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Alt 02.06.2005, 11:40
Gast
 
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Standard Alles ganz neu...

Hallo Nadine,

mein Vater hat sich der Krankheit zwar insofern gestellt, dass er die medizinisch notwendigen Schritte hat vornehmen lassen, d.h. OP und Chemo (waren schon Metastasen da, regelmässige Untersuchungen und dann wieder OP und dann noch eine.... aber sobald er wieder aus dem KH kam hat er "normal" weiter gemacht, jedenfalls äusserlich. Er war schon im Rentenalter hat aber trotzdem weiter gearbeitet, typischer workaholic... als ich mal fragte ob er nicht etwas kürzer treten will (ich dachte: noch etwas das Leben geniessen...) sagte er nur "ach was soll ich zuhause sitzen und an meine Krankheit denken".... ich denke er hat es zum grossen Teil verdrängt. Auch mit seiner (zweiten) Frau hat er nicht darüber gesprochen, aber ich bin sicher mit mir als seiner Tochter hätte er gewiss nicht über Ängste usw gesprochen. Zwischen Eltern und Kindern ist das bestimmt auch schwierig, und wenn dein Vater Dich schützen will kann ich das gut verstehen. Vielleicht schützt er sich selbst damit auch, ich kann mir vorstellen dass das Thema für die Betroffenen umso schwieriger + schmerzhafter ist, je näher einem der andere steht.-.... und dann das eigene Kind..... ich weiss es aber nicht, weil ich ja nur Angehörige bin bzw. war. Mein Vater ist letztes Jahr im Juni gestorben.

Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: gebt die Hoffnung nicht auf, aber verdrängt auch nicht das was auch kommen kann oder wird, soweit man es denn schafft... ich wünschte jetzt, ich hätte mehr Zeit mit ihm verbracht, aber irgendwie hat jeder (auch er) fast bis zum Schluss so weiter gelebt als sei nichts, als hätten wir ewig Zeit... ich denke aber, er wollte es auch so. Auch wünschte ich, ich hätte mich eher mit dem Thema Tod und Sterbebegleitung auseinander gesetzt, aber ob und wann man das kann und will muss jeder selbst wissen. In unserer Familie war es immer ein extremes Tabuthema, auch mein Vater hat immer einen grossen Bogen darum gemacht. Aber einiges was ich (erst danach) gelesen und erfahren habe, hätte mir denke ich im Ungang mit ihm etwas helfen können. Vielleicht.

Ich denke, das wichtigste ist füreinander da sein. Der Umgang muss garnicht so anders werden.... ich könnte mir vorstellen dass es Betroffene auch nervt wenn plötzlich alle um einen herumeiern oder einem aus dem Weg gehen weil sie nicht wissen was sie sagen sollen, usw.. Ich fand es auch sehr schwierig und wollte immer so gern was TUN. Habe immer gern für meinen Vater im Internet recherchiert, wenn es um Behandlungsmethoden ging, bestimmte Medikamente usw., das fand er wohl auch immer sehr gut, aber selbst in Internetforen oder Selbsthilfegruppen gehen usw. wollte er nicht. Aber er hast wenigstens gemerkt wie sehr ich mich sorge, auch wenn wir keine Familie sind in der sowas "ausgesprochen" wird.

Ich kann gut verstehen dass Du Dich überfordert fühlst. Wie alt ist dein Vater, wie alt bist Du? Ich bin jetzt 42, mein Vater ist 1 Tag vor seinem 68 Geb. eingeschlafen. Ich hoffe das erschreckt Dich jetzt nicht. Jede Geschichte ist anders.....

Aber letzten Endes hält man doch mehr aus als man denkt. Und die Zeit die man jetzt noch hat und nutzt kann einem keiner mehr nehmen. Ich würde versuchen, Deinen Vater so normal wie möglich zu behandeln, darauf zu achten was er für Signale gibt oder ihm Angebote der Hilfe machen.... entscheiden muss er dann selbst. Man muss auch nicht immer alles aussprechen und kann sich trotzdem nahe sein....

Viele Grüsse
Kerstin
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