehr! Besonders deine 'Worte an Mama'.
Du sprichst mir aus der Seele! Ich müßte nur die Namen ersetzen.
Danke für die schönen Worte!
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  #720  
Alt 24.08.2007, 13:47
Maja.Berlin Maja.Berlin ist offline
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Ort: Berlin
Beiträge: 8
Lächeln AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo Ihr Lieben

ich wollte mich schnell melden und Euch ein schönes Wochenende wünschen. Mein Vater ist bei mir und wir haben sehr schöne Gespräche, wenn wir uns auch immer anfangs etwas aneinander gewöhnen müssen.
Meine Mutti wäre heute 62 Jahre alt geworden und sie fehlt mir unendlich!!!!! Es ist schönes Wetter und ich denke, was hätten wir schönes zusammen unternehmen können. Nun werde ich mit meinem Vater einen schönen Nachmittag verbringen und wir werden bestimmt viel über Mutti reden.
Ich muss auch sagen, dass ich froh bin, dass sie nicht mehr so leiden muss. Diese schei.... Krankheit!!!

Ich muss mir die Homepage von Melli noch angucken. Ich mache das in einer ruhigen Minute.
Jetzt wo mein Vater da ist geht es mir schon viel besser. Es ist immer ein solches auf und ab mit mir - ganz schlimm.

Ich sende Euch liebste Grüße, bis bald, Maja
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