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Alt 21.02.2006, 00:55
Angi Angi ist offline
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Standard AW: Lebenserwartung

Liebe Geli,

ein schwieriges Thema,ja,wirklich. Ich denke auch dass keiner weiß wann genau einem die letzte Stunde schlägt und dass ist letztlich auch gut so.Aber, leider, es gibt sie dann doch,die Anhaltspunkte, Statistiken,Listen.Und, diejenigen die immer wieder fragen "wie lange hab ich / mein Angehöriger noch". Viel geprägt von dem "genau wissen wollen" ,um etwas zu regeln,einen Anhaltspunkt zu haben. Ich denke es liegt dann an uns eigene Schlüsse zu ziehen.Ich guckte mir, bei Erkrankung meiner Mutter also die Statistik für das überleben eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms an und es traf mich wie ein riesig großer Schock. Ein nicht zu leugnendes Faktum. Es war schlicht so dass so und soviel innerhalb eines gewissen Zeitraumes mit der oder der Diagnose nicht überlebt haben. Ich fragte die behandelnde Ärztin nach ihrer Einschätzung.Und sie gab mir/uns den Rat die nächsten zwei Jahre jeden Tag zu geniessen.Das tun wir jetzt schon bald vier Jahre lang.Das lässt in mir die Hoffnung,jeder Fall,jedes Schicksal ist individuell verschieden.Aber andererseits hat mir die Realität derer Menschen, die die Grundlage für jene Statistiken bilden, auch die Augen geöffnet. Für mich, für uns war es furchtbar mit dem schlimmsten rechnen zu müssen und doch jetzt ein umso größeres Geschenk was wir annehmen durften.
Nein, keiner kann genau sagen was zu hundert Prozent passiert. Trotzdem sind die Menschen auch sehr verschieden was die Annahme ihres Schicksales betrifft.Einer möchte wissen was die Konsequenz aus einem bestimmten Krankheitsverlauf sein kann um sich einzurichten, sein Leben oder seinen Nachlass zu regeln, die Dinge ins Reine zu bringen.EIn anderer will garnicht von schlimmen Nachrichten hören, klammert sich an jeden Strohhalm, will garnicht wahrhaben wie es um ihn selbst oder den geliebten Menschen steht.Und bei den Angehörigen ist es doch ähnlich, mach einer denkt er wäre in einem schlechten Traum und bald müsse man doch aufwachen,ein anderer ist ganz pragmatisch,muss organisieren, will eine mögliche Szenerie kennen um sich vorzubereiten,wieder ein anderer verdrängt komplett und so fort, viele Facetten.

Der Grad zwischen Aufklärung, über die Krankheit, Diagnose,einen möglichen Verlauf und dem Hoffen,dem individuellen Einzelfall ist schwer. Sagt der Arzt nichts und es trifft dich überraschend, schmerzhaft,schnell ,unvorbereitet überlegst du dir nicht noch dieses oder jenes getan haben zu wollen wenn, ja wenn du es nur geahnt hättest?

Ich glaube , in einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Situation könnte man darüber sprechen was für ein Typ man selbst ist, ob man medzinische Details wissen mag und Wahrscheinlichkeiten die in der Vergangenheit Wahrheit für andere waren (denn Statistiken sind ja gewesene Wahrheit, sie unterscheiden sich halt in der Genauigkeit bzw. ihren Parametern und da liegt ja die Hoffnung für den EInzelnen) für sich ins Auge fassen mag. In der Realität stelle ich aber fest,dass es angesichts Zeit-und Personalknappheit als schwierig erweist Grundlagen für ein vertrauensvolles Gespräch zu finden , vom EInfühlungsvermögen des einzelnen Menschen sowohl unter den Ärzten als auch des psychisch angeknacksten Angehörigen oder gar des Betroffenen noch garnicht gesprochen. Ich glaube auch dass es so manchem Arzt ungeheuer furchtbar ankommt gefragt zu werden, "Herr Doktor,wie lange habe ich noch"....was ist wenn er weiß dass die letzten acht von zehn seiner Patienten an fast demselben Krankheitsverlauf verstorben sind ....was, wenn er auch weiß dass davon ein Teil nicht mehr dazu kam diese oder jene Sache zu machen ,weil sie alles an Behandlungsmöglichkeiten ausschöpfen wollten was erfolgsversprechend sein könnte....Ich denke mir, Menschen ohne Sensibilität gibt leider viel zu viele und in Ausnahmesituationen reagieren wir aber wohl nochmals anders .
Jetzt habe ich hin-und herüberlegt und viel geschrieben.Zusammenfassend, weil mich das Thema auch hie und da gedanklich nicht los liess denke ich, man kann es wie beispielsweise eine Statistik des Tumorzentrums München einfach nicht verallgemeinern. Das Individuum, der Mensch, der einzelne mit seinen Gedanken, Gefühlen ,seiner Krankheit ist wichtig.Alles andere ist ein Anhaltspunkt, ein Bild das wir anschaun , analysieren können oder aber auch nur einen kurzen Blick drauf schmeissen um es wieder wegzulegen und zu entscheiden dass uns etwas anderes lieber ist.Das sollte letztlich jeder für sich entscheiden können, das ist oft leider nicht so,

mit liebem Gruß Angi
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