Einzelnen Beitrag anzeigen
  #27  
Alt 11.08.2010, 21:12
Benutzerbild von _Viola_
_Viola_ _Viola_ ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.08.2005
Ort: Nähe Köthen/Anhalt
Beiträge: 816
Standard AW: "Leidend Leben oder in Würde sterben???"

Liebe Irchen,

ich bin schon jahrelang in diesem Forum. So eine ähnliche Diskussion gab es hier schon mal. Auch da gab es geteilte Meinungen. Das ist ja auch in Ordnung.

Auch ich bin der Meinung, dass man realistisch bleiben sollte. Als bei meinem Vater SPRK festgestellt wurde, waren wir am Boden zerstört. Das ist aber normal. Dann kam die OP und mein Vater wurde, wie Dein Mann, als geheilt entlassen. Jetzt im Nachhinein finde ich es schon sehr schlimm, dass Ärzte so eine Aussage überhaupt treffen. Ein Jahr ging dann alles gut. Meinem Vater ging es wieder super. Dann kam ein Rezidiv und das war auch sein Ende.

Wir haben schon vor der OP eine Patientenverfügung verfasst. Meinem Vater musste ich von Anfang an versprechen, dass ich immer dafür sorgen würde, dass er nie an irgendwelchen Maschinen dahinvegetieren muss.

Heute würde ich so vieles anders machen. Leider war ich damals in Bezug auf Krebs ziemlich unerfahren. Heute würde ich auf einer Chemo, vor oder nach der OP, bestehen. Dafür ist es aber nun zu spät.

Als bei meinem Vater die LK-Metastase festgestellt wurde, bekam er Chemo und Bestrahlungen. Diese Therapie hat ihm auch geholfen. Die Chemo hat ihm zwar heftig zugesetzt, die Bestrahlungen waren ohne Nebenwirkungen. Das hat ihm nochmal ein Jahr gebracht. Ein Jahr, wo es ihm wieder richtig gut ging. Als dann die LK-Metastase wieder da war, hätten wir auf weitere Therapien verzichten sollen. Wir hatten Hoffnung, dass ihm auch dieses Mal die Behandlungen helfen. Das war leider nicht so. Er bekam Tiefenbestrahlungen, die seine Lebensqualität sehr eingeschränkt haben. Er konnte dann weder essen noch trinken, wurde nur noch künstlich ernährt. Sein Zustand wurde von Woche zu Woche schlechter. Es war schlimm ihn so leiden zu sehen. Das letzte halbe Jahr vor seinem Tod war für ihn und natürlich auch für uns die Hölle. Mir hat es fast das Herz zerrissen.

Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich ihm von der Behandlung abgeraten. Auch wenn er dann kein halbes Jahr mehr gelebt hätte, wäre diese Zeit vielleicht für ihn erträglicher gewesen.

Er hatte dann noch einen Abszess in der Lunge und mein Vater keine Kraft mehr zum Kämpfen. Ich habe die Ernährung einstellen lassen und die Mophin-Dosis erhöhen lassen. So war es auch in der Patientenverfügung festgelegt. Das war der Wunsch meines Vaters und mir ist es nicht leicht gefallen diese Entscheidung zu treffen. Aber ich wusste, dass er es so wollte. Als ich ihm gesagt habe, dass er nicht mehr kämpfen muss, ist er dann ganz ruhig und friedlich eingeschlafen. Somit konnte ich ihm wenigstens ein paar Tage oder auch Wochen Qualen ersparen.

Ich weiß auch, dass positives Denken bei einer Krankheit wie dieser sehr wichtig ist. Wenn aber keine Hoffnung mehr besteht, sollte man der Realität schon ins Auge sehen. Klar sind wir "Angehörigen" nicht selbst betroffen, aber auch wir leiden. Ich weiß auch nicht, was in einem Patienten, der diese schlimme Krankheit hat, vorgeht. Ich hoffe auch, dass ich diese Erfahrung nie machen muss. Mit meinem Vater haben wir viel über die Krankheit gesprochen. Meine Eltern wussten bis eine Woche vor seinem Tod nicht, wie schlimm es um ihn stand. Die Arztgespräche habe alle ich geführt. Mein Vater wollte es so. Ich wollte beiden die Hoffnung nicht nehmen, dass er wieder gesund wird. Wenn man allerdings weiß, dass es keine Hoffnung mehr gibt, aber immer so tun muss, als wenn alles wieder gut wird, ist das sehr schlimm. Ich habe in den letzten 1,5 Jahren, als das Rezidiv aufgetreten ist, kaum eine Nacht geschlafen, habe bis in die Nacht rein vor meinem PC gesessen und geheult. Am Tage musste ich dann wieder so tun, als ob alles in Ordnung ist. Heute weiß ich gar nicht mehr, wie ich das alles geschafft habe. Aber in dieser Zeit funktioniert man einfach nur.

Allen Betroffenen weiterhin alles Gute und ich wünsche allen, dass sie die Krankheit besiegen.

Liebe Grüße
Viola
__________________
Mit Zitat antworten