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Alt 20.07.2012, 21:58
Aquintos Aquintos ist offline
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Registriert seit: 20.04.2012
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Standard Die Mama...

Hallo und guten Abend zusammen,

ich war heute Abend wieder bei meiner Mama.

Irgendwie meint sie, immer mehr und mehr von Papa "loswerden" zu wollen/müssen. Das ist nicht böse gemeint. Sie räumt auf.
Sie muss nicht....sie soll sich Zeit nehmen, solange sie braucht. Ich habe auch nie ein Wort darüber verloren; es ist Ihre Sache!

Ich habe Menschen in der letzen Zeit kennengelernt, die nach Jahren noch alle Dinge des Partners in den Schränken hatten. Alles unverändert. Das muss jeder für sich selber entscheiden.

Ich finde es eigentlich nicht schlimm, Schränke auszuräumen mit Dingen die niemals mehr gebraucht werden. Aber Papas Kleiderschrank heute.....puh.

Schon als ich den Koffer aus dem KKH mit nach Hause genommen habe, war mir klar, dass die Zähne meines Papas keiner mehr brauchen kann; ebenso wie die Kleidung in der er gestorben ist (zusammengerafft in einem Plastikbeutel obendrauf....den Koffer haben die Pfleger der Palliativ-Station schon fertig gepackt nach Ihrem Schema...finde ich gut! Nicht jeder kann nochmal den Anblick ertragen oder in`s Zimmer gehen. Meine Mama konnte es nicht. Was wäre also mit den ganzen Sachen passiert? Wer hätte den Schrank ausgeräumt? Kleidung lag also unten im Koffer, Wertsachen (Uhr, Zähne, Geldbeutel) obenauf...zuklappen...fertig!)

Gedanklich habe ich mich die letzten Wochen in die Pfleger dieser Station versucht hineinzuversetzen. Es will mir einfach nicht wirklich gelingen. Eine Station, auf der fast nur gestorben wird. Die Schwester erzählte mir, daß eine wirklich Palliative-Versorgung kaum noch möglich ist heutzutage.
Die Patienen kommen viel zu spät, wenn wirklich ALLES zu spät ist. Das Ziel dieser Stationen wäre, die Menschen soweit "fit" zu machen, daß sie wirklich noch eine schöne Zeit zu Hause haben oder noch in ein Hospiz können.

Aber ich schweife schon wieder ab...

Also wurden heute ein paar Sachen in die Restmülltonne gepackt. Ich hatte (fast) jedes Teil in der Hand, das mein Papa gerne getragen hat. Wir haben gemeinsam alles begutachtet, darüber gelacht "Weisst Du noch, als er das anhatte....", haben hässliche Kravatten aussortiert, Socken und Unterhosen sortiert. Mama meinte "Jedesmal wenn die Müllabfuhr kommt, nehmen die einen Teil von Papa mit. Das kommt mir so unwirklich vor. Das ist so schlimm."

Wir hatten das letzte Paar Schuhe in der Hand (die restlichen hatte sie schon "entsorgt" vor Wochen) und sie meinte "Die hatte Papa noch nie an. Die sind ganz neu. Die habe ich extra verwahrt. Papa hatte nämlich Nagelpilz an einem Zeh; und die Afrikaner sollen das nicht auch bekommen. Die andern Schuhe habe deshalb in den Restmüll getan. Aber mit denen hier kann man doch noch was machen, oder?"

Ja klar. Wir haben sie wieder in den Schrank gestellt.

Die Afrikaner laufen barfuss mit leeren Kanistern auf´m Kopp 10 km zur nächsten Wasserstelle; da wäre so ein Nagelpilz tödlich, vor allem wenn der Träger dieser Schuhe immer Socken anhatte...aber SO ist meine Mutter eben.

Ich habe ihr vorgeschlagen, daß wir die Sachen, die noch "gut" sind, zu einer Kleiderkammer bringen; damit Männer, die nicht so viel Geld haben, Spaß an warmen Pullovern und Winterjacken im Herbst/Winter haben. Wir fangen mal klein an, also vielleicht 2 Jacken, 3 Pullover, fahren gemeinsam hin und schauen einfach, was mit den Sachen passiert und was das für eine Einrichtung ist.

Mama hat auch schon wieder einen Kurztrip mit Ihrer Freundin gebucht. Eine 4-tägige Busreise mit vielen Ausflügen etc. Soll sie machen! Ende August.

Für das Wochenende gab es noch keinen Plan. Morgen will sie zum Friedhof; die Mama meines Papas hat am Montag 19. Todestag. Da muss alles schön sein. Wir werden morgen Nachmittag telefonieren.

Ich möchte aber noch einen Nachtrag schicken. Ich habe einige PN´s bekommen, was meine Mama angeht.

Hier noch ein paar Fakten zum besseren Verständnis:
Sie ist 64 Jahre, hat COPD Stad. III, ein Lungenvolumen von 60%;
letztes Jahr war sie 2 1/2 Wochen im KKH wegen verschleppter Bronchitis, knapp an der Intensivstation vorbeigeschliddert, da Lungenvolumen nur noch 40%. Bei einer Größe von 1,65m wiegt sie noch 49 Kilos, Tendenz fallend (aus welchen Gründen auch immer). Sie kann sich nicht selber um den Garten kümmern, keine Getränkekisten schleppen. Das matschige Wetter macht es mit der Luft noch schlimmer. Sie kann keine Treppen steigen (wenn, dann nur mit Pausen) und keine langen Strecken gehen. Altersmässig (mit 64) gehört sie nicht zum "alten Eisen". Aber die Krankheit an sich macht Ihr/mir zu schaffen.

So, das war es für heute.
LG
Aqui
__________________
Man sieht die Sonne langsam untergehen; und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Papa: *31.01.1948 +19.05.2012
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  #2  
Alt 20.07.2012, 22:18
lyra lyra ist offline
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Standard AW: Denkfehler?

Liebe Aqui,
was die körperlichen Fakten Deiner Mama angeht-
bei COPD gibt es 2 verschiedene Typen, sie scheint Typ "pink puffer" zu sein (der andere ist "blue bloater"), daher das zunehmende Untergewicht.
Meiner Nachbarin geht es ebenso, deshalb kenne ich mich ein wenig aus.

Über all das andere, was Du geschrieben hast, werde ich mir erst mal Gedanken machen, aus Zeitmangel morgen-
aber wenn Deine Mutter von sich aus anfangen will, aus- und aufzuräumen-
warum nicht?

Liebe Grüße
Lyra
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  #3  
Alt 20.07.2012, 22:21
Aquintos Aquintos ist offline
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Registriert seit: 20.04.2012
Ort: Krefeld
Beiträge: 109
Standard AW: Denkfehler?

Hi Lyra,

danke für den Hinweis. Da werde ich mich mal mit beschäftigen.
Von den 2 Typen bzgl. COPD habe ich noch nicht gehört. Bin für jeden Tip dankbar.
LG
Aqui
__________________
Man sieht die Sonne langsam untergehen; und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Papa: *31.01.1948 +19.05.2012
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  #4  
Alt 21.07.2012, 07:55
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
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Ort: Schleswig-Holstein
Beiträge: 1.508
Standard AW: Denkfehler?

Liebe Aqui,

ich musste eben ganz laut lachen, als ich deinen Eintrag gelesen habe! Du hast wirklich einen tollen Humor! (siehe den Absatz mit den neuen Schuhen für die Afrikaner) Und vor allem sah ich dich und deine Mama gerade vor mir stehen...

Da seid ihr ja schon einen ordentlichen Schritt weiter. Meine Mama hat noch gar nichts aussortiert. Na ja, fast gar nichts. Sie meint, sie fühle sich in dem Haus mit all den Erinnerungen sehr wohl und geborgen. So habe sie immer das Gefühl, dass ihr Mann in ihrer Nähe sei. Sie sei noch nicht so weit, sich von Papas Kleidung zu trennen. Du hast recht, die Menschen sind da völlig unterschiedlich. Aber unser Plan ist genauso, alles, was noch in Ordnung ist, werden wir zur Kleiderkammer bringen, denn vielleicht kann es jemand anderes dringend gebrauchen.

Ich finde es großartig, dass deine Mutter eine Kurzreise mit ihrer Freundin geplant hat! Das wird ihr sicherlich gut tun. Ich persönlich finde immer, dass es hilft, mal die Perspektive zu wechseln und wenn es nur für ein paar Tage ist...

Schön, dass es bei euch beiden nun wieder etwas entzerrt ist! Zumindest habe ich diesen Eindruck

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende mit Zeit für dich (und wenn du magst, auch für deine Mama)!
Liebe Grüße
Miriam
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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