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Alt 22.02.2013, 01:10
Seestern09 Seestern09 ist offline
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Standard AW: Mama, geht es dir jetzt besser da wo du bist?

hallo mum,

über einen monat ist es her, dass ich dir geschrieben habe und wieder ist ein monat ohne dich vergangen. es ist einiges passiert die letzte zeit und doch hatte ich keine lust dir zu schreiben. warum nur? ich brauche wohl einfach ruhe dazu, die richtige stimmung und ein bisschen trauer. dann wenn du mir wieder so fehlst.. und das kam meist erst, wenn ich im bett lag und an dich dachte. doch dann hatte ich ja keine lust wieder aufzustehen und hier zu schreiben.

weißt du, wir waren ja zu hause bei papa. es war so eine tolle woche. wir konnten so viel zeit miteinander verbringen wie schon lang nicht mehr. ich habe das gefühl, irgendetwas mit ihm zu verpassen durch die weite entfernung. wir beide sind jetzt im besten alter und doch haben wir nicht viel voneinander. früher hat mir das gar nicht so viel ausgemacht, aber seitdem ich gemerkt habe, wie schnell alles gehen kann, ist er mir noch wichtiger geworden. ich hätte ihn so gern in meiner nähe.. wenn ich dich schon nicht hier haben kann. wir waren beim fasching und haben gelacht und getanzt. und ich habe alex gesehen, den engel weißt du noch? er ist immer noch extrem hübsch. er hat mich auch so angeschaut, als wenn er mich mit dir in verbindung bringen könnte. denn ich denke, dass er papa noch kennt... dann habe ich miir vorgestellt, wie ich ihm sagen müsste, dass du gestorben bist und dann hat mir noch ein arbeitskollege von papa sein beileid ausgesprochen. er wusste nicht, was dir passiert ist, aber er kannte dich auch..andreas hieß er, glaub ich. er hatte so eine trauer im gesicht. ich kann das nicht ertragen. zum glück begegne ich diesen leuten nicht ständig, damit sie mich nicht SO angucken, mit mitleid.
dann haben wir noch oma in der kur besucht. sie hat die op echt gut weggesteckt. erstaunlich, was sie alles noch in ihrem alter abhält. mit opa haben wir dann den kraftakt begonnen und die letzten dinge von dir durchgeguckt.. in der lagerhalle. alles musste so schnell gehen, weil benny und opa angenervt waren und es auch so kalt war. ich musste mich so schnell entscheiden, trennen, verabschieden. es waren nicht mehr viele sehr persönliche dinge von dir, trotzdem habe ich daran gehangen, weil sie mir dich ein bisschen wieder geben. in ejdem stück stecken erinnerungen an dich und deine persönlichkeit... erinnerungen an meine tolle kindheit bei euch. ich konnte auch vieles nicht mitnehmen, da ich einfach den platz nicht dafür habe. 2 kisten haben wir nun im auto mitgenommen und eine schickt mir dein bruder dann noch zu. und eine riesige kiste wird papa zur oma schaffen. denn da ist nur spielzeug von mir drin. irgendwie konnte ich mich davon nicht trennen. im nachhinein ist mir noch etwas eingefallen, was ich doch gern behalten will. da muss ich mit oma nochmal drüber reden, dass sie mir das nochmal aussortiert und aufhebt.
wir waren auch bei lutz seinen eltern auf der durchreise. war wieder sehr schön bei ihnen. sie sind immer so lieb zu mir sie haben mir etwas geld mitgegeben und davon habe ich einen strauß für dein grab gekauft. lutz habe ich leider nicht gesehen. ihm geht es auch gar nicht gut.. mama. er leidet sehr. ob er es jemals verarbeiten kann? er hat auch wieder bisschen mist angestellt, wenn du verstehst, was ich meine. aber ich denke, er fängt sich wieder. er hoffe er hat daraus gelernt.

der besuch an deinem grab hat mich auch wieder sehr mitgenommen. ich dachte ich reagiere cooler, da nun so viel zeit dazwischen lag. im juni, kurz nach der bestattung, war ich das letzte mal an deinem grab. und jetzt wieder... es war so traurig. ich will es nicht wahrhaben, dass dort alles endet? von da aus gibt es nichts mehr von dir als nur noch ein bisschen asche an einem winzigen fleck erde? oft noch denke ich darüber nach, wie es dir ergangen ist... immer wieder sind es die selben bilder und sicherlich schreibe ich auch schon seit ewigkeiten von den selben bildern, aber ich vergess es einfach nicht, wie du oftmals leiden musstest. wenn ich manchmal extreme kopfschmerzen oder migräne habe, dann fühle mich so elend und ausgenockt und dann denke ich: wie hat mama das nur ertragen? man geht doch vor die hunde mit solchen schmerzen. und immer wieder bist du doch aufgestanden und hast gekämpft und nichts hat es gebracht. nun wirst du mich nicht mehr in meinem leben begleiten können. wenn ich täglich mit alten omis auf der arbeit zu tun habe, denke ich oft an dich und frage mich, wie du wohl ausgesehen hättest mit 80.. so faltig und meckernd mit gehhilfe und stolz auf kind und enkel. warum wurde dir das vergönnt?

nun kommt am montag mein geburtstag. der erste ohne dich ich werde keine blumen von dir bekommen, keinen anruf um 12, keine sms und kein paket. deine stimme kann ich nicht hören und keine lieben worte von dir. ich kann nur in mich hinein hören und fühlen, was du mir sagen würdest.. dass was du mir immer sagtest: ich liebe dich mein spätzchen. du bist mir das wichtigste auf der welt..... ich habe noch den brief, der letztes jahr den blumen beilag. da schriebst du mir, dass ich nicht traurig sein soll wegen dir und dass du das schaffen wirst. daraus ist nichts geworden und dann wird es nicht mehr lang dauern und dein geburtstag kommt. dein todestag..wieder weihnachten ohne dich und wieder mein geburtstag. jahr für jahr ist es stückchen mehr abschied von dir, von der besten mama, die ich mir hätte wünschen können. ein mensch, den meine kinder nie vermissen werden, wo ich doch so viel drum getrauert habe. ich werde nie verstehen, wo du nun bist und warum alles so schnell gehen musste. warum durfest du mir nichts mehr sagen? warum hat er dir alles genommen, sogar dein sprache? das im hospiz warst nicht mehr du..das war der rest, was der tumor aus dir gemacht hat. ich habe dich trotzdem jede sekunde geliebt und die zeit mit genossen, egal wie schwer sie war. denn du brauchtest mich...

mama.. morgen habe ich mal wieder ein vorstellungsgespräch. vielleicht ist das ja mal was. sei einfach bei mir, so wie immer. ich liebe dich.

dein spätzchen
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Über die Zeit lernen wir mit dem Verlust umzugehen,
wir müssen es einfach ertragen,
aber die Einsamkeit und die tiefe Trauer bleiben immer.

meine geliebte Mama
24.03.1964 - 22.05.2012

Diagnose Glioblastom Januar 2012.. 5 Monate.. es ging viel zu schnell
Erinnerung an eine Kämpferin
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