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  #1  
Alt 03.03.2011, 08:34
Ruvon Ruvon ist offline
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Registriert seit: 03.03.2011
Beiträge: 3
Standard Nicht einmal ein Jahr

Hi,

ich lese schon seit einigen Wochen in diesem Forum und habe dadurch viel Kraft gewonnen, habe mitgefiebert und oft Tränen in den Augen gehabt wenn man hier einem Krankheits Verlauf folgt und es nach einer kurzen Phase der Besserung doch anders ausging. Leider steh ich jetzt vor dem selben Problem.

Mein Vater(69) hatte seit April2010 immer mal wieder Halsschmerzen und schluckprobleme, aber wie er halt so ist ging er nicht zum Arzt. Erst im August konnte meine Mutter ihn davon überzeugen.

Die erste Diagnose vom Hausarzt war normal. Halzschmerzen, vielleicht auf Grund einer verschleppten Grippe. Als die Antibiotika nach drei Wochen keine Wirkung zeigten bekam mein Vater eine Überweisung zum HNO-Arzt. Dort wurden Proben genommen und wenige Tage später musste er ins Krankenhaus. Krebs an der Rachenrückwand, kenn die genaue Bezeichnung dafür jetzt nicht. Das war Mitte September und er bekam bestrahlungen verschrieben. Sechs wochen lang war er täglich (außer sonntags) im Krankenhaus. Sein Zustand verschlechterte sich da die Bestrahlung ja wie ihr wisst auch das umliegende Gewebe angreift.

Schon in den ersten Tagen bekam er eine magensonde da er nicht mehr schlucken konnte, vielleicht mal nen Schluck Wasser, aber mehr nicht. Gegen Ende Oktober war die strahlenterapie vorbei und der Arzt sagte jetzt müssen wir abwarten ob es geholfen hat. Fast wöchentlich
war mein Vater dort ohne das man was genaues erfahren hat.

Ende November konnte mein Vater wieder schlucken. Er hat mit Freude essen gekocht, auch wenn er es teilweise pürieren musste, aber er war glücklich. Er wünschte sich zu Weihnachten christstollen, da er sie immer so gern gegessen hatte.

Meine Frau und ich haben ihM also Heiligabend seine Stollen geschenkt. Leider konnte er dort schon seit zwei Tagen nicht mehr richtig schlucken und war auf die magensonde angewiesen. Aber er war noch immer gut gelaunt, hat sich über die Stollen gefreut und gesagt er würde sich halt in ein paar Tagen darüber hermachen.

Als es mit dem schlucken bis Januar immer noch nicht besser war und die schleimbildung sich weiter verschlimmerte ging er (zum ersten mal
seit ich meinen Vater kenne) freiwillig zum Arzt. Direkt wieder eine Überweisung ins Krankenhaus. Am nächsten Tag dann die gewissheit. Der Tumor im Rachen hat gut auf die Bestrahlung reagiert, aber er hätte sich ausgebreitet und wäre jetzt auch im Kopf und bahnt sich seinen weg zur Lunge.

Laut dem Doktor könnte eine Chemotherapie helfen die Ausbreitung zu verlangsamen, er würde aber aufgrund der damit verbundenen strapatzen davon abraten. Auch mein Vater meinte dass er sich das nicht antun wollte. Die voraussage des Doktors lautete 2-3monate.

Seit Ende Januar befindet mein Vater sich jetzt im Pflegeheim. Eine Stufe hat er noch nicht, keine Ahnung welches Amt dort schon wieder am schlagen ist, aber da kann man wenig machen. Bis letzte woche Mittwoch ging es ihm gut. Wir haben uns eine Stunde über alles mögliche unterhalten und er hat seine späße gemacht. Sogar die Pflegerinnen sagten er wäre die ganze geit gut drauf, auch wenn er es hasst das im heim die künstliche ernährung nur mit 150ml/h laufen darf wärend er zuhause immer auf 600 gestellt hatte.

Am Sonntag hat mich meine Mutter angerufen. Meinem Vater ginge es schlechter und vorallem aggressiver. Sie wollte ihm bei verschiedenen Kleinigkeiten helfen doch er hat sie dann nur runtergemacht und gemeint sie solle ihn nicht nerven. Am Sonntag Abend lief ihm dann Blut aus Mund und Nase, dass tut es auch jetzt noch, aber nie wirklich stark.

Diesen Dienstag kam um 23uhr ein Anruf vom heim. Der notarzt würde gerade meinen Vater mit einem lungenödem ins Krankenhaus fahren. Gestern Mittag dann der Anruf von meiner Mutter. Falscher Alarm, die Mitarbeiter im heim hätten die falsche Akte gegriffen und deshalb auch die falschen Angehörigen angerufen. 12 Stunden Panik wegen nichts.

Jetzt sitze ich grad hier und erinner mich an die Worte des Doktors. 1-2monate bleiben ihm jetzt noch. Derzeit pumpen die ärzte ihn mit Schmerzmitteln voll, er muss auch so schon genug leiden, dann aber wenigstens schmerzfrei. Morgen fahre ich mit meiner Mutter zum Anwalt, wir haben nämlich erfahren dass mein Vater kein Testament hat und da mein Bruder auf Sozialleistungen angewiesen ist darf er (vorerst) nicht Erben, da sonst das Haus verkauft werden muss.

Mein Vater ist derzeit nicht ansprechbar, liegt nur auf dem Bett, Augen geschlossen und zu schwach zum reden. Es geht vorbei, dass wissen wir, er war nie der groß Kämpfer. Derzeit wünschen wir uns nur dass es schnell vorbei geht und meine Frau und ich sind froh im Juni geheiratet zu haben. So konnte mein Vater noch mitfeiern. Er hat nichtmal ein Jahr geschafft seit der Diagnose und dabei hieß es im September er könnte noch ein paar schöne Jahre erleben.

Ich weis jetzt nicht ob es hier wen interessiert oder halt nicht. Aber irgendwie musste ich es loswerden und dieses Forum schien mir da das richtige zu sein.

MfG
ruvon
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  #2  
Alt 03.03.2011, 09:41
edith57 edith57 ist offline
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Registriert seit: 21.10.2010
Ort: Österreich
Beiträge: 655
Standard AW: Nicht einmal ein Jahr

Hallo Ruvon

Deine Geschichte interessiert hier sicher sehr viele, denn wir alle sind direkt oder indirekt betroffen von dieser Krankheit und nützen dieses Forum, um uns mal alles von der Seele zu reden oder auch um anderen Trost zu spenden. Es ist gut, dass du das alles aufgeschrieben hast, denn es hilft ungemein, wenn man einmal alles los werden kann und hier wissen alle wovon du redest und was diese Diagnose auch für die Angehörigen bedeutet.

Ich hoffe für euch, dass euer Vater nicht mehr lange leiden muss und friedlich und schmerzlos hinüber gehen darf. Und ich wünsch euch viel Kraft für die kommende schwere Zeit.

Liebe Grüße
Edith
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  #3  
Alt 03.03.2011, 10:13
Olli-Minden Olli-Minden ist offline
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Registriert seit: 31.01.2011
Beiträge: 75
Standard AW: Nicht einmal ein Jahr

Hallo Ruvon,

ich kann mich Ediths Worten nur anschließen. Auch wenn jedes Schicksal hier ein anderes ist, sitzen wir doch alle irgendwie im selben Boot. Es hilft ungemein, sich vieles von der Seele zu schreiben. Außerdem hat man hier das Gefühl, wirklich verstanden zu werden und nicht mit seinen Ängsten, Sorgen und Nöten allein zu sein.
Auch ich wünsche euch für die kommende Zeit viel Kraft und Stärke.

Liebe Grüße
Oliver
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  #4  
Alt 03.03.2011, 11:11
Ruvon Ruvon ist offline
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Registriert seit: 03.03.2011
Beiträge: 3
Standard AW: Nicht einmal ein Jahr

Vielen dank.

Es hat erstmal wirklich geholfen alles aufzuschreiben. Ich kann zwar mit meiner frau über alles reden, aber irgendwie ist es hier schon was anderes wenn man die letzten Monate nochmal zusammenfasst. Die letzten Jahre waren für meine Eltern halt nicht die einfachsten. Meine Mutter war immer der starke Part in der Beziehung, aber auch sie scheint langsam Ende ihrer Kräfte anzukommen ohne dass ich weis wie ich ihr helfen kann.

2008 ist meine Oma (väterlicherseits) einen Monat vor ihrem 97. Geburtstag verstorben. Durch einen dämlichen Sturz war sie in dem alter so angeschlagen dass sie einfach nicht mehr konnte/wollte.
Im Jahr darauf musste mein Vater schonmal ins Krankenhaus, dort musste er wegen starker gesundheitlicher Probleme mehrere Wochen verbringen.
Meine Mutter hat das alles schon sehr mitgenommen da auch mein Bruder nicht ganz gesund ist. Seit seiner Kindheit hat er epelepsie(Rechtschreibung, ich weis jetzt schon dass es bestimmt falsch geschrieben ist) und vor ein paar Jahren kam schitzophrenie dazu. Wir wissen das er nie ein richtiges leben führen wird, aber man versucht was man kann.

Meine Mutter bringt also seit Jahren mehrere Krankenhaus und heim besuche hinter sich. Immer nur am pendeln, daneben noch ganztags arbeiten und den Haushalt. Meine Frau und ich versuchen ihr zu helfen, doch dafür ist sie zu stolz. Ich bin schon froh dass sie mich morgen zur Unterstützung mit zum Anwalt nimmt, so brauch sie den Gang nicht alle machen. Sie hatte halt früher nie mit solchen Sachen zu tun, Geld und recht war die Sache meines Vaters. Und immer wenn ich sie auf etwas anspreche woran sie denken müsse seh ich ihr förmlich an wie sie von der last weiter erdrückt wird.

Geändert von Ruvon (03.03.2011 um 14:31 Uhr)
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  #5  
Alt 03.03.2011, 17:10
irmchen irmchen ist offline
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Registriert seit: 30.01.2011
Beiträge: 54
Standard AW: Nicht einmal ein Jahr

Hallo Ruvon,
ich finde es gut das Du mit deiner Frau sprechen kannst. Ich konnte das mit meinem Mann auch. Aber zum Beispiel nachts, wenn er schlief und ich aus dem weinen nicht herauskam, haben mir hier alle sehr geholfen worüber ich unendlich dankbar bin. Einen geliebten Menschen leiden zu sehen ist das Schlimmste in meinen Augen was passieren kann, glaub mir ich weiß wovon ich rede.

Zu einem Anwalt zu gehen ist sehr gut. Frage mal nach einer Vorsorgevollmacht, sie beinhaltet eine Ehegattenvollmacht +Patientenverfügung. Dinge von denen ich vor 6 Wochen noch nie etwas gehört hatte! Aber sie sind so wichtig!!

Sei einfach für deinen Papa da, es ist eine schwierige Zeit, vor allem für ihn. Wenn Du es kannst begleite ihn bis zum Schluss; das ist zwar hart, aber es wird ihn trotz allem "beruhigen" zu merken dass er das nicht alleine durchstehen muss. Ich wünsche Dir und deiner Familie viel Kraft
lg Irmchen
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  #6  
Alt 04.03.2011, 01:52
undine undine ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.11.2010
Ort: Elmshorn
Beiträge: 910
Standard AW: Nicht einmal ein Jahr

Lieber Ruvon,

es tut mir alles sehr leid und ich weiß genau, wie dud dich fühlst. Ich finde es toll, dass du und eine Frau versucht, deine Mutter zu unterstützen.
Das mit ihrem Stolz kenne ich. Vielleicht kannst du ihr sagen, dass sie dir damit etwas Gutes tut, wenn sie Hilfe zulässt und du sie unterstützen kannst. Weil nichts in schlimmer als die Ohnmächtigkeit, nicht helfen zu können und sie würde dir damit eine Möglichkeit geben, diese Ohnmacht zu überwinden.
Vielleicht kann sie dann Eure Hilfe annehmen, weil sie nicht das Gefühl hat, mit der Doppelt- und Dreifachbelastung nicht fertig zu werden, sondern denkt, dass sie dir hilft, mit der tötlichen Erkrankung deines Vaters umzugehen.

(....aber vielleicht habe ich jetzt auch nur um zu viele Ecken gedacht Ich denke, ich würde es nur auf diese Weise versuchen...)

Auch wenn meine Ma schwerst erkrankt ist, mache ich mir zeitweilig mehr Sorgen um meinen Vater. Deshalb kann ich dich gut verstehen.

Und wie schon gesagt wurde: hier sind all deine Gedanken und Sorgen herzlich willkommen! Mir tut es auch immer gut, alles schriftlich zusammenzufassen und Unterstützung von anderen Betroffen zu bekommen.

Sei lieb gegrüßt!
__________________
_________________________

Ich habe mit Hilfe der Menschen im Krebsforum meine Mutter 2010-2011 bei ihrer Lungenkrebserkrankung (Adenokarzinom) begleitet.
Sie starb Weihnachten 2011.
Danke an alle, die mir geholfen haben. Und alles Liebe für alle, die den Kampf gegen Krebs bestreiten.
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