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  #1  
Alt 05.09.2009, 11:57
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Mimoeschen Mimoeschen ist offline
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Standard Jetzt erst recht!!!!!

Im Februar diesen Jahres bekam meine Mutter die Diagnose Brustkrebs. Sie war mit einem Knoten bei ihrem Arzt, der sagte sie soll in zwei Monaten zur Kontrolle kommen, das sei nichts schlimmes... Sie hatte so ein ungtes Gefühl dass sie trotzdem ins Krankenhaus zur Stanze ging. Das war unser Glück. Zum Zeitpunkt des "Kontrolltermins" war sie schon brusterhaltend operiert worden und hatte die zweite von vier FEC Chemos drin. Diesem unfähigen Arzt würde ich gern die Lizenz entziehen lassen!!!

Nach der Chemo, die meiner Mutter ziemlich zu schaffen machte, wurde sie auf die Bestrahlung vorbereitet. Im vorbereitenden CT des Thorax fand man einen Schatten auf der Lunge. Erst wurde uns gesagt das sei nichts ungewöhnliches nach einer Chemo, wahrscheinlich eine Entzündung oder so. Es wurde eine Bronchioskopie gemacht, gleichzeitig Antibiotika gegeben und schonmal mit der Bestrahlung angefangen. Bei der Bronchioskoie kam nichts heraus, also wurde davon gesprochen, dass es eine Tuberkulose sein kann oder Narbengewebe oder (unwahrscheinlcih) was bösartiges. Es wurde ihr zu einer Biopsie geraten. Da der Schatten sehr ungünstig direkt hinter der Hauptschlagader lag (weshalb man ihn auch nur auf dem CT, nicht auf nem Röntenbild gesehen hätte), sollte sie hierfür in eine Thoraxklinik, sie wurde nach Wiesbaden überwiesen. Hier wurde die Biopsie gemacht. Dass diese ziemlich gefährlich war, eben weil man mehr oder weniger blind durch die Rippen an der Hauptschlagader vorbei in die Lunge sticht, haben meine schwester und ich erst nach der Untersuchung erfahren. Aber ist ja gut gegangen.

Es wurde dann nach eingen Tagen klar, dass man unabhängig vom Ergebnis der Biopsie operieren wird. Weil man sich bei der ungünstigen Lage nicht sicher sein kann ob man tatsächlich Gewebe aus der betroffenen Gegend entnommen hat und nicht gesundes Gewebe.

Das war ein ziemlicher Schock, so richtig hatte da niemand mit gerechnet. Einen Tag vor der OP kamen die Ergebnisse, die Biopsie war ebenfalls ohne Befund und die Ärzte waren sehr positiv, dass es sich um eine Vernarbung handelt. Sie sagten aber auch, dass aus Vernarbungen auch bösartiges werden kann deshalb ist es sowieso besser weg zu machen was weg kann.

Am nächsten Tag, dem 19.8.2009, fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach der Brustkrebsdiagnose, wurde meine Mutter an der Lunge operiert. Sie gingen durch die Rippen am Rücen rein und entnahmen zunächst nur den betroffenen Teil des linken Oberlappen. Im Schnellschnitt bestätigte sich ein bösartiger Tumor, woraufhind er ganze Oberlappen entfernt wurde, sowie 24 Lymphknoten. Derweil saßen wir auf heißen Kohlen. Je länger die OP dauerte, umso weniger glaubwürdig war es, dass alles ok ist. Uns war vorher shcon gesagt worden, dass die OP nur kurz dauern würde, es sei denn man müsse weiter operieren. Im endeffekt operierten sie mehr als 6 Stunden. Am späten nachmittag rief mein Vater mich an und verkündete die Hiobsbotschaft.
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  #2  
Alt 05.09.2009, 12:19
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Mimoeschen Mimoeschen ist offline
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Standard AW: Jetzt erst recht!!!!!

...als ich die Nachricht erhielt war ich gerade mit Freundinnen in der Stadt, genauer gesagt bei DM und bin fast zusammengebrochen. Ich bin völlig hysterisch geworden und wollte nur noch da raus. Ich wusste überhaupt nicht wo ich hin wollte, ich wollte nur weg aus dieser Realität, weg von dieser Nachricht und zurück in mein altes Leben als alles noch Friede Freude Eierkuchen war...

Ich wurde nach Hause gebracht, wo ich nach einiger Hysterie dann in einen Schockzustand verfiel, der die nächsten Tage audauerte. Meine Schwester kam mit ihrem Freund und wir saßen einfach nur da. Keiner wusste was er sagen sollte, keiner wusste wie es weitergeht, alle dachten eigentlich nur noch ans sterben. Der Tag ging irgendwie zu Ende, ich kann mich nicht mehr so genau an diese Stunden erinnern. Der nächste Tag war eigentlich genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer... Auf einmal war es Realität. "Meine Mutter hat Lungenkrebs". Das klang so viel schrecklicher als "Meine Mutter hat Brustkrebs... Aber das haben noch so viele andere Frauen und es ist längst kein Todesurteil..." Lungenkrebs, das klang und klingt immernoch so bedrohlich. So totkrank.

Am nachmittag des zweiten Tages fuhren meine Schwester, ihr Freund und ich nach Wiesbaden, hauptsächlich um meinem Papa gesellschaft zu leisten, der sehr unter dieser Situation litt. Am nachmittag hatten wir kurz mit Mama sprechen können, die konnte sich kaum artikulieren, hatte starke Schmerzen und war von den Schmerzmiteln so zugedröhnt dass man sie nur schlecht verstehen konnte. Aber es tat so gut ihre Stimme am Telefon zu hören... Das nahm der Diagnose schon ein bißchen des Schreckens. Als wir dann da waren wurde ich ziemlich heftig von der Realität getroffen. Meine Mutter lag auf der Wachstation und sie hatten sie gerade das erste Mal aufgesetzt. Sie saß also in einem Rollstuhl, mit Schläuchen, Drainagen, Blasenkatheder etc, war sehr blass, hatte sehr große Schmerzen weil sie sie gerade bewegt hatten, war ziemlich weggetreten von den Schmerzmitteln und sah zusammen mit ihren frischen neuen raspelkuzen Haaren einfach nur sehr krank aus. Ich konnte mir nicht helfen, ich musste den Rest des Tages daran denken dass es jetzt wohl irgendwann so zuende gehen wird. Ich musste die ganze Zeit daran denken, dass es jetzt besser wird und sie jetzt wieder stärker wird und wieder nach Hause kann, aber was ist wenn es NICHT mehr besser wird... Wenn ich weiss sie kommt nicht mehr nahc Hause. DIese Gedanken waren an dem Tag unerträglich. Nach dem Besuch sind wir (es war der heißeste Tag im Jahr, was alles irgendwie noch schlimmer machte) im Hotel meines Vaters noch was essen gegangen. Es war grausam für mich, da in der Sonne zu sitzen und was essen zu müssen während meine Gedanken permanent bei meiner Mama waren. Ich musste die ganze Zeit daran denken dass sie nur eine Straße weiter auf dieser schrecklichen Station mit lauter anderen schwerkranken Menschen liegt und es war einfach nur alls falsch. Es fühlte sich komplett falsch an, ohne sie im Kreis der Familie zu sitzen.

Als ich dann allein im Auto saß brachen alle Dämme und ich hab den Rest des Tages alle Wut und Angst und Verzweiflung rausgeheult.

Am Tag darauf fuhren wir wieder nach Wiesbaden und, wie durch ein Wunder, war meine Mutter schon fit genug um auf die normale Station zu kommen. Es lagen Welten zwischen de ersten und dem zweiten Tag. Und genauso ging es weiter. Ihr ging es jeden Tag zusehends viel besser, nach drei oder vier Tagen war sie dann auch wieder viel klarer wiel die Schmerzmittel gewechselt wurden. Ein Schreckmoment war als ich ihr half die Klamotten zu wechseln und die Narbe sah. Damit hatte ich garnicht gerechnet, dass da kein Pflaster oder Verband drauf ist. Es war eine riesige geklammerte Naht die rund ums Schulterblatt ging und unterhalbt bis vor zur Seite. Sah ziemlich unheimlich aus. Gott sei dank musste meine Mutter sie nicht sehn, ist ja hinten. Sie hat sie bis heute noch nicht gesehn...
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  #3  
Alt 05.09.2009, 12:31
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Mimoeschen Mimoeschen ist offline
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Standard AW: Jetzt erst recht!!!!!

Die Diagnose kam endlich nach langem Warten, über eine Woche nach der OP.

Es war ein frühes Stadium, Ia. Mäßig differenziert, kein Residualtumor, offenbar keine Fernmetastasen (wobei die nicht direkt getestet wurden und ich immernoch nicht weiß wieso...). Fazit: keine weitere Nachbehandlung nötig...

Große Freude... und gleichzeitig... große Unsicherheit. Was ist wenn da doch noch was ist? Was ist wenn der Scheiß zurück kommt? Oder wenn er sich in nem halben Jahr überlegt woanders wiederzukommen? Es war keine Metastase. Es war ein eigenständiger Primärtumor. Man muss sich glücklihc schätzen wenn man Brustkrebs kriegt nur damit in einem CT der Lungenkrebs gefunden wird, der einen vermutlich umgebracht hätte wenn der Lungenkrebs nicht gekommen wäre. Schicksal ist schon ein komisches Ding. Am selben Tag an dem sie meiner Mutter sagten sie muss nicht noch eine Chemo durchmachen wurde ihrer Zimmernachbarin, Ende vierzig, 6 Kinder, gesagt dass man nichts mehr für sie tun kann. Meine Mama hat den ganzen Tag nur geweint, so aufwühlend war das ganze. Es ist so willkürlich. Wen trifft es, wen nicht. Wer schafft es trotzdem, wer nicht??? Selbst wenn die Chance nur 5% sind dass man es schafft, wer sagt einem ob man unter den paar Überlebenden ist oder nicht? Selbst wenn die Chance nur 5% sind dass man stirbt... Das hilft auch keinem, weil irgendwer muss die 5% ja füllen. Statistiken sind einfach nichts wert, wenn es um Einzelschicksale geht...
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  #4  
Alt 05.09.2009, 12:49
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Mimoeschen Mimoeschen ist offline
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Standard AW: Jetzt erst recht!!!!!

Was ich jedenfalls mit dieser langen langen Geschichte sagen wollte ist, dass wir uns nicht aufgeben!!!! Meine Mama hat die beste Prognose die man haben kann. Ich habe oft Angst, meistens ein dumpfes Gefühl in mir was an mir nagt und manchmal steigt die Panik hoch weil man einfach so ausgeliefert ist. Dem Zufall ausgeliefert...

Aber trotzdem!!! JETZT ERST RECHT!!! Diese Krankheit meint sie könnte uns verarschen, aber wir werden das zusammen schaffen. Egal wie es endet. Wir werden so glücklich sein wie es geht und jeden schönenTag genießen. Und ich bin mir sicher meine Mama wird wieder gesund, wird bei meiner Hochzeit dabei sein, wird meine Disputation miterleben und vor stolz platzen, wird eine großartige Oma werden, eines Tages. Sie will und darf einfach noch nicht gehen. Auch nicht in 3 oder 5 oder 10 Jahren. Unsere ganze Familie ist so nah zusammengerückt und ich bin so schrecklich dankbar dafür dass ich so eine großartige Familie habe! Meine Mama ist die Beste und wir werden alles tun was es zu tun gilt um ihr zu helfen. Wir haben schon viel getan. Für eine Tochter ist es schwer, die Mutter schwach zu sehen, die Mutter leiden zu sehen, nichts tun zu können. Das ist der Nachteil eines engen Verhältnisses zu seinen Eltern. Je enger das Verhältnis, umso schwieriger erträgt man es. Vielleicht stimmt das auch nicht, vielleicht ist es gerade anders herum aber mir scheint es so.

Es ist schwer aber man kann so viel tun. Ich habe meiner Mama geholfen wo ich konnte und wo ich meinen Papa entlasten wollte. Ich habe ihr beim Duschen, eincremen, beim Perücken und Tücher aussuchen geholfen, ihr die Haare abrasiert, ihr den Kopf massiert und eingecremt, habe alles gemacht was in meiner Macht stand um ihr zu zeigen dass es ok ist. Dass sie kein schlechtes Gewissen uns gegenüber haben muss weil sie krank is. Dass wir sie mindestens genauso, wenn nicht noch viel mehr lieben. Dass es für keinen von uns schlimm ist, wir berührungsängste haben oder sonst ein Problem. Abgesehen von der Angst. Da reden wir bislang wenig drüber weil es noch nicht so akut ist. Aber wenn es akut werden sollte, dann werden wir auch darüber reden.

Geändert von Mimoeschen (05.09.2009 um 13:26 Uhr)
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  #5  
Alt 06.09.2009, 14:04
aty aty ist offline
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Standard AW: Jetzt erst recht!!!!!

Hallo Mimoeschen,
es ist schön das du deiner Mutter so beistehst. Ich wünsche euch viel Kraft für den langen Weg und hoffe das Sie alles gut übersteht. Die Aussichten sind ja sehr gut noch.
aty
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  #6  
Alt 06.09.2009, 15:10
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Mimoeschen Mimoeschen ist offline
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Hallo Aty,

Danke für Deine Antwort... Ja, noch steht alles offen. Die Angst bleibt trotzdem und ist denke ich für jeden hier gleich. Denn keiner weiß was kommt, egal wie gut oder auch schlecht die Prognose ist, ich denke Krebs ist für jeden gleichermaßen einfach nur angsteinflößend ohne Ende.

Meine Mama ist seit gestern wieder im Krankenhaus, weil sie eienn Infekt hat, Verdacht auf Lungenentzündung. Das erklärt auch, wieso sie so schlecht atmen konnte die letzten Tage. Heute geht es schon wieder etwas besser, sie haben auch die Schmerzmittel neu eingestellt und sie ist zwar wieder etwas duselig aber dafür ruhiger und hat nicht mehr diese schlimme Atemnot...

Ich wünsche Euch allen die hier lesen viel Kraft und würde mich freuen von Euch zu lesen.

Viele Grüße,
Nina
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